Team: Aschenputtel
Prompt: Sich jemandem öffnen (romantik - für mich)
Wörter: 780
Original: Uhrwerkträume
Charaktere: Sidean Feder, Emmit Unruh
Ort, Zeit: Blenstett, 1891
Inhalt: Nach seinem Vorsprechen vor dem Zunftrat findet Sidean Feder sich bei Emmit Unruh in der Wohnung wieder. Direkte Fortsetzung
hier von.
Kommentar: Es ist nicht ganz so sich-öffnend geworden, wie beabsichtigt. Die beiden sind da einfach nicht sozial kompetent genug für ... aaaber es kommt ein offener Koffer vor! Und Türen werden auch geöffnet. Und Möglichkeiten er- ......
Es ist achtzehn Uhr und vierundfünfzig Minuten. Die Blenstetter Straßen sind bereits dunkel, aber in der Töpfergasse stehen keine Straßenlaternen um dieser Dunkelheit entgegen zu wirken.
Sidean Feder sitzt auf der Eingangstreppe zur Hausnummer 19, die Arme um seine Knie geschlungen. Er hätte einen wärmeren Mantel einpacken sollen. Aber er hatte doch nicht geplant seinen Abend auf der Straße zu verbringen.
Eine Turmuhr schlägt zur vollen Stunde. Sidean Feder nimmt seinen Hut ab um sich darunter durch die Haare zu fahren.
Das Rumpeln einer heranfahrenden Taxe lässt ihn aufblicken. Der Wagen hält an der Straßenecke, eine zierliche Gestalt springt aus der Gondel, der Kutscher holt ihr einen Koffer aus dem Kofferraum.
Eine kurze Diskussion, dann fährt die Taxe davon. Die zierliche Gestalt hieft ihren Koffe vom Boden und wankt in Feders Richtung.
In der Dunkelheit kann Feder nicht erkennen wer sie ist, trotzdem springt er - dem Wunsch, wenigstens etwas an diesem Tag richtig zu machen, folgend - auf und eilt ihr entgegen um seine Hilfe anzubieten.
Er hat sie noch nicht erreicht, da begrüßt sie ihn schon:
„Herr Feder!“, sagt sie.
Zum zweiten Mal an diesem Tag bleibt Feder mitten auf einer Straße stehen.
Diesmal jedoch tut Emmit Unruh es ihm gleich.
„Sie haben ihren Koffer im Zunfthaus vergessen“, teilt sie ihm mit.
Feder lacht verlegen. Er will ihr den Koffer abnehmen, für einen kurzen Moment berühren ihre Hände sich. Sofort wendet Feder sich ab und lässt Emmit, eine Entschuldigung murmelnd, mit seinem Koffer stehen.
Emmit lässt sich davon nicht beirren. Den Koffer weiter mit beiden Händen haltend, macht sie sich auf den Weg zu ihrer Haustür. Dort stellt sie das Gepäckstück ab und gräbt in ihren Manteltaschen nach dem Haustürschlüssel.
„Luzie hat gesagt, sie werden bei uns wohnen?“
Sie öffnet die Haustür und steigt die Treppen empor, ohne sich einmal umzublicken ob Feder und sein Koffer ihr folgen.
Auch in ihrer Wohnung angekommen sagt Emmit kein Wort zu Feder. Schweigend hängt sie ihren Mantel auf, tauscht ihre Stiefel gegen Pantoffeln und legt Kohlen im Ofen nach.
Sidean Feder sieht sich derweil in ihrer Stube um. Ein kleiner Esstisch, das Klavier seiner Schwester und darauf, halb unter einem Tuch verborgen, ihre Bratsche. Neben dem Klavier lehnt ein ungerahmtes Ölgemälde an der Wand. Abstrakte Formen und Farbflächen stürzen da ineinander und lassen Feder in ihrem scheinbar strukturlosen Durcheinander doch das bunte Treiben auf einem Jahrmarkt erkennen.
Vor dem leeren Bücherregal stapeln sich drei Koffer. Der oberste ist geöffnet, darin liegen verschiedene Bände über die Gesundheit und Krankheiten des Menschlichen Körpers und der Seele.
“Haben Sie sich noch nicht in Ihrer neuen Wohnung eingelebt?“, versucht Feder die herrschende Stille zu brechen. Er bekommt keine Antwort. Als wäre er überhaupt nicht anwesend füllt Emmit eine Gießkanne mit Wasser und beginnt damit ihre Runde durch die Stube.
„In ihren Briefen hat Luzie so sehr von der alten Wohnung geschwärmt, dass ich gar nicht verstehe, weshalb Sie umgezogen sind.“
„Mein Bruder hat sich in der alten Wohnung aus meinem Schlafzimmerfenster gestürzt“, antwortet Emmit trocken.
Feder würde gerne das gleiche tun aus lauter Verlegenheit. Er stammelt Entschuldigungen, denen Emmit mit ausdrucksloser Miene zuhört.
„Wollen Sie Ihre Jacke nicht ausziehen?“, unterbricht sie ihn endlich.
„Und sich setzen?“
Mit diesen Worten verschwindet sie durch eine Tür. Nach zwei Minuten kehrt sie durch die andere Tür zurück. Sie stellt ihre Gießkanne ab und setzt sich, Feder gegenüber, an den Esstisch.
Fünf Minuten sehen die beiden schweigend einander an, oder genauer, an einander vorbei.
Schließlich ist es Emmit, die das Wort ergreift.
„Luzie sucht die ganze Nordstadt nach Ihnen ab“, sagt sie.
„Sie war fest davon überzeugt, dass Sie nicht hier her kommen würden.“
Feder sagt nichts.
„Haben Sie ihr Projekt dem Zunftrat vorstellen können?“, fragt Emmit nach weiteren zwei Minuten.
Die Augen von Feder heften fest an seinen Händen. Er habe es versucht, gesteht er, aber die Uhrmachermeister des Zunftrats hätten ihm kein rechtes Gehör geschenkt.
„Natürlich nicht“, nickt Emmit und als Feder sie darum irritiert ansieht, fügt sie hinzu:
„Mein Vater versucht seit Jahren, seine Projekte als Projekte anerkennen zu lassen. Aber das einzige, das die Herren vom Zunftrat interessiert sind effektivere Uhrwerke.“
„Ah“, macht Sidean Feder.
„Das Gute ist, so lange er hin und wieder einen Stempel auf ihre Uhrwerke setzt, interessiert es sie nicht wirklich, was er in seiner Werkstatt treibt“, sie überlegt.
„Haben Sie ihre Konzepte dabei?“
„Ja, aber-“
„Darf ich sie mir ansehen?“
Feder runzelt die Stirn, fährt sich durchs Haar.
„Was versprechen Sie sich davon?“, fragt er.
Emmit zuckt mit den Schultern. Sie sei relativ gut vertraut mit der Arbeit ihres Vaters, erklärt sie.
„Ich könnte Ihnen sagen, ob es Sinn hat, wenn Sie mit Ihrem Projekt direkt zu meinem Vater gehen.“
„Wozu-“
„Vielleicht möchten Sie Ihren Meistertitel ja doch nicht als Spielzeugmacher erlangen.“