Team:Aschenputtel
Challenge: Orte - im Schrank - fürs Team
Fandom: Monsta X - All In
Titel: Wunder gibt es nimmer wieder
Inhalt: Minhyuk denkt über Zaubertränke nach.
Anmerkung: Erneute Wichtelei und das hier ist ein winziger Teil eines gigantischen Headcanons, den ich dann in hundert Jahren mal aufschreiben werde, jaja, natürlich. Prompt hart ignoriert, verdammt, es tut mir leid ...
Basiert auf diesem wunderschönen Musikvideo von dieser wunderschönen Kpop-Boyband. Wunder gibt es nimmer wieder
„Schon wieder?“
Jooheon verschränkt die Arme vor der Brust und kneift die Augen zusammen, doch Minhyuk kann nicht mal so tun, als hätte er Angst vor jemandem, dem gelbe Plastikstückchen in den Haaren hängen und der Pausbäckchen hat wie die fetten nackten Engelchen in der Kirche.
Er schaut trotzdem auf seine Schuhe hinunter, immerhin will er was von Jooheon und Minhyuk ist sehr gut darin, zu bekommen, was er will.
„Ich hab‘s verloren.“
„Du hast meinen Trank verloren?!“
Das war nicht die schlauste Taktik, doch Minhyuk hat seit Tagen nicht geschlafen und ist zweimal von den Nachtwachen verdroschen worden, sodass sein Kopf nicht mehr zu Höhenflügen in der Lage ist.
„Ich hab ihn nicht dort verloren, wo ihn jemand finden könnte“, murmelt er.
Sein Blickt steigt wieder vom Fußboden auf und bleibt an dem gläsernen Konstrukt hinter Jooheon hängen. Mehrere kleine Gefäße hängen an unterschiedlich langen Fäden von den Streben des Gewächshauses und schwingen gemächlich über einem winzigen rauchenden Feuer hin und her. Innen schwappen Flüssigkeiten in blau, gelb und rot gegen das zerkratzte Glas und alle paar Sekunden verpufft eine Blase und gibt winzige glitzernde Wölkchen frei, die durch die Löcher im Dach nach oben steigen. Minhyuk stellt sich vor, wie sie draußen vor der Tür wieder abregnen und den ganzen überwucherten Weg mit Glanz überziehen.
„...-hyuk. Minhyuk!“
Minhyuk schüttelt den Kopf. „Was?“
„Ich hab dich gefragt, wo du den Trank verloren hast.“ Jooheon tritt einen Schritt nach rechts, sodass sein Kopf die glitzernden Flaschen verdeckt und Minhyuk ihm in die Augen schauen muss.
„Am Fluss. Im Fluss, um genauer zu sein“, lügt Minhyuk. „Die Nachtwache hat mich erwischt und ich musste baden gehen.“
„Oh.“ Sofort verliert Jooheon seinen misstrauischen Ausdruck, er zieht die Brauen zusammen und beißt sich auf die Lippe. „Siehst du deshalb so aus?“ Er zeigt ungefähr auf Minhyuks zerrissene Jacke und seine aufgeschlagenen Knie, doch wie immer wenn es um körperliche Schmerzen geht, kann Jooheon nicht lange hingucken. Für eine Hexe ist er eine ganz schöne Memme, aber diesen Witz haben sie so oft gebracht, dass Minhyuk ihn sich spart.
Er will nur seinen Trank und dann hier weg. Heute ist kein guter Tag, um sich mit Jooheon zu unterhalten, der immer laut und lieb und aufgeregt und ängstlich ist und alles für sie tun würde und bei dem Minhyuk schon an guten Tagen das Gefühl hat, er würde ihn mit seiner puren Anwesenheit verderben.
Er weiß, dass das nicht stimmt. Jooheon macht genau so viel illegalen Scheiß wie sie alle, doch anstatt dass er wie Minhyuk die Augen vor Sachen verschließt, die ihn nichts angehen, stürzt er sich auf jeden halbwegs hilfsbedürftigen Menschen und stopft ihn mit seiner Liebe voll, bis derjenige entweder platzt, Jooheon eine runterhaut oder für immer an seiner Seite bleibt.
Dass er keine kleinen Kätzchen rettet ist auch alles, doch dann fällt Minhyuk ein, wie abgemagert, verfiltzt und großäugig Changkyun gewesen war, als Jooheon ihn in seinem Schuppen gefunden hat. Kleine Kätzchen sind im Moment also nur ausverkauft.
„Hm“, macht Minhyuk. Und weil er genau weiß, welche Knöpfe er bei Jooheon drücken muss, legt er den Kopf schief bis sein Nacken knackt und fügt hinzu: „Hat ziemlich wehgetan.“
„Du musst besser aufpassen“, erklärt Jooheon, doch er klingt völlig entsetzt, so als sei das das Schlimmste, was er jemals gehört habe, obwohl von der Nachtwache erwischt zu werden für arme Schlucker wie Minhyuk so alltäglich ist wie Regen.
Aber in Jooheons Welt regnet es sogar in ihrem staubigen zerstörten Slum nur Glitzer.
„Und beim Baden gehen hast du das Fläschchen verloren?
„Hm“, macht Minhyuk wieder. Die erste Regel beim Lügen lautet, niemals zu viel zu sagen. Die anderen reimen sich den Rest meistens zusammen und ziehen dann genau die Schlüsse, die sie ziehen sollen. „Es liegt im Fluss.“
Minhyuk schließt die Augen. Das ist nicht mal gelogen. Er hatte den Trank wirklich verloren, nachdem die Nachtwächter ihn in den Fluss gejagt hatten, doch den Rest der Nacht verbrachte er damit, jeden Zentimeter des Uferschlamms umzugraben, um ihn wiederzufinden und als er nach Stunden endlich seine blutig geschabten Nägel um die Flasche schließen konnte, wurde ihm klar, dass er noch eine brauchte. Nur für den Fall der Fälle.
„Ich dachte, du hast ihn schon längst benutzt“, sagt Jooheon. Er dreht sich um und bückt sich unter seiner Glaskonstruktion hinweg, um in einer Kiste zu wühlen.
„Es gab noch keine Gelegenheit.“
„Ah.“
Jooheon murmelt leise vor sich hin, wirft Drahtrahmen auf den Boden neben der Kiste und flucht, wenn er sich in die Finger sticht und Minhyuk schaut wieder in den Glitzer unterm Dach.
Ein paar Augenblicke später steht Jooheon vor ihm und hält ihm den Trank in einer kleinen Flasche mit einem verblichen roten Schraubverschluss vor die Nase. Diesmal hat sie die Form eines Fisches, der auf seiner Schwanzflosse steht und mit großen Glubschaugen seine Umwelt anschielt.
Minhyuk streckt die Hand danach aus, doch Jooheon reißt die Phiole wieder an sich.
„Weißt du noch, was ich dir beim letzten Mal gesagt habe?“
Minhyuk stöhnt. Natürlich weiß er das noch. Jedes Mal bevor Jooheon ihnen einen seiner Zaubertränke aushändigt, sagt er, dass er nicht zaubern sondern nur hexen kann, betet ihnen lang und breit vor, was diese Tränke alles können und insbesondere, was sie nicht können und was sie auf keinen Fall damit versuchen sollten.
„Klar weiß ich das noch“, sagt Minhyuk.
„Der Trank kann deine Probleme nicht lösen...“
Minhyuk stöhnt und presst die Hände vors Gesicht. „Wenn ich Geld hätte, würde ich dich bezahlen, damit du aufhörst zu reden!“
„...er kann dir nur ein bisschen dabei helfen.“ Jooheon lässt sich nicht beirren. Wahrscheinlich lernt er jeden Tag eine Predigt auswendig, um ihnen jeglichen Spaß an Hexerei zu nehmen, als würde er nicht ständig irgendeinen Teil seines Gewächshauses anzünden, weil eins seiner Experimente schief geht.
Alter Heuchler, denkt Minhyuk, doch er beißt die Zähne zusammen und lässt die lange, ermüdende Wortlawine auf sich niedergehen.
„Er verstärkt nur, was schon da ist“, sagt Jooheon nach einer detaillierten Schilderung, welcher Temperatur man den Trank aussetzen darf, und dann hält er plötzlich in seiner Tirade inne und wirft Minhyuk einen mitleidigen Blick zu. „Wenn … die Person keine Gefühle für dich hat, dann wird der Trank nicht wirken.“
Das hat er beim letzten Mal nicht gesagt. Schlagartig wird Minhyuk wütend, zieht seine Jacke enger um sich und baut sich vor Jooheon auf. Der quiekt und weicht sogar einen Schritt zurück, stößt mit dem Kopf gegen die Gläschen, die wie sturmgeschüttelt klirren.
„Sie hat Gefühle für mich!“, faucht Minhyuk. „Ich weiß es!“ Er grapscht nach dem Fläschchen. Jooheon schreit auf, stolpert nach hinten und schlägt völlig fahrig nach Minhyuks Gesicht, doch er erwischt ihn nicht, bleibt nur mit der Hand an den Gläsern hängen, und reißt zwei davon herunter. Eins zerplatzt sofort auf seinem Kopf. Minhyuk duckt sich, doch die heiße rote Suppe erwischt ihn trotzdem an der Stirn, er zuckt zurück, hört Jooheon schreien, er greift blind nach der Phiole, zerrt sie aus seinem schwächer werdenden Griff und dann rennt er so schnell er kann aus dem Gewächshaus, den braunbegrasten Hügel hinunter und flieht in die verschlungenen Gassen.
Zuhause angekommen kniet Minhyuk sich auf den Boden und schaut sich um. Außer ihm wohnt niemand in diesem verrottenden Holzbau, nur ein paar Ratten oder Marder, und falls die sich zusammentun, um ihn zu erledigen, hätte er sowieso keine Chance.
Trotzdem. Der Schrank, den er nun öffnet, birgt all seine Geheimnisse und er will keine fremden Augen riskieren. Die hintere Wand des Schranks schimmelt bereits und gibt ein morsches Geräusch von sich, als Minhyuk sie mit beiden Händen herausnimmt und neben sich auf den Fußboden legt. Dahinter kommt ein kleines Loch in der Wand zum Vorschein.
In der spinnwebenverseuchten und feuchtkalten Schwärze im Inneren liegt ein Foto von einer Frau, die nicht Minhyuks Mutter ist, ein bisschen Geld, das er niemals ausgeben wird, und ein handtellergroßer Beutel aus blank geriebenem Leder, der vollgestopft ist mit kleinen Phiolen voller Zaubertränke aus Jooheons Gewächshaus.
Minhyuk braucht sie nicht ansehen, um zu wissen, dass die meisten davon blau sind, so wie der, den er gerade aus seiner Tasche zieht, um ihn in den Schrank zu legen.
Er bestiehlt Jooheon seit Monaten. Die gelben Tränke helfen gegen Kopfschmerzen, er weiß nicht, wofür sie eigentlich gedacht sind, die roten machen ihn müde, wenn es sonst nichts schafft. Er klaubt zusammen, was er finden kann, nachts, wenn Jooheon sich bei Shownu vergräbt, weil er zwar mit Feuer hext, aber auch Angst im Dunkeln hat. Bisher ist es Jooheon nicht aufgefallen und Minhyuk hat niemals so viel genommen, dass der Verdacht auf ihn fallen könnte.
Er will überhaupt nicht stehlen. Aber er fühlt sich nur dann gut, wenn er weiß, dass er einen kleinen Vorrat hat, auf den er zurückgreifen kann, wenn ihr Hexenzirkel endlich entdeckt und verbrannt werden wird.
Natürlich hofft er nicht drauf. Natürlich will er nicht, dass es passiert. Doch Minhyuk hat genug gesehen, um zu wissen, dass die schönen Dinge niemals lange andauern schon gar nicht in ihrer Welt.
Die Gläschen klicken aneinander, als Minhyuk seinen neusten Schatz in den Beutel zwängt. Das Bändchen lässt sich kaum noch zusammen knoten.
Er könnte es wegschmeißen. Das ganze Säckchen nehmen und gegen die Wand schleudern, damit niemand jemals raus findet, was er getan hat, er könnte sich entschuldigen und Hyungwon endlich sagen, was los ist. Einen Moment lang wiegt er den Beutel in den Fingern und umfasst ihn so fest, dass die Gläschen knirschen.
Dann legt er ihn wieder neben das Foto, setzt die Wand ein, kriecht dann in den Schrank und schließt die kaputten Türen, bis nur noch ein winziger Spalt Licht in sein Verlies fällt.
Minhyuk legt die Arme um sich selbst und das Kinn auf seine Brust. Seine Stirn pocht unangenehm vor sich hin und er wischt sich immer noch rotes, flockig getrocknetes Zeug aus den Haaren.
Endlich fängt er an zu heulen. Er schluchzt und stopft sich die Faust in den Mund, damit ihn niemand hört, aber er kann sich nicht zum Schweigen bringen. Er wollte Jooheon nicht wehtun. Er wollte nicht, dass er sich erschreckt, weil er weiß, dass Jooheon jedes Mal zusammenzuckt, wenn auch nur jemand mit lauter Stimme redet.
Doch Jooheon hätte nicht sagen dürfen, dass Hyungwon vielleicht keine Gefühle für Minhyuk hat.
Niemand darf das sagen.
Nicht Jooheon.
Nicht Wonho.
Nicht einmal Hyungwon, weswegen Minhyuk ihn niemals fragen wird.
Er hortet die Tränke und wartet auf die perfekte Gelegenheit. Er braucht mehrere, falls etwas schief geht, falls ein einziges Gebräu aus blauen Blumen, Erde und Rattenblut, oder was auch immer Jooheon zum Hexen braucht, nicht reicht, damit Hyungwon vergisst, wie wenig Wert Minhyuk besitzt.
Damit er sein weißes, krankes Haar nicht mehr sieht oder sein zerstörtes Haus oder sein zerbrochenes, zielloses, ständig hungriges völlig leeres Leben.
Minhyuk weiß nicht, wie viele Tränke dafür notwendig sind, doch das Beutelchen neben ihm wird vermutlich nicht reichen. Vielleicht wird er Hyungwon bloß mit einer Überdosis umbringen.
Ein weiteres zittriges Einatmen später muss Minhyuk wenigstens nicht mehr weinen, doch er bleibt im Schrank sitzen und wartet, bis die Kälte und die Schimmeldünste in jede Falte seiner Jacke gekrochen sind.
Er wird es niemals ausprobieren, Hyungwon einen Trank zu geben. Das kalte, wackelnde Vielleicht, das momentan Minhyuks Tage bestimmt, reicht ihm völlig.
Es ist besser als Ablehnung.
Und an ein Wunder glaubt er nicht.
-Ende