Team: Aschenputtel
Challenge: Orte - Friedhof (fürs Team)
Wörter: 454
Fandom: Original (
Lies, Damn Lies and Statistics)
Charaktere: Thorben Degener, Karl Degener
A/N: Lange her, dass ich in diesem Original rumgeschrieben habe… Als Erklärung: Frank Degener und Lucien Renard haben ihre halbe Jugend lang ne Hassliebe-Geschichte laufen und sterben dann jung. Thorben und Karl sind Franks Brüder.
Thorben schob die Hände tiefer in die Taschen seines Mantels, weniger gegen die Kälte, mehr gegen das komische Gefühl. Karl an seiner Seite lächelte ihm aufmunternd zu und Thorben zuckte mit den Achseln. Es gab keinen Grund, sich komisch zu fühlen, es war bloß, dass er sich kaum an Frank erinnern konnte. Klar, da waren Horrorfilme, Fußball und die Katzen, aber hier auf dem Friedhof fühlte sich das auf einmal nach zu wenig an.
Natürlich, er war erst zehn gewesen, als Frank nach Kalifornien abgehauen war. Und in den Jahren danach hatten sie einander nur sporadisch gesehen. Bis der Anruf gekommen war. Thorben konnte sich gut daran erinnern, dass Karl damals am Boden zerstört gewesen war, aber er selbst hatte nur bedingt verstanden, was passiert war. - Der Unterschied zwischen San Diego und dem Stadtfriedhof war erschreckend gering gewesen.
Seit der Beerdigung vor sechs Jahren war er nicht mehr hier gewesen.
Wahrscheinlich war sein komisches Gefühl bloß ein schlechtes Gewissen.
„Sind das Erdbeeren?”
Es waren nur zwei kleine Erdbeerpflanzen, die auf beiden Seiten des Grabsteins standen und bemittleidenswert die Blätter hängen ließen.
„Woher kommen Erdbeeren auf einen Friedhof?“
Karl zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung, die müssen so vor zwei Jahren hier aufgetaucht sein. Vater und ich fanden‘s irgendwie… gut, also haben wir sie stehen lassen. Frank mochte Erdbeeren.“
„Das wusste ich gar nicht.“
„Na ja, wer mag keine Erdbeeren?“
Thorben schnaubte. Natürlich.
Für ein paar Minuten standen sie schweigend nebeneinander am Grab. Thorben hatte das Gefühl, dass er etwas sagen sollte. Oder wenigstens denken oder fühlen. Konnte man jemanden vermissen, den man nie wirklich gekannt hatte?
Karl räusperte sich. „Sollen wir?“
„Klar.“
„Und wie geht‘s deiner Freundin? Lena oder wie hieß sie?“
Thorben grinste. Gespräche mit Karl waren immer ein bisschen unbeholfen, das brachten die achtzehn Jahre Altersunterschied wohl so mit sich.
„Luisa. Sie ist jetzt wieder mit ihrem Ex zusammen.“
„Oh.“
„Ja. Wie läuft diese Sache mit der Ehe?“
Lachend stieß Karl ihm einen Ellbogen in die Rippen. „Ich kann nicht - Oh, sie nur. Erdbeeren.“
Er hatte recht. Ein Grab ein paar Meter vor ihnen war tatsächlich völlig mit Erdbeerpflanzen bedeckt.
„Wer pflanzt denn Erdbeeren auf ein Grab?“ Thorben beugte sich vor, um die Aufschrift auf dem schlichten schwarzen Stein lesen zu können. „Lucien Renard. Klar. Franzose.“ Mit einem Grinsen drehte er sich wieder zu Karl um, aber der starrte bloß den Grabstein an.
„Renard...“ Er war ungewöhnlich bleich.
„Karl?“
„Ich wusste gar nicht, dass er...“ Karl schüttelte den Kopf. „Scheiße.“
Thorben verstand kein Wort. „Kanntest du ihn?“
„Frank. Sie waren in einer Klasse. ...Erdbeeren.“ Als er sich umdrehte, lächelte Karl versonnen.
Thorben zog eine Augenbraue hoch, aber fragte nicht nach. Lucien Renard. Offenbar noch etwas, von dem er nichts gewusst hatte.