Titel: Geständnisse
Team: Weiß (Titanic)
Challenge: Crack/Humor: Poesiealbum - Für mich
Fandom: Tatort Münster
Rating: PG-13
Genre: Gen/Preslash, Fluff, Humor
Warnungen: None
Zusammenfassung: Thiel und seine verdammte Neugierde…
Wörter: ~1550
Anmerkungen: Irgendwann, irgendwie, irgendwo unterwegs hat diese Bunny die komplett falsche Abzweigung bekommen. In meinem Kopf war das alles viel sinnvoller und witziger und pointierter und überhaupt… Aber egal, ein Punkt ist ein Punkt und die Weltherrschaft winkt am Horizont, also will ich mal nicht zu kleinlich sein.
Ist in gewisser Weise das Prequel
hierzu.
Geständnisse
Thiel rieb sich das Handgelenk, als er die Treppen zu seiner Wohnung hinaufstieg. Es hatte ja wirklich gutgetan, die Billardkugeln in den Fernsehern dieses illegalen Wettlokals zu versenken - auch wenn es streng genommen nicht ganz richtig gewesen war - aber sein Unterarm bewies ihm gerade sehr deutlich, dass seine Tage als bester Schlagballwerfer der 9c lange vorbei waren. Immerhin, es hatte seinen Dienst getan. Er hatte sein Geld wieder, sein Vater würde sich zukünftig dreimal überlegen, ob er ihn um Geld bat und der Wirt veranstaltete so schnell keine illegalen Pferdewetten mehr. Obendrein hatte sein Vater da auch noch Hausverbot bekommen - ‚Tut mir leid Herbert, Deine Verwandtschaft ist mit zu unberechenbar.‘ Ein Gewinn für alle Beteiligten. Und der Fall war auch gelöst. Verdammter Münsteraner Geldadel. Die glaubten auch tatsächlich, sie konnten sich alles erlauben. Das einzige Manko des Abends blieb damit, dass er den Abend in seiner kalten, dunklen Wohnung verbringen musste. Er mochte sein Geld zwar wiederhaben, aber die Stadtwerke konnte er trotzdem frühestens Montag bezahlen.
„Na denn… gute Nacht!“
Er dreht sich nicht um zu Boerne, der ganz uncharakteristisch still hinter ihm die Treppen hochgestiegen war. Überhaupt hatte er kein Wort mehr gesagt, seitdem er ihm nach seinem Ausflug im das Wettlokal die fünfzehnhundert Euro in die Hand gedrückt hatte. Nur ab und an sehr merkwürdige Seitenblicke herübergeworfen. Er grinste stumm in sich hinein. So ein bisschen interessierte es ihn ja schon, was für eine Geschichte Boerne sich jetzt aus dem Tumult im Lokal und der Tatsache, dass er mit achttausend Euro in bar da wieder herausgekommen war, zusammengereimt hatte.
„Kommen Sie doch noch ein bisschen mit rüber, Thiel. Der Fall ist gelöst, Sie haben Ihre dunkle Seite entdeckt. Das sollten wir feiern, meinen Sie nicht.“
Offensichtlich hatte Boerne den Schreck überwunden. Thiel warf eiben Blick über die Schulter. Borne stand in seiner Wohnungstür und deutete mit einladender Geste in seine Wohnung. Seine hell erleuchtete, beheizte Wohnung. Er zögerte einen Moment, dann gab er sich einen Ruck. Ein Abend mit Boerne war in jedem Fall besser als ganz allein in seiner dunklen, kalten Wohnung zu hocken. Außerdem war Boernes Kühlschrank im Gegensatz zu seinem mit Sicherheit gut gefüllt - und kochen konnte Boerne auch besser. Er nickte knapp, stopfte seinen Wohnungsschlüssel wieder in die Hosentasche und folgte Boernes Geste.
„Wissen Sie, Thiel, Sie dürfen auch gerne verbal mit mir kommunizieren.“, bemerkte Boerne, als er an ihm vorbei trat.
„Mhmm…“ Thiel zog seine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe.
„Eloquent wie eh und je, der Herr Hauptkommissar.“
„Hmmm…“ Jetzt erst recht. Wenn Boerne so blöde Sprüche machte, dann bekam er such die entsprechende Antwort - oder eben Nicht-Antwort.
„Sie können das sogar in unterschiedlichen Tonlagen. Wirklich beeindruckend. Ich werde Sie beim Anthropologischen Institut als Studienobjekt empfehlen.“
„Grmpf.“
Mehr gab es zu diesem Unfug wirklich nicht zu sagen. Aber so wie Boerne die Augen verdrehte, kostete es dann doch schon einige Beherrschung, nicht breit zu grinsen. Wobei, war das da nicht auch so ein leichtes Zucken in Boernes Mundwinkel? Boerne war zwar bisweilen ein wenig unsensibel, wenn es um die Stimmungen seiner Mitmenschen ging, aber dass das hier gerade mehr ein Spiel war, sollte doch sogar ihm klar sein.
„Wenn es dem Herrn Hauptkommissar beliebt, würde ich mich dann in die Küche entfernen und den Wein aufmachen.“
Boerne musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue. Bevor Thiel zustimmend brummen konnte, grollte sein Magen wie ein ganzes Rudel hungriger Wölfe.
„Sehr wohl, der Herr. Ich werde mal sehen, was der Kühlschrank so hergibt.“
Boerne verschwand in der Küche, während Thiel ins Wohnzimmer hinüber ging. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich in die schicke, aber doch überraschend bequeme Designercouch fallen. Er lehnte sich zurück, streckte die Beine aus und schloss die Augen. Tat das gut. Fall aufgeklärt, Mörder verhaftet, Geld wiederbekommen. In perfekter Tagesabschluss.
„Ich habe noch eine halbe Quiche Lorraine, die ich warm machen könnte. Passt auch hervorragend zu dem Weißwein. Was sagen Sie?“, drang Boernes Stimme aus der Küche herüber.
Er den Begriff Quiche Lorraine irgendwann schon mal gehört, aber er hatte keine Ahnung mehr, was genau das eigentlich war. Es war auch völlig egal. Er hatte Hunger, und abgesehen von schwedischem Surströmming würde er wahrscheinlich alles essen.
„So lange es satt macht, ist mir alles recht!“, rief Thiel zurück.
Jetzt hatte er vor lauter Hunger ganz vergessen einsilbige Antworten zu muffeln. Boerne grummelte in der Küche irgendetwas unverständliches vor sich hin. Vermutlich schimpfte er auf sein proletarisches Gebaren im Allgemeinen und seine geringen Ansprüche an Essbares im Besonderen. So lange es ihm einen vollen Magen und einen netten Abend verschaffte, sollte es ihm recht sein.
Thiel grinste in sich hinein und stemmte sich wieder aus dem Sofa hoch. Normalerweise hatte Boerne doch immer ein paar Salzstangen oder diese italienischen Gebäckstangen auf dem Wohnzimmertisch stehen. Eine kleine Grundlage für den Wein wäre doch nicht schlecht. Sonst war er schon nach zwei Schluck völlig betrunken. Er ließ den Blick über den Tisch schweifen. Ja, da stand so ein hohes Glas mit Knabberstangen. Aber viel interessanter war das kleine Buch, das direkt vor ihm auf dem Wohnzimmertisch lag. Quadratisch, mit leicht gefütterten Buchrücken und offensichtlich schon etwas älter. Es sah ein bisschen aus, wie die Poesiealben, die seine Mitschülerinnen früher immer verteilt hatten. Boerne hatte ein Poesiealbum besessen? Na, das war ja mal spannend. Er nahm sich eine Stange und schlug das Büchlein auf. Gleich die erste Seite ließ keinen Zweifel, wem er gehörte.
‚Dieses Büchlein ist mir gekauft, Karl-Friedrich bin ich getauft, Boerne werde ich genannt, Münster ist mein Heimatland.‘, stand da in geschwungener Kinderschrift. Dem Jahr nach musste Boerne da neun oder zehn gewesen sein. Grundschule. Da hatte er sowas auch haben wollen. Aber seine Mutter hatte es immer verboten. ‚Mädchenkram‘, hatte sie gesagt. Und ‚Echte Jungs stehen nicht auf Gedichte‘. Er hatte das nie verstanden. Aber Susanne war bei Lukas genauso gewesen. Ein Wunder eigentlich, dass Boerne eines gehabt hatte. Er blätterte weiter, überflog die Seiten.
‚Wenn du einst nach vielen Jahren, dieses Büchlein nimmst zur Hand, denk’ daran, wie froh wir waren, auf der kleinen Schülerbank.‘ oder ‚Hab Sonne im Herzen, ob’s stürmt oder schneit, der Himmel voll Wolken, die Erde voll Leid.‘ und natürlich ‚Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken, nur eine nicht und diese heißt Vergissmeinnicht.‘
Klassische Poesiealbensprüche in ungelenken Kinderschriften, mit kleinen Kritzeleien und Glanzbildchen verziert. Damals hatte man sich nichts dabei gedacht. Das waren eben die Sprüche, die man bei solchen Gelegenheiten schrieb, ohne dass man sich ihrer Bedeutung überhaupt bewusst gewesen wäre. Heute sahen Maria und Heidrun und Manfred das vermutlich ganz anders. Eine Seite sprang ihm trotzdem ins Auge.
Der Spruch war gar nicht mal so besonders: ‚Schreib Dir gern ins Album rein, Weil ich nicht möchte’ vergessen sein, möchte’ lieber noch im Herzen stehen, denn’s Album könnt’ verloren geh’n.‘ Viel bemerkenswerter waren die ganzen Verzierungen und Bildchen und Kritzeleien. Um den eigentlichen Spruch herum wand sich noch ein zweiter, auch der ein Klassiker unter den Poesiealbensprüchen: ‚In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken.‘ Und tatsächlich waren alle vier Ecken der Doppelseite umgeknickt und zu kleinen Briefumschlägen gezeichnet worden. Thiel klappte eines auf. ‚Ich liebe dich‘ stand darunter. Er warf einen Blick auf das Datum. Dreizehn war Boerne gewesen, als dieser Eintrag gemacht worden war. Thiel grinste. Die erste Verehrerin? Wahrscheinlich.
„So Thiel, die Quiche ist im Ofen und hier haben wir…“
Verdammt! Er war so vertieft in die Sprüchlein gewesen, dass er Boerne ja vollkommen vergessen hatte. Schnell schob er das Büchlein von sich. Aber Boernes Adleraugen entging natürlich nichts.
„Ach, das alte Ding. Wo haben Sie dann den jetzt her?“
Boernes Tonfall klang ein bisschen zu desinteressiert, als er Thiel das Weinglas entgehen hielt. Thiel nahm ihm das Glas ab und musterte ihn genau. Da war doch ein Hauch von Röte auf seinen Wangen, oder etwa nicht?
„Da war aber jemand schwer verliebt in Sie, was?“ Er zog das Büchlein wieder zu sich heran und versuchte den Namen zu entziffern. Gar nicht so einfach zwischen all den Herzchen. „Christine? Christiane? Christina?“
„Christian!“, presste Boerne zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Mein erster Kuss.“
„Oh!“
Thiel schluckte. Hitze kroch ihm in die Wangen und seine Ohren glühten plötzlich. Er war sich ziemlich sicher, dass er starke Ähnlichkeit mit einer überreifen Tomate hatte. Was sollte er dazu jetzt sagen? ‚Entschuldigung‘? Aber das klang total blöd. Als hätte er etwas angesprochen, was Boerne peinlich sein musste. Musste es ja aber nicht. Ganz und gar nicht. Aber was dann? Er könnte von Holger erzählen und das ganze ausgleichen. Aber das hatte auch wieder sowas von Entschuldigung. Das wollte er nicht. Zum Glück erlöste Borne ihn.
„Auf Ihren taktlosen Spürsinn, mein lieber Thiel.“ Er hob sein Glas und tippte den Rand ganz leicht gegen Thiels. „Damit werden Sie es noch weit bringen.“
„Auf Christian…“, erwiderte Thiel, „… und Holger.“
Boerne musterte ihn über den Rand seines Glases hinweg. Thiel zwang sich, nicht wegzuschauen, obwohl er längst das Gefühl hatte, seine Ohren würden in Flammen stehen. Schließlich nickte Boerne leicht, nahm einen Schluck von seinem Wein und stellte das Glas auf den Wohnzimmertisch.
„Die Quiche sollte jetzt heiß sein, denke ich. Warten Sie mit dem Wein, ich will ja nicht, dass Sie mir nach einem Schluck betrunken von der Couch kippen.“
Damit wandte Boerne sich um und entschwand in die Küche. Thiel atmete erleichtert auf und stellt sein Glas weg. Gerade nochmal gutgegangen. Damit stand einem netten Abend ja nichts mehr im Wege.