statt Blogkommentar reg ich mich lieber hier auf

Dec 03, 2013 19:37

Ich muß mich gerade so dermaßen zusammenreißen, um nicht auf die letzte WRINT Podcastfolge in deren Kommentaren zu reagieren.

Alexandra Tobor erzählt über Polen. Tobor ist in Polen geboren und ist 1989 als kleines Kind mit der Familie nach Westdeutschland ausgewandert. Holger Klein macht den Podcast.

Ich finde die Holger & Alexandra Kombination manchmal schwer verdaulich, aber diesmal hat es alles übertroffen. Ich habe es nicht einmal 30 Minuten ausgehalten, bevor ich abschalten mußte. Tobor hat in meine Augen nur gequirlte Hühnerkacke von sich gegeben und Holger Klein hat es geschluckt und fleißig mit Müll erzählt.

Sie konstruiert Polen als so ganz, ganz anders als Deutschland. Und Holger fragt dann doch tatsächlich, ob Polen eher Osten oder Europa ist. Osten oder Europa! Wie ich diese Westeuropa = Europa Scheiße verabscheue!

Als ob Polen und Dtl. niemals irgend etwas miteinander zu tun gehabt haben. Es ist so offensichtlich, dass beide nicht den Hauch einer Ahnung von Ostdeutschland haben. Ich konnte teilweise meinen Ohren nicht trauen, was Tobor als Argumente vorgebracht hat. Das Ländliche und Bäuerische macht Polen so anders. Schon mal im Nordosten unterwegs gewesen?

Laut ihr hat Deutschland nichts mit dem Slawischen zu tun. Komisch, jeder zweite Ortsnamen hier hat slawische Wurzeln. Wenn man Leute hier nach ihren Vorfahren fragt, sind fast immer Slawen darunter. Die ganze Gegend hier ist geschichtlich gesehen slawisch/germanisches Grenzland. Polen und Tschechien sind gleich nebenan, was soll der Blödsinn? Es käme doch auch niemand auf die Idee zu behaupten, Dtl. und Frankreich hätten keine kulturellen Wechselbeziehungen. Sogar Birken- und Nadelwälder müßen als super-polnisch herhalten. Was zur Hölle?

Und dann kommt sie auf das Thema Rassismus in Polen, früher und heute, und mir vergeht total die Laune. Ihr Argument ist tatsächlich, dass aus der Tatsache, dass es kein Bewußtsein für Rassismus gab, es folglich auch keinen Rassismus gegeben haben konnte. Die Diskussion um die "Negerpuppe" und Rassismus war unerträglich für mich als DDR-Kind, welches mit ähnlicher Terminologie und vergleichbaren Geschichten aufgewachsen ist. In meinen Augen ist das alles dummes Zeug, was Alexandra Tobor hier vorbringt. Das Wissen um Rassismus war nicht weit verbreitet, das macht die Praxis jedoch nicht ungeschehen. Ich hatte als Kind auch eine "Negerpuppe" und habe sie auch so genannt. Ich wußte es nicht besser. Meinen Eltern konnte ich teilweise bis heute den Gebrauch von Vokabular wie "Neger" oder "Fidschi" nicht abgewöhnen. Meine Mutter meint es definitiv nicht abwertend, sondern benutzt beides als wären es neutrale Wörter. Ist trotzdem Ausdruck von gesellschaftlich verwurzeltem Rassismus.

(Wer sich den Podcast nicht antun will, Tobor hat ihre Argumentation auch in einem Blogeintrag ausgeführt.)

Natürlich macht es wenig Sinn den historischen Kontext eines Landes nicht zu beachten, oder aus heutiger Sicht herablassend zu urteilen, daraus aber ableiten zu wollen, dass Polen (oder die DDR) keinen Rassismus kannte, sondern nur spaßige Stereotype, die gar nicht böse gemeint waren, kann ich nicht nachvollziehen. Das ist Augenwischerei.

Puh. So, jetzt geht's mir besser.

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