Если вдруг кто читает по-немецки

Jun 29, 2012 15:00

Написалась статья на тему языков, в частности русского. Что дает нам владение иностранными языками кроме собственно возможности общения, чем особенны славянские языки и тп. Если кому интересно и под силу - милости просим. Статья на немецком.


Was bieten uns Fremdsprachen oder warum wir kein Chinesisch unterrichten.

Ein Versuch, viele Fragen zu beantworten.

Immer wieder taucht bei meinen Schülern die Frage auf, wofür eigentlich Russisch gut sei. „Na, fürs Abi, natürlich!“ - erklären dann ihre Klassenkameraden. Am Anfang habe ich mich auch gewundert, warum unbedingt Russisch unterrichtet werden soll und nicht, zum Beispiel, Chinesisch. Es ist schließlich auch eine Sprache aus einem ganz anderen Kulturkreis. Was ich mit der Zeit verstanden habe, dass es nicht nur das Kulturerbe in der jeweiligen Sprache ist, was auf uns wirkt und uns verändert, sondern die Sprache selbst.

Die Realität, in der ein Volk lebt, spiegelt sich in seiner Sprache, die, ihrerseits dann sein Bewusstsein prägt. Natürlich können die Russen mit der deutschen Pünktlichkeit nichts anfangen, weil sie in ihrer Sprache kein Wort für „Termin“ und auch keins für „zielbewusst“ haben*. Das wäre für einen Deutschen undenkbar! Dabei haben die Deutschen kein Wort für „gut“, das nicht das Gegenteil von „schlecht“, sondern von „böse“ ist («добрый»). Es wird oft als „gutmütig“ übersetzt; was machen wir dann mit dem russischen Wort für „gutmütig“? Eindeutig, hat Russisch in diesem Fall ein Wort mehr, genau so wie es weniger im Planungsbereich hat. Genauso selbstverständlich wird englische Neigung zum schwarzen Humor, wenn wir erfahren, dass die Anzahl der negativen Adjektive in Englisch doppelt so hoch ist wie die der positiven. Oft lässt sich eine Idee in einer Sprache viel leichter ausdrücken, während ein anderer Gedanke einer anderen Sprache bedarf. Ohne Zweifel ist es einfacher, sich in den eskimo-aleutischen Sprachen (es sind die vom weiten und schneereichen Norden) über verschiedene Nuancen von Weiß und diverse Zustände von Schnee zu unterhalten, als in allen europäischen zusammen, weil wir keine Wörter dafür haben.

Die slawische Welt hat sich schon immer mehr auf das Seelen- und Gefühlsleben konzentriert, wodurch auch slawische Sprachen geprägt sind. Für Westeuropäer bedeutet dies die Entdeckung einer neuen Welt, das Hinzufügen eines neuen Stückchens Realität oder Erfahrung, die in ihren eigenen Sprachen fehlen. Natürlich können wir etwas fühlen, wofür wir keine Worte finden, doch erst wenn ein neues Wort erfunden und verbreitet wurde, wird die Idee zu einer Realität für eine Menschengruppe.

Allerdings, liegt es nicht nur am Wortschatz sondern auch am Bau der Sprache, welche Gedanken sie besser zu äußern vermag. Schon allein durch die Satzkonstruktion im Russischen wird man mehr der äußeren Wirkungskräfte bewusst. „Es ist mir nicht danach, zu arbeiten“ klingt auf Russisch ungefähr wie „Es wird mir nicht gearbeitet“ («Мне не работается»). Und so sind wahrscheinlich zwei Drittel der Sprache: Man heißt nicht, sondern man wird so und so gerufen («Меня зовут...»); man ist in der schlechten oder guten Laune, ganz mittendrin («Она в хорошем настроении»); einem will es essen, trinken oder schlafen, sogar sich hinlegen («Мне хочется кушать»); man hat oder besitzt nicht etwas, sondern es ist bei einem, ganz freiwillig («У меня есть...»).

Der dynamische Eindruck der russischen Sprache wird noch durch die reiche Morphologie (den Wortbau) verstärkt. Substantive gehen ganz leicht in Adjektive über (und umgekehrt) und diese weiter in Verben, von denen es vollendete und unvollendete Formen geben kann. Die Sprache schwingt fortwährend und treibt uns dazu, wach zu sein, besonders als Fremdsprachler. Denn als Deutscher muss man von vier auf sechs Fälle steigern und dazu die Deklinationen der Substantive, Adjektive und Zahlen untereinander und mit dem Fall der jeweiligen Präpositionen oder Verben abstimmen. Wenn im Englischen das allein stehende Wort „cut“ uns nichts davon vermittelt, aus welchem Zusammenhang es herausgefallen ist, ob es ein Substantiv oder ein Verb ist, in Gegenwart oder Vergangenheit steht, kann man im Russischen in den meisten Fällen alles ganz genau einordnen. Deswegen brauchen die Russen nur den halben Gedanken auszusprechen, weil der Rest durch die grammatikalischen Konstruktionen klar ist. Wenn ich auf diese Art und Weise Deutsch spreche, versteht mich kein Mensch: Auf Deutsch muss alles ganz präzise formuliert werden. Trotzdem existiert die Meinung, dass die meisten Missverständnisse in der deutschen Sprache passieren.

„Wohin damit?“

Dieser Reichtum der russischen Sprache kann kaum jemandem keine Angst einjagen. Er bereitet auch viele Schwierigkeiten beim Unterrichten, weil Schüler viel Geduld haben müssen, bis sie Russisch endlich sprechen und Literatur lesen können. Im Englischunterricht ist es ziemlich gleich möglich. Einerseits durch die Verbreitung der Sprache und ihre Nähe zum Deutschen, aber nicht zuletzt durch ihre Konstruktion. Durch die grammatische Komplexität der russischen Sprache bekommt sie frühestens in der Oberstufe Sinn. Erst wenn einem die unerschöpflichen Schätze der russischen Literatur und Religionsphilosophie zur Verfügung stehen und alle grundlegenden Konstruktionen beherrscht und die Kommunikation ermöglicht werden, kann man in den Genuss dieser Sprache kommen. Dabei geht es ganz und gar nicht darum, ob man „irgendwann nach Russland gehen will“, sondern darum, was man durch das Beherrschen dieser Sprache gewinnt. Außer der ganz anderen Lebensperspektive und Bereicherung des Seelenlebens gibt es einen für mich besonders wichtigen Aspekt für das Erlernen der ostslawischen Sprachen, und das ist die Entwicklung des Denkens.

Wenn wir in der Sprachgeschichte zurück gehen, ist das erste was auffällt, eine unglaubliche Komplexität der Grammatik und erstaunliche Vielfalt an verschiedenen Wortformen, die nach und nach verloren gegangen sind. Selbst Englisch hat Fälle und Endungen gehabt und es gab Endungen für männliche Substantive im Russischen, die jetzt noch irgendwo im Lettischen und Finnischen übriggeblieben sind**. Wenn man noch weiter in der Sprachgeschichte zurück geht, entdeckt man äußerst treffende Verbformen, zum Beispiel im Sanskrit. Um heutzutage dasselbe zu äußern, brauchen wir viel mehr Wörter, als die alten Inder gebraucht haben. Kommentare zu den klassischen indischen Literaturwerken sind oft länger als die Werke selbst. Sie hatten acht Fälle und deutlich mehr Verbformen als das Russische, und generell eine viel kompliziertere Morphologie. Zu dem Singular und Plural gab es noch den Dual. Das bedeutet, dass die Anzahl aller denkbaren Formen der Substantive, Adjektive und Verben um ein Drittel steigt. Übrigens, Dual, die Form für zwei Substantive, gab es lange Zeit in den slawischen Sprachen auch. Im Ukrainischen ist es sogar bis zur Generation unserer Omas (Одне відро, два відрі, три відра - Ein Eimer, zwei Eimer, drei Eimer) erhalten geblieben. Im Russischen trifft man ein Überbleibsel dessen im Wort «двести» („200“).

Warum ist denn die eine oder andere Form überhaupt verschwunden? Wegen der Tendenz zur Vereinfachung des Lebens, der Sprache und des Denkens. Wieso leiden wir, hochentwickelte und intelligente Menschen, an der spielfreudigen russischen Sprache? Nur wegen der zusätzlichen zwei Fälle oder wegen des Wunsches, alles Anstrengende zu vermeiden? Ein Finne (14 Fälle) wird sich bestimmt tot lachen, dass die Deutschen so wenig Fälle haben, während Engländer schon damit überfordert sind.

Viele Schüler freuen sich auf Englisch, weil es ihnen „leichter fällt“. In solchen Situationen tut es mir gut, auch als Englischlehrerin die russische Sprache in Schutz zu nehmen und zu versuchen, den Schülern nahe zu bringen, dass nur das, was uns am Anfang schwer fällt, uns in der Zukunft weiter bringen kann. Im Falle der russischen Sprache: Wenn ich mein Denken flexibel genug mache, kann ich nicht nur die Sprache beherrschen und die Literatur im Original genießen, sondern ich werde in meinem Leben ganz anders da stehen und viel flexibler und erfindungsreicher sein. Da, wo Deutsche gegenüber Problemen des Lebens sprach- und hilflos sind, zeigen sich Slawen oft nicht sehr beeindruckt. Vergessen sie nicht, dass unsere Sprache unser Denken prägt. In meinem Land sagt man dazu: Wie viele Sprachen du kannst, so viele Male bist du ein Mensch. Durch das Erlernen einer neuen Sprache entwickeln wir in uns ganz neue Charakterzüge und lernen, eine andere Mentalität zu verstehen.

Ein kleiner Bonus für das gute Beherrschen einer Fremdsprache: Man lernt auch deren verwandte Sprachen ein bisschen zu verstehen!

„Wie viele Sprachen braucht man denn?“

Ich selber hatte in der Schule drei Fremdsprachen: eine Genusssprache (Deutsch), eine Zwecksprache (Englisch) und die dritte (Französisch), die wir einfach mitgemacht haben, weil es zum Lehrplan gehörte - so, wie Russisch in der Waldorfschule. Nach fast zehn Jahren Nichtnutzung, hat mir die dritte Sprache es trotzdem ermöglicht, eine Bahn und somit auch meinen Flug Paris-Berlin zu bekommen, weil die Franzosen, die mir um fünf Uhr morgens in Paris begegneten, doch kein Englisch konnten. Also, man weiß nie, wann man seine Kenntnisse brauchen wird.

Abgesehen davon hat mir Französisch den Zugang zu den romanischen Sprachen geöffnet. Es ist schön, Wörter lateinischer Herkunft nicht so oft nachschlagen zu müssen. Als kleiner Bonus dazu - man kann auch einfaches Spanisch verstehen, wenn man Französisch gelernt hat. Dieser Aspekt ist für mich einer der schönsten - dass wir beim Erlernen einer anderen Sprache derselben Sprachfamilie nur noch halb so viel Arbeit haben. Deswegen fällt den Deutschen Englisch wesentlich leichter als Russisch oder als Englisch einem Russen fallen würde. Im Englischunterricht rede ich viel mehr Englisch mit den Kindern, als im Russischunterricht Russisch, weil sie Englisch intuitiv viel besser verstehen. Für einen Deutschen ist es kein Problem, z.B. das Wort „to stotter“ zu verstehen, während ein Slawe wirklich keine Chance hat.

Dafür haben meine Polnisch, Tschechisch und Bulgarisch sprechenden Schüler einen Vorteil im Russischunterricht, weil sie hier einiges intuitiv verstehen können. Sie haben dann eine andere Herausforderung, nämlich, die russischen Besonderheiten mit denen ihrer Muttersprache nicht zu verwechseln. Hin und wieder wird ein russisches Wort mit - zum Beispiel - einer polnischen Endung versehen. Es hindert mich jedoch überhaupt nicht, die Schüler zu verstehen.

Mit Deutsch und Englisch im Gepäck, sowie mit den griechischen Überbleibseln meiner Muttersprachen, fangen am sechsten Tag meiner Island-Reise, auch die isländischen Schilder an, für mich Sinn zu ergeben. Da sich alle Sprachen nach ihren Gesetzen entwickelt haben, bekommt man nach einiger Zeit ein Gefühl dafür, wie man dieses oder jenes Wort „zurück in eine bekannte Sprache“ ableiten kann. Wenn man lange genug beobachtet, findet man auch heraus, wie dieses oder jenes Wort aus einer bekannten Sprache in der Zielsprache klingen könnte. Dafür ist kein Doktorgrad in Sprachgeschichte notwendig. Die Zeit, die dafür erforderlich ist, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Nähe der Verwandtschaft zwischen den Sprachen. Weißrussich, Tschechisch, Polnisch, Slowakisch stehen schon halb offen da, besonders wenn man zum Russischen noch Ukrainisch kann. Jeder, der Zugang zu den slawischen Sprachen bekommen hat, findet sich plötzlich in einer großen Gemeinschaft von Völkern, die sich miteinander verständigen können. So versteht man auch, dass das Wunder, wenn manche Menschen zehn und mehr Sprachen können, in der Tat kein Wunder, sondern das Nähen einer sprachlichen Flickendecke ist, wobei man eine Sprache als Grundlage für die nächste benutzt.

„Wie kann ich schneller eine Fremdsprache erlernen?“

Kató Lomb, eine ungarische Übersetzerin, die sich selbst 16 Sprachen beigebracht hat: Bulgarisch, Chinesisch, Dänisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Hebräisch, Italienisch, Japanisch, Latein, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Spanisch und Ukrainisch, hat zehn Gebote für das erfolgreiche Erlernen einer Fremdsprache formuliert. In ihren Büchern, die auch in andere Sprachen übersetzt wurden, versuchte sie die Menschen zum Sprachenlernen zu animieren:
  1. Übe täglich und regelmäßig, wenigstens 10 Minuten.
  2. Wenn du die Lust verlierst zu üben, zwinge dich nicht, aber überlege dir stattdessen eine angenehme neue Form des Übens (z.B. statt zu lesen fremdsprachige Texte anhören).
  3. Lerne niemals Wörter auswendig, ohne deren Kontext zu kennen.
  4. Lerne zu allererst vollständige Sätze, die man in möglichst vielen Situationen anwenden kann.
  5. Sei dauernd bestrebt alles, was dir unterwegs begegnet, innerlich zu übersetzen (Reklametafeln, Gesprächsfetzen u.ä.).
  6. Lass immer alle von dir selbst verfassten Texte korrigieren, bevor du sie dir einprägst, weil sich sonst Fehler einschleifen.
  7. Lerne Redewendungen und fertige Sätze immer in der ersten Person Singular.
  8. Die Fremdsprache ist eine Festung, welche man von allen Seiten gleichzeitig stürmen muss: Zeitungslektüre, Radio, Filme im Original, Lesungen in der Fremdsprache, Arbeit mit dem Lehrbuch, Unterricht, Briefwechsel und Gespräche mit Muttersprachlern etc.
  9. Habe nie Angst vor dem Reden und vor dem Fehlermachen! Bitte immer darum, dass man dich verbessert.
  10. Glaube fest daran, dass du einen starken Willen hast und die Fähigkeit besitzt, die Fremdsprache zu erlernen.

Anmerkungen

* es gibt jedoch ein Wort für „zielstrebig“ («целеустремленный»)

** alle so genannten indo-europäischen Sprachen haben sich von einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt. So haben manche Sprachen einiges behalten, was ihre Schwestern schon verloren haben.

Empfehlungen zum Weiterlesen:

И парочка рекомендаций для домашнего чтения. Като Ломб существует также на русском языке.

  1. Kató Lomb, "So lerne ich Sprachen (Aufzeichnungen einer 16-sprachigen Dolmetscherin)"
  2. Barry Farber, "How to Learn Any Language"
  3. Зализняк А.А. , "Из заметок о любительской лингвистике"
  4. Плунгян В.А., "Почему языки такие разные"
  5. David Crystal, "The story of English in 100 words"

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