Faraway: Vision

Mar 25, 2009 14:08

50 Meilen später war Sam dann doch eingeschlafen. Dean beobachtete seinen Bruder immer wieder. Die Straße war zwar schnurgerade und verlassen, aber Dean spürte, wie seine Augen vor Müdigkeit brannten und nach dem Vorfall im Vampir-Unterschlupf traute er seinen Reflexen heute nicht so ganz, deshalb warf er dem jüngeren Winchester immer nur kurze Blicke zu. Es ärgerte ihn, dass er es nicht verhindern hatte können. Er hatte praktisch neben Sam gestanden, als der dem Sessel nicht mehr ausweichen konnte. Er hatte es kommen sehen, aber er war nicht schnell genug gewesen, um seinen jüngeren Bruder weg zu stoßen. Zum Glück war es dieses Mal nur so etwas Ungefährliches wie ein Stuhl und die daraus resultierende Verletzung kaum mehr als ein Kratzer. Aber was, wenn es das nächste Mal nicht so gimpflich ausging? Wie konnte Dean ein nächstes Mal verhindern? Warum war er wie gelähmt gewesen, hatte den Flug des Sessels fasziniert beobachtet, obwohl er wusste, daß sein Bruder getroffen werden würde? "Wenn Dad noch am Leben wäre." dachte Dean. Er war sich sicher, wenn John sein Leben nicht für das seinige eingetauscht hätte, wäre Sam nichts passiert. Dad wäre schnell genug gewesen. Dad hätte es verhindert...

Der ältere Winchester versucht ein Niesen zu unterdrücken. Seine Nase war inzwischen total zu und er wollte Sam weder aufwecken, noch erneut das Gefühl haben, seine Trommelfelle durch die Ohren nach draußen zu blasen. Er fuhr einige Sekunden hochkonzentriert, bis das Kitzeln in seiner Nase nachließ und warf seinem Bruder dann wieder einen kurzen Blick zu. Sam hatte die Augen fest zugekniffen und massierte mit einer Faust seine Stirn. Sein Atem kam in Stößen und Dean wußte sofort, was das hieß. Er fuhr an den unbeleuchteten Straßenrand, vorsichtig darauf bedacht, den Impala nicht in den Graben zu setzen, und berührte seinen jüngeren Bruder dann behutsam an der Schulter. "Sam?" Als der nicht darauf reagierte, drehte sich Dean so weit zur Rückbank, wie es seine angeknacksten Rippen zuliesen und fischte den Plastiksack mit deutlich mehr Geschnaufe und Schwierigkeiten, als sein Bruder das letzte Mal hatte, hervor. Er war sich noch immer nicht sicher, wie er sich verhalten sollte, wenn Sam eine seiner Visionen in Form eines Traumes hatte. Wenn sein Bruder nicht schlief, konnte Dean sowieso nichts machen. Sam war für die Dauer die Vision völlig weggetreten und brauchte auch danach meist noch eine Weile, um sich von den Kopfschmerzen zu erholen. Wenn er aber träumte, traute sich Dean nie, ihn einfach aufzuwecken. Allerdings tat es dem älteren Winchester in der Seele weh, wenn er zusehen musste, wie sein Bruder litt, obwohl er eventuell etwas dagegen unternehmen konnte. Aber was würde passieren, wenn er Sam aus so einem Visions-Alptraum riß? Kam die Vision dann nochmals? Das würde dem jüngeren Winchester zwei Mal Schmerzen zufügen. Auch nicht gerade das, was Dean wollte... Inzwischen hatte er den Sack endlich erwischt, kramte daraus eine Flasche Mineralwasser hervor und ließ sich dann mit einem Stöhnen vorsichtig wieder auf den Fahrersitz sinken. Verdammte Vampire...

Tausende Nadeln, manche eisig kalt, manche glühend heiß, bohrten sich noch immer durch Sams Stirn, als er es endlich schaffte, aus dem Traum zu erwachen. Der Traum an sich war ja nicht so schlimm gewesen, aber auf die Kopfschmerzen konnte er getrost verzichten. "Dean...?" Sam war sich gar nicht bewußt, daß er etwas gesagt hatte, aber da außer ihm nur sein älterer Bruder im Wagen war und der wohl kaum Selbstgespräche führte... Wobei... Sam konnte weder das vertraute Brummen des Motors hören, noch eine Bewegung spüren. Waren sie vielleicht gar nicht mehr im Wagen? Er war in einem Haus gewesen... in einem Zimmer mit Pakettboden... Oder...?
"Sam?"
Das war eindeutig Deans Stimme und er glaubte auch eine Berührung an der Schulter zu spüren.
"Sam, alles ok?"
Noch bevor der jüngere Winchester die Augen öffnen konnte, war im klar, daß er doch im Impala saß. Sein Genick und die Schultern taten weh von der unnatürlichen Haltung, er konnte seine Beine kaum bewegen, weil er im Schlafen ein wenig vorgerutscht war und jetzt seine Knie schmerzhaft gegen das Handschuhfach drückten und sein Hintern war auch noch nicht wieder aufgewacht. Mit einem Stöhnen setzte sich Sam auf und drehte den Kopf zu Dean, der schon mit einer Flasche Mineralwasser darauf wartete, daß sein kleiner Bruder wieder ansprechbar war.
"Hier, trink einen Schluck." Sam nahm die Flasche dankbar und trank in großen Zügen die Hälfte aus, bevor er absetzte und tief druchatmete.
"Ein Alptraum?" Er konnte Deans Sorge deutlich spüren, obwohl sein Bruder so kurz angebunden war, um möglichst keine Emotionen in die Frage miteinfließen zu lassen.
"Nein..." Sam schüttelte den Kopf. "Eine Vision... aber nichts Schlimmes... Es ist niemand gestorben." Er versuchte eine angenehme Position im Sitz zu finden und als ihm das nicht gelang, warf er einen Blick nach draußen. Es regnete inzwischen nicht mehr, dafür fiehlen dicke Flocken Schnee und soweit sein Auge reichte, war der Boden angezuckert. Trotzdem entschied sich der jüngere der Beiden dazu, aus zu steigen. Er brauchte Frischluft. Und sein Hinterteil eine kurze Auszeit. Sam öffnete die Türe und sofort schlug ihm eisige Kälte entgegen. Er ging ein paar Schritte und blieb neben der Motorhaube stehen. Hier war die Wärme, die der Impala ausstrahlte am Größten und es dauerte nur wenige Augenblicke, dann war Dean an seiner Seite. Er setzte sich ein wenig auf die Motorhaube und wartete darauf, daß Sam zu erzählen begann.
"Wir waren in einem Haus. Draußen lag Schnee... Es war Nacht. Und rings herum war es dunkel..."
"Keine Lichter von anderen Häusern?"
"Nein, nicht mal eine Straßenbeleuchtung. Ich habe das Gefühl, daß Haus ist irgendwo weit draußen."
"Ok, und was ist in dem Haus passiert? Du hast gesagt 'wir', nur wir beide, oder war da sonst noch wer?"
Sam runzelte die Stirn und versuchte sich genau zu erinnern. "Ja... da war noch wer, aber ich habe die Person nicht gesehen. Nur ihren Schatten. Sie stand hinter uns. Der Besitzer, glaube ich... Und da war ein Geist. Ein weiblicher Geist. Sie hat einfach nur mit uns gesprochen..."
"Was hat sie gesagt?"
Der jüngere Bruder schüttelte den Kopf. "Das weiß ich nicht. Ich konnte sie nicht hören. Ich hörte die ganze Zeit das Lachen eines Mannes. Kein fröhliches, sondern..." Sam spürte, wie es ihm bei der Erinnerung an das Geräusch kalt den Rücken hinunter lief.
Dean bemerkte das Schaudern seines Bruders und runzelte nachdenklich die Stirn. Ein Geist, der friedlich mit ihnen sprach war eine Seltenheit. Und das ominöse Lachen hatte seinem Bruder offensichtlich Angst eingejagt... Sams Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. "Der Geist war jung... ein Teenager, vielleicht auch schon 20, aber sicher nicht älter. Sie war seltsam gekleidet... ein wenig gothic angehaucht. Und sie wirkte verägert und auch ängstlich." Die Blicke der beiden Winchesters trafen sich und der Jüngere zuckte mit den Schultern. "Das war's, mehr weiß ich nicht."
"Findest du das Haus?"
"Nein, ich habe keine Adresse erkennen können."
"Aber du hast gesagt es lag Schnee. Es hat erst vor wenigen Meilen zu schneien begonnen, vielleicht können wir das Gebiet eingrenzen." Dean deutete auf den Wagen. "Setzen wir uns wieder ins Auto, du kannst ja mal googeln, ob es hier irgendwo ein einsames Häußchen gibt, auf das deine Beschreibung paßt." Der Ältere der beiden konnte ein Zittern kaum mehr unterdrücken. Es war verdammt kalt hier draußen und er wollte so schnell wie möglich wieder hinein in die Wärme seines geliebten Wagens.

Wenige Minuten später hatte Sam festgestellt, daß sie zu weit draußen waren um einen Zugang zum Internet zu bekommen (alles andere hätte ihn auch gewundert) und so fuhren sie mit wachsamen Augen durch die Schneelandschaft. Es gab ab und zu Feldwege und Schotterstraßen, die irgendwo in den Feldern verschwanden, aber Nichts kam Sam bekannt vor. Dann fuhren sie durch eine kleine Stadt, Jordan, und plötzlich hatte Sam so ein Gefühl... Er konnte es nicht näher beschreiben, es war nichts, worauf er seinen Finger legen konnte... Aber nachdem sie sowieso nicht wußten, wo sie hin fahren mußten, konnte ein Abstecher ja nicht schaden. "Dean, warte... diese Straße... 'Hell Creek Road'"
Dem Älteren der beiden war der Zweifel in Sams Stimme nicht entgangen. "Alter, bist du dir sicher?"
Die einzige Antwort, die er bekam, war ein beherztes Schulterzucken. Dean bog in besagte Straße ein und murmelte vor sich hin: "Das klingt ja schon so verdammt einladend..."

Nachdem sie der Straße mit dem klingenden Namen keine zehn Minuten gefolgt waren, deutete Sam plötzlich nach rechts. "Hier, bieg ab." Dean kam der Aufforderung nach und schon bald folgten sie einer kleinen Straße, die sie an riesigen Feldern vorbeiführte, die jetzt mit einer immer dicker werdenden Schneeschicht bedeckt waren. Noch ein Mal bogen sie auf eine andere Straße ab und folgten ihr langsam für wenige Minuten. Gerade als Dean wieder umkehren wollte, deutete Sam auf einen Feldweg, der rechts von der Straße noch tiefer in die Pampas führte. "Ich glaube, wir müssen da lang..."
"Weisst du, was dieser Trampelpfad mit meinem armen Baby machen würde?" Dean beäugte den Weg vor ihm skeptisch. Durch den Schnee konnte er nicht genau erkennen, in welchem Zustand der Untergrund tatsächlich war, aber er hatte keine Lust, irgendein Risiko einzugehen. "Dann bau das nächste Mal, wenn wir bei Bobby sind, endlich Allrad ein." Der letzte Kommentar seines Bruders lies Deans Augenbrauen nach oben schnellen, bevor er Sam zweifelnd anblickte. Aber Dean konnte keinen Hinweis entdecken, dass sein Gegenüber einen Witz machen wollte. Ungläubig schüttelte der ältere Winchester den Kopf. "Sammy, du hast wirklich weniger Ahnung von Autos als ich vom Stricken..." Noch immer kopfschüttelnd setzte er den Wagen wieder in Gang und lies sein geliebtes Gefährt so vorsichtig wie möglich und nur im Schritttempo den zweifelhaften Weg entlang rollen. Somit sah er nicht, wie ein triumphierendes Grinsen für einen Moment die Lippen seines Bruders umspielte.

Eine Viertelstunde später tauchte im Finsteren auf der rechten Seite des Weges ein Haus auf. Auch wenn es zu dunkel war um viel zu erkennen, Sam war sich sicher, dass das das Gebäude aus seiner Vision war. Dean war nicht entgangen, wie angestrengt sein Bruder versuchte, die Finsternis mit seinem Blick zu durchdringen.
"Und?"
"Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich glaube schon..."
Dean griff hinter sich und holte seine Jacke und eine Haube hervor. "Dann steigen wir mal aus. Ich geh das Gebüsch giesen und du schaust dir das Haus genauer an."

Dean war ein paar Schritte vom Wagen entfernt hinter dem hüfthohen Gestrüpp angekommen und hatte gerade seine Hose geöffnet, als plötzlich das Licht anging. Ein Scheinwerfer zeigte genau auf den Impala und blendete Sam so, dass der seine Augen mit der Hand abschirmen musste. Als er wieder vorsichtig in das Licht blinzelte, stand die Eingangstüre des Hauses offen und der jüngere Winchester sah die Siluette einer Frau im Gegenlicht. Eine Hand verschwand irgendwo hinter dem Türrahmen, die andere war in die Hüften gestämmt und sie fragte in beinahe befehlenden Tonfall: "Wer seid ihr und was macht ihr auf meinem Grund?"

Kapitel 3 »

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