Momentaufnahmen - Teil 8

Feb 24, 2009 13:40


Numb

Artist: watchersgoddess
Author: annj_g80
Disclaimer: Nichts gehört uns.
Rating: none

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Numb

Ich bin nicht taub, nicht blind, nicht stumm. Und doch könnte ich all das sein ... es würde keinen Unterschied machen.

Ich sehe alles. Ich höre alles. Wenn ich wollte, könnte ich meine Gedanken in Worte fassen. Meine Stimme klingt wie immer, nur etwas dumpf. Als würde ich durch eine dicke Wand reden müssen. Ich fühle mich... ich fühle gar nichts. Das ist das Problem, oder? Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich beinahe explodiert wäre vor lauter Emotionen. Wie Feuer-Whiskey haben sie mir meine Sinne vernebelt, sind heiß wie glühende Kohlen durch meine Adern geflossen. Wut, Angst, Ehrgeiz, Verzweiflung... Liebe. Brennend! Als hätten sie in mir drinnen Narben hinterlassen, die niemals richtig verheilten. So hat es sich angefühlt, daran kann ich mich erinnern.

Gefühle. So viele Gefühle.

Inzwischen bin ich erstarrt, erkaltet. Ertrunken in meinen eigenen Empfindungen.

Severus steht mir gegenüber, starrt mich an. Lange, so lange, dass ich glaube, er möchte Löcher durch mich hindurch bohren. Er redet nicht, tut er nie. Starrt mich nur an, stundenlang, als ob er etwas in mir lesen könnte. Seine Augen sind dabei immer klar und dunkel. Nichts regt sich dort, wo früher Funken sprühten.

Er hat nie viel geredet, hat immer alles mit seinen Augen und winzigen Gesten gesagt, was wichtig war. Mit einem leichten Neigen des Kopfes las er mir ganze Gedichte vor, Liebeserklärungen mit einem einzigen streichelnden Finger. Mit nur einem Blinzeln sagte er mehr, als Shakespeare Worte kannte.

Die Zeiten sind vorbei. Er ist noch tauber, noch stummer, noch blinder als ich. Seine Statur steht seit Ewigkeiten vor mir, still und unbeugsam. Manchmal streckt er seine Hand aus, zögerlich, um über meine Wange zu streichen. Ich beuge mich ihm entgegen, will seinen Fingern entgegenkommen. Doch immer hält er inne, wenn nur Zentimeter uns trennen. Könnte ich fühlen, ich würde seinen Atem auf meinem Dekolleté spüren und die Hitze seines Körpers, die Wellen schlägt wie ein wütendes Fieber.

Seine Rastlosigkeit lässt seine Finger erzittern und hastig zieht er seinen Arm zurück, versenkt ihn in die Untiefen seines weiten Mantels, der so groß und schwarz ist, dass er ihn fast verschluckt. Ich weiß, er hat noch nie etwas anderes getragen als schwarz. Doch dieses Schwarz unterscheidet sich so sehr von seiner üblichen Kleidung, dass es vermutlich alle Anwesenden mit seiner Trauer erschlägt. Eine laufende Depression, die alle Freude um sich herum aufsaugt wie ein schwarzes Loch das Licht.

Ich will ihm sagen, er soll sich doch gefälligst zusammenreißen. Er hat genug getrauert. Doch er hört nicht auf mich. Warum sollte er auch. Er trauert ja schließlich um mich. Und auf jemanden zu hören, um den man trauert...

Nichtsdestotrotz bin ich es Leid.

Er seufzt leise, man hört es kaum. Es ist eher ein kaum vernehmlicher Wechsel in der Atmosphäre, ein Knistern, ein unsichtbarer Tanz der Moleküle. Ruckartig dreht er sich um und sein Mantel wirbelt Staub und Flocken auf, die dicht wie eine Wolke in die Luft steigen. Eindeutiger Beweis unserer einsamen und vor allem seltenen Treffen.

Würde ich atmen ... dann wäre die Luft feucht und stickig. Sie würde nach alten Möbeln riechen, modrig, schimmlig. Der beißende Gestank von Ölfarben und Verdünnung, er würde mir die Sinne vernebeln. Eben wie ein Dachboden gefüllt mit unnützem Krimskrams. Ein Potpourri aus Snape'schen Familienerbstücken, die es nicht wert sind noch gebraucht zu werden. Und dass ich eines Tages als ein solches enden würde...? Wer hätte das schon gedacht?

Er bleibt an der morschen Tür stehen, blickt die Treppe hinunter und überlegt. Mit effizienten Bewegungen... man könnte sie auch als fahrig bezeichnen, kommt er zurück und greift nach dem alten Bettlaken, das er bei seiner Ankunft neben meinem Platz ordentlich zusammengelegt hat. Ohne mich auch nur anzusehen, bedeckt er mich damit, nimmt mir meine Sicht und damit das einzige, was mir noch geblieben ist.

Denn ich weiß, dass er dafür gesorgt hat, dass es in diesem Haus keine anderen Gemälde mehr gibt. Keine anderen Leinwände, auf denen ich ihm folgen könnte. Still und leise - wie der Schatten meiner selbst, der ich geworden bin.

manips, hermine/severus, momentaufnahmen

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