BigBang 2013 - Herzrasen (Kapitel 8: Die Ruhe vor dem Sturm)

Sep 30, 2013 19:13

Beta: josl, jolli
Genre: ein Hauch von Humor, Romanze, h/c, Angst, Drama
Pairing: Boerne/Alberich
Wortanzahl: ~35.000
Warnungen: ooc, cd. Loser Bezug zur Episode Eine Leiche zuviel, es ist von Vorteil, die Folge zu kennen!
Rating: Ab 12
Bingo-Prompt: in Ohnmacht fallen/ohnmächtig
Zusammenfassung: Gedankenverloren sah sie ihm nach, als er den Raum verließ. In den letzten Wochen hatte sich ihre Beziehung irgendwie verändert... doch sie konnte nicht einmal genau sagen, wie, warum und vor allem, in welche Richtung.
Wenige Stunden später allerdings war das ihre geringste Sorge.


Kern war irgendwann wieder aufgetaucht, hatte sich in den Schreibtischstuhl in Boernes Büro fallen lassen, die Füße auf dem Tisch abgelegt und die Augen geschlossen. Für ihn schien das Thema Krankenpflege endgültig abgehakt zu sein, er würdigte sie keines Blickes.

Nowak dagegen wich seinem jüngeren Bruder natürlich keinen Schritt von der Seite. Da er ihn allein nicht stillhalten konnte, half Silke ihm, so gut es ihr möglich war.
Auch Boerne stand noch bei ihnen; allerdings war Silke sich mittlerweile sicher, dass er langsam das Ende seiner Kräfte erreichte. Sie meinte zu erkennen, wie er sich immer schwerer am Tisch anlehnen musste, und seine zusammengekniffenen Augen verrieten, dass er wohl mit Schwindel zu kämpfen hatte. Aber natürlich hätte er niemals einen Ton gesagt, und Nowak war zu sehr auf den Verletzten fixiert, als dass ihm etwas aufgefallen wäre.
Zumindest dachte sie das. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem der ehemalige Kommissar völlig unvermittelt zu Boerne blickte und ihn anwies: „Nun setzen Sie sich endlich. Wir kommen hier klar.“

Boerne sah ihn für einen Moment stumm an, und obwohl es sicher gegen seinen Stolz ging, trat - oder besser gesagt taumelte - er letztendlich tatsächlich ein paar Meter vom Tisch weg. Unsicher stützte er sich an der Wand ab, bevor er sich mit geschlossenen Augen an den Kacheln herabrutschen ließ und dann erschöpft gegen das Regal an seiner Seite sank; offensichtlich ging es ihm noch um einiges schlechter, als Silke gedacht hatte.

In diesem Augenblick war sie so besorgt, dass sie am liebsten gleich zu ihm gestürzt wäre. Doch auch wenn Nowak jetzt gerade bewiesen hatte, dass ihm Boernes Zustand nicht vollständig egal war, war sie absolut sicher, dass er auf ihre Hilfe nicht auch noch verzichten würde. So weit reichte sein Mitgefühl nun sicherlich nicht.
Also riss sie sich zusammen und harrte beim Verletzten aus; als Nowak, der den zusammengesunkenen Boerne noch für einen Moment stirnrunzelnd gemustert hatte, einen kurzen Blick zu ihr warf, schaffte sie es sogar, ihm dankbar zuzunicken.
Er nickte zurück.

Es dauerte bestimmt eine Dreiviertelstunde, bis der junge Mann endlich ruhiger wurde und schließlich in einen leichten Schlaf fiel. Silke hatte sich während dieser Zeit allerdings kaum noch auf ihn konzentrieren können, immer verzweifelter klebten ihre Blicke stattdessen an Boerne, der sich wirklich keinen Millimeter gerührt hatte, seit er zu Boden gegangen war. Er war so still, er machte ihr Angst.

Der Verband des Frischoperierten war zum Glück weiterhin trocken geblieben und dank der Infusionen hatten sich die Blutdruckwerte verbessert. Wiederholt hatte sie auch seine Temperatur kontrolliert, die zufriedenstellend niedrig war. Und nachdem sie noch eine neue Infusion angehängt hatte, machte Nowak endlich eine bezeichnende Kopfbewegung Richtung Boerne.

Silke brauchte keine zweite Aufforderung, sogleich hastete sie zu ihrem reglosen Vorgesetzten und kauerte sich neben ihn. Als sie behutsam eine Hand auf seinen Arm legte und er daraufhin leise seufzte, ließ sie erleichtert ihren Atem entweichen; tief bewusstlos war er definitiv nicht, allerdings reagierte er zu ihrer Enttäuschung dann doch nicht weiter auf sie.

„Professor?“ Unglücklich drückte sie seinen Arm. „Können Sie mich hören?“
Boerne richtete sich nun etwas auf und blinzelte sie an und ein erleichtertes Lächeln huschte über ihr Gesicht; es verschwand aber sogleich wieder, als sie seinen gequälten Gesichtsausdruck sah.
„Ach Chef“, seufzte sie mit gedämpfter Stimme. „Was ist das Schlimmste? Kopfschmerzen? Schwindel?“
Boerne machte zu ihrem Leidwesen gar nicht erst den Versuch zu leugnen, er gab nur ein zustimmendes „…mhmm…“ von sich, bevor er die Augen wieder zufallen ließ.
Ein deutlicheres Zeichen, dass es ihm wirklich schlecht ging, konnte es nicht geben. Er hatte eindeutig eine Gehirnerschütterung davongetragen, was bei der Wucht des Schlages, den er hatte einstecken müssen, nicht wirklich verwunderlich war. Allerdings schienen sich die Symptome in der letzten Stunde noch verschlimmert zu haben; in diesem Zustand hätte er jedenfalls keine Operation durchführen können.
Besorgt fragte Silke sich, ob noch mehr hinter dieser Verschlechterung steckte und sie tastete, wie schon eine ganze Weile zuvor, seinen Hinterkopf ab. Boerne zuckte mit einem leisen Ächzen zusammen, aber er wehrte ihre Hand nicht ab; wahrscheinlich war ihm jede Bewegung zu anstrengend.

Die Platzwunde blutete nicht mehr, stattdessen fühlte sie starre, verkrustete Haare und darunter eine Schwellung von mittlerweile erschreckenden Ausmaßen. „Meine Güte Chef, die Beule ist fast so groß wie ein Golfball! Es ist ein Wunder, dass er Ihnen nicht den Schädelknochen zertrümmert hat!“ Silke war ehrlich entsetzt.

Aus dem Büro war ein abfälliges Schnauben zu hören, das zeigte, dass Kern ihren unterdrückten Ausruf gehört hatte; Nowak hatte aufgeschaut und warf ihr einen undefinierbaren Blick zu, Boerne dagegen hatte die Augen noch fester zugekniffen, murmelte dann aber leise: „Übertreiben Sie nicht Alberich, das ist ein Kopf und keine Eierschale. Alles halb so wild.“
Es tat gut zu hören, dass er seine vorlauten Sprüche noch nicht ganz aufgegeben hatte; seine Versicherung klang allerdings nicht sehr glaubwürdig, angesichts seiner leisen und brüchigen Stimme. Dass er sich aus eigener Kraft nicht mehr aufrecht halten konnte und zurück gegen das Regal an seiner Seite rutschte, machte die Sache nicht besser.

Mit einem langgezogenen Seufzen ließ Silke von ihm ab, stützte die Ellbogen auf die aufgestellten Knie und verbarg für ein paar Minuten ihr Gesicht in den Händen. Der Stress, dem sie seit der Sekunde ausgesetzt war, in der die Eindringlinge die Rechtsmedizin gestürmt hatten, die Angst, die Panik, all das brachte sie an ihre Grenzen. Sie hatte das Gefühl, kaum noch einen klaren Gedanken fassen zu können.

Boerne neben ihr stöhnte ab und zu ganz leise; hinten am Tisch hätte sie die nahezu unhörbaren Geräusche wohl gar nicht wahrgenommen, aber als sie nun so neben ihm saß, zuckte sie bei jedem seiner gequälten Laute heftig zusammen.
Nur leider konnte sie ihm in keiner Weise helfen. Gegen seinen Schwindel war sie machtlos und Nowak nach einer Schmerztablette zu fragen, ersparte sie sich - es war klar, dass er die für seinen Bruder einbehalten würde.

Niedergeschlagen rieb sie sich die brennenden Augen, als der ehemalige Kommissar plötzlich brummte: „Von mir aus können Sie ihm was zum Kühlen holen.“
Fassungslos blickte Silke auf; ganz ungläubig, dass sie nicht längst selber auf diese Idee gekommen war, und zu perplex, um sich zu bedanken, flüsterte sie dann: „Ich brauche auch noch ein Tuch.“
Nowak zuckte mit den Schultern. „Na los.“

Silke sprang so schnell auf, dass sie fast ins Stolpern gekommen wäre, aber kaum hatte sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden, eilte sie ins Labor und holte einen Kühlakku. In der Küche schnappte sie dann noch ein Trockentuch, schlug das Coolpack schon darin ein, während sie zurück an Boernes Seite hastete. Kaum bei ihm angekommen, ging sie neben ihm in die Knie, legte eine Hand an seine Wange und warnte ihn leise: „Vorsicht Chef, jetzt wird’s kalt.“ Dann platzierte sie das Eis behutsam in seinem Nacken.
Boerne verkrampfte sich und biss die Zähne zusammen, als sie das Gelkissen vorsichtig in Form drückte, aber nach einigen Sekunden entspannte er sich wieder und sackte mit einem leisen Seufzen noch etwas schwerer gegen das Regal.

Angespannt beobachtete Silke für die nächsten Minuten sein Gesicht und zu ihrer großen Erleichterung schien die Kälte seinem Kopf gut zu tun. Er stöhnte nicht mehr so oft und die steile Falte auf seiner Stirn, die ein deutliches Zeichen für sein Unwohlsein gewesen war, schwächte sich zumindest ein klein wenig ab.
Erschöpft ließ sie sich nun selber zurück gegen die Wand sinken; der lange Tag forderte seinen Zoll.

***

Ein Blick auf die Uhr zeigte Silke, dass es inzwischen auf 23 Uhr zuging und außer Kern und ihr schien niemand mehr wach zu sein.

In regelmäßigen Abständen war sie aufgestanden, um die Beinwunde sowie die Temperatur des Verletzten zu überprüfen. Sebastian Nowak bemerkte nichts davon, er schlief tief und ruhig. Zu ihrer Befriedigung stellte Silke fest, dass inzwischen ein wenig Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt war.

Der ehemalige Kommissar war eindeutig erleichtert über diese Entwicklung. Er hatte sich mittlerweile einen Stuhl geholt, sich neben seinen Bruder gesetzt und die Augen geschlossen. Sie konnte natürlich nicht sicher sein, aber er sah aus, als sei er innerhalb kürzester Zeit eingedöst.

Ob Boerne wirklich schlief, wusste sie nicht genau. Er war immer weiter in Schieflage geraten, lag zusammengesunken halb auf dem Boden, halb an das Regal gelehnt und hatte sich seit zwei Stunden nicht mehr gerührt. Weder, als sie ihm vorsichtig ihren gefalteten Kittel unter den Kopf geschoben hatte, noch, als Nowak ihr erlaubt hatte, den aufgetauten Kühlakku gegen einen neuen auszutauschen, hatte er ein Lebenszeichen von sich gegeben.
Er sah so elend aus; Silkes Unruhe nahm immer mehr zu. Zum wahrscheinlich hundertsten Mal heute legte sie vorsichtig zwei Finger an seinen Hals und fühlte seinen Puls. Die Schläge unter ihren Fingerspitzen waren schwach und zügig; erleichtert darüber, dass es weiterhin kein langsamer Druckpuls war, der auf eine wirklich schwerwiegende Kopfverletzung hingedeutet hätte, zog sie die Hand wieder zurück.

Weil sie im Augenblick nichts anderes tun konnte, machte sie es sich selber so bequem, wie es auf dem harten, kalten Fußboden eben ging, und schloss die Augen.
Fünf Minuten ausruhen.

Sie fuhr aus ihrem halbschlafartigen Zustand hoch, als sich plötzlich eine Hand über ihren Mund legte und eine Pistole an ihren Hals gepresst wurde.
„Ganz ruhig, Kleine!“, wisperte Kerns Stimme unmittelbar neben ihrem Ohr. „Wenn du nur einen Ton sagst, mache ich dich kalt.“
Silkes Puls begann in ihren Ohren zu rauschen, sie hörte kaum, wie Kern weiter raunte: „Und nicht nur dich, wenn du jetzt Scheiße baust, werde ich auch noch Boerne abmurksen. Ich denke, die Schuld willst du nicht auf dich laden, oder?“
Als er die Pistole wie auffordernd noch etwas fester in ihren Hals drückte und zischte: „Haben wir uns verstanden?“ blieb ihr nichts anderes übrig, als mit dem Kopf zu nicken.
„Gut so! Glaub‘ mir, im Gegensatz zu Nowak ist mir scheißegal, ob ihr lebt oder nicht!“

Nahezu lautlos zog er sie auf die Füße, zerrte sie fest an sich und drängte sie Richtung Schiebetür.
Die geschockte Silke ließ sich mitschleifen; Panik schnürte ihr die Kehle zu, sie war unfähig, auch nur einen Laut von sich zu geben.
Es war eindeutig, was Kern von ihr wollte; die Beule, die sich in ihren Rücken drückte, als er sie vor sich her schob, war absolut unmissverständlich. Und es war weiterhin klar, dass er seine Drohung ohne zu zögern wahrmachen würde, wenn sie nicht kooperierte.

Es stieg eine solche Welle von Übelkeit in ihr auf, dass ihr die Knie weich wurden.
Doch Kern schleppte sie gnadenlos weiter.
Er ließ ihr keine Chance.

< ---------- Kapitel 9>>

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