Bingo-Story: Abflug

Aug 11, 2015 23:58

Titel: Abflug - Kapitel 5
Bingo-Prompt: Prompt 81
Genre: Freundschaft, minimal Humor, h/c
Zusammenfassung: Schnee Ende Januar ist heimtückisch. Aber sowas von...
Wörter: ~8400
A.N.: ausschließlich h/c. Und wie immer bei mir freundschaftsmäßig ooc. Also sagt nicht, ihr seid nicht gewarnt worden.


Eine gute Dreiviertelstunde später klingelte es.
Mit einem Ächzen kämpfte Thiel sich aus dem behaglichen Sofa, in das er sich hatte fallen lassen, nachdem er endlich an sein wohlverdientes Nachtmahl gekommen war.
Seine Schulter war in dieser Zeit noch steifer geworden und mit zusammengebissenen Zähnen rotierte er sie minimal im Kreis, während er durch den Flur tappte und den Türöffner betätigte. Aber die Schmerzen waren wirklich kein Spaß mehr, mit einem leisen Zischen stellte er die Bewegung schnell wieder ein. Es war sogar schon richtig unangenehm, den Arm einfach nur hängen zu lassen, und so hakte er in seiner Not den Daumen einfach in der Gürtelschnalle ein, um etwas Gewicht von der Schulter zu nehmen. Dann öffnete er die Tür und trat ins Treppenhaus, wenige Sekunden später erschien Frau Haller am Treppenabsatz.

"Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat", entschuldigte sie sich anstelle einer Begrüßung. "Aber jetzt habe ich alles, was der Chef für die nächste Zeit braucht. Sogar eine Krankmeldung, egal was für einen Aufstand er probt." Bei diesen Worten klang sie sehr ernst und zu allem entschlossen, gleichzeitig aber funkelten ihre Augen amüsiert ob der zu erwartenden Tirade und ihre Mundwinkel zuckten ein wenig.
Thiel konnte nicht anders, er begann zu grinsen. "Na wenn Se' da man Erfolg mit haben..."

Er öffnete Boernes Wohnungstür und trat dann hinter der ihm dankbar zunickenden Frau Haller in den Flur - nur um beinah gegen sie zu prallen, als sie nach nicht einmal einem Meter abrupt in der Bewegung verharrte.
Das leichte Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht und wich einem Stirnrunzeln, während sie mit schräggelegtem Kopf lauschte. Und Thiel selber hörte es nun auch.
Wie schon bei seinem letzten Besuch in dieser Wohnung drangen leise Geräusche durch die offenstehende Schlafzimmertür, doch während Thiel sich beim ersten Mal nicht ganz sicher gewesen war, was er da gehört hatte, war nun gleich klar: diese klangen nicht gut. Eindeutig.

Fast unmittelbar löste Frau Haller sich aus ihrer Starre, der Kommissar stand ihr in nichts nach und zwei Sekunden später platzten sie in den Raum. Während die Rechtsmedizinerin gleich zu ihrem Vorgesetzten eilte, stoppte Thiel noch kurz am Türrahmen, um das Licht anzuschalten.

Boerne lag immer noch bäuchlings ausgestreckt, aber nicht entspannt, sondern sich rastlos bewegend. Allerdings waren diese Bewegungen nur schwach, kaum mehr als ein erschöpftes, ineffektives Zappeln. Jeder einzelne Atemzug ging ganz angestrengt und schwer, einem Stöhnen gleich, das bis in den Flur zu hören gewesen war. Ganz eindeutig kämpfte er schon seit Längerem mit den zahlreichen Deckenschichten, die Thiel in seiner Sorge um den ausgekühlten Mann wohl etwas zu fest um ihn gesteckt hatte - er war vollständig darin verheddert, mehr als einen Arm hatte er nicht befreien können.

Boerne antwortete nicht auf Frau Hallers erschrecktes: "Chef! Chef, was ist los?", auch als sie sich neben ihn kniete und vorsichtig seine Hand drückte, zeigte er keine nennenswerte Reaktion. Er erschlaffte lediglich mit einem gequälten Geräusch und rührte sich nicht mehr.
Bestürzt registrierte Thiel die Furchen in Boernes schweißüberströmtem Gesicht, die von den Anstrengungen der letzten Minuten zeugten und auch von den Schmerzen, die seine Bewegungen ihm verursacht haben mussten. Die Haare klebten ihm am Kopf, und so blass er vorhin noch gewesen war, inzwischen glühte er förmlich.

"Chef? Hören Sie mich?" Eindeutig besorgt ließ die kleine Frau für einen Moment ihre Hand auf seiner Stirn ruhen, legte sie dann an seinen Hals, wohl um seinen Puls zu fühlen.
Kurz blickte sie zu Thiel auf. „Er ist total überhitzt!“
Zielstrebig aber gleichzeitig ganz behutsam begann sie, die zerwühlten Decken unter ihrem Vorgesetzen hervorzuziehen, Thiel dagegen stand noch wie vom Donner gerührt und konnte irgendwie gar nicht so recht begreifen, was jetzt plötzlich los war.
„Wie, überhitzt… hat er Fieber oder was?“ Konnte das so schnell gehen mit einer Erkältung??

Frau Haller runzelte nachdenklich die Stirn. „Möglich wäre es…. ich glaube aber, er ist einfach nur viel zu warm eingepackt, er ist ja förmlich begraben unter den ganzen Decken!“
Thiel stieg die Röte ins Gesicht. „Kacke.“ Boerne würde ihn umbringen, wenn er erst wieder richtig zu sich gekommen war!

Während Frau Haller konzentriert daran arbeitete, den Professor zu befreien, gab der ein leises, zittriges Stöhnen von sich. Ihre leichten Rucke und Bewegungen reichten zwar nicht aus, um ihn gänzlich aufzuwecken, waren aber allemal stark genug, um ihm Schmerzen zu bereiten. Kraftlos begann er wieder, sich zu rühren, als versuche er, sie abzuwehren, doch sie fing seine hilflos umhertastende Hand ein und begann, beruhigende Worte zu murmeln, während Thiel an ihrer statt nun beherzt das inzwischen fast vollständig gelöste Plumeau griff und es samt der Wolldecken endgültig beiseite zog.

Boerne kam wieder zur Ruhe als sie von ihm abließen, doch sah er alles andere als gut aus: angespannt und wie aus dem Wasser gezogen, sein T-Shirt und die Pyjamahose klebten ihm am Leib. Aber so sehr er auch glühte, überall wo die kühle Schlafzimmerluft auf seine schweißnasse Haut traf, breitete sich eine Gänsehaut aus. So konnte er jedenfalls nicht liegenbleiben, das war Thiel klar.

Frau Haller schien das ebenso zu sehen. „Chef, wachen Sie auf.“ Sie strich dem immer noch schweratmenden Mann behutsam eine feuchte Strähne aus der Stirn. „Wir müssen Sie irgendwie trockenlegen. Und Sie müssen unbedingt etwas trinken. … Chef.“ Sacht drückte sie seine Schulter, mehrfach, bis er die Augen schließlich seufzend für einen Moment noch fester zukniff, bevor er sie mühsam öffnete.
Sichtlich benommen, mit schmerzverschleiertem Blick blinzelte er seine Assistentin an. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sie erkannte, so weit war er weg gewesen. „Alberich? Was…“ Er versuchte sich aufzurichten, hatte aber offensichtlich seine Verletzung vergessen und zuckte schlagartig zusammen. Frau Haller verzog mitfühlend das Gesicht, als Boerne zurück auf sein Kissen fiel und sich nur mit Mühe und Not ein gequältes Aufstöhnen verbiss. Sie hielt ihn ganz fest, während er sich an ihr festkrallte und zischend ein- und ausatmete, sah nur kurz auf. „Herr Thiel, in meiner Handtasche sind die Schmerzmittel. Er braucht sie dringend.“

Thiel, froh sich nützlich machen zu können, eilte gleich zu der Tasche, die sie an der Tür hatte fallen lassen. Auf den ersten Blick fand er die beiden Medikamentenschachteln und brachte sie zurück zum Bett, wo Frau Haller beruhigend über Boernes Schulter strich. Ohne in dieser Bewegung innezuhalten erklärte sie, wie er die Schmerzmittel zuzubereiten hatte und schon nach kurzer Zeit konnte er ihr den kleinen Becher reichen, in dem er die Tropfen ganz nach ihren Anweisungen mit etwas Wasser vermischt hatte.

"Chef. Hier." Sanft löste sie ihre Hand aus Boernes verkrampfen Fingern und nahm Thiel die Medizin ab.
Es war nicht einfach, sie Boerne einzuflößen, aber sie schafften es. Nach ein paar Sekunden konnte sich der Professor, der sich mit zusammengebissenen Zähnen und Frau Hallers Hilfe ein wenig auf die Seite gerollt hatte, zurück auf sein Kissen sinken lassen.

Erschöpft ließ er die Augen wieder zufallen und sagte keinen Ton, hinterfragte nicht einmal, was seine Assistentin in seiner Wohnung machte… deutlicher konnte er nicht zum Ausdruck bringen, dass er einfach nur total am Ende war.
Thiel hätte ihn gern in Ruhe gelassen, aber im gleichen Moment erschauderte Boerne heftig. Und zeigte damit mehr als deutlich, dass in Ruhe lassen noch keine Option war.

t.b.c.

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