The Dream Hunt

Jan 15, 2013 22:03

Mittlerweile völlig außer Atem sah ich mich um.
Er war noch da.
Dieser Schatten.
Die Straßen waren schmal, enge Gassen, kaum mehr. Sie waren so verwinkelt, dass ich immer wieder um Ecken hetzen musste, in der Angst gleich vor meinem Verfolger zu stehen, der nur eine kleine Abkürzung genommen hatte. Meine Nägel schabten über den rauen Stein der Mauern wenn ich eine Kurve nahm.
Die Sonne war schon zu tief um mir noch viel Licht zu spenden als ich auf einen freien Platz hinaus stolperte. Hastig ging ich ein paar Schritte zurück, in die sichere Dunkelheit der Gasse. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Lunge brannte, doch wirkliche Schmerzen empfand ich nicht. Es war eher eine dumpfe Erinnerung daran, dass ich Schmerzen haben sollte.
Schlimmer war die Angst.
Vor mir türmte sich eine Kathedrale aus dem Boden. Zwei eckige Türme, die sich in den Himmel reckten. Ein großes, rundes Fenster über dem Portal, doch das Glas war nicht bunt, sondern schwarz ohne jegliches Muster. Ein fahles Licht ging vom dem Fenster aus.
Eine leise Stimme in meinem Kopf versprach mir: Dort würde ich sicher sein.
Sicher vor meinem Verfolger!
Ich musste nur die paar Schritte aus der Gasse hinaus bis zur Tür schaffen.
Ohne mich noch einmal umzusehen hastete ich los.
Aber er war bereits da.
Er sah mich.
Streckte bereits seine Hand nach mir aus.
Ich spürte seinen brennenden Blick auf mir. Spürte den Lufthauch.
Dennoch erreichte ich dir Tür, stieß sie auf und stolperte in die Dunkelheit der Kathedrale. Säulen säumten den Weg zum Altar, an beiden Seiten befanden sich hohe Gängen in den Alkoven. Ich versuchte so gut es ging im Halbdunkel alles in mich aufzunehmen. Mir alles einzuprägen für den Fall das ich mich schnell verstecken musste.
Doch irgendetwas sagte mir, er würde hier nicht hineinkommen.
Von den Seitengängen sah jemand zu mir herab. Eine weitere Gestalt kam auf mich zu. Ein Mann in einer Kutte.
Er ging ruhig auf mich zu und blieb vor mir stehen, hob den Kopf und ….

-1-
Es dauerte einen Moment bevor ich merkte das es mein eigenes Herz war, dass mir so laut in der Brust schlug.
Erste Sonnenstrahlen fielen in mein Schlafzimmer und tauchten alles in ein gespenstisches Zwielicht.
Wieder dieser Traum.
Stöhnend schlug ich die Bettdecke weg und versuchte mir alle Details erneut vor Augen zu rufen. Dieses Mal war vieles so viel klarer gewesen als in den früheren Träumen. Die Gebäude konnte ich viel besser erkennen als vorher. Nur das Gesicht des Mannes in der Kutte war mir immer noch ein Rätsel.
Und auch wenn ich wusste, dass es alles nur ein Traum war, hing dieser Hauch von Angst immer noch über mir wie ein Schleier. Dieses Gefühl verfolgt zu werden und durch die engen Straßen flüchten zu müssen...
Ein leises Klingeln holte mich meinen Gedanken. Micky sprang zu mir aufs Bett, hockte sich vor mich und blickte mich mit ihren goldgelben Augen an. Ich strecke die Hand aus um sie zu streicheln, doch wie immer ergriff sie sofort die Flucht, huschte durch die Tür und zurück blieb nur das leise Klingeln ihres Halsbands.
Ich lies mich zurück auf das Kissen sinken und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Diese Art Träume hinterließen bei mir immer großen Nachklang. Ich hatte sie schon seit ich mich erinnern konnte. Sie wirkten sehr real und immer wieder befand ich mich in derselben Stadt. In anderen Stadtteilen manchmal, doch oft war ich in den engen Gassen unterwegs, immer auf der Flucht vor einem Schatten, dessen Gesicht ich nie zu sehen bekam.

Ich musste wieder einschlafent sein, denn mein Wecker riss mich unsanft aus einem Traumlosen Schlaf. Mittlerweile schien die Sonne komplett ins Zimmer und die Temperatur war gerade noch so ertragbar. Es war nicht die beste Lage sein Schlafzimmer im Osten zu haben. Ich räkelte mich noch ein wenig in meiner pinken Lieblingsbettwäsche und versuchte mir noch ein paar Sekunden die Decke über den Kopf zu ziehen, doch es wurde viel zu schnell viel zu stickig, so dass ich bald die Decke wieder von mir warf und nach Luft schnappte.
Eigentlich war ich kein Morgenmensch doch heute fiel es mir nicht schwer mich aus dem Bett zu rollen und ins Badezimmer zu schlurfen.
Zum einen hinterließ der Traum der letzten Nacht immer noch einen faden Nachgeschmack auf meiner Zunge und zum anderen war es einfach zu warm um noch länger liegen zu bleiben. Es würde ein heißer Tag werden.
Ich blickte auf und in den Spiegel. Ein kleines, graues Mäuschen blickte mir entgegen. Strähniges, grau-blondes Haar, blaue Augen. Ein Allerweltsgesicht mit ein wenig zu runden Bäckchen. Nichts besonderes. Nichts, was viele Blicke auf sich zog. Dennoch mochte ich mich.
Ich zwang mich, meinem Spiegelbild ein Lächeln zu schenken bevor ich meinen Kopf in eiskaltes Wasser tauchte um ein wenig wacher zu werden und endlich diesen Traum abzuschütteln. Es war Tag. Keine Träume mehr!
Und der Tag würde sicher auch noch einiges Gutes bringen. Immerhin hatte ich geplant ihn mit meinen besten Freunden zu verbringen.

Ich schlüpfte aus dem Nachthemd und unter die Dusche, während Micky es sich auf der Waschmaschine bequem machte und mich beobachtete, wie sie es immer tat. Hin und wieder kommentierte sie meine kläglichen Singversuche mit einem gequälten Mauzen.
Wir teilten uns ein Frühstück, ein Napf Trockenfutter für sie und ein Toast und Tee für mich, während ich den Laptop hochfuhr und mein Postfach nach neuen Mails meiner Eltern durchforstete. Sie waren vor ein paar Monaten, kurz vor meinem 25. Geburtstag nach Australien ausgewandert. Einfach so. Es war schon ziemlich überraschend gekommen für uns alle, doch nach einer Weile hatte ich mich mit dem Gedanken abgefunden. Ich konnte und wollte nicht mit ihnen auswandern und so übernahm ich das Elternhaus, was einfach billiger war als eine dieser Mietwohnungen in der Stadt.
Ein Klingeln an der Tür lies mich aufschaufen.
Einer von ihnen war früh dran!
Und ich hoffte es war Collyn.

Ich musste mich zwingen nicht regelrecht zur Tür zu stürzen um Collyn in die Arme zu fallen. Dennoch zog ich die Tür ein wenig zu stürmisch auf.
Leider war es weder Collyn, noch einer meiner anderen Freunde.
„Ja?“
Fremde.
Ich mochte sie nicht.
Ich brauchte immer recht lange um Leute kennen zu lernen und sie an mich heranzulassen. Wenn sie jedoch erst einmal einen Weg in mein Herz gefunden hatten, lies ich sie nur ungern wieder gehen.
Meine Welt bestand nur aus wenigen Leuten und das war auch gut so.
Und dieser Fremde gehörte nicht zu meiner kleinen Welt. Noch gehörte er zum Bekanntenkreis einer meiner Freunde. Wobei, vielleicht Jasna?
Ich ein Mädchen das sich eher im Gothikstil kleidete, doch ich hatte diesen Mann noch nie bei ihr gesehen. Er wäre mich sicher in Erinnerung geblieben. Er sah zu... faszinierend aus.
Der Fremde trug schwarze Kleidung und einen langen Mantel, trotz der bereits schon recht sommerlichen Hitze. Seine Haut war bleich und er trug seltsam bunte Kontaktlinsen. Was wirklich extrem herausstach waren die Blutroten Haare, die ihm auf einer Seite bis weit auf die Hüften fielen, während die andere Seite kurz rasiert und schwarz war. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich ihn für einen dieser Vampirfreaks halten, die momentan nach diesem Hype überall zu finden waren. Was genau mich jedoch davon überzeugte das er nicht dazugehörte konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen.
„Ja?“ versuchte ich es nochmal, nachdem der Fremde mich genauso offensichtlich gemustert hatte, wie ich ihn.
„Nebraia?“
Jetzt war mir doch ein wenig mulmig. Woher kannte er meinen Namen? Auch noch meinen richtigen, ganzen Namen. Selbst meine Freunde kannten mich nur unter Neya - bis auf wenige Ausnahmen. Es stand auch nicht auf meinem Türschild. Ich vermied es diesen Namen irgendwo anzugeben, es sei denn ich hatte keine andere Wahl. In einer kleinen Stadt wie dieser einen - nun ja „ungewöhnlichen“ Namen zu haben, machte einen schnell Stadtbekannt.
Unwillkürlich zog ich die Tür ein Stück zu und brachte etwas mehr Abstand zwischen den Fremden und mich.
„Ja?“
Der Fremde zog einen Umschlag aus seinem Mantel und streckte ihn mir entgegen. Auch seine Fingernägel waren schwarz lackiert und er hatte unglaublich schöne Hände. Lange Finger, die von einigen silbernen Ringen geschmückt waren.
„Es ist soweit“, meinte er nur und seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Als ich nichts unternahm um ihm den Brief abzunehmen streckte er die Hand aus und packte meinen rechten Arm um mir den Brief in die Hand zu drücken. Für einen Moment war ich schon darauf gefasst gewesen, dass seine Hände eiskalt sein würden - aber natürlich waren sie warm. Jedoch jagte die Berührung durch meinen Körper wie ein elektrischer Schlag.
Es war als würde die Welt einfach aufhören sich zu drehen oder besser, sie kreiste nur noch um mich und diesen Fremden.
Hastig, als hätte ich mich verbrannt lies ihn ihn los und machte einen Schritt zurück, stieß mit dem Rücken gegen die holzverkleidete Wand meines Flurs.
Über seine Schulter hinweg sah ich Collyn und Joshua die Auffahrt hochgefahren kommen. Ihre Blicke zeigte eine Mischung aus Skepsis und Neugier. Ruhig lehnten sie ihre Rad an die Hauswand und kamen langsam die Treppe hinauf zur Haustür, den Fremden nicht aus den Augen lassen. Es beruhigte mich ungemein sie in meiner Nähe zu wissen. Collyns Blickt ging kurz zu mir und die stille Frage in seinen Augen ob alles in Ordnung war, lies mich sofort etwas ruhiger werden und kurz lächeln. Natürlich. Jetzt war alles in Ornung.
Der Fremde schien sich von ihrer Anwesenheit genug gestört zu fühlen, jedenfalls machte er kehrt und huschte an den beiden jungen Männern vorbei die Treppe hinunter. Unten drehte er sich noch einmal um. „Lies es, bevor es zu spät ist!“
Ich blickte ihn nach bis er außer Sichtweite war und erst Joshuas Stimme holte mich zurück aus meiner Trance.
„Wer war das denn?“
„Ich ...habe keine Ahnung“, stammelte ich , immer noch ein wenig verwirrt.
„Und was wollte er?“ Collyn blickte ihm immer noch hinterher, die Straße hinunter.
Plötzlich fühlte der Brief in meiner Hand sich unglaublich schwer an und ich hatte das Bedürfnis ihn loszuwerden. In den Müll. In eine Schublade - oder noch besser: In den Kamin. Leider hatte ich keinen.
Dennoch ertappte ich mich dabei wie ich ihn in meine Tasche schob.
Joshua sah es zwar, sagte aber nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern und zog mich in seine Arme. „Hi erstmal.“
Ich drückte ihn kurz und wand mich dann zu Collyn, lies mich in seine Arme ziehen. Dort schloss ich die Augen und lies mich für ein paar Sekunden einfach nur fallen. Collyns Umarmungen hatten für mich immer etwas beruhigendes. Egal wie schlecht es mir ging, er konnte mir Halt geben. Ich liebte es mich so an seine Brust zu schmiegen und mich einfach geborgen zu fühlen.
„Können wir rein, oder willst du uns hier draußen schon braten?“ lachte Josh leise und stubste mich in die Seite. Er war mein ältester und bester Freund und so war es ihm nicht neu, dass ich die Nähe zu Collyn suchte. Er hatte uns schließlich zusammengebracht.
„Kommt rein.“ Ich zog sie durch die Tür und schloss sie hinter ihnen.

Wir frühstückten zusammen und Joshua zeigte mir einige neue Songs, die er komponiert hatte. Gegen Mittag lies Josh mich mit Collyn allein und wir gingen in den Garten, redeten ein wenig im Schatten der Pflaumenbäume. Den Brief hatte ich bereits völlig vergessen als er mich plötzlich darauf ansprach.
„Frag doch Jasna, vielleicht kennt sie ihn und vielleicht hat sie eine Ahnung wie er hierher gefunden hat und was er von dir wollte.“ schlug er vor, als ich ihm versicherte den Mann noch nie vorher gesehen zu haben.
„Nur weil sie beide schwarz tragen, heißt es doch nicht gleich das sie sich kennen?“
„Einen Versuch ist es doch wert oder?“
Ich nickte langsam. Selbst wenn sie ihn nicht kannte, sie kannte viele Leute und dieser Fremde fiel zumindest durch die roten Haare auf.
„Ich ruf sie morgen mal an.“
Collyn nickte und hob seinen Arm, lies mich näher an ihn kuscheln. Wir saßen oft so zusammen, meistens schweigend oder zum Fernsehen. Für mich waren das sie schönsten Momente der letzten Monate. Sie ließen mich den ganzen Alltagsstress vergessen. Ich konnte mich nicht erinnern mich jemals geborgener oder mehr beschützt gefühlt zu haben. Es war fast schon kitschig romantisch wie wir warteten bis die Sonne untergegangen war.
„Was war das, dass er dir gegeben hat?“ fragte Collyn schließlich in die Stille hinein. Ich wollte mich nicht bewegen, mich nicht herumdrehen um an meine Hosentasche mit dem Brief zu reichen. Aber ich wusste auch er würde keine Ruhe geben. Und zugegeben - neugierig war ich jetzt auch.
„Ein Brief.“
„Und? Was steht drin?“
„Keine Ahnung. Ich habe noch nicht reingeschaut. Du bist aufgetaucht und da hab ich ihn vergessen“, fügte ich mit einem leichten Lachen hinzu.
Collyn mich an und sagte nichts. Seine Meergrünen Augen wirken so dunkel im Zwielicht des Abends. Er brauchte auch nichts zu sagen, denn nach all der Zeit, die wir mittlerweile miteinander verbracht hatten, wusste ich seine Gesichtsausdrücke recht gut zu deuten .Er war neugierig auf den Inhalt, wollte mich aber nicht zwingen ihn vor ihm zu öffnen falls ich nicht wollte. Wer wusste schon was in dem Brief stehen würde. Vielleicht war es ja ein Liebesbrief? Natürlich war er neugierig.
Leise lachen löste ich mich aus seinen Armen und streichelte ihm eine blonde Locke aus dem Gesicht. „Gehen wir rein. Dann gebe ich ihn dir.“
Micky blickte einmal kurz träge auf als wir das Wohnzimmer betraten und gähnte bevor sie sich aus dem Zimmer zurückzog. Ich nahm den zerknitterten Brief aus meiner Hosentasche. Erst jetzt fiel mir auf das er im Grunde nur aus einem gefalteten Stück Papier bestand. Das Papier fühlte sich rau und alt unter meinen Fingern an, als ich es an meinen Freund weiterreichte. Collyn schien es ähnlich zu gehen, denn er betrachtete das Papier erst einmal gründlich von allen Seiten bevor er es auseinander faltete. Ohne zu Zögern begann er zu lesen. Oder versuchte es zumindest. Schließlich warf er den Brief auf die Couch. „Keine Ahnung was das für Zeichen sind.“
Neugierig fischte ich nach dem Blatt, doch auch für mich war der Text völlig unleserlich. Es war nicht, dass mir die Zeichen völlig fremd waren, eher war es als würde der Text vor meinen Augen verschwimmen, die Zeichen oder Buchstaben sich neu anordnen und immer in Bewegung sein. Es war als starre ich auf einen Fernseher, der nichts als Schnee zeigte. Und das war mächtig unheimlich. Ich zog die Stirn kraus und strich mir kurz über die Augen. Aber es veränderte sich nichts.
„Komischer Kauz, komischer Brief.“ Ich zuckte mit den Schultern und legte den Brief auf einen Stapel Magazine und Papiere auf dem Wohnzimmertisch. Sollte er bis zu meiner nächsten Aufräumorgie versauern. Das, oder ich würde ihn so schnell wie möglich in den nächstbesten Kamin werfen.

Collyn verabschiedete sich bald und ich fühlte mich wieder einmal schrecklich allein in meiner Wohnung. Micky blickte träge von ihrem Schlafplatz auf dem Sessel meines Großvaters im Flur auf. Sie verkrümelte sich immer wenn Collyn in der Nähe war und lies sich dann oft stundenlang nicht blicken. Irgendwie stimmte die Chemie zwischen den beiden nicht. Vielleicht war sie auch einfach nur eifersüchtig.
Ich winkte ihr kurz zu und bekam als Antwort nur ein leises Maunzen. Schmunzelnd begann ich ein wenig aufzuräumen, Teller und Gläser in die Spüle und die Fernbedienung wieder aus der Couch-ritze zu angeln. Immer wieder streifte mein Blick dabei den Brief von dem Fremden auf dem Couchtisch. Nicht absichtlich, aber während ich immer wieder flüchtig drauf blickte, hatte ich das ungute Gefühl etwas sei anders.
Irgendwann hielt ich schließlich in meiner Bewegung inne und starrte das Papier an.
Es war anders.
Die Zeichen waren verschwunden und anstatt dessen waren Buchstaben auf dem Papier. Deutlich zu lesende Buchstaben die nicht über das Papier zu wandern schienen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Unwillkürlich sah ich mich um aber natürlich war ich allein - bis auf Micky, die mich jedoch mit wachem Blick beobachtete.
Erneut blickte ich zu dem Brief, in der Hoffnung ich hätte mich doch nur getäuscht , hätte es mir nur eingebildet. Doch die Buchstaben waren immer noch da.
Etwas in mir wollte näher treten, den Brief nehmen und lesen was dieser Fremde mir geschrieben hatte doch ein andere Teil von mir wollte am liebsten aus dem Zimmer stürmen und sich unter der Bettdecke verstecken. Ich hatte schon immer Angst vor meiner zu großen Fantasie. Schon als Kind hatte ich Dinge gesehen, die andere nicht sehen konnten. Aber jetzt war ich älter. Was jedoch nicht heißen würde das ich jetzt nicht mehr dafür ausgelacht werden konnte.
Dennoch.
Ich war kein Kind mehr.
Meine Fantasie konnte mir nichts mehr vorgaukeln.
Richtig?
Dies war nicht mehr der Kindergarten, wo ich mir meine Freunde ausgedachte hatte um dann mit meinen unsichtbaren Gefährten Hand in Hand nach Hause zu gehen.
Dies hier war die wirkliche Welt. Eine erwachsene Welt.
Ich lehnte mich über den Brief und begann zu lesen - ihn anzufassen brachte ich nicht fertig.

Nebraia, die Zeiten haben sich geändert.
Du musst die Tür wieder
öffnen und uns helfen.
E.

-2-
Lange, rote Haare?“ Jasna lehnte sich zurück und verschränkte die Arme während sie nachdachte. Gleich am nächsten Morgen hatte ich sie angerufen und um ein Treffen gebeten. Irgendwie erschien es mir nicht richtig sie übers Telefon nach dem Fremden zu fragen. Sie hatte sofort eingewilligt. Wahrscheinlich hatte sie die Dringlichkeit und Panik in meiner Stimme herausgehört.
Ich hatte die Nacht nicht sonderlich gut geschlafen. Das Wissen um den Brief, der immer noch in meinem Wohnzimmer lag und die Worte die er enthalten hatte brachten mich um einen ruhigen Schlaf. Zu sehr geriet ich immer wieder ins Grübeln was diese Worte meinen konnten und zu sehr schlich sich Angst in meine Gedanken. Mir war nicht wohl in dieser Nacht so gut wie allein im Haus zu sein.
Ich glaube, ich weiß sogar wen du meinst“, murmelte Jasna nach einem Moment. „Ziemlich groß? Rotes Haar bis hier?“ Sie zeigte auf ihre Hüften und ich nickte.
„Komische Augen? Zweifarbig?“
Wieder nickte ich.
„Dann meinst du Enba. Aber woher kennst du ihn?“
„Ich frage mich eher, woher er mich kennt.“ entgegnete ich ihr. Bisher hatte ich ihr noch nicht von dem Brief erzählt und ich hatte es auch eigentlich nicht unbedingt vor, es zu tun. Wer würde mir denn auch schon glauben, dass ein Zettel, der zuerst sowohl für Collyn als auch für mich unleserlich war, plötzlich leserlich wurde sobald ich allein war?
Zudem war der Inhalt des Briefes, die wenigen Zeilen nicht sonderlich aufschlussreich gewesen. Ich hatte keine Ahnung wovon dieser Enba sprach. Eine Tür öffnen? Zeiten, die sich geändert hatten?
Völliger Unsinn.
„Soll ich Enba fragen woher er dich kennt?“
Jasnas Stimme lies mich aufblicken. „Wäre das denn möglich?“
Meine dunkelhaarige Freundin nickte und lächelte mir aufmunternd zu. „Ich möchte fast wetten das ich ihn heute Abend auf dem Festival sehe.“
„Danke.“
„Ich könnte auch ein Treffen arrangieren wenn du ihn selbst fragen willst?“
Der Gedanke, den Rothaarigen wieder zu sehen behagte mir irgendwie gar nicht. Wahrscheinlich war er ein Psychopath oder sonst was, der seine ahnungslosen Opfer ausspionierte und dann mit seltsamen Briefchen in den Wahnsinn trieb. Warum sonst würde er mir einen so seltsamen Brief vorbeibringen? Vielleicht hatte er auch einfach nur einen sehr seltsamen Sinn für Humor, doch die erste Möglichkeit ging mir nicht aus dem Kopf nachdem ich sie erst einmal zu Ende gedacht hatte.
Und selbst wenn Jasna ein Treffen arrangieren würde, ich bezweifelte, dass Enba mir etwas sagen würde solange die anderen dabei waren. Und alleine würde ich sicher nicht zu einem Treffen mit ihm gehen. Er war mir unheimlich, was nicht an seinem Äusseren lag, sondern eher an dieser seltsamen Ausstrahlung, die er auf mich hatte. Ich fand ihn faszinierend, viel zu gut aussehend und gleichzeitig lies er mir einen kalten Schauer den Rücken hinab laufen.
Ich wollte ihn wiedersehen.
Definitiv!
„Nein, schon gut. Frag ihn einfach.“
Jasna nickte und verabschiedete sich, während ich mich auf dem Weg zu dem Café machte, indem Collyn und ich uns verabredet hatten.

original: nebraia

Previous post
Up