Genre: Humor
Rating: P-6
Wörter: ca. 1700
Kurzinhalt: Eine Wette zwischen Thiel und Boerne hat weitreichende Folgen...
Beta:
farfarello88Disclaimer: Die Charaktere des Tatort Münster gehören nicht mir, sondern der ARD. Ich ziehe keinerlei finanziellen Nutzen aus der Geschichte.
Ein Dankeschön geht an Farfie für's Betalesen und für deine Geduld trotz der gestrigen technischen Probleme :-)
Viel Spaß!
Invaliden
Sonntagmittag...
„Aua! Passen Sie doch auf, Sie Grobmotoriker!“
„Jetzt haben Sie sich nicht so, Thiel. Meine Armfrakturen damals waren mit Sicherheit viel schmerzhafter als Ihr simpler Beindurchbruch.“
„Toll, dass Sie so genau wissen, ob mir was wehtut oder nicht! Und jetzt bringen Sie mich endlich zum Sofa.“
Den rechten Arm um Boernes Schulter gelegt, was aufgrund des Größenunterschieds gar nicht so einfach war, humpelte Thiel durch seine Wohnung. Sein linkes Bein steckte bis übers Knie in Gips und schmerzte ganz enorm, auch ohne dass Boerne aus Versehen dagegen stieß.
Endlich hatten sie das Sofa erreicht, und unter viel Ächzen, Stöhnen und Fluchen ließ sich Thiel darauf nieder, bis er schließlich einigermaßen bequem lag.
„So, ich werde Ihnen noch das Telefon ans Sofa bringen, damit Sie notfalls Hilfe rufen können“, sagte Boerne und war auch schon auf dem Weg in den Flur.
„Ich lieg' nicht im Sterben, okay?“, rief Thiel ihm brummig hinterher. Boerne ignorierte dies und kam stattdessen mit Thiels schnurlosem Telefon inklusive Ladestation zurück ins Zimmer, das Telefonkabel hinter sich herziehend. Es reichte gerade so bis zum Couchtisch, war nun allerdings straff quer durch das Zimmer gespannt.
„Wozu bringen Sie denn gleich den ganzen Apparat? Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, das Ding kann man schnurlos benutzen.“
„Ich habe durchaus technisches Verständnis, ganz im Gegensatz zu Ihnen, Thiel. Aber der Akku dieser Billigtelefone hält meist nicht lange vor, wenn man sie nicht in die Ladestation stellt...“
„Blödsinn! Ich werd' höchstens über das dumme Kabel stolpern und mir das andere Bein auch noch brechen, wenn ich mal aufs Klo muss.“
„Papperlapapp“, winkte Boerne ab. „Sehen können Sie ja noch, oder? Gut, dann werde ich als nächstes -“
„Geben Sie mir die Fernbedienung, Boerne, und dann verschwinden Sie am besten“, knurrte Thiel.
„Ihre Freundlichkeit ist wieder einmal umwerfend. Wollen Sie die nächsten paar Wochen etwa vor der Glotze zubringen, oder wie? Mit Unterschichtenfernsehen vielleicht?“
„Immer noch besser, als die nächsten paar Wochen unter Ihrer geschwätzigen Pflege zu verbringen! Sie haben mir das doch alles eingebrockt.“
„Das weise ich entschieden zurück - Sie haben nun mal die Wette verloren, Thiel...“
„Schnauze!!“
***
Zwei Tage zuvor...
„Ich weiß gar nicht, warum Sie sich eigentlich noch die Mühe machen, so oft nach Hamburg zu fahren... Soweit ich weiß, verliert St. Pauli doch sowieso ständig.“
Es war Freitagnachmittag und Boerne, der offenbar nichts mehr zu tun hatte, hatte es sich in Thiels Schreibtischstuhl gemütlich gemacht.
„Sie wissen eben rein gar nichts!“, stellte der Kommissar verächtlich fest. „Das ist keine Frage des Gewinnens oder Verlierens, sondern eine Frage der kontinuierlichen Unterstützung durch Fans.“
„Meine Güte Thiel, dass ein Fremdwort wie 'kontinuierlich' überhaupt zu Ihrem Wortschatz zählt, wirft mich glatt aus der Bahn.“
„Schön wär's“, brummte Thiel, während er seinen Geldbeutel und Schlüssel in die kleine Reisetasche warf, die auf seinem Schreibtisch stand. Er sah sich um, ob er noch irgendetwas vergessen hatte einzupacken. Und wo hatte er eigentlich seine Dauerkarte hingelegt? Die war doch wohl hoffentlich nicht in seiner Wohnung - dann würde er den ICE verpassen, in dem er diesmal sogar extra einen Sitzplatz reserviert hatte...
„Ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie nicht Lust hätten, am Samstagabend zum alljährlichen Weihnachtsausflug des gerichtsmedizinischen Instituts mitzukommen? Wir gehen diesmal Schlittschuhlaufen - eine Idee der Studenten, wissen Sie...“
„Bitte was?“ Thiel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Ungläubig sah er Boerne an. „Das meinen Sie doch wohl nicht ernst - Schlittschuhlaufen? Und seit wann gehöre ich zu Ihrem Institut?“
„Ach, da kann jeder mitkommen, der auch nur entfernt mit uns zu tun hat“, winkte Boerne großzügig ab. „Mir ist durchaus bewusst, dass Sie nicht die ideale Figur für einen doppelten Rittberger haben, aber ein paar Bahnen drehen kann ja wohl jeder. Und ein bisschen Sport würde Ihnen auch wirklich mal ganz gut tun.“
Thiel tippte sich an die Stirn. „Bei Ihnen ist wohl 'ne Schraube locker. Nie im Leben geh' ich Schlittschuhfahren - und am allerwenigsten mit Ihnen! Frau Haller geht doch bestimmt mit, dann können Sie sich ja an sie halten.“
„Erstens könnte ich mich wohl schlecht im wörtlichen Sinne an Alberich halten, sonst müsste ich ja hinterher zum Orthopäden. Und zweitens kann sie gar nicht teilnehmen, weil sie mit Grippe im Bett liegt.“
„Aber warum in aller Welt soll ich da mitkommen? Haben Sie ansonsten niemanden zum Reden? Ihre Studenten sind es bestimmt schon lange leid, von Ihnen vollgequasselt zu werden...“
Für einen kurzen Augenblick nahm Boernes Gesicht einen verletzten Ausdruck an und Thiel bereute seine Worte. Ihm schwante, dass er den Kern der Sache womöglich recht genau getroffen hatte. Aber so direkt hatte er das eigentlich nun doch nicht sagen wollen...
„Gut, das nehme ich zurück. Aber ich hab trotzdem keinen Bedarf an Schlittschuhfahren, das hab ich mit meiner Ex-Frau ein einziges Mal gemacht - nie wieder!“ Er hob abwehrend die Hände und fügte dann hinzu: „Ich frage Sie ja auch nicht, ob Sie mit ins Stadion kommen wollen, obwohl Sie für Fußball absolut nichts übrig haben.“
Der Rechtsmediziner kniff die Augen zusammen. „Das ist die Idee!“, sagte er dann begeistert. „Lassen Sie uns wetten! Wenn St. Pauli heute Abend gewinnt, dann komme ich mit zum nächsten Spiel und feuere den St. Pauli an. Aber wenn Ihr Club verliert... dann kommen Sie mit zum Schlittschuhlaufen.“
Thiel sah ihn ungläubig an. „Bei der Wette wäre ich ja gleich doppelt gestraft!“
Boerne stand auf und ging überlegen lächelnd zur Tür. „Na gut, Thiel, ich kann verstehen, dass Sie insgeheim schon gar nicht mehr mit einem Sieg Ihres Vereins rechnen...“
Mit einer raschen Handbewegung stoppte Thiel seinen Nachbarn an der Tür.
„Okay Boerne, die Wette gilt.“
***
„Jetzt kommen Sie schon, Thiel - Wettschulden sind nun mal Ehrenschulden, da brauchen Sie gar nicht so ein Gesicht zu ziehen...“
„Halten Sie bloß die Klappe, Boerne...“
Missmutig sah Thiel aus dem Fenster von Boernes Sportwagen. Sie waren unterwegs zum EisPalast Münster und seine Laune hätte an diesem Samstagabend kaum schlechter sein können. St. Pauli hatte es am Tag zuvor doch tatsächlich geschafft, das Spiel nach einer 2:0-Führung noch 2:3 zu verlieren.
Dann war natürlich auch noch sein Plan, nach der Ankunft in Münster sofort unterzutauchen, fehlgeschlagen - Boerne hatte ihn in weiser Voraussicht bereits am Bahnsteig abgefangen. Und natürlich bestand sein Nachbar darauf, dass die verlorene Wette nun eingelöst wurde. Warum hatte er sich überhaupt noch mal auf den ganzen Blödsinn eingelassen? Thiel seufzte.
Boerne sah ihn von der Seite an. „Sie werden sehen, es wird Ihnen Spaß machen. Schlittschuhlaufen ist überhaupt nicht schwierig, wenn man einmal den Dreh raus hat, und ich kann Ihnen -“
„Jaja, ich kann's mir schon denken: Sie waren wahrscheinlich irgendwann mal Eislauf-Champion oder so und haben irgendwo noch eine olympische Goldmedaille rumliegen...“
„Nun, nicht gerade eine Olympia-Medaille, aber ich hatte als Teenager mal eine Freundin, die Eiskunstläuferin war. Von ihr habe ich so einiges darüber gelernt, wie man sich sicher auf dem Eis bewegt. Das kann ich nun gerne an Sie weitergeben.“
„Na herzlichen Dank“, sagte Thiel sarkastisch.
***
Thiel klammerte sich mit beiden Händen an der Bande fest, als hinge sein Leben davon ab. Noch nie im Leben war ihm ein Untergrund dermaßen rutschig und glatt vorgekommen wie diese Eisfläche. Boerne hatte bereits zwei Runden gedreht und Thiel musste widerstrebend anerkennen, dass sein Nachbar es tatsächlich sehr gut verstand, sich auf dem Eis fortzubewegen.
In diesem Augenblick bremste Boerne mit einer eleganten Kurve neben ihm ab.
„Nun aber, Thiel, Sie wollen sich doch wohl nicht die ganze Zeit am Rand festhalten! Wenn Sie sich erstmal ein wenig auf dem Eis bewegt haben, bekommen Sie schnell Sicherheit... Hier.“
Er streckte die rechte Hand aus. Zögerlich löste sich Thiel von der Bande und umklammerte mit beiden Händen Boernes Arm. Auf diese Weise begannen Sie, sich langsam auf dem Eis vorwärts zu bewegen.
Nach einigen, gefühlt endlos langen Runden hatte Thiel das Gefühl, er könne nun zumindest alleine auf dem Eis stehen, ohne sofort auszurutschen - von alleine fahren war allerdings noch keine Rede.
„Sehen Sie, Thiel, das geht doch schon prima“, frohlockte Boerne; inzwischen hatten sie bereits eine ordentliche Geschwindigkeit drauf. „Eigentlich können Sie es jetzt auch schon alleine probieren, das schult.“
„Unterstehen Sie sich, mich bei diesem Tempo loszulassen!“, sagte Thiel aufgebracht. „Ich kann auf keinen Fall -“
„Oh, sehen Sie mal, dort drüben am Rand steht ja Prof. Dr. Dr. Mayer-Hackenbeck, kennen Sie den noch?“, unterbrach ihn Boerne begeistert. „Der hat damals in Ihrem ersten Fall das künstliche Hüftgelenk identifiziert... Hallo, Herr Professor!“
Der Angesprochene drehte sich in ihre Richtung, erkannte Boerne offenbar und hob grüßend die Hand. Reflexartig tat Boerne es ihm gleich, hob den rechten Arm und winkte bei voller Fahrt zurück.
Dabei hatte er jedoch leider nicht bedacht, dass an eben diesem Arm noch ein höchst unsicherer Thiel hing.
***
Sonntagmittag...
„Schnauze!!“
„Na na, es gibt keinen Grund, ausfallend zu werden, Herr Thiel.“
„Oh doch! Wenn Sie mich nicht zu dieser blöden Wette gezwungen hätten... und wenn Sie mir nicht plötzlich den Arm weggezogen hätten... dann wär' ich jetzt nicht wochenlang auf Hilfe angewiesen, Sie Idiot!“
Boerne richtete sich zu seiner vollen Größe auf; seine Augen blitzten.
„Ich habe mich für dieses Missgeschick meinerseits bereits entschuldigt. Wenn Sie mich aber dennoch weiterhin beschimpfen und beschuldigen wollen, dann lege ich ebenfalls keinen gesteigerten Wert darauf, mich noch weiter um Sie zu kümmern.“
Der Professor drehte sich auf dem Absatz um und marschierte wütend durch Thiels Wohnzimmer.
„Boerne, passen Sie auf - das Telefonkabel!!“
***
„Machen Sie sich keine Sorgen, Professor Boerne - so eine glatte Beinfraktur heilt recht schnell“, sagte der junge Arzt in der Notaufnahme fröhlich. „In einigen Wochen sollten Sie Ihr Gipsbein schon wieder los sein! Und in der Zwischenzeit haben Sie doch bestimmt einen netten Nachbarn, der Ihnen bei allem behilflich sein kann...“
***ENDE***