Ich wollte eigentlich einen anderen Prompt nehmen, aber ich war dann noch so im Leah/Jasper-Mindset, dass ich mich kurzfristig umentschieden habe, und das hier entstanden ist.
Titel: Rauhreifregen
Autor*in: SchmokSchmok
Fandom: Bis(s)/Twilight
Beziehung: Leah Clearwater x Jasper Whitlock-Hale
Prompt: Rauhreif
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FFde Sie weiß nicht, was sie dazu treibt, sich in seine Berührung zu lehnen. Sie ist müde, umtrieben von Gespenstern, die sie nicht mehr loslassen. Wo er sie berührt, ist alles Feuer und Flamme, versengt von Kopf bis Fuß. Aber wenn er ablässt von ihr, dann will sie nichts Anderes, als ihn wieder an sich zu ziehen. Sie will sich an seine kalte, harte Haut lehnen und all die Wut aus ihrem Blut in seine Adern fließen lassen.
Er sollte der Rauhreif auf ihren Stechpalmenzweigen sein, die Schlittschuheisschicht auf ihrem Weiher, die kalten Wellen über ihrem submarinen Vulkan. Er sollte sie herunterholen auf den Boden der Tatsachen und ihr Gemüt kühlen mit seiner Untertemperatur. Stattdessen löst er Waldbrände aus, die Leahs Körper gar nicht fassen kann.
Wie kann er es wagen, denkt sie, wie kann er so dreist sein, immer wieder ihre Hand zu ergreifen und sie mit sich zu ziehen, als hätte er das Anrecht auf ihre Aufmerksamkeit, ihre Zugehörigkeit. Wie kann er zulassen, dass Eisblumen sich rund um ihre Hautkontaktstellen ausbreiten, während alles in ihr brennt, brennt, brennt.
Sie will sich das Fell vom Körper streifen, aber erinnert sich gerade noch so daran, dass sie in ihrer menschlichen Form vor ihm steht. Das Kälteste weit und breit ist er und seine schrecklich furchtbare Diamanthaut. Der fallende Schnee schmilzt, wo er sie berührt, und sie dampft und dampft jegliche Vernunft aus sich heraus.
Den Mund halb geöffnet, als wollte sie ihm irgendetwas sagen, das sie nicht schon angedeutet oder wutentbrannt geweint hat, starrt sie auf seine Augenbraue, auf seine Nasenspitze, auf seine Bernsteinaugen und die absolute Ausdruckslosigkeit in seinem Gesicht.
Dann schließt sie ihn doch wieder, schluckt all die Du bist Schulds und Warum tust Du das herunter, weil er sich doch etwas dabei gedacht haben muss, als er sie gewählt hat. Denn es ist doch so: Es kann kein Zufall sein, dass er sich ausgesucht hat, mit ihr zu tanzen, wo sie doch nie wirklich ein Wort miteinander gewechselt haben, nur flüchtige Blicke und warnendes Knurren getauscht. Und es kann kein Versehen sein, dass er ihr von der Tanzfläche gefolgt ist, als sie vor lauter Tränen den Weg nicht mehr erkennen konnte und nur wegwegweg wollte. Es kann nicht unabsichtlich geschehen sein, dass er ihr nicht einmal oder zweimal, sondern drei ganze Male die Hand entgegengestreckt hat, in der Hoffnung, dass sie sie ergreifen würde, obwohl er es doch ist, der ihren Schmerz ebenso sehr spürt wie sie.
Nein, denkt sie, er löst keine Waldbrände aus. Er stiftet sie mit derselben ruhigen Hand, die noch immer auf ihrer Halsschlagader ruht. Und wenn sie nur einen Moment länger bleibt, dann wird sie wie Asche im Wind fortgetragen. Wenn sie ihm die Möglichkeit dazu bietet, dann wird er sich alles von ihr genommen haben, bis nichts von ihr übrig ist. (Und Leah ist doch schon so wenig. Leah ist doch nur Wut und Wut und Wut, die nur von ihrer Haut zusammengehalten wird und nur eine unbedachte Bewegung davon entfernt ist, aus ihr herauszubrechen wie Wasser durch einen brechenden Staudamm. (Manchmal ist Leah auch Enttäuschung und die tiefe, heftige Erkenntnis, verlassen worden zu sein. Manchmal ist Leah die Freiheit des Windes in den Baumwipfeln und die Unnachgiebigkeit des rauschenden Wassers. Manchmal ist Leah Hartnäckigkeit und Familienwärme und Fels in der Brandung. Manchmal ist Leah reißende Hingabe und der Wunsch nach festen Händen, die ihr Halt geben. Aber meistens, meistens ist Leah Wut.))
Sie geht einen Schritt zurück, heraus aus seiner allesverschlingenden Präsenz, seine Hand verharrt für eine Sekunde zu lang in der Luft, statt haltlos nach unten zu fallen, wie es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre. Seine andere Hand hält noch immer ihre umfasst, aber sie schält sich aus seiner Umklammerung, Finger für Zentimeter für Handballen. Die Dezemberluft beißt in ihre Handflächen, in ihren Hals, in ihr Herz, aber der zerbrechliche Ausdruck auf seinem Gesicht ist es wert, macht all die Kälte, die sich in ihr ausbreitet, zu einem zögerlichen Sieg.
In einem Anflug poetischer Inklination denkt sie beinahe, wie passend es ist, dass sein Gesicht fällt wie ihre Körpertemperatur. Dann geht sie einen weiteren Schritt nach hinten, und noch einen. Mit jedem weiteren Zentimeter Entfernung entspannt sich sein Gesicht mehr, bis die Erkenntnis, dass sie schon wieder auf ihn hereingefallen ist, wie Rauhreifregen auf ihre Haut trifft.
Das war das letzte Mal, schwört sie sich, als sie sich umdreht und ihn fiebrig heiß zurücklässt, die Haut dampfend an jeder Stelle, an der sie ihn berührt hat, während sie selbst sich fühlt, als würde sie nie wieder warm werden. Das war das allerletzte Mal, dass sie ihren eigenen Gefühlen ins Gesicht geblickt hat, ohne sie wiederzuerkennen.