Titel: Pudel vs. Andy - 1:0
Fandom:
rei17s Originaluniversum mit Chris, Andy und Niklas, in meinem Kopf bekannt unter dem Namen "Mein Bruder, sein Freund und ich", unter
diesem Tag in ihrem Schreibjournal zu finden.
Charaktere: Andy, Chris
Wörter: ~1600
Pudel vs. Andy - 1:0
Eigentlich liebt Andy Hunde. Ach, was heißt „eigentlich“. Andy liebt Hunde. Punkt. Egal, ob Rassehund oder Dokö, ob klein oder groß. Okay, die großen vielleicht doch ein bisschen lieber, aber Andys Opa hatte als er klein war (also Andy, nicht Andys Opa) eine Rauhaardackeldame namens Emma und das war Liebe auf den ersten Blick.
Andy hat einen irischen Wolfshund namens Saint Patrick oder kurz Pat. Er weiß nicht mehr genau, warum seine Eltern ihm diesen Wunsch erfüllt haben, er wäre auch mit einem kleineren Hund zufrieden gewesen, aber so ist es ein weiterer Grund, warum Andy nicht so richtig rebellisch sein und sich heimlich einen Hund aus dem Tierheim holen kann. Falls man sich als Minderjähriger heimlich Hunde holen kann. Also wahrscheinlich sowieso nicht. Jetzt, wo er nicht mehr bei seinen Eltern wohnt, hat sich die Sache sowieso erledigt. Er weiß nicht mal so genau, wie er auf einen irischen Wolfhund gekommen ist. Vielleicht weil es der größte Hund der Welt ist und er schon immer einen leichten Hang zur Megalomanie hatte. Oder weil die Viecher so struppig aussehen. Oder weil Andy als Kind zu oft Susi und Strolch gesehen hat.
Wie auch immer, Andy liebt Hunde. Und er muss, wo er auch hingeht, alle Hunden, denen er begegnet, streicheln. Das mag ein bisschen dumm sein, aber- nein, halt, das ist dumm. Und mehr als nur ein bisschen, wenn man nach den Bisswunden geht. Hey, bisschen - Biss. Ha. Fucking. Ha.
Im Nachhinein lassen sich die Ereignisse, die dazu geführt haben nur schwierig rekonstruieren. Es war alles eine unglückliche Verkettung von Umständen. Die da wären: der fremde Hund, den Andy gestreichelt hat, Pat und Andys rechter Arm dazwischen. Andys Arm blutet, aber nicht doll. Sagt zumindest Andy, der sich ein Küchenhandtuch drumgewickelt hat und das so gelassen hätte, wenn Chris nicht darauf bestanden hätte, dass sie jetzt sofort ins Krankenhaus fahren.
Andy betont, dass es nicht die Schuld des Hundes war. Er hieße aus unerfindlichen Gründen Brahms, hätte einen beeindruckenden Afro und sei für einen Riesenpudel normalerweise ein richtig feiner Kerl. Soviel dazu, der Besitzer dankt. Chris ist sich nicht sicher, wer Schuld war, aber da er nicht dabei war, wird er Andy wohl glauben müssen. Das alles erzählt Andy Chris auf der kurzen Fahrt zum Krankenhaus in Andys gammligem kleinem Suzuki und als sie da sind, steigt er auch noch ziemlich beschwingt aus, schafft es dann aber nur einen halben Schritt weit, bevor seine Knie nachgeben und er sich am Auto abstützen muss.
Es ist weniger der Blutverlust als das Adrenalin, dass so langsam versagt und verdammt, tut das weh. Wenigstens ist es eines von den hässlichen Geschirrhandtüchern, die Chris' Oma ihm zum Einzug in die erste eigene Wohnung geschenkt hat (nicht, dass sie von Andy wüsste) und nicht eines der schönen limonengelb-blau-karierten, die sie zusammen bei IKEA gekauft haben. Andy hängt sehr an dem Kram, den sie zusammen bei IKEA gekauft haben.
„Schaffst du es bis in die Notaufnahme?“, fragt Chris mit besorgtem Stirnrunzeln.
Andy plustert sich auf, was seine Wirkung etwas verfehlt, wenn man dabei matt gegen ein Auto lehnt. „Klar schaff ich das.“
„Ich könnte die bitten, mit soner Liege rauszukommen.“
„Komm schon, hilf mir einfach.“
Chris tut genau das und sie gehen langsam rein, Andys heiler Arm um Chris' Schulter und Chris' Arm um Andys Taille. Andy fühlt sich gleich 63% besser und als würde er über den Parkplatzasphalt des Krankenhauses schweben, aber das mag auch der Blutverlust sein, wer weiß.
Andy hatte kurzzeitig den Verdacht, dass Chris böse auf ihn ist, aber jetzt ist er einigermaßen beruhigt. Es ist manchmal schwierig für Andy zu sagen, wann genau Chris sauer auf ihn ist. Manchmal ist Chris einfach nur sehr ruhig und manchmal ist er abgelenkt und eigentlich kann man sich nur sicher sein, dass Chris sauer auf einen ist, wenn es schon zu spät ist und er einem wehtut. So gesehen war Chris Andy noch nie wirklich böse.
Und er sagt auch nie „Ich hab's dir ja gleich gesagt“. Denn Tatsache ist, Chris würde sich niemals von einem fremden Hund beißen lassen, hauptsächlich, weil er niemals auf die Idee kommen würde einen fremden Hund anzufassen. Die Idee läge ihm fast so fern, wie die einen fremden Menschen anzufassen. Aber Tatsache ist auch, dass er Andy schon öfters darauf hingewiesen hat, dass er nicht immer alles anfassen muss. Allerdings hat er es nicht so gesagt. Nicht: „Musst du immer alles anfassen?!“ Es war mehr eine neutrale Beobachtung hinsichtlich Andys taktiler Tendenzen. Es ist schade, dass er sich nicht mehr genau erinnern kann, denn Andy fand die Formulierung ein kleines bisschen heiß.
Das Wartezimmer ist ziemlich voll, aber Dank des blutigen Küchenhandtuchs und Andys blassem Gesicht kommen sie erstaunlich schnell ran. Eine junge Ärztin oder Schwester, Andy ist sich da nicht ganz sicher, führt sie in ein Behandlungszimmer, nachdem Andy ihr strahlend erklärt hat, dass Chris sein Freund ist und mitkommen muss. Na ja, so strahlend, wie es angesichts der Schmerzen möglich ist.
Andy wird auf einer dieser Liegen platziert und sitzt da, während die Ärztin ihm örtliche Betäubung gibt und dann anfängt, die Wunde zu säubern und zu desinfizieren. Chris steht still daneben und sieht interessiert zu, während Andy seine Hand umklammert hält. Es sieht ziemlich schlimm aus. Hoffentlich schlimmer als es ist. Der Arm fängt schon an grün und blau zu werden. Andererseits kriegt Andy leicht blaue Flecken, meistens weil er in seiner üblichen stürmischen Art gegen Tischkanten oder Türrahmen rennt und einmal gegen einen Poller in der Fußgängerzone, aber das ist ein peinliche Geschichte, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Die Essenz des ganzen ist: Sieht schlimm aus, aber meist weiß Andy nicht mal, woher er sie hat.
Okay, diesmal weiß er es und es ist auch ein bisschen schlimmer als selbst die Pollergeschichte.
Die örtliche Betäubung ist auf jeden Fall eine tolle Sache. Super Erfindung, Betäubungsmittel, kann man nicht anders sagen.
„Herr Bender?“, sagt die Ärztin und Andy sieht etwas verspätet zu ihr auf. „Wir nähen Bisswunden nur wenn es unbedingt sein muss, weil sie sich oft entzünden. Ich werde Pflaster verwenden, um die größeren Wunden zusammenzuhalten und die kleineren sollten so abheilen. Sie kriegen ein Rezept für ein Desinfektionsmittel, dass sie bitte verwenden. Halten Sie den Arm möglichst ruhig, lassen Sie Luft ran, aber kein Wasser und suchen Sie einen Arzt auf, wenn sich eine der Wunden entzündet. Sind sie gegen Tetanus geimpft?“
Luft ja, Wasser nein und ist Andy was?
„Ist er“, sagt Chris und Andy ist erleichtert, weil er keine Ahnung hat, was Tetanus überhaupt ist und wenn Chris sagt, Andy ist geimpft, dann ist Andy auch geimpft.
Nachdem Andy ausreichend verpflastert und desinfiziert ist, bringt Chris ihn zurück zum Auto und macht dann noch einen kurzen Abstecher zur Apotheke, um Desinfektionsmittel und Schmerztabletten zu kaufen und dann können sie endlich nach Hause.
Auf der Fahrt merkt Andy schon, dass es ihm jetzt endgültig und ganz entschieden nicht so blendend geht. Eigentlich fühlt er sich sogar hundeelend. (Haha.) Und dann fällt es ihm ein: das Vorspiel. Mit der Band. Nächste Woche. Das wichtige Vorspiel. Zu dem er in Topform sein muss. Und Schlagzeug spielen. Müsste. Verdammt.
Das Auto macht einen Schlenker und Andy hat wirklich keine Ahnung, warum - Chris ist normalerweise ein sehr konzentrierter Fahrer - bis Chris ungläubig sagt: „Weinst du?“
Es ist nicht Chris' Art Fragen zu stellen, auf die er die Antwort kennt, aber es ist auch nicht Andys Art aus heiterem Himmel zu heulen wie ein Schlosshund. (Haha.)
„Das Vorspiel“, bringt Andy an dem dicken Kloß in seinem Hals hervor und das macht alles nur noch schlimmer. Es ist einfach so unfair. Und sein Arm tut weh und er will nicht weinen, aber er kann einfach nicht aufhören.
Chris greift nach seiner Hand und drückt sie, aber dann muss er schalten und sie fahren die paar Minuten bis zu ihrer Wohnung schweigend.
Hinter der Wohnungstür empfängt sie Pat, der sofort merkt oder immer noch weiß, dass etwas nicht stimmt und entgegen seinen Gewohnheiten gar nicht erst versucht, Andy anzuspringen und sein Gesicht abzulecken. Andy streichelt Pats Kopf und lässt sich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen, das voller Haare ist, weil Andy im Gegensatz zu Chris nicht der Meinung ist, dass man Pat verbieten sollte, es zu benutzen.
Chris hat eine sehr autoritäre Art mit Hunden umzugehen und Pat hört auf ihn besser als auf Andy, aber beim Sofa ist Schluss. Andy weint immer noch und seine Nase läuft, aber er hat sein billiges IKEA-Sofa, das voller billiger IKEA-Kissen mit bunten Bezügen ist, die Chris und er ausgesucht haben und seinen Hund, der wie immer ignoriert, dass er zu groß ist, um auf Andys Schoß zu passen.
Chris steht etwas ratlos mitten im Wohnzimmer und weiß nicht so ganz, was tun. „Soll ich Tee machen? Ich hol Taschentücher.“
Andy verdreht die Augen. „Komm einfach her!“
Chris sackt ein bisschen in sich zusammen und setzt sich zu Andy aufs Sofa, der ihn, so gut es mit einem Arm und einem Schoß voller Riesenhund geht, umarmt und sein tränenverschmiertes Gesicht an Chris Hemd abwischt. Schließlich sieht er Chris an und zumindest in seinen Augen ist schon wieder das typische Andygrinsen zu sehen. „Sag mir, dass alles gut wird.“
„Miriam kann Schlagzeug spielen“, sagt Chris.
„Ich könnte mich vorher mit Schmerzmitteln zudröhnen“, sagt Andy.
Chris nickt ernsthaft. „Niemand wird den Unterschied merken.“
Andy versucht vergeblich, beleidigt auszusehen, gibt dann auf und grinst. Dann gibt er Chris einen Kuss und lässt ihn los. „Jetzt kannst du mir Tee machen. Und vergiss die Taschentücher nicht. Und bringt mir die Fernbedienung, ich muss mich schonen.“
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