Titel: Das Medaillon, Teil 1
Autor: Sinaida
Fandom: Sentinel
Themen: #19 - Pferd, #16 - Hund, #5 - Ferne
Rating: ab 12
Personen: Blair Sandburg
Kategorie: AU
Disclaimer: Jim, Blair und andere Charaktere aus der Serie "The Sentinel" gehören nicht mir, sondern Pet Fly Productions und Paramount Pictures.
Inhalt: Ein Fantasy-AU, das in einer erdachten, in groben Zügen vielleicht unserem Spätmittelalter entsprechenden Welt spielt. Es geht bisher um einen geheimnisvollen Mann auf der Flucht, einen anderen Mann mit besonderen Fähigkeiten, einen Tyrannen, ein gestohlenes Schmuckstück und eine Menge Rätsel. *g*
Anmerkungen: Das ist der erste Teil eines WIPs. Vier weitere Teile folgen heute, bzw. in den nächsten Tagen. Insgesamt habe ich in dieser Story 14 der Challenge - Prompts (pro Prompt ein Kapitel) verarbeitet.
Allerdings ist diese Story noch weit davon entfernt fertig zu sein. Wer also keine WIPs mag sollte sie jetzt noch nicht lesen sondern erst, wenn sie fertig ist. ;-) Ich werde einige der Prompts aus Runde zwei der Challenge sicher verwenden um diese Geschichte fortzusetzen, aber wie lange es dauert bis ich *ganz* fertig bin - keine Ahnung. ;-) Aber wenn es so weit ist, geht das fertige und nochmals nachbearbeitete Stück komplett ans ffp-Archiv und ich poste es auch hier.
Über Feedback - auch gerne kritisch - würde ich mich sehr freuen. *g*
Mein Dank für’s Beta geht wie immer an die unvergleichliche, einzigartige, wundervolle
patk. Ohne sie hätte ich diese Story sicher niemals begonnen und ich werde ihre ermutigenden Kommentare, ihre Ratschläge und ganz besonders ihr Talent für’s Aufspüren entstehender Plotlöcher noch dringend brauchen. Tausend Dank, Pat! :-)
Das Medaillon
Teil 1
Pferd
Der Wind kam von Westen. Scharf und eisig zerstörte er jegliche Hoffnung auf ein frühes Ende des Winters. Schiefergraue Wolken bedeckten den Himmel wie ein zerknittertes, schmutziges Gewand und ließen das Licht des gerade erst angebrochenen Morgens bereits alt und stumpf wirken.
Blair Sandburg hüllte sich fester in seinen langen schwarzen Umhang und zog die Kapuze tiefer in die Stirn. Tief über den Hals des Pferdes gebeugt, versuchte er, sein Gesicht vor dem schneidenden Wind und dem stetig fallenden Schnee zu schützen.
Die Stute, die er erst in der Nacht bei einem wenig Vertrauen erweckenden Händler, an den Toren der kleinen Siedlung Tacoma, im Tausch gegen einen seiner Silberohrringe und die letzten seiner Goldmünzen, erstanden hatte, hielt tatsächlich alle Versprechen des kleinen, ständig redenden Mannes.
Den gestreckten Galopp, den ihr Reiter, immer dann wenn der Weg es zuließ, von ihr forderte, schien sie spielend zu bewältigen. Etwas, das Blair einerseits freute, andererseits beunruhigte. Das Pferd war nicht billig gewesen, aber nicht teuer genug, um so schnell und ausdauernd zu sein.
Vielleicht hatte ihr früherer Besitzer ihr ein paar Stückchen des Schwarzen Wiesentäublings unter den Hafer gemischt. Man hörte ab und zu von Pferdehändlern die das taten, um kranke oder alte Tiere wie junge Fohlen springen und tänzeln zu lassen. Ein Mann mit Pferdeverstand merkte sofort, dass mit dem Tier etwas nicht stimmte und ließ die Finger von solch einem Geschäft. Das Feuer, entfacht durch die Wirkstoffe in den Pilzen, war nicht von Dauer und bewirkte häufig, dass sich das Tier weit über seine Kräfte verausgabte, nur um dann plötzlich tot zusammenzubrechen wie ein gefällter Baum.
Blair seufzte. Pferdeverstand oder nicht - er hatte keine andere Wahl gehabt, mitten in der Nacht, verzweifelt und auf der Flucht. Zum Glück hatte es der Pferdehändler einfach so hingenommen, dass Blair um diese Zeit dringend ein Pferd brauchte um „auf Grund eines Missverständnisses, dessen pikante Details ich jetzt nicht näher zu erläutern wünsche“ sofort die kleine Stadt zu verlassen. Damit konnte fast alles gemeint sein. Von Spielschulden, bis zu dem eifersüchtigen Ehemann einer Geliebten. Blair musste grinsen. Offensichtlich war er als Will von Devon, ein über die Beschränktheit der Landbevölkerung entrüsteter Adeliger, überzeugend gewesen.
Das Grinsen verschwand.
Es gab Wichtigeres.
Unwillkürlich tastete Blair kurz mit einer Hand nach der leichten Ausbuchtung an dem Schaft seines linken Stiefels, direkt oberhalb des Knöchels. Erstaunlich, dass er den Druck, den er zuerst als störend empfunden hatte, jetzt kaum noch wahrnahm. Was auch geschah, er durfte nicht in die Hände des Lords fallen. Schon gar nicht hier, im Ostland, wo das Wort des Lords Gesetz war. Jetzt sandte Blair stumme Gebete an sämtliche Gottheiten von denen er je gehört hatte, dass das Pferd noch bis zur Grenze, zu den bewaldeten Hügeln des Westlandes, durchhalten würde. Dort war es wesentlich leichter sich vor Verfolgern zu verstecken als hier, in diesem flachen Gelände.
Blair erschauerte bei dem Gedanken an das Schicksal, das ihm blühte, sollte er Lord Kincaids Männern in die Hände fallen. Er hob den Kopf, blinzelte gegen winzige Eiskristalle in der scharfen Luft an und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. Nach Süd und Nord hin erstreckten sich weite, schneebedeckte Felder bis zum Horizont, nur ab und zu unterbrochen durch die Silhouette knorriger, kahler Bäume, die als Grenzmarkierungen zwischen den Besitzen der Bauern dienten, die außerhalb der Städte siedelten.
Vor ihm, im Westen, lag die dunkle Masse des Cascade Forstes. Nicht mehr weit bis zum Waldrand, etwa eine halbe Stunde bei ihrem jetzigen Tempo, dann hätte er es geschafft. Blair warf einen raschen Blick über die Schulter. Noch konnte er keine Verfolger erkennen oder das Bellen von Spürhunden hören.
Wie auch, in dem Schnee? Verdammt, sie könnten innerhalb weniger Augenblicke hinter mir auftauchen, ohne dass ich vorher auch nur etwas ahne.
Und sie würden kommen, das war sicher. Die Frage war nur, wann. Der Gedanke ließ ihn die Fersen in die Seiten der Stute rammen um sie stärker anzutreiben.
Das Tier gab plötzlich ein röchelndes Schnauben von sich und sein bisher gestreckter Galopp wurde zu einem unregelmäßigen Stolpern.
„Komm, altes Mädchen, bitte! Nur noch ein kleines Stück!“, flehte Blair.
Umsonst.
Die Stute wurde immer langsamer und blieb, nach ein paar taumelnden Schritten, am ganzen Leib zitternd, stehen.
„Bei Looscha … verdammt!“ Blair sprang ab, gerade noch rechtzeitig um nicht unter den Körper des Tieres zu geraten, das plötzlich zu Boden ging und sich, nur Sekunden später, verzweifelt schnaubend und offenbar von starken Schmerzen gepeinigt hin und her wälzte. Vor dem Maul des Pferdes stand Schaum und aus den Nüstern lief blutiger Schleim.
Starr vor Entsetzen beobachtete Blair den Todeskampf des Tieres. Es war das erste Mal, dass er mit eigenen Augen sah, was der Schwarze Wiesentäubling bei einem Pferd anrichtete. Statt seine Hände in hilfloser Wut in den Stoff seines Umhangs zu krallen, hätte er sie jetzt liebend gerne um den Hals des schmierigen Händlers gelegt. Nicht nur, weil er betrogen worden war, sondern auch wegen der Qualen der bedauernswerten Kreatur vor ihm.
Noch ein letztes Zucken und Röcheln und die Stute blieb, mit dem Widerrist zu Blair, auf einer Seite liegen. Schneeflocken schmolzen auf ihrem noch warmen Körper.
Blair umrundete das Tier und ließ den Riemen seiner ledernen Umhängetasche von der Schulter gleiten. In sicherem Abstand von eventuell doch noch ausschlagenden Hufen ließ er sich neben dem Kopf der Stute nieder. Die Zeit lief ihm davon, aber die paar Augenblicke mussten sein. Er war keineswegs von der Existenz und Macht all der Götter, die von den meisten seiner Zeitgenossen angebetet wurden, überzeugt, aber in seiner Situation wollte er lieber ganz sicher gehen und keine der Gottheiten gegen sich aufbringen. Ganz besonders nicht Looscha, die Schutzpatronin der Pferde, die Göttin, die auch seine Mutter verehrte.
In einer Abschied nehmenden Geste legte er dem Tier kurz die linke Hand zwischen die Ohren, während er mit seiner Rechten den kleinen Dolch zückte, den er stets griffbereit im Gürtel trug.
Rasch streifte er die Kapuze ab, ergriff eine dünne Strähne seiner langen dunkelbraunen Locken und schnitt ein etwa fingerlanges Stück davon ab. Mit feierlicher Geste streute er die Haare auf die Stirn des toten Pferdes und flüsterte die seit Generationen überlieferten Worte.
„Möge Looscha Erbarmen haben und dieses Opfer annehmen. Möge Looscha Erbarmen haben und mir den qualvollen Tod eines ihrer Kinder vergeben.“
Auch wenn eigentlich nicht ich schuld bin, sondern dieses Plappermaul von Pferdeschänder. Aber der müsste wohl mehr opfern als nur ein paar Haare, damit ihm die Göttin verzeiht.
Eilig steckte er den Dolch wieder weg, griff nach seiner Tasche und stand auf. Mit einem letzten Blick in die Richtung, aus der er gekommen war, hüllte er sich wieder fest in Umhang und Kapuze und stapfte durch den Schnee weiter nach Westen.
Hund
Blair wusste nicht, wie lange er schon zu Fuß unterwegs war, als er die Hunde hörte. Es hatte aufgehört zu schneien, aber die Sonne verbarg sich nach wie vor hinter schnell ziehenden Wolken, was eine Zeitbestimmung erschwerte.
Urteilte er nach dem brennenden Schmerz in seinen Beinen, seiner Erschöpfung und seinem Durst, stapfte er bereits seit Stunden durch den Schnee. Der Umhang lag schwer und viel zu warm auf seinen Schultern und seine Füße schienen in den hohen Stiefeln zu kochen.
Nach Atem ringend blieb Blair einen Augenblick stehen und blickte in die Richtung aus der er gekommen war. Der Kadaver des Pferdes war nur noch ein dunkler Fleck, irgendwo dort, wo Himmel und Erde in einem weißen Wabern zu verschmelzen schienen.
Ein dunkler Fleck, um den sich jetzt andere dunkle Flecke scharten wie Fliegen um Aas, um kurz darauf auszuschwärmen und ihren Weg auf seiner Spur fortzusetzen.
Hunde und Reiter.
Das triumphierende Kläffen ließ Blairs Hoffnung, sich irgendwo im Wald verstecken zu können, schmelzen wie Schnee im August. Niemand entkam den Spürhunden des Lords. Sie verloren niemals eine Fährte.
Mit kalter Verzweiflung schätzte Blair die Entfernung bis zum Waldrand vor ihm - und damit zur Grenze.
Ich kann es noch schaffen. Aber selbst wenn - dann erwischen sie mich eben im Westland.
Für einen Moment übermannte ihn die Mutlosigkeit. Die Vorstellung, sich einfach hier in den Schnee zu setzen und sich auszuruhen, erschien ihm plötzlich so verlockend, dass er kaum widerstehen konnte. Selbst in den dunkelsten Stunden seiner Flucht war er nicht so nahe daran gewesen einfach aufzugeben.
Aufgeben, ausruhen … und dann gebunden wie ein tollwütiger Hund vor den Lord geschleppt werden. Und dann …nein!
Die Vorstellung was Kincaid, sollte er ihn erwischen, mit ihm anstellen würde, half ihm, sich zusammen zu reißen. Hastig schöpfte er eine Handvoll Schnee vom Boden und ließ ihn in seinem Mund schmelzen. Lange nicht genug um den Durst zu löschen, aber wenigstens half es etwas gegen das Gefühl der Trockenheit auf Lippen und Zunge.
Das Hundegebell kam stetig näher.
Ohne sich nochmals umzudrehen stapfte Blair weiter, die Augen fest auf die verheißungsvolle Silhouette einer Fichte am Waldrand gerichtet.
Ferne
Ein Schritt. Und noch einer. Und noch einer. Und …
Blairs ganzes Denken beschränkte sich darauf, seine vor Anstrengung zitternden Beine in Bewegung zu halten.
Ein hohes Sirren, dicht an seinem rechten Ohr, ließ ihn zusammenzucken. Erst als er den gefiederten Schaft ein Stück vor sich im Schnee stecken sah, realisierte er, dass es ein Pfeil war, der ihn nur knapp verfehlt hatte.
Kurz darauf fühlte er ein brennendes Stechen im linken Oberschenkel, nicht schmerzhafter als ein Insektenstich. Blair tastete nach der Stelle, um diesen besser gezielten Pfeil aus der Wunde zu ziehen, und bemerkte, dass sich die Spitze im Stoff seiner Hose verfangen hatte.
Nur ein Streifschuss!
Trotzdem gab sein linkes Bein plötzlich nach. Blair stolperte und fiel hin. Mühsam rappelte er sich wieder auf und schleppte sich weiter. Die Fichte vor ihm schien zum Greifen nahe.
Er wartete auf mehr Schmerzen, auf einen weiteren Treffer, aber stattdessen begann die verletzte Stelle zu kribbeln. Zuerst wurde sein linkes Bein gefühllos, dann die gesamte linke Körperhälfte.
Gift! Die Schweine benutzen Gift!
Blair schaffte noch zwei taumelnde Schritte vorwärts, blieb mit dem rechten Fuß an einer Wurzel hängen und fiel der Länge nach in den Schnee.
Diesmal kam er nicht wieder hoch. Die Lähmung hatte bereits beide Arme und Beine erreicht. Seine Gliedmaßen zuckten unkontrolliert, um dann ganz ihren Dienst zu versagen. Mit einer letzten Willensanstrengung drehte sich Blair auf die Seite, um nicht mit dem Gesicht im Schnee liegen zu bleiben.
Das Stimmengewirr der Reiter, die ihre Pferde jetzt um seinen Körper tänzeln ließen wie um ein erlegtes Wild, und das Bellen und Winseln der Hunde schien plötzlich von weit her zu kommen.
Blair spürte kaum, wie die Männer ihn grob auf den Rücken drehten und sich mit Fußtritten vergewisserten, dass er völlig wehrlos war.
Sein letzter Blick, bevor es um ihn dunkel wurde, galt der Fichte direkt vor ihm. Nur ein paar Schrittlängen trennten ihn von ihrem gefurchten Stamm und doch war sie genauso unerreichbar, als stünde sie weit entfernt auf dem Kontinent jenseits des Ozeans.
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Teil 2