Oct 17, 2006 17:47
Okay, da ich ja so nicht weiter komme, hier mein Beitrag "freie Wahl" zu ff25. Die anderen sind... in Arbeit... zumindest in meinem schlechten Gewissen *grins*
Titel: Post (Mortem) Skriptum
Autor: Anja
Fandom: Buffy
Charaktere: Xander, Anya, Bastet die Katze
Kategorie: G
Spoiler: alles bis season 7
A/N: Die Story entstand zu einem Picture-Art-Challenge. Feedback wäre herzlich willkommen.
Disclaimer: Nix ist mein. Habe nur ein wenig Spass mit der Tastatur.
„Das Vieh haart“, sagte der junge Mann und schubste das Tier von der Sessellehne neben sich.
„Das ist kein Vieh. Das ist eine 3500 Dollar Siam Katze“, entgegnete Dawn Summers und nahm die Katze liebevoll in die Arme. „Hör nicht auf den bösen Mann, Bastet. Du bist wunderschön.“
„Und wer um Himmels Willen nennt seine Katze Bastet? Das klingt wie ein Lieferant für Gartenmöbel. Für 3500 Dollar Gartenmöbel“, murmelte der junge Mann und wischte mit der Hand die letzte Katzenhaare von seiner Hose.
„Xander! Lorne hat gesagt, er lässt dich nur bei ihm wohnen, wenn du ihn mit deinen posttraumatischen Depressionen nicht ansteckst.“ Sie lächelte aufmunternd und legte ihm eine mitfühlende Hand auf die Schulter. Wie als Bestätigung klopfte es in den Wänden der edlen Eigentumswohnung.
„Ich habe ja auf ein Hotel bestanden, aber es hört ja niemand auf mich. Und nun teile ich mir meine Schlafstätte mit einem Geist.“
„Dennis war wohl ein Kompromiss meinerseits“, flötete Lorne aus dem Badezimmer eilend. Er stellte sich vor einem großen Wandspiegel auf und band sich eine teuer aussehende Fliege unter seinem gehörnten Kinn. „Ich wollte schon immer einen Mitbewohner der keinen Platz wegnimmt, keinen Dreck macht und nicht unter der Dusche singt.“ Dabei warf er einen vielsagenden Blick in Richtung seines einäugigen, temporären Mitbewohners.
„Da war mir ja Spike als Mitbewohner lieber“, grummelte der junge Mann und sank noch tiefer in die weichen Kissen. „Bei dem wusste ich wenigstens, wo er sich gerade aufhält und ob er mir bei Pinkeln zuschaut.“
Dawn ignorierte die miese Laune ihres Freundes und fragte: „Und du willst wirklich nicht mitkommen, Xander? Ich finde es nicht gut, dass du hier so allein bist.“
Xander zeigte auf die Katze. „Ich bin nicht alleine. Ich habe Baströckchen hier als Gesprächspartner!“
„Husch husch, Sahnecremetörtchen!“, flötete Lorne. „Wir haben einen Termin mit der guten Laune, da willst du doch nicht zu spät kommen?“ Über seine Schulter hinweg rief er Xander zu: „Wir verschwinden, Brummbär!“, und schob Dawn vor sich aus der Wohnung. „Sieh zu, dass deine schlechten Schwingungen sich nicht auf meine Wohnung übertragen.“
„Okay, okay“, murmelte Xander. Er hörte, wie die Tür sich hinter ihnen schloss und lauschte angestrengt, wie die hallenden Schritte im Hausflur immer leiser wurden.
Endlich alleine!
‚Nun ja, fast alleine’, dachte er und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als der unsichtbare Geist Dennis mit einem Schachbrett auf ihn zukam.
„Ich will kein Schach spielen, Dobby.“
Es gab ein lautes Knacken vom Fußboden und in einer beruhigenden Geste hob Xander die Hände. „Schon gut, Verzeihung! ... Dennis“, betonte er den Namen extra deutlich. „Ich habe keine Lust auf Spielen, tut mir leid. Ich will einfach nur so da liegen und nichts tun.“ Demonstrativ schloss er sein Auge und reagierte nicht auf die beleidigten Windböen aus Dennis’ Richtung.
Was um Himmels Willen hatte er sich dabei gedacht? Wieso wollte er einen ganzen Abend alleine verbringen? Als ob ihn das auf andere Gedanken bringen könnte.
Es war doch gerade mal drei Wochen her! Er spürte die Hitze hinter seinem Lid und presste sein Handballen in das feuchte Auge.
„Nein verdammt!“
Ein klägliches Mauzen kam von seinen Füßen und er öffnete sein Auge wieder. Die Katze saß direkt vor seinen Füßen und sah ihn an, als würde sie ihn auffordern wollen, ihr was zu fressen zu geben, oder zu kraulen, oder was auch immer eine Katze eben gern hatte.
„Was willst du?“, fragte er barsch. Das Tier ließ sich nicht einschüchtern, sondern begann genüsslich um Xanders Füße zu streunen, wobei es sich an seiner Hose rieb.
Genervt stand Xander auf und ignorierte Bastet, die ihm beleidigt hinterher blickte.
Gerade mal kurz vor neun, stöhnte Xander mit einem Blick auf die Uhr. Er holte sich eine Cola aus Lornes Küche und lief zurück ins Wohnzimmer. Geschmackvoll eingerichtet wirkte es eher wie das Wartezimmer eines reichen Hollywood -Starpsychologen. Abstrakte Gemälde an den Wänden, skurrile Vasen auf gläsernen Anrichten, knallrote Designer-Couchgarnitur. Er knipste den Fernseher an, zappte durch die Kanäle und schaltete ihn frustriert wieder aus. Auch eine Musikanlage fehlte. Kein Wunder angesichts der Tatsache, dass Lorne die Seele einer Person mithilfe des Gesanges lesen konnte.
Es war still geworden. Kein Pochen in den Wänden, kein Mauzen. Die Katze hatte es sich auf der Lehne des Sessels bequem gemacht und ihre Vorderpfote zuckte im Schlaf.
Was nun?
Xanders Blick fiel auf seine Reisetasche, die seit Tagen neben der Schlafcouch stand. Außer der wechselnden Kleidung hatte nichts diese Tasche verlassen, seit er sie vor so vielen Tagen in seiner alten Wohnung gepackt hatte. Wichtige Dokumente, Fotos, einige Bücher.
Er erhob sich seufzend und begann recht unmotiviert die Inhalte näher zu betrachten. Die Kleidung stapelte er auf einen hohen Haufen mit der Absicht, sie ordentlich zusammenzulegen und in die Schubladen zu verteilen, die Lorne ihm vorübergehend freigeräumt hatte. Die Dokumente legte er auf einen weiteren Haufen, oben drauf die Fotos. Fröhliche Gesichter auf glänzendem Papier. Das Picknick am Strand, der Abschlussball... Anya mit einem Bündel Geldscheinen in der Hand neben der Registrierkasse in der Magicbox.
Xander schluckte einen Kloß in seinem Hals hinunter und legte das Bild hastig beiseite. Kein Grund, sich noch mehr zu quälen.
Ganz unten in der Tasche fand er einige Bücher, die er noch nie angerührt hatte. Als Kind hatte er sich mit Winnetou und Old Shatterhand versucht, hatte das Buch jedoch nie wieder aufgeschlagen, nachdem Winnetou und sein Pferd Iltschi zusammen begraben wurden.
Damals war er neun gewesen und hatte sich seitdem geweigert ein Buch in die Hand zu nehmen. Und nun hielt er eines in der Hand und hatte nicht den blassesten Schimmer, wo es auf einmal her kam:
Senecas Epistulae Morales.
Der Titel war in vergoldeter Schrift auf das schmutzig-braune Einband geschrieben. Die Ecken sahen abgenutzt aus. Er öffnete das Buch irgendwo in der Mitte und mit Verwunderung und wachsender Neugier sah er zu, wie ein Briefumschlag zwischen den Seiten zum Vorschein kam und herausfiel. Ein mit Ornamenten verschnörkelter Kuvert und Anyas Handschrift.
Nur öffnen, falls ich nicht überlebe.
Klopfenden Herzens bückte sich Xander und hob den Umschlag auf. Irgendwo im Hintergrund begann die Katze erneut zu maunzen und schmiegte sich an seine Hosenbeine. Doch Xander realisierte dies nicht. Gebannt wartete er darauf, dass Anya zwischen den geschlossenen Rändern hervorkrabbeln würde um ihn anzuhauen, warum er denn so eine traurige Miene zur Schau trug. Sie hatten doch alle überlebt und eine wunderschöne Zukunft vor sich.
Nein, nicht alle.
Anya konnte ihm das nicht mehr sagen, denn sie war tot.
Vorsichtig zog er die verklebten Seiten auseinander und holte mit zitternden Fingern zwei beschriebene Blätter heraus. Jede Linie sorgfältig bekritzelt mit Anyas gleichmäßiger Handschrift.
Achtlos warf er den Umschlag auf den Kaffeetisch und ließ sich auf der teuren Designercouch nieder.
Liebster Xander,
falls du diesen Brief findest und ich lebe noch, dann vergiss ihn. Die Dinge die du hier lesen wirst, würden dich nur ablenken, wenn wir das nächste Mal gemeinsamen Sex haben. Am Ende willst du vielleicht noch darüber reden und könntest mir kein Vergnügen bereiten.
Falls ich aber nicht mehr lebe, dann bin ich wohl... na ja... tot.
Aber das ist schon okay... obwohl... eigentlich ist es nicht okay. Ich muss zugeben, ich sehe viel zu gut aus, um jung zu sterben. Vor allem gibt es noch so viele Orgasmen, die ich erleben könnte. So viele Stellungen, die wir noch nicht ausprobiert haben.
Xander lachte leise auf. DAS war seine Anya. Er sah auf und betrachtete einen Moment lang die Katze, die sich im Schlaf streckte. Sie fuhr die Krallen aus und wurde immer länger und länger, bis sie einmal herzhaft gähnte, sich langsam auf alle Viere stellte, einen Buckel machte und anschließend auf den Couchtisch sprang. Sie tapste an dem Kerzenständer vorbei, über die längliche Porzellanschale, bis sie direkt vor Xander stehen blieb. Sie starrte einen Augenblick lang aus grünen Augen zurück. Ein Blinzeln und wie hypnotisiert erwiderte Xander ihren Blick. Er kniff die Augen zusammen. Dieser Blick...
Ach, so ein Blödsinn.
Erschrocken zuckte er zusammen, als die Katze mit einem eleganten Hüpfer auf seinen Schoss gesprungen kam und sie ihre Krallen durch seine Hose hindurch in sein Fleisch bohrte.
„Hey!“ Er schob das beige-farbene Knäuel beiseite und beleidigt reckte Bastet ihm ihr Hinterteil zu.
„Sehr freundlich!“, murmelte Xander und widmete sich wieder den Blättern in seiner Hand.
Aber lassen wir dieses Thema, sonst werde ich ganz kribbelig und will Sex. Das ist momentan leider sehr unpassend, da du ja die kleine Dawn in Sicherheit bringen sollst. Ich werde dir diesen Brief mit in die Tasche stecken, die du schon fertig gepackt neben dem Bett zu stehen hast. So findest du ihn ganz sicher. Damit er nicht zerknittert, werde ich den Brief in mein Lieblingsbuch legen.
Giles hat es mir gegeben, kurz bevor er nach London gereist ist und mir die Magicbox überlassen hat. Es geht um Ethik und Moral und die Einstellung zum Leben. Warum er mir ausgerechnet dieses Buch gegeben hat, ist mir allerdings ein Rätsel.
Seneca war einige Jahrhunderte vor meiner Zeit, aber ich glaube mich zu erinnern, dass damals alle Menschen so geschwollen daher geredet haben. Und ich habe schon damals nicht verstanden, was sie mir damit sagen wollten. Doch ein paar Sätze sind mir in Erinnerung geblieben. Es liegt wohl daran, dass ich jetzt sterblich bin. So eine blöde Situation. Gibt es eigentlich jemanden, den man dafür verantwortlich machen kann?
Kennst du das Gefühl etwas zu lesen und zu wissen, dass dieser fremde Mensch, der diese Worte geschrieben hat, dich bis ins Innerste gekannt haben muss, um dich so sehr zu treffen? Ich weiß nicht, ob es an der Situation liegt (schließlich sind wir morgen vielleicht alle tot), aber irgendwie verstehe ich genau, was er sagen will. Es geht um Vergänglichkeit, derer wir uns bewusst sein müssen, um wirklich zu leben. Ich kann dir sagen, wenn man einmal unsterblich gewesen ist, dann ist der Tod in beängstigende Nähe gerückt. Egal wie jung man ist.
Oh nein, ich klinge langsam wie Buffy. „Der Tod ist deine Gabe!“, blabla. Das ist Blödsinn. Tod ist keine Gabe. Tod ist, wenn man aufhört zu leben. Wenn man nie wieder Sex haben kann, kein Geld mehr verdient und es auch nicht mehr ausgeben kann. Tod ist der Augenblick, in dem einem bewusst wird, dass jede Stunde, jede Minute, in der man sich nicht vor Augen gehalten hat, dass man schon morgen tot sein könnte, eine ungenutzte Zeitspanne ist.
Bastet hatte es sich neben Xander gemütlich gemacht. Doch nun blickte sie mit zusammengekniffenen Augen zu dem Menschen hinauf, der neben ihr, mit verwundertem Blick und einem traurigen Lächeln auf den Lippen auf ein Blatt Papier starrte. Das Tier reckte sich erneut und versuchte sich unter Xanders Arm hinweg auf seinen Schoß zu zwängen.
„... eine ungenutzte Zeitspanne...“, murmelte Xander, als er die Zeilen las und ließ vor lauter Schreck die Blätter fallen. Sie segelten langsam unter den Tisch und wie erstarrt betrachtete Xander die Katze vor ihm. War das normal für eine Katze? Die samtenen Pfötchen platzierten sich rechts und links auf seiner Schulter und die raue Zunge kratzte wie Reibpapier über sein Kinn.
„Hey, Bastet. Du hast Hunger, was?“, gab sich Xander geschlagen, fasste das Tier unterhalb des Bauches und zog es zu sich an die Brust. Heiseres Schnurren kam von dem zufriedenen Tier und es klang wundervoll in Xanders Ohren. Das war wie das eine Mal, als er und Anya...
Er hielt mitten auf dem Gang zur Küche inne und strich dem Tier über den weichen Kopf. Es belohnte ihn, indem es ganz vorsichtig mit den Krallen auf seinen Schultern kratzte. Nur leicht, sodass es nicht weh tat.
„Oh Anya“, hauchte Xander und drückte das Tier fest an sich, so als könnte das Tier seine Gefühle an die Toten weitergeben. Als könnte das Tier den Toten eine Nachricht überbringen, damit sie wussten, dass an sie gedacht und sie nicht vergessen wurden.
„Niemals!“, schwor sich Xander. „Niemals werde ich dich vergessen.“
Die Katze wurde mit einem Mal still und Xander spürte einen warmen Luftzug seine Wange entlang streichen. Der Geruch von Pfirsich und Vanille stieg ihm in die Nase
„Xander, wollen wir jetzt miteinander schlafen? Ich habe extra geduscht.“ Anya hatte eine Handtuch um ihre Brust gewickelt und ließ es achtlos auf den Boden in Lornes Küche fallen.
Doch noch bevor die Textilie mit einem nassen Klatschen auf den sauberen Fliesen landen konnte, war die Vision verschwunden. Die Küche war leer und dunkel. Ohne den Blick von der Stelle zu nehmen, wo die Vision gestanden hatte, knipste Xander das Licht an. Kein Handtuch, nicht einmal ein nasser Fleck. Aber war da nicht ein feuchter Fußabdruck? ... Nein, nur eine Spiegelung.
Langsam machte Xander einen Schritt weiter in die Küche. Die Katze auf seinen Armen drängte sich aus seinem Griff und landete mit allen Vieren sicher auf den polierten Fliesen. Das Tier strich ihm wieder die Beine entlang und tapste dann zielstrebig auf den Punkt zu, an dem Anya gestanden hatte. Dort setzte sich Bastet auf ihr Hinterteil und miaute herzzerreißend.
Als würde er aus einem Sekundenschlaf erwachen, schüttelte Xander den Kopf. Da war nichts und niemand. Mit mehr Kraft als nötig riss er die Kühlschranktür auf und nahm die Dose mit dem Katzenfutter heraus. Das Maunzen der Katze inzwischen fordernd und unheimlich laut in der stillen Wohnung.
Die Gedanken bei dem Brief füllte Xander den Fressnapf und beugte sich nach unten, um der nervenden Katze ihren Willen zu erfüllen. Doch Bastet war nirgends zu sehen.
„Bastet?“, rief er und pfiff einige Male. Doch die Katze blieb verschwunden. Mit einem Augenrollen stellte er den Napf zurück auf den Küchentresen und wollte zurück ins Wohnzimmer. In der Tür blieb er stehen, knipste das Licht aus und hatte die irrationale Hoffnung, Anya ein letztes Mal zu sehen.
Doch außer der Dunkelheit war da nichts. Keine Anya, kein Handtuch, kein Leben.
Er setzte sich zurück auf die Couch, bückte sich, um die Blätter aufzuheben... und fasste ins Nichts. Die Blätter waren verschwunden.
„Was...?“
Verwirrt rutschte Xander auf die Knie und suchte den Fußboden ab. Keine Briefe.
„Bastet!“, entfuhr es ihm wütend. Er stützte sich auf den Tisch ab und... da lagen die Briefe fein säuberlich zusammengelegt unter seiner aufgestützten Handfläche.
Aber er hatte doch... Hatte er sie vielleicht aufgehoben, bevor er in die Küche gegangen war? Er konnte sich nicht mehr dran erinnern. Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend nahm er die Blätter an sich und untersuchte sie nach Spuren. Vielleicht hatte Bastet ja...
Er hielt Ausschau nach dem Tier und fand sie auf dem Fensterbrett. Ohne zu blinzeln starrte das Tier auf einen Punkt auf der anderen Seite des Raumes. Xander folgte ihrem Blick, doch sah nur den Kamin. Einige Kerzenständer auf dem Sims und eine Schale mit Obst.
„Was ist denn da?“ Die Katze wandte ihren Blick ab und sah nun endlich zu ihm hinüber.
„Warst du das?“, fragte Xander und hielt die Blätter in ihre Richtung.
Die Katze verneinte mit einem unschuldigen Blick und einem kurzen Miau.
„Dennis?“, rief Xander in das leere Zimmer, doch auf von dem Hausgeist kam keine Reaktion. „Wenn du mich ärgern willst, dann tu das bitte weniger unheimlich, okay?“, bat Xander.
Endlich fand er wieder seine Konzentration und las weiter:
„Während meiner Zeiten als Rachedämon hatte ich viele dieser ungenutzten Zeitspannen. Eigentlich hatte ich nur ungenutzte Zeitspannen. Ich habe nicht einen Moment lang darüber nachgedacht, dass die Möglichkeit bestünde, dass ich irgendwann nicht mehr leben würde. Das war unvorstellbar! Das war ein völlig neues Konzept, mit dem ich mich erst anfreunden musste. Du weißt schon, ähnlich wie mit diesem blöden Takt. Völlig überbewertet, wenn du mich fragst. Was anderes ist Takt, als das absichtliche Lügen, obwohl man es doch besser weiß?
Aber ich musste mich eben anpassen, was ich wohl auch ganz gut geschafft habe. Und wag es ja nicht, etwas anderes zu behaupten!
Mit einem dumpfen Aufprall landete der Kerzenständer vom Kaminsims auf dem plüschigen Boden und erschrocken sah Xander auf. Der metallene Ständer lag mindestens einen Meter von der Marmorplatte entfernt. Wie konnte das passieren?
Als erstes suchte Xander die Katze. Bastet saß noch immer auf dem Fenstersims und fauchte inzwischen unablässig. Ihre Lefzen nach oben gezogen, kamen kleine spitze Zähnchen zum Vorschein. Mit einem lauten Miau machte sie einen Buckel und die Haare auf ihrem Rücken standen himmelwärts.
„Was ist denn los, Bastet?“, fragte Xander beunruhigt. Er stand auf und streichelte dem Tier über den Rücken. Sie drehte sich einmal auf der Stelle und setzte sich scheinbar ruhiger wieder auf ihr Hinterteil. Leise begann sie erneut zu schnurren, als Xanders Finger durch das warme Fell glitten.
„Schon gut, das ist nur Dennis, der uns ärgern will.“
Doch das obligatorische Klopfen in den Wänden blieb aus.
Eine Weile stand Xander einfach nur da und strich weiter über den Rücken des Tieres. Angestrengt lauschte er in die Wohnung, doch die einzigen Geräusche waren das Schnurren der Katze und das leise Summen der Klimaanlage.
Nach ein paar Minuten setzte er sich zurück auf die Couch und nahm sich fest vor, sich nicht erneut ablenken zulassen.
... Und wag es ja nicht, etwas anderes zu behaupten, las er den letzten Satz erneut und begann zu grinsen.
„Das würde ich nie tun!“, sagte er leise und hätte schwören können, leisen Atem neben sich zu hören. Aber er wollte sich doch nicht mehr ablenken lassen. Es war bestimmt nur die Katze, die hinter seinem Kopf auf der Lehne entlang schlich. Also konzentrierte er sich angestrengt auf die nächsten Zeilen des Briefes.
Ich will dir nur damit sagen, liebster Xander, dass ich dir ein wunderschönes Leben wünsche. Es wird sicher nicht so schön ohne mich und ohne Sex. Natürlich kannst du Sex mit anderen Frauen haben ... aber... nein, auf dieses Thema sollte ich nicht näher eingehen. Ich will schon wieder Sex. Ach falls ich überlebe, was hältst du von Sex zu dritt? Ich schweife vom Thema ab. Ohne mich hast du bestimmt nicht so guten Sex, aber du bist ja ein Mann. Du brauchst Sex. Also wenn ich tot bin, kannst du Sex mit anderen Frauen haben. Ich werde auch nicht eifersüchtig sein. Na ja, ich werde schon eifersüchtig sein, aber bin ja tot und KANN gar nicht eifersüchtig sein ... wo war ich?
Ach so, dein Leben! Ich will, dass du es genießt. Lebe jeden Tag als wäre es dein Letzter. Ich habe dir meine Lieblingsstelle im Buch angestrichen. Lies es und du wirst hoffentlich verstehen, was ich meine.
Xander nahm das Buch zur Hand und gleich auf einer der ersten Seiten haftete ein grüner Klebezettel. Er öffnete das Buch an besagter Stelle. In die obere Ecke der Seite war ein Eselsohr geknickt, und die Schrift sah verblasst und beinahe durchsichtig aus. Fast so, als wäre sie schon vom vielen Lesen abgenutzt.
„Quem mihi dabis, qui aliquod pretium tempori ponat, qui diem aestimet, qui intellegat se cotidie mori?“
Xander gab nach den ersten drei Worten auf.
„Und wie bitte soll ich das lesen, An?“, fragte Xander lächelnd.
Bastet mauzte und Xander ließ das Buch aus den Händen gleiten. Es landete zu seinen Füßen, die Seiten durcheinander. Er nahm das Buch wieder auf und bemerkte in den hinteren Einband geklebt einen weiteren Zettel:
Zeige mir den, der wirklichen Wert auf die Zeit legt, der den Tag zu schätzen weiß, der ein Einsehn dafür hat, daß er täglich stirbt. Das eben ist die große Selbsttäuschung, der wir uns hingeben, daß wir den Tod in die Zukunft verlegen. Zum großen Teil liegt er schon hinter uns, alles vergangene Leben liegt im Banne des Todes. Bleibe also dem in deinem Briefe kundgegebenen Vorsatz treu: Laß keine Stunde ungenützt vorübergehen. Nimm den heutigen Tag voll in Beschlag; dann wirst du weniger von dem folgenden abhängen.
Er las den Absatz dreimal durch bis er der Meinung war, jede Aussage, auch die zwischen den Zeilen, verstanden zu haben. Er spürte einen Anflug von Trauer, als er den Text ein viertes Mal überflog. Es schien so, als hätte Anya genau gewusst, dass sie den anstehenden Kampf nicht überleben würde. Aber woher hatte sie das wissen können?
In seinen Augen war seine Exfreundin die lebenslustigste Person, die er je gekannt hatte. Alles, was ihr Freude machte, hatte sie auch zum Ausdruck gebracht. Sie freute sich über das Pling der Registrierkasse, sie liebte es, Geschenke zu kaufen, in buntem Papier einzuwickeln, riesige Schleifen darauf zu kleben und dann, nachdem sie es mühevoll verpackt hatte, das Kunstwerk in kindlicher Vorfreude auseinander zu reißen. Sie liebte es, nach dem Sex lange liegen zu bleiben und seine nassgeschwitzte Haut auf ihrer zu spüren.
Sie liebte viele Dinge, die er nicht nachvollziehen konnte.
Aber genau das machte seine Anya aus. Die Unberechenbarkeit, die Neugier und ihre Ehrlichkeit .
Ganz langsam, wie ein Luftballon mit einem kleinen Loch, spürte er wie der Druck in seinem Herzen etwas nachließ. Wie der Schmerz über ihren Tod um einige Nuancen schwächer wurde. Er nahm sich ein letztes Mal den Brief vor.
Ich sehe, du hast die Übersetzung gefunden.
Er grinste breit. Sie hatte eindeutig einen Sinn für Humor und Dramatik, der ihm zuvor noch nicht aufgefallen war.
Doch als er die folgenden und auch letzten Zeilen las, spürte er sein Herz einen Tick schneller schlagen. Seine Hände begannen zu schwitzen und ein wohliger Schauer rann seinen Rücken hinunter. Er hatte das untrügliche Gefühl, beobachtet zu werden. Voller Vorfreude blickte er sich um. Doch außer ihm und Bastet war niemand im Raum.
Konnte es sein, dass Dennis ihm einen Streich spielte?
„Dennis?“ Keine Reaktion.
Er wäre wohl sehr überrascht gewesen, wenn es eine gegeben hätte. Anya hatte alles gesagt, was sie zu sagen hatte und das wie immer auf ihre überrumpelnde und direkte Art und Weise.
Xander stand auf und ging zielstrebig zurück in die Küche, wo er den Napf vom Tresen nahm. Er stellte ihn auf den Fußboden, wo die Katze schon sehnsüchtig darauf wartete.
Den Brief würde er als Lesezeichen bestimmt gut gebrauchen können. Oder er würde ihn einrahmen, damit er ihn daran erinnerte, dass er nur ein Leben hatte. Nur eine Chance, das Beste daraus zu machen.
Doch die letzte Zeile des Briefes war wohl die Wichtigste. Worte, die sich in Xanders Gehirn einbrannten, obwohl es wohl die insignifikantesten Worte des gesamten Dokumentes waren. Doch für Xander bedeuteten sie den Rest seines Lebens.
... Ach und Xander, stell den Fressnapf auf den Boden, sonst springt die Katze auf den Küchentisch. Du willst doch keine Tierhaare in deinem Essen?
In Liebe
Anya
fanfic,
ff25,
autor: anja 1-100,
fandom: buffy 1-100,
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