Fandom: Twilight
Kurzbeschreibung: [spielt in New Moon / Bis(s) zur Mittagsstunde] Versuchend, ihre Trauer einschneien zu lassen, spaziert Bella durch den Wald und wird von Angela gefunden.
Art: Oneshot
Wortanzahl: ca. 1000
Projekte:
Miss You Most at Christmas Time - Twilight Adventskranz,
Waisenhaus-Prompt #_3577
Weiter und tiefer.
Unsere weißen Schritte
schlafen ein.
Ein langsamer Vorhang
sinkt.
Der Puls schlägt lautlos
am Handgelenk.
Die Kälte steht am Mund
Sieh dich nicht um-
Niemand soll den Schnee
auf unseren Augen
finden
(Karl Krolow, 'Einschneien')
Sie lief alleine, und sie lief mit Edward, immer. Das brennende, berstende Loch wo einst ihr Herz war stach noch immer durch ihr abgestorbenes Fühlen und Denken und würde dies immer tun. Bella hatte sich daran gewöhnt, so sagte sie sich, und betrachtete neidvoll die Bäume um sie herum, die vom schweren Schnee gedrückt all ihre individuelle Form abgelegt hatten; nur als schlohweiße Umrisse ihrer selbst sie umringten und ihr zeigten, wie man existieren konnte: bedeckt, betäubt, zu eiskalt und formlos für den Schmerz. Doch Bella schmerzte noch immer und auch wenn sie den eisigen Wind und die kantigen Flocken, die in ihre Wangen stachen nahezu als Ablenkung zu der brennenden Leere in sich begreifen konnte, war es nicht genug. Nichts würde je genug sein, das lodernde Schreien in ihr zu überdecken.
Sie versuchte einen Schrei auszustoßen, der die Unerträglichkeit von ihrem Inneren nach außen trug, doch während ihr Mund sich zu einem hässlichen Loch verzog war der Ton, der herauskam, kaum mehr als ein Wimmern, das ungehört im Schneetreiben verhallte. Sie beneidete und verfluchte die leere Welt um sie herum, all jene Wirklichkeiten, die das große Glück hatten unter der weißen dichten Decke zu verschwinden und die Illusion von Sanftheit und weichen Schwingungen vorschützten. Bella steckte die nackte Hand in einen dieser Schneehaufen und als die Kälte ihre Finger umschloss und sie nicht hinsah war es als würde Edwards kalte Hand die ihre halten.
Mit Schnee in der Hand und Edward im Sinn lief sie also weiter und nur sporadisch merkte sie, wie langsam ihre Schritte waren, wie die immer gleichen Bäume zu ihrer Seite auch deswegen stets gleich waren, weil sie voran schlich als wäre jeder Schritt ein Aufgebot an Kraft und Optimismus das sie nicht hatte. Sie war wie erstarrt in diesem Spaziergang zwischen einer Fantasie, mit Edward durch den vorweihnachtlichen Wald zu laufen, und der unausgesprochenen Realität, sich selbst taub laufen zu wollen, dem Wunsch, sich von einer Eisschicht der Gefühllosigkeit bedecken zu lassen, all den Schmerz absterben zu lassen wie die gefallenen Blätter des Herbstes, die zu ihren Füßen verrotteten.
Entweder das Schneetreiben war dichter geworden oder es waren Tränen, die ihre Sicht verschleierten. Immer wenn sie dachte, sie habe sich endlich leer geweint, wenn ihre Augen für ein paar Tage trocken blieben, redete sie sich ein, es sei genug, sie habe es überstanden, sie würde nicht mehr von der Unerträglichkeit ihrer Gefühle übermannt in eine Ecke gekauert schluchzend zu sich kommen, mit rauer Kehle und brennenden Augen. Doch dann, so hinterhältig wie Hypothermie, wurde sie von dem heißbrennenden überfließenden Leid überrascht, das ihr in nassen Schlieren wieder über die Wangen rannte. Sie hatte nicht die Kraft, sich über das Gesicht zu wischen.
Sollte sie doch erstarren, sollte sie doch einfrieren, sie wünschte sich nichts mehr, als sich nieder zu legen, die Augen zu schließen, und sich zudecken zu lassen, von einer Kälte, die sie an Edward erinnerte als wäre jede Schneeflocke ein so zärtlicher wie tödlicher Kuss.
Plötzlich trat etwas in ihr Sichtfeld, unsicher wabernd, wie ein Geist. Auch wenn die Gestalt kleiner und dunkler war als Edward, flackerte die Hoffnung wie immer auf, so klein doch so brennend wie ein Schnitt an Papier, wie der Schnitt an Papier, der alles beendet hatte.
„Bella?“ sagte eine Stimme, zögerlich und sanft, und Bella wusste, dass jetzt einer dieser Momente gekommen war, wo sie sich zusammenreißen sollte und der Welt vorgaukeln musste, noch immer ein lebender Teil derselben zu sein. Doch alles in ihr war erfroren, jegliches Wissen darüber, wie man als Mensch agierte. Alles, außer dem Schmerz. Sie ballte die Hand zu Faust, wollte den sengenden Schnee festhalten der doch unwiederbringlich schmelzend durch ihre Finger rann, unwiederbringlich wie die kalte Hand ihrer Liebe.
Sie blinzelte und der Mensch vor ihr rückte in den Fokus. Mit ihren dunklen Haaren und den schokoladenbraunen Augen war Angela ein verwirrend warmer Anblick in der todkalten Landschaft.
„Hallo, Angela.“ Die Worte stürzten sich mühevoll über Bellas spröden Lippen. „Ich gehe nur ein bisschen spazieren.“
Wäre Angela ein Mensch des bitteren Auflachens gewesen, hätte sie nun vielleicht bitter aufgelacht. Stattdessen streckte sie nur die Hand aus, als wollte sie Bella berühren und wagte es dann doch nicht.
„Ich auch“, antworte Angela, zögerte kurz, ergänzte: „Das heißt, ich habe nach dir gesucht. Ich war bei dir zuhause und Charlie hat gesagt, du seist im Wald, und dann bin ich deinen Spuren gefolgt. Sie waren manchmal schon fast zugedeckt, doch ich hab es geschafft, und hier bist du.“ Sie lächelte unsicher und zuckte die Schultern.
„Du hast nach mir gesucht? Warum?“ Für Bella, die in ihrem Kopf schon schneebedeckt am Boden schlafend Jahrhunderte überdauert hatte, gab es dafür keinen Grund. Wer würde ihre Abwesenheit spüren, außer dem, dessen Abwesenheit sie jeden Tag ein wenig mehr tötete?
„Weil … Es klingt komisch, aber: ich vermisse dich.“ Angelas Worte klangen wie eine Entschuldigung und Bella spürte wie ihr Gesicht sich in Verwirrung verzog.
„Du vermisst mich? Aber ich bin doch hier. Also, in Forks, jeden Tag.“ Die Worte standen wie eine kalte Wolke vor ihrem Mund und ihr schwindelte. Sie wusste nicht, wie sie die Schwere dieser Existenz in Worte legen konnte; sie war da, jeden Tag, er nicht; niemals, nie wieder.
Angela sah sie an, suchend, als würde sie noch immer den halb zugedeckten Spuren folgen. „Du bist nicht da, selbst, wenn du da bist. Wie jetzt. Du stehst vor mir und schaust mich an, aber ich kann dich nicht finden.“ Ihre Stimme brach und sie wandte den Kopf ab, um einen Vorhang ihres dichten dunklen Haares vor ihr Gesicht fallen zu lassen und Bella merkte mit dumpfer Verwunderung, wie sie auf einmal ein Gefühl empfand, ganz außerhalb der stetigen Hintergrundmusik ihrer eigenen schwelenden Schmerzen. Angela war traurig und irgendetwas in Bella wollte die Freundin trösten.
Sie griff nach der Hand die Angela vorhin hatte sinken lassen, so unverrichteter Dinge. Erst jetzt merkte Bella, dass ihr jegliches Gefühl in den Fingern abhandengekommen war, doch sie griff umso fester zu als wollte sie Angela zeigen dass sie wirklich da war, gefunden, ein bisschen weniger verloren.
Angela schaute sie immer noch nicht an und Bella betrachtete die Flocken, die auf dem Schleier ihrer Haare schmolzen wie Tränen. Sie spürte wie Angelas Hand in ihrer sich regte, wie sie zwei warme Finger auf Bellas kaltes Handgelenk legte als wollte sie sichergehen, dass sie am Leben war.
Es war als wollte Angelas warme Hand das Echo von Edwards eisigen Fingern vertreiben und Bella wollte instinktiv ihren Arm nach hinten reißen und fliehen, doch sie hielt durch. Angela hatte sie gesucht, und wenn sie ihr den Trost geben konnte, nicht sofort wegzurennen, dann würde sie das tun.
So standen sie, stumm. Bella war so konzentriert darauf, sich zusammen zu reißen, Trost zu spenden, auch wenn sie nicht verstehen konnte, wieso sie das plötzlich wollte, dass sie kaum merkte, wie ihre eigene Hand sich erwärmte und sich immer fester an Angela festhielt.