Der Cellist - Teil 24

Aug 29, 2012 10:46

Und es geht weiter. Im dritten Akt dürft ihr mit Drama, Angst, Drama, BAMFs und ... Drama rechnen. Keine Ahnung, wie mir das schon wieder passieren könnte. Eigentlich bin ich von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.

Ganz zurück zum Anfang
Bloß zurück zum letzten Teil


Zwei Monate, drei Wochen und vier Tage sind vergangen, seit Thor gemeinsam mit Jane nach Asgard verschwunden ist. Man könnte sagen, dass seitdem so etwas wie Alltag in Tony Starks Villa am Central Park einkehren wollte.

Aber der Alltag einer Superhelden Wohngemeinschaft ist anders als der Alltag gewöhnlicher Sterblicher. Dementsprechend wurde in diesen zwei Monaten, drei Wochen und vier Tagen unter anderem ein Banküberfall mit Geiselnahme von Iron Man und Captain America verletzungsfrei geregelt, Black Widow und Hawkeye haben einen Anschlag auf den New Yorker Bürgermeister vereitelt, und der Hulk und Darcy haben eine Stampede im New Yorker Zoo entschärft, als ein vierzehnjähriges Mädchen höchst unerwartet (für sie selbst und ihre Eltern) ihre Mutantenfähigkeiten manifestiert hat.

Es war reiner Zufall, dass Bruce und Darcy bei dieser Gelegenheit zugegen waren - was mal wieder zeigt, dass Superhelden niemals Feierabend haben, selbst wenn sie, wie Darcy, lediglich Superhelden in Ausbildung sind, und Doktor Banner für ein wenig frische Luft und Hotdogs aus seinem Labor gezerrt haben. Darcy ist äußerst stolz auf sich selbst, dass sie nicht völlig in Panik geraten ist, als das Mädchen zu kreischen anfing, und die Schallwellen dieses Kreischens magentafarbene Wellen mit hellblauen Akzenten in der Luft hinterließen.

Darcy ist erst dann mehr oder weniger in Panik (komplette Verzückung) geraten, als die X-Men aufgetaucht sind, um sich des Mädchens und ihrer Eltern anzunehmen. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Wolverine. Verdammte Axt.

Phil ist inzwischen völlig wiederhergestellt, und einzig Clints rigorose Kontrollen nach jedem Training erinnern daran, wie nahe Agent Coulson daran war, seinen Anzug für immer an den Nagel zu hängen.

Phil lässt Clint stets mit der gleichen unerschütterlichen Geduld darin gewähren, ihn abzutasten und seinen Puls zu kontrollieren, seinen Pupillenreflex zu betrachten und seine Atmung abzuhorchen. Tony ist der Einzige, der offen ausspricht, dass es Phil vermutlich sogar gefällt, wenn Clint um ihn herum huscht wie eine Mutterglucke auf Speed. Alle anderen denken genau das Gleiche, aber da sie nicht Tony Stark sind, können sie sich beherrschen und halten den Mund.

Just in diesem Augenblick sitzen Clint und Darcy nebeneinander auf der Bank im Trainingsraum und beobachten Phil und Natasha dabei, wie sie sich gegenseitig in kollegialen Mordversuchen an die Kehle zu gehen versuchen.

Interessanter Weise beobachtet Clint das Schauspiel wesentlich nervöser als Darcy, aber das ist vermutlich völlig normal. Er mag Natasha genau so sehr vertrauen, aber seine Sorge um Phil ist natürlicher Weise ein wenig ausgeprägter als Darcys.

„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du aufhören könntest, rumzuwippen“, murmelt sie ihm schließlich aus dem Mundwinkel zu. „Mich vibriert’s hier gleich von der Bank.“

Clint hält augenblicklich still. „Tschuldige.“

„Pffft“, macht sie gleichgültig, streckt die Hand aus und tätschelt seinen Oberschenkel. „Der Boss hat das im Griff, Francis. Guck ihn dir doch an! Wäre er nicht in derartig … tödlichen festen Händen, würd ich mich total an ihn ranwerfen. Wie er Tasha durch die Luft wirbelt, ist schrecklich sexy.“

Clints erster Reflex ist, Darcy die Verwendung seines Zweitnamens zu untersagen. Aber bisher hat sie ihn noch nie vor Tony so genannt, und er will sie nicht herausfordern. (Er hätte wirklich wissen müssen, was dabei herauskommt, wenn sie Phils Assistentin wird.)

„Schrecklich sexy“, bestätigt er also mit einem kleinen Nicken. „Und wenn du auch nur versuchst -“

Sie schnaubt. „Bin ich lebensmüde? Ich gönn ihn dir. Ihr seid ein hinreißendes Paar, wirklich. Außerdem würde meine Mutter mich umbringen, wenn ich einen Mann in Dads Alter mit nach Hause bringe - oder ihn mir ausspannen. Das kann ich nicht riskieren.“

Clint blinzelt ihr aus dem Augenwinkel zu. Er kann manchmal wirklich nicht einordnen, wie ernst Darcy ihre diversen Aussprüche meint. Sie verbringt eindeutig zu viel Zeit mit Tony. Mit allen von ihnen, vermutlich. Steve scheint der Einzige zu sein, der es nicht fertig bringt, auf sie abzufärben. (Obwohl sie nur noch zu ganz besonderen Gelegenheiten dreckige Witze erzählt, um ihn rotwerden zu sehen. Wenn sich ein Kamerateam in der Nähe befindet, zum Beispiel.)

Phil lenkt Clint von diesen Gedanken ab, indem er Natasha an beiden Schultern packt, sich auf den Rücken fallen lässt und sie mit einem gezielten Tritt über sich hinweg und hinter sich befördert. Natasha landet anmutig wie eine Katze auf allen Vieren, aber Phil ist schneller wieder auf den Beinen als sie. Darcy stößt ein anerkennendes Pfeifen aus und klatscht in die Hände. „Ich bin schwer beeindruckt - genug für heute.“

Natashas eben noch allzeit bereite Pose entspannt sich prompt, und Phil dreht Darcy mit einem geduldigen Blinzeln den Kopf zu. „Meine Ärzte haben mich ganz offiziell für gesund erklärt, Darcy. Du musst mein Training nicht länger überwachen. Genau genommen musstest du mein Training überhaupt nie überwachen.“

Sie nickt, völlig unbeeindruckt, und steht von der Bank auf. „Egal was deine Ärzte sagen, Phil, dein Clint hat heute sicherlich noch was mit dir vor. Genug trainiert. Tasha, komm, lass uns duschen gehen.“

Natasha nickt und verlässt den Ring mit einer Selbstverständlichkeit, die Clint Angst machen würde, wüsste er nicht, dass sie und Darcy in den letzten Wochen beinahe so etwas wie Freundinnen geworden sind. (Schwestern würde es eher treffen. Ihr erster Streit war monumental und hat den Rest des Haushalts zu wimmernder Panik reduziert. Niemand ist sich sicher, worum es eigentlich ging, aber es traut sich auch niemand, zu fragen.)

„Ich weiß nicht, ob es mir gefallen soll, dass Natasha Darcys Befehlen so bereitwillig Folge leistet“, sagt Phil auch prompt, während er Clint für den obligatorischen Gesundheitscheck entgegen kommt. „Aber ich schätze, das hab ich mir selbst eingebrockt.“

Clint nickt und lässt seinen Blick an Phil auf und ab gleiten. „Du hast sie einander zugeteilt, in der Hoffnung, Tasha damit aus ihrem elfenbeinernen Schneckenhaus zu bekommen. Irgendwelche Schmerzen?“

Phil schüttelt den Kopf, ein Schmunzeln in seinen Mundwinkeln. „Nein, Agent Barton.“

Er hält Clint dennoch bereitwillig seinen Arm entgegen, aber Clint wischt ihn beiseite, tritt dichter an ihn heran, und misst Phils Puls stattdessen an seinem Hals.

„Wenn ich das früher bei dir versucht hätte -“ setzt Phil an, und Clint unterbricht ihn sanft. „Hätte ich dich geküsst.“

Phil hebt eine faszinierte Augenbraue. „Ach ja?“

Clint nickt. „Du bist unwiderstehlich, wenn du aufrichtig um mein Wohlergehen besorgt bist.“

„Ach so?“

Clint nickt ein weiters Mal. „Besonders, wenn du andere Leute deswegen anschreist. Hat mich jedes Mal mit völlig weichen Knien zurückgelassen.“

Er gibt diese Information mit kalkuliert gleichgültigem Unterton an Phil weiter, denn wenn er nicht aufpasst, wird er über Phil herfallen und ihn küssen, anstatt sicher zu gehen, dass sein Training mit Natasha keinen Schaden angerichtet hat. Das wäre kontraproduktiv.

„Mit weichen Knien, hm?“ wiederholt Phil leise. „Bist du deswegen nach der Mission in Burma aus dem Baum gefallen? Weil ich Burns angeschrieen habe?“

Clint räuspert sich und starrt Phil mit versteinerter Miene in die Pupille. „Möglich.“

„Hatte also nicht das Geringste mit der Gehirnerschütterung und dem feuchten Moos am Stamm zu tun?“

Clint räuspert sich ein weiteres Mal. „Die Gehirnerschütterung hatte ich erst, nachdem ich aus dem Baum gefallen war.“

„Mh-hm“, macht Phil leise, und Clint bekommt eine Gänsehaut. „Und nach der Mission in Lettland, als du im Matsch ausgerutscht bist, war das auch -“

„Du hast Agentin Hill angeschrieen!“ unterbricht Clint ihn aufgeregt. „Ich hätte mich vermutlich selbst dann langgemacht, wäre der Boden knochentrocken und mit Anti-Rutsch-Noppen gesichert gewesen!“

Phil reckt sich ihm entgegen und drückt ihm einen Kuss auf die Schläfe. „Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, was für Sorgen ich mir deswegen um dich gemacht habe? Wie sehr es mich erschreckt hat, als du aus dem Baum gefallen bist?“

Clint blinzelt ihn an. „Das war keine Absicht, Phil.“

„Wenn ich davon ausgehen würde, hätte ich dich jetzt kaum geküsst.“

Clint gibt es auf, Phils Atmung kontrollieren zu wollen und drückt sich der Länge nach an ihn heran. „Das war kaum ein richtiger Kuss.“

„Ich wollte deine Bemühungen um mein Wohlbefinden nicht unterbrechen. Bist du fertig?“

Clint nickt, ehe er seinen Mund auf Phils presst, und Phil schlingt prompt seine Arme um ihn und hält ihn fest.

Sie sind beide mehr als nur ein wenig verschwitzt - Darcy und er haben ihr Training nicht lange vor Phil und Natasha beendet - Phils Körper ist wunderbar warm, und Clint wird vermutlich nie genug davon bekommen, ihn gegen seine Brust atmen zu spüren.

Nachts, wenn er nicht schlafen kann, legt er manchmal seinen Kopf auf Phils Brust und lauscht auf seinen Herzschlag. Nichts könnte beruhigender sein. (Obwohl es schon ein wenig peinlich war, als er Phil zum ersten Mal damit geweckt hat. Aber Phil hat nichts weiter getan, als seine Hand in Clints Nacken zu legen und ihm durchs Haar zu kraulen. Phil, dessen ist Clint sich völlig bewusst, ist schlicht zu gut für diese Welt.)

Die Art und Weise, wie Phil ihn augenblicklich küsst, hat mit beruhigend jedoch nicht allzu viel gemein.

Clint wird sich vermutlich nie völlig daran gewöhnen, dass Phil Coulson - hinter all seinem Perfektionismus, unter all diesem fähigen, effizienten Kalkül - tatsächlich ein Mensch ist, der sich einen verdammten Dreck darum schert, wer ihn dabei erwischen könnte, wie er seinen Partner in den Armen hält und ihn küsst.

Phil liebt öffentliche Zuneigungsbekundungen. Er küsst Clint in öffentlichen Parks, er küsst ihn im Supermarkt - und inzwischen küsst er ihn sogar am Frühstückstisch, völlig egal, ob Captain America nun zusieht oder nicht.

Es macht Clint wahnsinnig, wenn er ganz ehrlich ist. Er war so fest davon überzeugt, dass Phil ein, wenn auch nicht zurückhaltender, so doch zumindest extrem kontrollierter Liebhaber sein würde - keine zärtlichen Berührungen, keine verräterischen Blicke, keine unnötigen Lächeln außerhalb des Schlafzimmers - dass ihn die Realität oft genug überfordert.

Aber Phil hat gesagt, dass er sich Zuhause nicht verstellen will - noch etwas, das Clint komplett überfordert hat, und Tony gleich mit. Phil betrachtet diese schrecklich protzige Villa tatsächlich als sein Zuhause.

Phil will sich also Zuhause weder verstellen noch zurückhalten, dementsprechend kommen sämtliche Avengers regelmäßig in den Genuss, Phil Clint küssen zu sehen. Manchmal kommen sie sogar in den Genuss, Clint Phil küssen zu sehen.

Clint kann sich einfach nicht helfen. Manchmal hat er Angst, dass Phil sich in Luft auflösen wird, wenn er derjenige ist, der Zärtlichkeiten initiiert. Dass er eines Tages seine Hand nach Phil ausstrecken, und nichts als kalte Luft zufassen bekommen wird.

Clint ist sich ziemlich sicher, dass Phil inzwischen gemerkt hat, dass Clint seltener derjenige ist, der Kontakt herstellt, aber bisher hat er nichts dazu gesagt - und das ist ebenfalls etwas, das Clint rettungslos überfordert: das anscheinend endlose Verständnis, die unerschütterliche Geduld, die Phil ihm entgegen bringt.

Dabei kennt er das gar nicht anders. Phil war schon immer so - von Anfang an.

Clint ist fest davon überzeugt, dass er Phil im Grunde genommen überhaupt nicht verdient hat. Diese Überzeugung hält ihn nicht davon ab, Phils Küsse jetzt mit hilfloser Leidenschaft zu erwidern. Er ist auch nur ein Mensch.

„Na, das war doch mal wieder ein voller Erfolg.“ Tonys Augen blitzen über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg, und Steve schenkt ihm ein zustimmendes Grinsen, während er zu ihm in die Limousine steigt.

Pepper hat den Platz gegenüber Tony gewählt, hält bereits ihr Pad in der Hand und arbeitet, also setzt Steve sich neben Tony, legt den Arm über seine Schultern.

Tony nimmt seine Sonnenbrille ab. „Besonders schön fand ich, wie du dieses kleingeistige Gesindel ins offene Messer hast laufen lassen“, informiert er Steve mit einer illustrierenden Geste und macht stechende Bewegungen in Richtung Pepper, die sich davon offenbar in keinster Weise angegriffen fühlt. „Es will ihnen einfach nicht in den Kopf, dass Captain America, Symbol für alles Gute und Schöne in der Welt, sich tatsächlich für die Homo-Ehe einsetzt.“

Steves Miene verdunkelt sich ein wenig. „Man könnte meinen, die Presse hätte sich inzwischen daran gewöhnt. Ich weiß nicht, was ich mache, wenn ich auch nur noch ein einziges Mal gefragt werde, ob du mich dafür bezahlst -“

„Ich fand die Unterstellung, ich hätte dich durch … wie haben sie es formuliert … sexuelle Zudringlichkeiten dazu getrieben, viel faszinierender. Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich geschmeichelt oder empört sein soll. Bewusstseinsverändernder Sex! Stell dir das mal vor!“

„Bring Steve nicht schon wieder in Verlegenheit, Tony“, meldet Pepper sich vom gegenüberliegenden Sitz zu Wort, ohne auch nur den Blick zu heben, und Steves ohnehin reichlich rote Ohren werden noch ein wenig heißer.

Tony grinst ihn reuelos an, antwortet jedoch in Peppers Richtung. „Aber das kennt er doch nicht anders, Pepper.“

„Was ganz und gar deine Schuld ist“, gibt sie spitz zurück. „… Und vielleicht Darcys. Aber hauptsächlich deine.“ Sie streckt ihre Hand aus und öffnet die Leitung zum Fahrer. „Happy, mach bitte einen Umweg zu Stark Enterprises. Es scheint, ich werde gebraucht.“

Die Limousine schwankt prompt ein wenig, als Happy die Spur wechselt, und Tony seufzt. „Manchmal habe ich direkt ein schlechtes Gewissen dafür, dass ich dir den Posten aufs Auge gedrückt habe.“

Pepper schenkt ihm ein flüchtiges Lächeln. „Wenn ich ihn satt hätte, würde ich ihn abgeben, Tony.“

Tony starrt sie entsetzt an. „Aber wir wären rettungslos verloren ohne dich!“

„Ein Grund mehr, warum ich ihn nicht abgebe. Irgendwer muss dir ja deine Hobbys finanzieren.“

Tony nickt. „Abgesehen davon habe ich mich an einen gewissen Lebensstil gewöhnt - und in meinem Alter kann niemand mehr von mir erwarten, dass ich mich umgewöhne.“

„Richtig. Weil du absolut unfähig bist, dich veränderten Umständen anzupassen“, gibt Pepper mit liebevoll spöttischem Unterton zurück.

Sie haben inzwischen den Hauptgeschäftssitz von Stark Enterprises in New York erreicht, und da Steve, Gentleman der er ist, aus der Limousine aussteigt, um Pepper aus dem Wagen zu helfen und sich von ihr zu verabschieden, klettert auch Tony aus dem Auto.

Sowohl Tony als auch Steve werden auf die Wange geküsst und umarmt, völlig egal, wie oft die Paparazzi dieses Spektakel in den letzten Wochen auf Film festgehalten und darüber spekuliert haben mögen, was in der Villa Stark am Central Park eigentlich wirklich vor sich geht.

Pepper ist mindestens so stur wie Steve, was ihren Umgang mit der Presse angeht, und gemeinsam haben sie Tony davon überzeugt, dass es schlicht egal ist, was die Zeitungen sich hier und da ausdenken.

Dementsprechend hat Pepper nur ein einziges Mal auf die Frage eines Reporters reagiert, als sie zu ihrer Beziehung zu Steve Rogers befragt worden ist - und das war ein Reporter, der offiziell in die Villa eingeladen worden war - erklärt, dass sie und Steve Freunde sind, genauso wie Steve und Tony, und dass sie nicht einsieht, wieso sie ihre Freunde nicht auf die Wange küssen darf.

Tonys Reaktion bestand aus einem fulminanten Stirnrunzeln und der tragischen Deklaration, dass er Steve überhaupt nie auf die Wange küssen würde - wie unfair sei das bitte sehr - was Steve dazu veranlasst hat, sich zu ihm hinüber zu beugen und dieses Versäumnis in Ordnung zu bringen.

Der Reporter, ein überraschend junger Mann namens Peter Parker, ist beinahe gestorben vor Entzücken, Tony ist beinahe an seinem eigenen Grinsen erstickt, und Pepper hat hilfreich auf Steves rote Ohren und die Tatsache aufmerksam gemacht, dass er wohl kaum derartig reagieren würde, wenn er und Tony regelmäßig miteinander intim wären. Eine Aussage, die Steve nicht unbedingt dabei geholfen hat, seine Ohren und den Rest seines Gesichts auf einigermaßen normale Temperatur zurück zu kühlen.

Der resultierende Artikel des verzückten Reporters hängt gerahmt in Peppers Büro.

Im Hier und Jetzt und am Straßenrand holt Tony sich einen weiteren Kuss von Pepper, ehe sie ins Hauptquartier seiner Firma entschwinden kann, dann klettert er zurück in die Limousine.

Steve klettert ihm hinterher, nimmt mit wundervollster Selbstverständlichkeit erneut den Platz direkt neben Tony in Beschlag und legt ein weiteres Mal seinen Arm um Tonys Schultern.

Tony seufzt behaglich und lehnt seinen Kopf an Steves Halsbeuge. „Weck mich, wenn wir Zuhause sind.“

Steve verspricht es ihm lächelnd.

„Bruce!“

JARVIS hat ihn vorgewarnt, dass Darcy auf dem Weg zu ihm ist, daher wirft Bruce keineswegs sein Reagenzglas von sich, als sie durch die Tür zu seinem Labor stürmt, sondern erhitzt es weiter mit konzentrierter Miene über einem Bunsenbrenner. „Was kann ich für dich tun, Darcy?“

„Komm mit mir und Tasha zum Tierheim! Anuk hat ihre Welpen bekommen!“

Ein nicht zu unterdrückendes Lächeln spielt um Bruces Lippen. Dass die schwarze Witwe ihre Freizeit ausgerechnet damit verbringt, ehrenamtlich in einem Tierheim zu arbeiten, ist für ihre Umwelt ein nicht enden wollender Quell der Verwunderung - Bruce hat vermutlich nie zuvor etwas Friedvolleres gesehen als Natasha umgeben von einem Wurf junger Katzen.

Sie ist so viel unbefangener, wenn sie von Tieren umgeben ist anstatt von Menschen.

„Habt ihr noch fünf Minuten?“ erkundigt Bruce sich also bei Darcy und gestikuliert vage mit seinem Reagenzglas. „Ich würde das hier gern beenden.“

„Selbstverständlich“, erwidert sie großzügig - und doch mit diesem gewissen Unterton, der ihre Befürchtung andeutet, er werde eines Morgens aufwachen und feststellen, dass ihm ein Reagenzglas an der Hand festgewachsen ist. „Die fünf Minuten für deine Romanze mit dem Bunsenbrenner haben wir immer.“

Bruces einzige Reaktion hierauf ist ein leicht gequältes Grinsen. Er ist eben dabei, seinen Bunsenbrenner auszustellen, als Natasha neben Darcy in der Labortür auftaucht. „Kommst du mit?“

„Ich komme mit“, bestätigt er ruhig. „Mir sind Welpen versprochen worden.“

Natashas Gesicht überzieht ein kurzes und doch unleugbar strahlendes Lächeln. „Wer könnte da widerstehen?“

„Also ich nicht!“ erklärt Darcy nachdrücklich, packt Bruce am Hemdsärmel und zerrt ihn hinter sich aus dem Labor.

„Ich komme auch so mit“, macht er sie ruhig aufmerksam.

„Das behauptest du jedes Mal“, erwidert sie ungeduldig.

„Es stimmt auch jedes Mal“, bringt Natasha sich schmunzelnd ein.

Darcy wirft ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Fall mir nicht in den Rücken.“

„Würde mir nie einfallen“, erwidert Natasha gelassen und hebt beide Hände zum Zeichen der friedlichen Resignation. „Zerr ihn hinter dir her, so viel du willst.“

Weder Natasha noch Bruce machen Darcy darauf aufmerksam, dass sie ein wenig … anhänglich geworden ist, seit Jane mit Thor nach Asgard verschwunden ist - besonders, was Bruce angeht.

Vermutlich will Darcy sicherstellen, dass ihr nicht mehr brillante Wissenschaftler abhanden kommen als unbedingt nötig.

Die Villa liegt im Schein der frühen Nachmittagssonne, als Happy die Limousine anhält, um Tony und Steve aussteigen zu lassen, ehe er sich auf den Rückweg in die Stadt macht, um sich für Peppers Feierabend bereitzuhalten.

Einen Moment lang blickt Tony der Limousine hinterher, um sicher zu stellen, dass Happy die lange Auffahrt ohne Zwischenfälle hinter sich lässt - nicht, dass jemals zuvor irgendwas vorgefallen wäre, aber man kann nie wissen - ehe er Steve durch die Tür und in die angenehm kühle Vorhalle der Villa folgt.

Steve wartet auf ihn, wie er es immer tut, und Tony legt leicht den Kopf schief. „Wie lauten deine Pläne für den Nachmittag?“

Steve zuckt mit den Schultern. „Ich habe keine Pläne.“

„Du hast keine Pläne?“ wiederholt Tony mit vorgetäuschtem Entsetzen. „Was für eine Art von Stratege bist du eigentlich?“

„Eher die spontane Art“, gibt Steve gelassen zurück. Tony fragt sich unwillkürlich, wie er je davon ausgehen konnte, dieser Mann sei altmodisch und verklemmt. Gut, ja, Steve mag ein wenig altmodisch sein, aber auf die gute Art. Er hat Werte, keine Wertvorstellungen, und wenn er von etwas überzeugt ist, dann steht er dafür auch ein. (Verklemmt ist außerdem das ganz und gar falsche Wort, um zu beschreiben, was Steve ist. Ganz schrecklich schüchtern, was sexuelle Belange angeht, ja. Seiner selbst unerklärlich unsicher. Es will Tony manchmal nicht in den Kopf, wie Steve so aussehen, und trotzdem davon ausgehen kann, dass er der Damenwelt nicht wirklich etwas zu bieten hat.)

„Film?“ erkundigt Tony sich leichthin, und Steve blickt ihn überrascht an. „Willst du gar nicht in die Werkstatt?“

Tony zuckt mit den Schultern. „Im Moment nicht, nein. Ich finde, ich hab heute schon genug zum Wohle der Menschheit geleistet. Aber wenn du mich nicht haben willst, dann kann ich mir sicherlich was einfallen lassen. Der Anzug kann immer Verbesserungen vertragen.“

Steve fasst ihn prompt am Handgelenk und macht sich auf den Weg in Richtung Wohnzimmer. „Ich dachte, wir hätten bereits vor geraumer Zeit geklärt, dass ich dich durchaus will, Tony.“

Tony greift sich mit der freien Hand in gespielter Schamhaftigkeit an die Brust, während er zufrieden neben Steve hermarschiert. „Aber Captain Rogers! Was, wenn die Presse Sie hört!“

Steves Griff um Tonys Handgelenk wird prompt ein wenig fester. Dann wirft er Tony einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Manchmal bin ich schwer versucht, ihnen meinen Klingelton vorzuspielen - oder deinen.“

Tony blinzelt ihn an. „Schwer versucht, hm? Ich hätte kein Problem damit.“

Steve seufzt. „Ich weiß. Aber wenn wir wollen, dass die Presse uns ernst nimmt, dürfen wir sie nicht derartig an der Nase herumführen.“

„Dass die Presse mich ernst nimmt, wäre mir neu“, gibt Tony trocken zurück. Sie haben inzwischen das Wohnzimmer erreicht, und da dieses augenblicklich von Clint, Phil und den Katzen bevölkert wird, kommt ihr Gespräch zu einem ganz natürlichen Ende.

„Training gut vertragen?“ erkundigt Tony sich bei Phil, wie er es jeden Tag aufs Neue tut, und wie jeden Tag zuvor scheint Phil von der Frage mehr oder weniger überfordert zu sein.

„Sehr gut sogar“, antwortet Clint für ihn, wie so oft, und Steve gibt sich keine Mühe, sein Schmunzeln zu verbergen.

„Wie war eure Pressekonferenz?“ fragt Clint mit ehrlichem Interesse in der Stimme - dann zieht ein Unheil verkündendes Grinsen über seinem Gesicht auf. „Haben sie wieder behauptet, Tony habe Steve hypnotisieren lassen, um ihn zur Mitarbeit an seinem schändlichen Unterfangen zu bewegen?“

Steve lässt ein tiefes Seufzen hören. „Schlimmer.“

Wohl zum ersten Mal in seinem Leben nutzt Tony Stark nicht die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen, und Steve sieht sich mit der ihm mehr als nur unangenehmen Aufgabe konfrontiert, tatsächlich auszusprechen, was passiert ist.

Er ist sich außerdem bewusst, dass Tony ausschließlich deswegen schweigt, um ihn zu ärgern. Er schenkt ihm einen bösen Blick. Tony haucht ihm ein Küsschen zu.

Clint verdreht die Augen. „Hört auf zu flirten und erzählt mir, was passiert ist! Oder muss ich auf die Nachrichten warten?“

„Ich bin beleidigt, dass du dir die Liveübertragung hast entgehen lassen“, informiert Tony ihn schnippisch und lässt sich auf ein freies Sofa sinken. Hershey springt ihm augenblicklich auf den Schoß, um sich streicheln zu lassen.

„Wenn ich jedes Mal alles stehen und liegen lassen würde, bloß weil du’s mal wieder in die Nachrichten geschafft hast, würd’ ich zu gar nichts mehr kommen“, gibt Clint unbeeindruckt zurück und durchbohrt Steve mit seinem neugierigen Blick. „Also?“

Steve räuspert sich unbehaglich.

„Die neuste Theorie“, erlöst Tony ihn großmütig von seinem Leid, „lautet, dass ich Captain America durch schmutzige sexuelle Praktiken einer Gehirnwäsche unterzogen habe.“

Phil verengt leicht die Augen. „Ich will schwer hoffen, du hast dem entsprechenden Reporter zumindest damit gedroht, ihn bis in die dritte Generation zu verklagen.“

Tony zuckt leicht mit den Schultern. „Musste ich nicht. Für sowas hab ich Pepper. Sie hat ihn zum Weinen gebracht, allein durch die Kraft ihres unzufriedenen Starrens.“

Clint schüttelt sich theatralisch. „Ich kenne das Gefühl.“

Phil bedenkt ihn mit einem spitzen Blick. „Ach so?“

„Ich habe innerlich geweint“, behauptet Clint prompt. „Du hast ja keine Ahnung, wie oft.“

„Das halte ich für ein Gerücht“, gibt Phil unberührt zurück. „Wenn überhaupt, dann hast du innerlich Samba getanzt.“

Tony entkommt ein fassungslos-amüsiertes Schnauben, Steve grinst, und Clint schiebt schmollend die Unterlippe vor. „Du verkennst mich, Phil. Ich kann doch gar nicht Samba tanzen.“

Phil lächelt ihm herausfordernd zu. „Das ließe sich ändern.“

Clint neigt sich ihm zu, schmiegt seine Wange in übertrieben nachdrücklicher Manier an Phils Schulter und schnurrt. „Samba, hn? Ich bin dabei.“

Tony steht ein wenig zu hastig wieder von seinem Platz auf dem Sofa auf. „Kaffee! Ich mach welchen!“

Hershey maunzt, unzufrieden über die ruppige Art, in der Tony ihn von seinem Schoß katapultiert hat, und Steve beugt sich vor und streichelt dem Kater beruhigend über den Kopf.

Clint blinzelt verwirrt in Richtung der Tür, durch die Tony soeben verschwunden ist. „Was war das denn?“

„Tonys wie üblich extrem unauffällige Art, mit einer Situation umzugehen, die ihn überfordert“, sagt Phil trocken und wirft Steve einen kurzen Blick zu. „Man könnte meinen, der Mann habe sich inzwischen an seine … Gefühle gewöhnt.“

Steve schnaubt, schüttelt leicht den Kopf und schlendert in Richtung Tür. „Niemals. Irgendwelche Sonderwünsche, was den Kaffee angeht?“

„Pfefferminz Sirup“, sagt Clint entschlossen. „Und ein Keks.“

„Das sind keine Sonderwünsche“, erwidert Steve lächelnd. „Das ist die Standardversion.“

„Wir müssen dringend an deinem strategischen Rückzug arbeiten“, informiert Steve Tony, sobald er die Küche betritt. „So wie es augenblicklich steht, weiß der Feind sofort, woher der Wind weht.“

Tony wirft ihm einen gequälten Blick von seinem Platz vor der Kaffeemaschine aus zu. „Keine Militär-Metaphern, Captain, bitte.“

„Du könntest auch einfach mal daneben sitzen bleiben und still ertragen, wenn die Beiden … romantisch miteinander werden. Ich weiß wirklich nicht, wo eigentlich das Problem liegt.“

Tony schnaubt und gibt der Kaffeemaschine den Befehl, die Bohnen zu mahlen und das Wasser zu erhitzen. Er zuckt nicht zusammen, als Steve an seiner Schulter auftaucht, aber er verspannt sich ein wenig.

Manchmal, und Steve ist völlig bereit, das ehrlich und offen zuzugeben, macht Tony ihn schlicht wahnsinnig. „Was ist los?“

Tony schüttelt den Kopf, wie der sture Bastard, der er ist, und Steve legt ihm die Hand auf die Schulter - nicht weniger stur. „Tony.“

Tony seufzt und lässt die Schultern hängen. „Du bist fürchterlich.“

Steve drückt seine Schulter. „Ja, ich weiß. Fürchterlich. Ein ganz grässlicher Mensch. Was ist los?“

Tony wirft ihm einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Nichts ist los. Ich bin lediglich nicht an öffentliche Zuneigungsbekenntnisse gewöhnt.“

„Es stört dich nicht, wenn sie sich küssen.“

Tony schnaubt. „Das ist kein öffentliches Zuneigungsbekenntnis, das ist lediglich Vorspiel zum Sex.“

Einen Moment lang kann Steve ihn nur anstarren. Er muss sich räuspern. „Ich möchte behaupten, für Phil und Clint ist inzwischen so gut wie alles Vorspiel zum Sex.“

Es wundert Steve nicht großartig, als Tony sich voll zu ihm herumdreht, damit er ihn anständig anglotzen kann.

„Wenigstens bist du rot geworden“, sagt Tony schließlich. „Alles andere hätte mein Weltbild vollends zerstört.“

Steve sieht ihm fest in die Augen. „Ich habe das ernst gemeint.“

Tony sticht ihm mit dem Zeigefinger seiner Rechten vor die Brust. „Das macht es nicht besser.“

„Können wir darauf zurückkommen, dass deine Fluchttendenzen, wann immer unsere Mitbewohner liebenswert miteinander werden, inzwischen ziemlich auffällig geworden sind?“

„Ich will nicht darauf zurückkommen“, erwidert Tony mit flachem Tonfall. „Was ist so schlimm daran, wenn ich sie in Ruhe miteinander herumsäuseln lasse?“

„Dein Verhalten gibt ihnen das Gefühl, sie würden sich unangemessen verhalten, Tony.“

Steve weiß, dass er das Falsche gesagt hat, als Entsetzen und Schuldgefühle in Tonys Augen aufblitzen, nur um eine Sekunde später von stumpfem Trotz ersetzt zu werden. „Ach ja? Das sollten sie besser wissen.“ Er zögert einen Moment. „Und auf mich sollten sie schon gar keine Rücksicht nehmen.“

Steve hat sich inzwischen einigermaßen an Tonys emotionale Zurückgebliebenheit gewöhnt, aber das ist dann doch zu viel. Er boxt Tony gegen die Schulter. „Du bist ihnen wichtig, Tony Stark. Selbstverständlich nehmen sie Rücksicht auf dich. Begreif endlich, dass deine Villa unser Zuhause ist! Du kannst nicht so tun, als seiest du nicht mehr als unser Vermieter, wann immer dir danach ist!“

Steve realisiert, dass er Tony an der Küchenzeile in die Ecke getrieben hat und ihn durch den schlichten Schachzug, seine Hände links und rechts von ihm auf die Arbeitsfläche zu stützen, an einer Flucht hindert, als Tony beide Hände gegen seine Brust presst, um ihn ein wenig auf Abstand zu bringen. „Ich weiß nicht, warum du so einen Aufstand machst, bloß weil ich mich hierher zurückgezogen habe, um Kaffee zu kochen! Es ist nicht so, als wäre ich nach Nepal geflohen! In spätestens zehn Minuten wäre ich wieder da gewesen!“

Steve räuspert sich und richtet sich auf. „Ich will doch nur, dass du …“
Er will, dass Tony sich wohl fühlt. Er will, dass Tony, anstatt wegzulaufen wenn seine Mitbewohner ihm Anlass dazu geben, still sitzen bleibt und sich gemeinsam mit ihnen darüber freut. Er will, dass Tony glücklich ist.
„Ist schon gut.“

Tony blinzelt ihn an. „Ist schon gut? Nichts ist gut. Nicht, wenn du aussiehst, als hät’s in der Bäckerei keinen echt amerikanischen Apfelkuchen mehr gegeben.“

Steve zieht eine kleine Schnute. Da lässt man es sich einmal anmerken, wenn man vom bevorzugten Backwarenlieferanten enttäuscht ist, und Tony reitet bis ans Ende aller Tage darauf rum.

„Ich finde lediglich, dass du überhaupt keinen Anlass zur Flucht hast“, sagt er leise und mit deutlichem Zögern in der Stimme. „Pepper und du, ihr seid … ihr seid doch glücklich zusammen.“

„Meine Fluchttendenzen, wie du sie nennst, haben nicht das Geringste damit zu tun, ob ich mich in einer glücklichen Beziehung befinde oder nicht“, erwidert Tony ungeduldig. „Nicht das Geringste!“

„Und womit haben sie dann etwas zu tun?“

Ein paar Minuten lang bleibt Tony still und starrt auf den Fußboden. „Ich war ... ein merkwürdiges Kind“, sagt er schließlich.

Steve runzelt die Stirn, nicht sicher, was der plötzliche Themenwechsel zu bedeuten hat. Er widerspricht Tony schon aus Prinzip. „Ich bin sicher, du warst entzückend.“

„Entzückend, ja, genau.“ Tony zieht ihm eine Grimasse. „Ich war ... frühreif. Nicht körperlich, nie körperlich ... war immer ein wenig zu klein für mein Alter ... aber geistig. Ich hab alles gesehen, ich hab alles verstanden - und wenn ich etwas nicht verstanden habe, dann wollte ich es erklärt haben ... und wenn es mir niemand erklären konnte, dann habe ich ... gewartet. Und gestarrt.“

Tonys Stimme hat diesen bewussten Unterton angenommen, den sie meistens dann bekommt, wenn er von seinem Vater erzählt. Steve hat gelernt, diesen Unterton zu hassen. Er scheitert nach wie vor daran, den Howard seiner Vergangenheit und Tonys Vater als ein und dieselbe Person zusammenzubringen.

„Du hast gestarrt?“ fragt er sanft nach, als Tony nicht weiter spricht, und Tony schreckt ein bisschen zusammen, als sei er in Erinnerungen versunken gewesen, spricht langsam weiter. „Niemand wollte einem Vierjährigen erklären, warum die Erwachsenen sich küssen und anfassen. Aber ich wollte es wissen. Ich habe schon damals den Unterschied zwischen den Küssen einer Mutter und den Küssen ... anderer Leute bemerkt, aber ich habe es nicht begriffen. Also habe ich gestarrt.“

Steve kann ihn beinahe vor sich sehen - den vierjährigen Tony, schon damals in Anzüge und Krawatten gezwängt, mit den gleichen gigantischen Augen, viel zu wach und kalkulierend in seinem unschuldigen Gesicht. Er zieht unwillkürlich eine leichte Grimasse.

Tony nickt. „Ich war ein gruseliges Kind. Ein gruseliges, ewig starrendes Kind. Dementsprechend wurde ich mehr als einmal aus Zimmern gejagt, in denen Erwachsene zärtlich miteinander wurden. Irgendwann bin ich von ganz allein geflohen. Ich möchte behaupten, es ist mit den Jahren beinahe zu einem Reflex geworden.“

Steve seufzt, Tony wirft ihm einen wissenden Blick zu. „Lass mich raten: Du möchtest mich jetzt umarmen.“

Steve zieht ihn prompt an sich heran, und Tony lacht ihn leise aus. „Ich möchte übrigens noch angemerkt haben, dass Pepper und ich völlig anders sind als Phil und Clint.“

„Pepper und du seid ganz genauso wie Phil und Clint“, gibt Steve energisch zurück und drückt ihn ein wenig enger an sich. „Ganz genauso!“

Der Ausdruck, der über Tonys Gesicht gleitet, lässt sich nur als fasziniert bezeichnen. „Wirklich?“

Steve nickt.

„Genauso widerlich verliebt und entzückend?“ hakt Tony misstrauisch nach.

Steve nickt ein weiteres Mal, und da er inzwischen genügend Zeit mit Tony und seinem verdrehten Charakter verbracht hat, fügt er hinzu: „Es ist schon beinahe Ekel erregend.“

Tony reckt stolz das Kinn. „Selbstverständlich ist es das. Wenn Pepper und ich was machen, dann machen wir es richtig!“

Als Bruce, Darcy und Natasha nach Hause kommen, sitzen Phil, Clint, Tony und Steve gemeinsam mit den Katzen über zwei Sofas verteilt im Wohnzimmer und gucken Batman Begins.

„Das ist doch mal ein Milliardär mit ganz fundamentalen emotionalen und geistigen Problemen“, bemerkt Darcy heiter, lässt sich neben Tony aufs Sofa sinken und klopft ihm auf den Oberschenkel. „Hab ich Recht, oder hab ich Recht?“

Tony nickt. „Ich husche wenigstens nicht in schwarzem Leder durch die Nacht und verkleide mich als Fledermaus.“

Darcy beobachtet einen Moment lang wie Christian Bale sich über den Bildschirm prügelt, dann schnupft sie leise auf. „Ich mag Michael Keaton lieber. Der hat so fluffige Locken.“

Bruce räuspert sich. „Wie lautet der Plan für’s Abendessen?“

Tony blinzelt träge zu ihm hoch. „Steve wird dich darüber in Kenntnis setzen, dass er solche Entscheidungen lieber spontan fällt. Irgendwelche Wünsche?“

Bruce zuckt mit den Schultern. „Ich könnte kochen.“

Clint ist augenblicklich Feuer und Flamme. „Ich helfe dir!“

Bruce drückt sein Einverständnis durch ein simples Nicken aus und wechselt einen flüchtigen Blick mit Phil, der transportiert, dass auch Agent Coulson bei der geplanten Aktivität seine Hand im Spiel haben wird.

Natasha setzt sich auf das leere dritte Sofa und bedeutet Bruce mit einem Nicken, sich zu ihr zu gesellen. „Wann kommt Pepper nach Hause?“

Tony seufzt. „Die heutige Pressekonferenz hatte offenbar faszinierende Auswirkungen auf unsere Aktien - dementsprechend befindet sie sich im verbalen Kampf mit den Investoren und Teilhabern. Ihre letzte Nachricht deutete auf baldige Kapitulation des Gegners, aber sie konnte noch nicht sagen, wann sie sich des Sieges rühmen können würde.“

„Deine militärischen Metaphern gewinnen zunehmend an Farbe“, bemerkt Natasha gelassen. „Hat der Captain wieder seine Kriegserinnerungen mit dir geteilt?“

Steve lässt sie in den Genuss eines extrem unbeeindruckten Blickes kommen. „In ausschweifendem Detail, Natasha.“

Sie lächelt ihm anerkennend zu, während Tony Darcy mit der Schulter anstößt. „Wie war’s im Tierheim?“

Sie nimmt einen tiefen Atemzug und rollt theatralisch ihre Augen gen Zimmerdecke. „Oh - mein - Gott, Tony … die Welpen sind so niedlich! Sie sind so schrecklich niedlich, ich hätte sie fressen können! Unfassbar flauschig und tapsig, und sie quieken so süß, wenn man sie drückt!“

„Welpen?“ fragt Tony nach, und Darcy nickt nachdrücklich. „Welpen! Du erinnerst dich an die Husky-Dame, von der ich dir erzählt habe? Die, deren Frauchen sich im Moment nicht um sie kümmern kann, wegen der gebrochenen Hüfte?“

Erleuchtung senkt sich über Tony hinab. „Die Husky-Dame, die aus dem Garten ihres Frauchens entkommen ist, um sich anbuffen zu lassen, korrekt?“

Darcy grinst. „Genau die.“

„Anbuffen“, wiederholt Steve fasziniert. „Anbuffen? Das ist ein Wort?“

„Selbstverständlich ist das ein Wort“, entgegnet Tony ungeduldig. „Ich habe es gerade benutzt, oder nicht? Anbuffen ist ganz definitiv ein Wort!“

„Beim Scrabble würde ich es trotzdem nicht gelten lassen“, bemerkt Phil trocken. „Die Welpen sind bester Gesundheit, nehme ich mal an?“

Darcy nickt. „Sieben Stück, proper wie nur was. Anouk ist die stolzeste Mutter, die man sich vorstellen kann.“ Sie wirft Bruce einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Und nach wie vor schrecklich verliebt in unseren Doktor.“

Bruce tut, als habe er nichts gehört.

„Wie alle anderen Frauen seiner Bekanntschaft auch“, sagt Clint grinsend. „Ich bin nicht überrascht.“

Bruce tut nach wie vor so, als habe er nichts gehört.

Die Vorbereitungen fürs Abendessen laufen auf vollen Touren, als Pepper nach Hause kommt. Der Geruch nach gebratenem Hähnchen weht ihr entgegen, sobald sie die Küche betritt, und ihr Magen nimmt dies zum Anlass, augenblicklich äußerst vorfreudig zu knurren.

„Das klingt ja gefährlich“, merkt Bruce gelassen an und hält ihr ein Schälchen mit Paprikastreifen entgegen, aus dem sie sich prompt bedient. „Essen ist gleich fertig.“

Sie seufzt dankbar, wünscht ihm einen guten Abend und lugt über seine Schulter, während er das Geflügel in diverse Auflaufformen gibt und mit einer Frischkäsecreme bestreicht. Am Küchentisch sind Phil und Clint damit beschäftigt, den Nachtisch zu machen.

„Gibt es einen besonderen Anlass?“ erkundigt Pepper sich, reicht Bruce Paprikastreifen zu, damit er sie über den Frischkäse drapieren kann, und er zuckt mit den Schultern. „Nicht wirklich. Mir war einfach danach.“

Da das in Peppers Buch bedeutet, dass Bruce einen ganz außergewöhnlich schönen Tag hatte, lächelt sie ihm zu, und geht zu Clint und Phil an den Küchentisch hinüber. „Mousse au Chocolat und Tiramisu! Wir können von Glück reden, dass Thor nicht da ist.“

„Ich würde es nicht unbedingt Glück nennen“, erwidert Phil ruhig, während Clint sich seiner augenblicklichen Beschäftigung, das Tiramisu mit Kakao zu bestäuben, mit auffallender Konzentration widmet.

Pepper seufzt. „Er fehlt mir. Mir tut es jedes Mal in der Seele weh, all diese Poptarts unangetastet im Küchenschrank stehen zu sehen.“

Clint stellt den Kakao beiseite und macht sich mit einem Ruck gerade. „Er hat gesagt, dass er zurück kommt. Er hat es versprochen.“

„Dann wird er das auch ganz zweifellos tun“, erwidert Pepper sanft. „Unser Donnergott steht zu seinem Wort.“

Clint wirkt augenblicklich besänftigt und nickt ihr dankbar zu. „Das tut er wirklich, oder?“

Pepper lächelt. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er auf eine Stippvisite vorbei kommt. Und spätestens, wenn Jane den Bifrost repariert hat, können wir uns vor Besuchern aus Asgard vermutlich kaum retten. Zumindest Frigga würde ich gern ein weiteres Mal als Gast in diesem Haus begrüßen.“

Sie blickt sich um. „Wo sind eigentlich die Anderen?“

„Sitzen im Wohnzimmer und sind empört, dass du sie noch nicht begrüßt hast“, kommt Tonys Antwort aus Richtung der Tür, und Pepper geht augenblicklich zu ihm hinüber, lässt sich in die Arme nehmen und küssen. „Ich bitte um Verzeihung.“

„Soll dir gewährt werden“, erwidert Tony großzügig. „Unser Lebensunterhalt ist gesichert?“

Sie hebt beide Augenbrauen in stummer Herausforderung, und Tony nickt zufrieden. „Natürlich ist unser Lebensunterhalt gesichert. Falls sie jemals eine Neuauflage von Xena in Erwägung ziehen sollten, werde ich dich als Kriegerprinzessin empfehlen.“

Pepper drückt ihm einen Kuss auf die Schläfe. „Du willst mich bloß in dieser lächerlichen Brustrüstung sehen.“

Tony nickt. „Nicht zu vergessen das Messer im Ausschnitt. Unwiderstehlich.“

„Ich könnte mich eventuell zu einem Prinzessin Leia Kostüm überreden lassen“, erwidert sie lauernd, und Tony ist sekundenlang derartig perplex, dass sie sich von ihm losgemacht, und Bruce dabei geholfen hat, die Auflaufformen in den Ofen zu stellen, ehe er darauf etwas erwidern kann.

Denn wenn sie es nicht ernst meinen würde, dann hätte sie es nicht gesagt, und Tony liebt diese Frau.

„Ich hoffe du weißt, wie viel Glück du hast“, zischt Clint ihm im Vorbeigehen zu, und Tony nickt ganz automatisch. Er weiß es. Er weiß es nur allzu gut.

TEIL 25

fandom: avengers, autor: uena

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