Titel: The Resistance
Teil: 1/2 ("Zehn der Schwerter" bei meiner inoffiziellen
Tarot-Tabelle)
Fandom: Final Fantasy XII
Hauptcharaktere/Pairing: Vossler/Ashe
Word Count: 5.285
Entstehungsdatum: 11. August 2007
Genre: Drama
Warnungen: Ein wenig düster, expliziter Sex, Italic-Abuse
Rating: ab 18!
Kritik: Ja
Inhaltsangabe: Spielt knapp nach dem Prolog; Spoiler für den Prolog und es wäre wohl gut, zuminderst bis zum Aufbruch der Gruppe in die Yensa-Wüsten gespielt zu haben, einfach für ein bisschen Hintergrundwissen.
Die Stärke, die Ashe sich in den zwei Jahren vor dem richtigen Start des Spiels angesammelt hat, hatte sie noch nicht knapp nach dem Prolog. Bis dahin ist es ein langer Weg...
Regen in Giza ist mehr oder weniger die Fortsetzung dazu.
The Resistance
Zehn der Schwerter Diese Karte heißt „Untergang” oder „Überleben”.
Tröstlich ist die Endgültigkeit des „Untergangs”, soll der doch zu frischem Neuanfang ermutigen, worauf auch die Benennung der Karte als „Überleben” hinweist.
Ganz Dalmasca schien den Atem anzuhalten. Ganz Dalmasca wartete. Doch worauf? Der Krieg war von Anfang an klar gewesen.
Ashe seufzte und sah aus den großen Fenstern auf die Stadt hinaus. Sie befand sich im Beratungszimmer; auf dem Tisch lag noch immer die große Karte von Dalmasca, Nebradia und einem Stück Archadia ausgebreitet und zwei ältere Adlige versuchten sich damit abzulenken, die bisherigen militärischen Bewegungen Archadias zu analysieren.
Vielleicht hätten sie damals, als Diplomatie noch möglich gewesen wäre, noch eine Chance gehabt und sie einfach nicht gesehen.
Seit Raslers Tod lastete eine bleierne Schwere über der ganzen Stadt, die letzte Hoffnung, die in den Zeiten der Not aufgekommen war, vernichtet mit einem einzigen Pfeil. Ashe trug seit dem nur noch Schwarz.
Doch die Spannung hier war eine andere. Seit König Raminas aufgebrochen war, den Vertrag mit Archadia zu unterschreiben, wartete Ashe auf Nachrichten, wie auch die beiden älteren Herren hinter ihr. Einer der beiden war ein Berater ihres Vaters, der andere entfernt verwandt mit ihrem Onkel und sie sahen furchtbar besorgt aus.
Ashe kaute abwesend auf ihrer Lippe herum und wanderte im Zimmer umher, immer an den Fenstern entlang. Ihr langes Kleid raschelte leise und ihre Schuhe klackten, als sie am Absatz wendete, sobald sie an der Wand angekommen war. Wie sehr sie sich wünschte, etwas zu tun zu haben. Und warum traf eigentlich kein Bote ein um sie auf dem Laufenden zu halten? Nie schien es irgendjemand für wichtig zu halten, sie über den Stand der Dinge zu informieren.
Endlich, erklangen Schritte von draußen und die Tür öffnete sich nicht nur, sie wurde aufgerissen. Selbst die beiden Adligen, die sich mittlerweile in eine hitzige Diskussion geredet hatten, sahen auf. Ashe weitete die Augen, beim Anblick des Mannes in der Tür.
„Vossler“, sagte sie atemlos. „Was…?“
Doch Vossler schüttelte nur den Kopf. Seine Rüstung war völlig zerbeult, bemerkte Ashe und sein Gesicht wies eine tiefe Schnittwunde auf.
„Ihr müsst Euch in Sicherheit bringen, Majestät“, sagte er und seine Stimme klang seltsam hohl. Ashe wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie hörte es, auch wenn man seinem Gesicht nichts ansah.
„Warum? Was ist passiert?“ Als er nicht gleich antwortete, ballte sie die Hände zu Fäusten. „Vossler!“
„Bitte, Lady Ashe“, sagte er und klang drängend, verzweifelt, „Ihr müsst mit mir kommen!“
Vossler hatte ihr noch nie Anlass gegeben, ihm nicht zu vertrauen; in all den Jahren nicht. Sie nickte.
„Und auch Euch rate ich, den Palast zu verlassen.“
Doch der Berater ihres Vaters schüttelte nur den Kopf.
„Wir werden hier die Stellung halten, Hauptmann Vossler. Das ist unsere Pflicht. Bringt Ihr nur die Prinzessin an einen sicheren Ort.“
Er lächelte sie an, während der Mann neben ihm ihr zunickte, dann folgte sie Vossler hinaus.
„Wo gehen wir hin?“, fragte sie und bemühte sich mit ihm Schritt zu halten.
„Hinunter in die Stadt.“ Vossler war nie ein Mann vieler Worte gewesen, doch seine Knappheit jetzt machte ihr eindrücklich klar, dass es ernst war.
Als sie zur Haupttreppe kam und hinter ihm die Stufen herunterlief, schepperte seine Rüstung so laut, dass es die Geräusche ihrer Schritte übertönte.
Es dauerte eine Weile aus dem Palast herauszukommen; das hatte sie auch früher immer gestört, wenn sie versucht hatte, sich aus dem Palast zu stehlen. Doch damals waren die Korridore nicht verlassen gewesen. Sie sah nicht einen einzigen Mann, nicht einmal eine Dienstmagd. Direkt gespenstisch, dachte Ashe, fast so, als wären wir die letzten Überlebenden einer Katastrophe.
Als sie endlich ins Freie traten, in die Nordstadt von Rabanastre, waren auch hier lange nicht so viele Leute auf den Straßen wie früher und Ashe zweifelte nicht daran, dass der Krieg dafür verantwortlich war.
„Wir müssen in die Unterstadt“, teilte Vossler ihr mit und sie widersprach ihm nicht. Vossler hatte so etwas in der Art noch nie getan und Ashe hoffte sehr, dass ihr Vater bald zurückkehren würde, damit alles normal werden konnte. Nicht einmal eine angemessene Trauerzeit für Rasler hatte stattfinden können.
Die Leute, die an ihnen vorbeieilten, hielten den Kopf gesenkt. Ashe war sich nicht sicher, ob irgendjemand sie erkannte.
Ashe war erst einmal in der Unterstadt gewesen und das unabsichtlich, als sie sich aus dem Palast geschlichen und am Rückweg verlaufen hatte. Dunkel war es damals da unten gewesen und die Luft hatte abgestanden gerochen. Das war einige Jahre vor dem Krieg gewesen, als noch kaum jemand dort gelebt hatte.
Dahin führte Vossler sie hinunter.
Nachdem sie den Eingang passiert hatten, blieb Ashe stehen und sah sich um. Es war viel stiller hier unten als es auf den Straßen normalerweise zuging und sie konnte hier mehr Leute sehen als oben auf den Straßen. An einer Ecke saßen zwei Kinder auf großen Kisten, an einem Hauseingang lehnte eine Händlerin, die jeden Vorbeikommenden ansprach und in einigen Häusern brannte Licht.
Vossler führte sie weiter und Ashe war sich nicht sicher, ob sie alleine wieder herausfinden würde, aber sie folgte ihm trotzdem durch die verwinkelten Gassen. In einer Nische öffnete Vossler eine Tür, hielt sie für Ashe offen und schloss sie wieder hinter ihnen.
Im Inneren des Hauses drang kaum mehr Licht von draußen herein und Ashe konnte erst wirklich etwas erkennen, als Vossler eine Kerze anzündete. Es war nur ein kleiner Raum mit einem Tisch, zwei Stühlen, eine Schlafmatte in einer Ecke und einer behelfsmäßigen Kochstelle, daran angeschlossen ein winziges Badezimmer. Auf dem Tisch lag eine Staubschicht und die Luft war stickig.
„Warum habt Ihr mich hierher entführt, Vossler?“, fragte Ashe. Sie sah, dass ihr Kleid Spuren im Staub am Boden hinterlassen hatte.
Er zögerte. Sie konnte es deutlich sehen und normalerweise wusste er doch immer, was getan werden musste. „Vossler…?“
„Die erste Priorität gilt jetzt Eurer Sicherheit, Majestät.“
„Ihr weicht mir aus“, stellte sie fest und starrte ihn an. „Warum weicht Ihr mir aus? Was ist los, Vossler?“
Er senkte den Kopf, mied ihren Blick.
„Ich fürchte, König Raminas hat das Unterschreiben des Vertrags nicht überlebt, Lady Ashe.“
Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, irgendetwas; zum Beispiel, dass Vossler sich irren musste; dass so etwas gar nicht möglich war. Aber die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Lady Ashe-…“, sagte Vossler und streckte die Hand nach ihr zu. Sie wich einen Schritt zurück und für einen Augenblick wollte sie ihn ohrfeigen für das, was er behauptet hatte. Dann sah sie ihn an, in die Augen des Mannes, den sie schon so viele Jahre kannte und der sie immer zusammen mit Basch beschützt hatte.
Nach einigen Sekunden ertrug sie es nicht länger und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Sie brachte es nicht über sich, Vossler zu fragen, ob es irgendeinen Zweifel gab, denn sie wusste, dass Vossler ihr das längst gesagt hätte. Und sie wollte nicht hören, dass es keine Hoffnung mehr gab.
Aber genauso wie bei Raslers Tod war ihr auch jetzt keine Zeit zu trauern vergönnt.
„Das Imperium wird bald die Stadt besetzen“, fuhr Vossler fort und jetzt klang er nicht mehr so eindringlich, sondern resigniert. „Ihr müsst Euch versteckt halten. Für das Wohl Dalmascas.“
„Und Ihr habt Euch damit einfach so abgefunden?!“, rief Ashe, riss die Hände vom Gesicht und reckte den Kopf hinauf. „Zieht Ihr jetzt den Schwanz vor Archadia ein und überlässt ihnen Dalmasca?!“ Sie starrte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an.
Ashe sah ihm an, dass er Verständnis für sie hatte. Aus irgendeinem Grund machte sie das noch wütender als sie bereits war.
“Natürlich nicht. Aber wir können nichts tun-…“, versuchte Vossler zu erklären, seine Stimme sanft, der Tonfall besänftigend, was auch nicht wirklich half.
„Wir müssen etwas tun können, Vossler“, flüsterte Ashe und grub die Fingernägel in die Haut ihrer Hand. „Wenn nicht, dann…“ Sie wagte nicht, weiterzusprechen.
Ashes Gedanken tauchten in eine Dunkelheit ein, die selbst bei Raslers Tod nicht so stark gewesen war. Sein Tod hatte ihr das Herz zerrissen und sie war noch immer damit beschäftigt gewesen, es zu verarbeiten. Doch jetzt war unter ihren Füßen nur bodenlose Leere und sie verlor den Halt, ohne dass da noch irgendjemand wäre, der sie auffangen könnte.
Ihr Vater war immer bei ihr gewesen, hatte immer dafür gesorgt, dass alles gut werden würde und die Monster in der Nacht verschwanden.
Sie hatte jetzt keinen Vater mehr.
„Was machen wir denn jetzt, Vossler?“, fragte sie so leise, dass sie nicht wusste, ob sie es überhaupt gesagt hatte. „Was sollen wir denn jetzt machen?“
„Ich… ich könnte möglicherweise ein paar Männer zusammensammeln“, sagte er, aber es klang nicht sehr überzeugt. „Sie alle mögen das Imperium nicht. Sie zu überzeugen sollte nicht so schwer sein…“
„Sie wozu zu überzeugen?“ Ashe hob den Kopf und sah Vossler in die Augen, hoffte, dort Hoffnung und Stärke zu finden, jetzt, da sie selbst sie nicht hatte.
„Dalmasca wird sich dem Imperium nicht einfach unterordnen. Wir werden kämpfen.“
Sie weitete die Augen. Wie sollten sie das anstellen? Die Worte „nicht aufgeben“ klangen immer gut, aber Ashe konnte sich nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte. Ihre Lippen zitterten. Sicherlich erwartete Vossler von ihr so einen Feldzug anzuführen.
„Gegen Archadia kämpfen?“, hauchte sie. „Ich?“
Vossler ergriff ihre Hand und sank vor ihr auf die Knie. Seine schwere Rüstung klirrte und knirschte.
„Ihr werdet nicht alleine sein, Majestät. Ich werde immer an Eurer Seite kämpfen und ich schwöre Euch, dass ich Männer finden werden, die sich uns anschließen, die dem Königreich Dalmasca treu ergeben sind.“ Er drückte ihre Hand in dem weißen Handschuh, der ihr bis zum Oberarm ging. Auch durch den dünnen Stoff konnte sie seine raue Haut spüren.
Diese Berührung gab ihr wieder Kraft. Wenn auch die Welt schwankte, sie hatte Vossler, an dem sie sich festhalten konnte. Denn Vossler blieb beständig, schwankte nie.
Ashe biss die Zähne zusammen und dachte an ihren Vater. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie er ihr früher zärtlich übers Haar gestrichen und den allabendlichen Kuss auf die Wange, wenn er sie ins Bett gebracht hatte.
„Ich will Rache“, sagte sie und ihre Stimme zitterte nur ein wenig.
„Für das Wohl von Dalmasca“, erwiderte Vossler. Er klang heiser, aber überzeugt.
Ashe blieb die nächsten Tage lang in dem kleinen Haus. Vossler besorgte ihr Essen, einige alte Kleider und Informationen, wenn er an sie herankam. Selbst er ging nur ohne Rüstung vor die Tür, trug die Kleidung eines normalen Jägers, wie man sie, laut ihm, in großer Menge in der Schenke antreffen konnte.
Nach vier Tagen in ihrem eigenen kleinen Gefängnis wurde Ashe rastlos. Sie konnte nicht einmal richtig auf und abgehen, denn dafür war zu wenig Platz. Das einzige, das man tun konnte, wenn man wirklich verzweifelt war, war die abblätternde Farbe von den kargen Wänden kratzen. Sie versuchte sich davon abzuhalten, aber manchmal, wenn Vossler besonders lange wegblieb und die Erinnerungen sie erdrücken wollten, konnte sie es nicht.
Ein weiteres Mal ließ sie sich auf den Stuhl sinken, von dem sie erst vor zwei Minuten aufgesprungen war und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Warum musste sie immer warten ohne etwas tun zu können? Diese Ohnmacht brachte sie um. Bei diesem Gedanken biss sie sich so fest auf die Lippe, dass sie zu bluten anfing.
„Vater“, flüsterte sie und wusste nicht, wie lang sie es noch aushielt, alleine mit ihren Erinnerungen festzusitzen. „Ich wünschte, du könntest mir sagen, was ich tun soll. Ich wünschte-…“
Die Tür öffnete sich und Ashe stand wieder auf. Jedes Mal erwartete sie, dass imperiale Wachen hereinstürmten.
Aber es war Vossler, der hereintrat, wie jedes Mal, und auf die Knie ging. Ashe ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Vossler.“ Sie klang rauer, als sie es gewohnt war. „Dies sind Umstände, in denen uns so ein Benehmen womöglich schaden könnte.“ Sie zögerte einen Moment. „Ich soll mich doch verstecken, nicht wahr?“ Ashe mochte nicht, wie dünn, fast zittrig ihre Stimme am Ende der Frage wurde.
Vossler erhob sich und nickte.
„Ich verstehe.“
Sie wusste, dass sie ihm damit nichts Neues erzählt hatte, aber es gefiel ihm dennoch nicht, das sah sie ihm an.
„Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte sie dann, wie sie es jedes Mal tat, wenn er zurückkam.
Vossler nickte erneut.
„Seit fast zwei Tagen ist jetzt bekannt, dass König Raminas tot ist und nun dürfte es auch der Letzte wissen. Die Leute fangen an zu reden.“ Er verlagerte das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß und sah sie jetzt nicht mehr direkt an, sondern starrte auf einen Punkt hinter ihrem Kopf. „Vor kaum zwei Stunden ist ein archadischer Richter mit seinem Gefolge in die Stadt marschiert und hat es dann offiziell verkündet.“
Ashe sah auf Vosslers zitternde Schwerthand und wartete, was nun kommen würde.
„Sie haben einen Zeugen mitgebracht. Jemanden, der gesehen hat, was passiert ist. Er ist schwer verletzt, aber er hat noch etwas gesagt, bevor sie ihn wieder in die Obhut eines Heilers gegeben haben.“
Ashe runzelte die Stirn.
„Warum sollten sie-… Das wäre doch unsinnig!“ Sie sah Vosslers linkes Augenlid zucken. „Was hat er gesagt?“
„Er hat Hauptmann Basch beschuldigt.“
„Was?!“, entfuhr es Ashe. „Basch soll meinen Vater ermordet haben? Basch, ein Verräter? Niemals!“
Sie starrte auf den Boden und ihre Gedanken rasten so schnell, dass ihr Kopf wie leer schien. Es konnte nicht sein, es durfte nicht sein. Es war ganz einfach nicht möglich.
Sie schluckte.
„Sie-…es war ein archadischer Soldat, nicht wahr? Sie wollen nur-…“
„Nein“, sagte Vossler. Es war das erste Mal, dass er sie unterbrach. „Er ist aus Rabanastre. Ein Dalmascer.“
Die Worte waren schrecklich endgültig. Wenn es wirklich jemand aus Rabanastre war, dann konnte Ashe seine Worte nicht einfach in Frage stellen. Aber es ergab keinen Sinn. Basch würde nie-…
Sie setzte sich und sank auf dem Stuhl in sich zusammen. Vossler zögerte, dann trat er näher und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
Zwei Tage später wurde Lady Ashes Selbstmord bekannt.
Ashe selbst war darüber wohl am Erstauntesten von allen. Nicht nur, weil sie sich bester Gesundheit erfreute, sondern auch, weil die Nachricht nicht von irgendjemandem stammte, sondern von Marquis Ondore. Ihrem Onkel Halim.
Damit musste sie die geheime Hoffnung, Schutz bei ihrem Onkel zu finden, wohl ebenfalls begraben. Gab es noch jemanden, zu dem sie gehen konnte, dem sie vertrauen konnte? Die Welt lag in Scherben vor ihr und sie konnte wieder nichts tun.
„Lady Ashe“, rief Vossler und sein ernstes Gesicht spiegelte Aufregung wieder. „Ich habe tatsächlich einige Männer gefunden, die sich organisieren ließen. Es sind nicht viele, aber es ist ein Anfang.“
Ashe fühlte, wie sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete und konnte es selbst kaum glauben. Vosslers Gesichtsausdruck wurde sanfter.
„Organisieren?“, wiederholte sie. „Ihr meint, so eine Art Widerstand auf die Beine stellen?“
„Ja. Die Rebellen von Dalmasca, wenn Ihr so wollt.“
„Freiheitskämpfer“, verbesserte ihn Ashe. „Rebellen hat einen negativen Klang. Es eignet sich nicht für unser Vorhaben, das Imperium zu bekämpfen. Wir leisten Widerstand, aber wir wollen schließlich nicht negativ beim Volk ankommen.“
Für Vossler schien es nicht so wichtig, wie die genaue Bezeichnung lautete; Hauptsache, er hatte sie abgelenkt und ihr wieder neue Hoffnung gegeben. Doch für Ashe machte es einen großen Unterschied.
„Nun, wir müssen erst einmal ein besseres Quartier für Euch finden, Lady Ashe.“ Vossler deutete mit einer ausladenden Geste auf das enge, staubige Zimmer. „Jetzt, wo sich uns noch jemand anschließt, ist es wirklich zu klein. Eigentlich ist es für Euch sowieso völlig inakzeptabel-…“
„Es ist in Ordnung“, sagte Ashe und zog die geballte Hand an ihre Brust. „Wir haben doch keine andere Wahl.“
Er setzte zu einer Verbeugung an, erinnerte sich dann allerdings an Ashes Worte und ließ es. Dafür erntete er einen missfälligen, wenn auch amüsierten Blick von Ashe.
„Ich werde etwas finden“, versprach er. „Überlasst das nur mir.“
Als er die Tür hinter sich schloss, seufzte Ashe.
„Wem auch sonst?“, fragte sie in die Stille hinein und kam sich grauenvoll abhängig vor.
„Die Kanalisation?“, fragte Ashe und lehnte sich an die Wand. „Seid Ihr sicher, Vossler?“
Er nickte.
„Die Tür hinunter aufzubekommen, dürfte nicht allzu schwer sein.“ Als sie die Augenbrauen hochzog, verzog er das Gesicht nicht. Aber sie hatte den Eindruck, ein schelmisches Leuchten in seinen Augen aufblitzen zu sehen. „Ich war auch einmal jung, Lady Ashe.“
Ashe grinste, denn in diesem Moment sah sie den Vossler in ihm, der ihr damals geholfen hatte, ohne Herunterzufallen auf die Bäume im Schlossgarten zu klettern, obwohl ihre Kleider davon schmutzig wurden und die Zweige Löcher in den teuren Stoff rissen. Für diesen Augenblick war er der Vossler von früher, der das Lächeln noch nicht verlernt hatte.
Sie schüttelte den Kopf um das Bild zu vertreiben, denn es passte nicht hierher ins Dunkle, in dieses Zimmer.
„Daran zweifle ich nicht“, sagte sie und versuchte ihn sich nicht als jungen Mann vorzustellen. Sie hatte ein merkwürdiges Gefühl, das sie nicht zuordnen konnte. Irritiert runzelte sie die Stirn und sah Vossler an.
Vossler trat auf sie zu und ging wieder vor ihr auf die Knie. Wahrscheinlich dachte er, dass er sie überreden konnte, wenn er ihr nur den nötigen Respekt entgegenbrachte. Ashe hielt ihn für unverbesserlich. Trotzdem konnte sie sich nicht dazu bringen, den Mund aufzumachen und zu protestieren.
Eigentlich völlig absurd, dachte Ashe. Schließlich kannte sie Vossler ihr halbes Leben lang.
Er nahm ihre Hand und küsste ihren Handrücken, wie ein Gentleman das bei einer Dame tat. Doch auf einmal kam ihr das völlig fehl am Platz vor und obwohl das Gefühl seiner Lippen nicht unangenehm war, verspürte sie den Drang, ihre Hand wegzuziehen.
Sie trug jetzt keine Handschuhe mehr, seine trockenen Lippen berührten ihre Haut. Am zweiten Tag hatte Vossler ihr leichte Lederkleidung gebracht; da hatte sie das Kleid zusammen mit den Handschuhen und all den anderen Dingen abgelegt, die zu einer adligen Dame gehörten und nicht zu einer Widerstandskämpferin. Sie fühlte sich um einiges wohler darin als in dem engen Kleid, das ihr den Brustkorb zuschnürte. Von all den Dingen, die sie mit ihrem Status zurücklassen musste, war ihr das am leichtesten gefallen.
„Wie auch immer ich Euch zu Diensten sein kann, Lady Ashe“, flüsterte Vossler und seine Stimme klang genauso ernst und tragend wie immer, „Ihr braucht es nur zu sagen.“
Sie streckte die Hand nach seinen dunklen Haaren aus. Einmal hatte sie heimlich an ihnen gerochen, als Vossler am Tisch in seine eigenen Gedanken vertieft gewesen war und sie war überhaupt nicht überrascht gewesen, dass sie den gleichen Geruch wie seine Rüstung hatten. Alles an ihm schien nach seiner Rüstung zu riechen. Er war wohl in den letzten Tagen kaum dazu gekommen, sich den intensiven Geruch abzuwaschen, aber es machte ihr nichts aus. Und ihm war es womöglich noch nicht einmal aufgefallen.
Vosslers Haare unter ihren Fingern waren nicht seidenweich und widerspenstiger, als sie es vermutet hätte. Sie lächelte, als sie bemerkte, dass er sich auch seit Tagen nicht mehr richtig rasiert hatte. Ihre linke Hand fuhr langsam seine Wange entlang und er hob den Kopf, als wollte er ihr zum Treueschwur seine Kehle darbieten. Als sie die Bartstoppeln fühlte, schloss er die Augen.
Vossler war nie ein Mann vieler Worte gewesen, aber diesmal bedurfte es nicht einmal eines einzigen, damit Ashe verstand, dass es in Ordnung war, sie freie Hand hatte und sein Gesicht so viel inspizieren konnte, wie sie wollte. Diese offene Unterwerfung rief ein Stimmchen in ihrem Inneren hervor, das sich fragte, wie weit sie wohl gehen konnte, ohne auf richtigen Widerstand zu stoßen.
Sie ließ ihre Hand wieder sinken und lehnte sich zurück an die Wand.
„Ach, Vossler“, seufzte sie. Er öffnete seine dunklen Augen.
„Ist es entschieden?“, fragte er und sie blinzelte. „Werdet Ihr mit mir hinunter in die Kanalisation steigen? Ich weiß, der Gestank ist nichts, das ich Euch normalerweise zumuten würde, aber…“
Sie nickte.
„Wir haben wenig Wahl, nicht wahr? Nun, gut. Aber, Vossler?“
„Ja, Lady Ashe?“ Er stand nun wieder auf, sah ihr dabei immer noch in die Augen.
„Ich möchte, dass ihr mich im Kampf trainiert.“
Sie hatte den Schwertkampfunterricht immer genossen, obwohl sie im Palast nur wenig Training bekommen hatte. Ihr Vater war zu besorgt um sie gewesen und Vossler hatte das sowieso nie wirklich für eine gute Idee gehalten.
Als Ashe auf ihrer Unterlippe herumkaute, dachte sie, dass sie jetzt endlich etwas bewirken konnte. Vielleicht musste sie weder Rache, noch Gerechtigkeit vorzeitig aufgeben.
Er sah so aus, als wollte er widersprechen und das sogar ziemlich heftig.
„Ich bin kein kleines Mädchen mehr, Vossler“, sagte sie sanft und küsste ihn.
Er hatte seine sonst so schmalen Augen aufgerissen und Ashe wusste, dass er protestieren würde.
„Aber Majestät! Ich habe nicht das Recht Euch-…“
Die effektivste Methode ihn vom Protestieren abzuhalten, fand sie, war, ihn aus dem Konzept zu bringen und deswegen drückte sie noch einmal ihre Lippen fest auf seine. Er wehrte sich nicht, nicht einmal ein wenig.
Ashe wusste, dass er sich um ganz andere Dinge sorgte, als er eigentlich sollte - ob er das Recht hatte, von ihr geküsst zu werden. Eigentlich hätte sie darüber wütend sein müssen, aber als sie sich zurücklehnte, zuckten ihre Mundwinkeln nur kurz nach oben. Recht und nicht Recht - der Einzug Archadias in Rabanastre hatte diese Begriffe bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Was war denn überhaupt noch Recht?
Sie musste den Kopf ein wenig in den Nacken legen um ihm in die Augen zu sehen.
„Dann habe ich Eure Versicherung, dass Ihr mich trainieren werdet?“
Vossler senkte den Kopf resigniert und nickte.
„Sehr gut. Brechen wir morgen früh auf?“
Einige Zeit danach saß Ashe beim Tisch und malte sich bereits ihre ersten Trainingstunden aus. Sie hatte seit den ersten Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit Rasler kein Schwert mehr in der Hand gehabt, aber es war definitiv ein erster Lichtblick in dem ganzen Desaster, das ihr Leben geworden war.
„Gebratener Cockatrice-Schlegel“, stellte sie fest, als Vossler den Teller vor sie stellte und sich mit einem eigenen ihr gegenüber setzte. „Schon wieder?“
„Es tut mir leid, Majestät“, sagte Vossler und vermied es, sie anzusehen. „Die Leute haben wenig und sie sind noch weniger bereit zu teilen.“
„Wenn wir wirklich einen richtigen Widerstand aufbauen wollen“, überlegte Ashe und biss abwesend von dem Schlegel ab, „dann müssen wir die nötigen Mittel auftreiben. Eine Quelle, aus der wir Gil beziehen können.“ Sie dachte an Onkel Halim, doch zu schnell fielen ihr Vosslers Worte wieder ein.
„So viele Hindernisse“, murmelte Vossler und verschlang das Cockatrice-Fleisch. Keiner der beiden schenkte dem Geschmack noch sonderliche Aufmerksamkeit, nicht nachdem sie sechs Tage hintereinander immer wieder die gleiche Mahlzeit hatten. Doch, wenn es auch ihren Appetit dämpfte, hatte es keine Auswirkungen auf ihren Hunger.
Ashe wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Eine kalte Angst befiehl sie, dass Vossler sie womöglich im Stich lassen könnte, dass es ihm zu viel wurde. Doch nach wenigen Sekunden hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Sie im Stich zu lassen hieß, Dalmasca im Stich zu lassen und das war völlig ausgeschlossen.
Andererseits, sagte eine ewige Zweiflerstimme in ihr, die sich auch damals bei Raslers Einzug in den Krieg gemeldet hatte, denk an Basch.
Später legte Ashe sich auf die kratzige Schlafmatte und dachte an die Neuigkeiten, die Vossler noch spätabends vor dem Essen gebracht hatte. Marquis Ondore hatte Baschs Exekution als Hochverräter und Königsmörder verkündet.
Danach war es ihr kaum mehr möglich gewesen zu essen, denn ihr Magen hatte sich verkrampft und darum gekämpft, das Essen wieder dahin zu schicken, wo es herkam.
„Ist Euch kalt, Lady Ashe?“, fragte Vossler irgendwo neben ihr in der Dunkelheit. Sie glaubte, ungefähr seine Silhouette ausmachen zu können.
„Ja.“ Ashe rutschte näher an die Wand, um ihm neben ihr Platz zu machen. Auch wenn die Tage heiß waren, so waren die Nächte nur um so kälter. „Kommt her.“
Er tat wie ihm geheißen und seine Hand streifte Ashes Seite. Wie unabsichtlich und unschuldig so eine Berührung sein konnte, wenn man keine Ahnung hatte, wo genau der andere sich befand. Sie ließ ihre Hand im Dunklen wandern und erkundete die Umrisse des breiten Brustkorbs und des Leders, in dem er steckte. Sie ertastete die Oberfläche; die zahlreichen Knöpfe, Schnallen und Riemen und fragte sich, wie nah sie wirklich seiner Haut war.
Das Bild von Rasler, wie er sie in ihrer ersten gemeinsamen Nacht voller Liebe angelächelt hatte, schoss ihr in den Kopf und sie wollte nicht noch mehr Chancen verpassen. Ab jetzt, beschloss sie, würde sie jede Chance ergreifen, die ihr dargeboten wurde und nicht mehr zögern.
Ashes umherfühlende Hand ergriff seine Schulter und drückte ihn auf den Rücken. Dann schob sie sich rüber, so dass sie zur Hälfte auf ihm lag. Sie lächelte, als sie ihn überrascht aufkeuchen hörte.
„Majestät - Lady Ashe!”, brachte er hervor und jetzt erschauderte sie, ihren Namen von ihm zu hören. Seine Stimme verriet ihn.
„Psst“, hauchte sie und küsste ihn. Obwohl sie ihn zuerst nur auf den Mundwinkel traf, schob sie schon bald ihre Zunge in seinen Mund. Ihre Lippen brannten heiß auf seinen. Sobald er seine muskulösen Arme beschützend um ihren Rücken schlang, schloss sie die Augen.
Längst wusste sie nicht mehr, ob sie Angreifer oder Schützling war. Vielleicht auch beides. Vielleicht war es längst dasselbe.
Sie veränderte ihre Position; lag Körper an Körper mit ihm. Entweder gab es auch sehr warme Nächte in der Wüste oder ihr gesamter Körper glühte. Ihre wenigen Nächte mit Rasler waren liebevoll, sanft und langsam gewesen, doch das hier war ganz anders. Ashe hatte das Gefühl, als würde sie in die Splitter der zu Bruch gegangenen Welt fallen wie in ein bodenloses Loch und nur Vossler war da um mit ihr zu fallen. Ein Feuer brannte in ihr, verboten und so verzweifelt wie sie es noch nie gekannt hatte. Und die Splitter bohrten sich in ihr Herz.
„Vossler“, flüsterte sie atemlos, direkt an seinem Ohr. „Vossler…?“
Er drückte sie einmal fest an sich, bevor er sie losließ.
„Ich bin Euer, Lady Ashe. Wenn Ihr das wollt.“ Seine Stimme klang ähnlich verzweifelt wie sie sich fühlte und genauso verlangend, wie sie selbst es war. Sie wollte diese Verzweiflung nicht hören, nicht von ihm. Sie hatte niemand anderen mehr zum Festhalten.
Vosslers Lederkleidung machte ihr einige Probleme, doch er half ihr mit seinen rauen Hände schnell dabei. Sie ertastete seine Haut und stellte sich vor, wie er im Hellen aussehen musste, wie stark der Kontrast zwischen seiner dunklen Haut und ihrer hellen ausfiel.
Mit geschlossenen Augen streichelte Ashe über seine Brust, die sie bereits halb aus der Schutzkleidung befreit hatte. Sie fühlte, wie sich die Härchen unter ihren Fingerspitzen aufrichteten. Vossler war währenddessen still. Das Einzige, das verriet, dass sie ganz offensichtlich etwas richtig machte, war seine schnelle Atmung.
Als sie seine Hände suchte, bemerkte sie, wie er sie in unregelmäßigem Rhythmus zu Fäusten ballte und wieder öffnete. Eigentlich wollte sie etwas dazu sagen, öffnete bereits den Mund, doch sie entschied sich dagegen und kaute stattdessen auf ihrer Unterlippe, als sie mit Sorgfalt seine Hose öffnete. Sie brauchte drei Versuche um die Knöpfe aufzubekommen, aber sie ließ nicht zu, dass er ihr half und Vossler akzeptierte das, wie er alles zu akzeptieren schien. Dann schob sie ihre Hand in seine Hose.
Eigentlich hätte Ashe erwartet, dass sie sich schuldig fühlen würde. Raslers Tod war noch nicht lange her, aber sie spürte nichts dergleichen, weil es einfach nicht dasselbe war.
Mit ihrem Prinzen im Herzen und den Händen in die Hüfte ihres treuen Beschützers gekrallt, drückte sie sich langsam hinunter. Ihre Augen waren geschlossen und sie konzentrierte sich fest auf das seltsame, feurige Gefühl, Vossler in sich eindringen zu lassen.
Keuchend atmete sie aus. Jede Bewegung kam ihr so unendlich langsam vor, auskostend, quälend.
„Vossler“, sagte sie und ihre Stimme war zu hoch in ihren Ohren. Seine Hände streichelten ihre Oberschenkel und fast war es ihr, als könnte sie seinen durchdringenden Blick auch durch die Dunkelheit auf ihrer Haut fühlen.
Sie bewegte probeweise ihren Unterleib; er keuchte. Vielleicht, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, war das für ihn kein Sex in dem Sinne, sondern mehr eine Vereinigung mit Dalmasca. Sie unterdrückte ein höchst unpassendes Lachen. Wenige Momente später legte sie den Kopf in den Nacken, das Stöhnen auf ihren Lippen verbrannt.
Das feurige Gefühl wurde etwas sanfter. Es brannte noch immer in ihrem gesamten Körper genauso heiß wie zuvor, aber jetzt weniger wild. Sie kostete jede Bewegung aus und es machte ihr Spaß, auf eine eigene Art und Weise; sie brauchte nicht zu denken und alle Sorgen hatten Zeit bis zum Morgengrauen.
Die Erfüllung kam schließlich als Explosion - viel intensiver, als sie es erwartet hatte. Ihr gesamter Körper zitterte, während sich auch Vossler kaum zurückhalten konnte, noch hilflos in der Ekstase gefangen. Obwohl sie vor ihm kam, brauchte er nur wenige Sekunden, sie einzuholen.
Ashe keuchte schwer. Stille legte sich wieder über sie und Ashe fand das mehr als angenehm so, als sie sich wieder neben ihn auf die Schlafmatte zurücklegte. Ein schwerer Geruch nach Schweiß und Sex lag in der sowieso schon stickigen Luft. Keiner der beiden sagte auch nur ein Wort. Ashe kümmerte es wenig. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was sie dem Mann an ihrer Seite sagen sollte, der doch nicht Rasler war.
Aber bald würde der Morgen selbst bis in ihren kleinen Unterschlupf vordringen und dann wurde aus dem Mann an ihrer Seite wieder Vossler, ihr Vossler. Sie lehnte sich an seine nackte Schulter und ließ es zu, dass er ihr durchs Haar strich.
Und wenn sie die Augen schloss, konnte sie immer noch Raslers Lächeln sehen, als der Sarg geschlossen wurde.
Raslers Lächeln schien vor ihren Augen zu zerlaufen, zerrann, bis nichts mehr von ihm übrig war.
Der Sarg war leer. Von draußen strahlte die Sonne herein.
Als sie sich umdrehte, lag auf einem großen Tisch die Karte von Dalmasca und Nebradia, auf dem auch ein Stück Archadia drauf war. Die Karte stand in Flammen und Ashe wollte sie löschen, denn es war wichtig, sie zu löschen. Wenn Ashe sie nicht retten konnte, würde alles verloren sein, das wusste sie plötzlich mit einer Gewissheit, die sie erschreckte.
Sie stürmte hin und versuchte das Feuer mit Vosslers lederner Schutzkleidung zu bekämpfen, doch es hatte keinen Zweck. Die Flammenzungen loderten höher, immer höher, bis sie größer waren als Ashe. Sie wollte nichts lieber, als loszulaufen, doch es war viel zu wichtig, das Feuer zu löschen, um dem Drang nachzugeben.
Dann verschlang das Feuer sie, mit Haut und Haaren. Für einen Moment dachte Ashe, dass sie jetzt sterben müsste, auch wenn sich das Feuer genauso anfühlte wie ihr leidenschaftlicher Höhepunkt mit Vossler.
Das Atmen fiel ihr schwer, doch die Karte wirbelte in einer Spirale um sie herum. Ashe bemühte sich, sie zu erreichen, doch sie war immer einige Millimeter außer Reichweite. Sie lief durch die Feuerwände der Karte hinterher, aber sie spürte keinen Schmerz; das Feuer verbrannte ihre Haut nicht. Es war ihr egal, nur die Karte zählte.
Und dann trat Rasler aus dem Feuer. Sie wollte ihm zurufen, dass es gefährlich sei, dass er sich in Sicherheit bringen sollte, als sie bemerkte, dass ein Pfeil aus seiner Brust ragte. Er lächelte und hielt die Karte hoch, die in seinen Händen zu Ashe zerfiel.
Sie stürzte zu ihm und sah, dass zu seinen Füßen noch ein Fleckchen der Karte unversehrt lag, vom Feuer unberührt, obwohl um sie herum alles brannte.
Dieses Fleckchen zeigte Archadia.
Gleich nachdem sie in der Früh die Augen aufschlug - obwohl sich Ashe nicht daran erinnern konnte, überhaupt geschlafen zu haben - wusch sie sich die eingetrockneten Tränen vom Gesicht. Eigentlich hätte sie liebend gerne eine Dusche gehabt und fühlte sich viel zu verschwitzt, zu schmutzig, aber sie ignorierte es und zog sich an.
Vossler drehte sich von einer Seite auf die andere, dann gähnte er. Sie lächelte, als er die Augen öffnete und zu ihr hinaufblinzelte.
„Guten Morgen, Vossler“, sagte sie. „Wann brechen wir auf?“
Vossler richtete sich auf und stützte sich dabei an der Wand ab. Schläfrig warf er einen Blick zum schmalen Fenster und zuckte die Schultern.
„Wann immer Ihr wollt, Majestät.“