Titel: Licht und anderes Licht (#072 Anders
4/100)
Teil: 1+2/? (
100_originale)
Fandom: Original
Hauptcharaktere/Pairing: Caro/Christopher, Lucius, Jana
Word Count: 2.941
Entstehungsdatum: Mai 2007, Ende 2007/Anfang 2008 überarbeitet bzw. November 2007, Mai/Juni 2008 überarbeitet für Kapitel 2
Genre: Romance, Fantasy (-> Vampire)
Warnungen: Angst ab Kapitel 2.
Rating: PG
Kritik: Ja
Inhaltsangabe: Caro ist beliebt im coolen Kreis ihrer Schule; darauf legt sie Wert. Darauf und auf den Umstand, ein normales (wenn auch hübsches!) Mädchen zu sein. Aber nun sollte sich das alles ändern.
Licht und anderes Licht
Kapitel 1
Die Sonne strahlte durchs offene Fenster direkt auf Caros Bett. Caro war dabei zu erwachen; ihr Bewusstsein tauchte durch die Nebel des Schlafes langsam an die Oberfläche und sie öffnete die Augen einen Spaltbreit.
„Nnnhhm“, machte sie, drehte sich auf die andere Seite und vergrub den Kopf im Polster. Leises Piepsen verhinderte, dass sie zurück in den wohligen Schlaf sank. Sie streckte die Hand aus und tastete auf dem Nachtschränkchen umher.
Es schepperte, als der Wecker auf den Boden fiel. Das Piepsen hatte nicht aufgehört; im Gegenteil: Es wurde lauter.
Caro seufzte und lehnte sich über den Rand des Bettes. Schließlich hob sie den Wecker auf und stellte den Alarm ab. Einige Augenblicke spielte sie mit dem Gedanken einfach weiterzuschlafen.
Sie setzte sich aber dann doch auf, und blies sich einige blonde Strähnen aus dem Gesicht, die wie ein Wasserfall ungebändigt über die Schultern fielen. Dann stand sie auf, wankte mit unsicherem Schritt zum Fenster und streckte sich, während sie hinaussah. Die Sonne war bereits aufgegangen, was im Sommer für Caros Geschmack viel zu früh geschah, aber der Himmel war noch in strahlendes Gelb und Rosa getaucht. Sie gähnte.
Etwas später kam Caro die Treppe hinunter in den breiten Flur. Sie schüttelte ihr blondes Haar zurück und bog ins Badezimmer ab. Durchs Fenster schien die Morgensonne. Sie blinzelte im goldenen Licht und schirmte dann mit der Hand ihre Augen davon ab, als sie einen Kamm aus der obersten Schublade der Badezimmerkommode suchte. Kritisch beobachtete sie ihre Bewegungen im bodenlangen Spiegel an der Wand. Ihre gefärbt blonden Haare ließen sich jedoch relativ einfach bändigen.
Sie konnte Schritte auf dem Flur hören und als ein paar Sekunden später ihr Vater durch die offene Badezimmertür kam, sah sie nicht auf. Das brauchte sie gar nicht; er war gut genug im Spiegel zu sehen, selbst, wenn sie ihn nicht erwartet hätte. Caro legte den Kamm wieder beiseite und holte ihr Schminktäschchen hervor, während nun ihr Vater sich die Haare streng zurückbürstete. An den Schläfen waren sie bereits angegraut.
Das war die beste Zeit um ihn um Erlaubnis für Dinge zu fragen, bei denen sie eine lange Diskussion fürchtete.
"Vati, kann-ich-heute-Abend-auf-eine-Party, drüben bei Mel? Jana will auch hin."
Sie zupfte ihr Oberteil zurecht. Es ließ einen Spalt von ein paar Zentimetern von ihrem Bauch frei. Er zögerte. Im Spiegel trafen sich ihre Blicke.
"Liebes, du-..."
"-...passe auf mich auf, ja." Sie lächelte ihn an. "Und ich denk an die Zeit, ich weiß."
Er erwiderte das Lächeln und tastete in der Lade neben sich nach dem Rasierapparat. Caro strahlte ihr Spiegelbild an; das war einfach gewesen. Ihr Vater bekam am Morgen vor seinem ersten Kaffee nicht allzu viel mit; meistens nur das Satzende und das liebe Lächeln seiner Tochter. Der Trick war, so wusste sie, die Party schnell am Satzanfang zu erwähnen und ihre Freundinnen am Ende.
„Danke, Vati.“
"Mhm-hm." Er tastete auf einem höher gelegenen Fach nach seiner silbernen Armbanduhr.
Caro legte den Kamm zurück und verließ das Badezimmer. Als sie das Wohnzimmer durchquerte und die Küche ansteuerte, kicherte sie vor lauter Übermut; jedes Mal dasselbe.
Kaum eine Stunde später saß Caro beim Fenster in der Klasse und schaute sehnsüchtig hinaus. Caro dachte daran, dass sie vielleicht doch hätte schwänzen sollen. Die Sonne strahlte herab und der Himmel war wolkenlos. Sie atmete die stickige, abgestandene Luft des Klassenzimmers ein und seufzte.
Jana setzte sich schwungvoll auf den Platz neben ihr, zog einen Taschenspiegel hervor und betrachtete ihr Lächeln.
„Morgen.“ Caro wandte sich vom Fenster ab und ihrer Freundin zu.
„Morgen“, antwortete Jana und wischte sich ein bisschen Lippenstift vom Mundwinkel. „Hast du Nina gesehen?“
Caro hob die Augenbrauen.
„Das Mädel, das immer nur Rosa trägt? Die letztens beim Treffen am Dienstag?“
„Genau. Die geht jetzt mit Steven.“
„Ach, wirklich? Steven? War das nicht…“ Caro genoss die Alltäglichkeit; Jana erzählte ihr die Neuigkeiten, wie jeden Morgen. So ließ es sich doch gleich etwas besser aushalten, obwohl man im Klassenzimmer gefangen war.
Plötzlich ergoss sich der Inhalt von Janas Täschchen, das eben noch vor ihr auf dem Tisch gestanden hatte, auf den Fußboden.
„Oh! Entschuldigung…“, murmelte eine Mädchen mit langen Zöpfen und dicker Hornbrille. Sie trug einen weiten, formlosen Pullover. Caro musterte sie abschätzig.
„Verdammt, du dummes Mädel, pass doch auf! Da war mein Handy drin!“, schimpfte Jana und sammelte ihre Sachen auf. Das Mädchen wurde rot und stotterte irgendwas. Geschah ihr ganz recht; was musste sie die beiden auch belästigen?
„Verzieh dich, Brillenschlange, wir haben hier etwas Wichtiges zu besprechen“, sagte Caro und sah befriedigt zu, wie das Mädchen mit gesenktem Kopf zu ihrem Platz eilte.
„Also, hast du gesehen, was die anhatte?“, zischte Jana verächtlich. Sie hatte ihre Sachen wieder in die Tasche eingeräumt und prüfte gerade, ob ihrem Handy etwas passiert war. Caro verzog den Mund und nickte. „Ich würde mich umbringen, bevor ich so rumlaufen würde!“
Es dauerte allerdings nicht lange, bis die beiden den Vorfall schon wieder vergessen hatten und auf erfreulichere Dinge zu sprechen kamen.
„Sag mal, weißt du’s schon?“, fragte Jana, „Christopher ist wieder zu haben.“
„Christopher? Aus der Parallel? Der Typ mit den platinblonden Haaren?“ Caro versuchte, nicht zu grinsen. Sie schaffte es nicht.
„Ja.“ Jana verdrehte die Augen. „Du wirst doch wohl wissen, wer Christopher ist!“ Natürlich wusste sie das. Alle wussten, wer Christopher war. Caro nickte.
Jana bewahrte eine betont gleichmütige Haltung, als sie sich wieder ihrem Taschenspiegel zuwandte und sich den Lippenstift neu auftrug.
„Mel hat ihn eingeladen, weißt du“, sagte sie und trotz ihrer gespielten Gleichgültigkeit konnte sie weder den Stolz, noch die Aufregung aus ihrer Stimme verbannen.
Einige Momente später kam ein Mädchen mit flammendroten Haaren und einer riesigen Tasche voller Aufkleber herein.
„Oh, hey, Mel.“
Caro erwartete nicht, dass das Gespräch das Thema Christopher so schnell verlassen würde, aber eigentlich störte sie das nicht.
Später am Abend tauchte Caro bei Mel auf. Die Musik dröhnte aus drei Lautsprecherboxen so laut, dass man sein eigenes Wort kaum verstehen konnte - aber diejenigen, die reden wollten, hatten sich ohnehin in einen anderen Teil des Hauses zurückgezogen. Die Lampen waren mit bunten Tüchern verhängt worden; das Zimmer war in farbiges Dimmerlicht getaucht, was Caro unglaublich gemütlich fand. Andere Leute offenbar auch, denn die Tanzfläche war gut bevölkert.
Caro tanzte so ausgelassen, wie sie es mit ihrem Minirock konnte. Ihre Haare, wenn auch glatt, hatten ein gewisses Volumen. Es trug dazu bei, dass ihr ziemlich schnell ziemlich heiß wurde und sie spürte, wie sie schwitzte. Doch sie war bester Laune; vor zwei Minuten hatte ihr ein hochgewachsener Junge mit platinblonden Haaren noch zugezwinkert und jetzt tanzte er mit ihr. Wie war noch gleich sein Name? Caro hatte es vergessen, doch sie bewunderte schon die ganze Zeit seine sonnengebräunte Haut und die Muskeln, die sich unter seinem Hemd abzeichneten.
Sie sah ihm in die Augen und, als er den Blick erwiderte, strahlte sie ihn an. Es hatte zugegeben mehr etwas von einem atemlosen Anlachen, doch im Moment zählte nur sein offenes Interesse.
Für drei Lieder tanzten sie so miteinander und die Zeit schien zu verfliegen; Caro hörte die Musik nur mehr wie aus weiter Ferne, doch gegen Ende machte sich bemerkbar, dass sie schon eine gute Weile tanzte, vielleicht eine Stunde, vielleicht auch mehr. Sie keuchte.
Sobald er ihr noch einmal zugrinste und sich einen Weg zurück zum Tisch mit den Getränken bahnte, bemerkte Caro auch die bewundernden Seitenblicke, die er von anderen Mädchen bekam. Jetzt endlich fiel ihr auch sein Name wieder ein, wie hatte sie den nur vergessen können?
Sie hatte mit Christopher Hayles getanzt.
Der Weg von Mel zu ihrem Haus zurück war nicht besonders weit, aber er führte durch einige enge Seitengassen. Unter Tags war ihr das egal, aber jetzt hatte Caro eine Gänsehaut. Daher beeilte sie sich so gut sie konnte ohne zu laufen. Außerdem zitterte sie; nach dem aufgeheizten Tanzraum war es hier überraschend kühl.
Sie brauchte kaum zehn Minuten bis sie in die Gasse einbog, in der das Haus ihres Vaters stand. Wenn man auch nicht von angenehmen zehn Minuten sprechen konnte, so war doch alles ereignislos verlaufen.
Bis jetzt.
Hinter ihr ertönten hastige Schritte und sie drehte den Kopf, konnte in der Dunkelheit allerdings nichts erkennen.
Kapitel 2
Sie ging weiter, steigerte das Tempo noch ein wenig, aber die Schritte wurden lauter und kamen eindeutig auf sie zu. Noch einmal wandte sie den Kopf und diesmal konnte sie einen Mann sehen, der auf sie zugerannt kam. Fast wäre er in sie hineingelaufen, wenn er im letzten Moment nicht noch abgebremst hätte.
Caro musterte ihn. Das Erste, das ihr auffiel, war, dass er sie um einiges überragte, das Zweite, dass es ihr wohl peinlich gewesen wäre, mit so einem schäbigem Umhang gesehen zu werden. Sie rümpfte die Nase und wollte schon weitergehen, als er sie ansprach.
„Entschuldigen Sie, junge Lady…“
Sie drehte sich wieder zu ihm um, aber eigentlich wollte sie das gar nicht. Er lächelte und ihr fiel ein, wie oft ihr Vater gesagt hatte, dass sie nicht auf der Straße mit Fremden sprechen sollte.
„Ja?“, fragte sie und wünschte sich nichts sehnlicher als sich abzuwenden, zu laufen so schnell sie konnte und die letzten zehn Meter bis nach Hause im Sprint zurückzulegen. Ganz zu schweigen davon, dass jemand der so sprach, ganz bestimmt in die Kategorie von Leuten fiel, die man großzügig umgehen sollte.
Er warf einen Blick über die rechte Schulter; für diesen Augenblick verschwand das Lächeln, die Stirn in Falten gelegt.
„Es ist viel verlangt, aber“, begann er und ihr fiel plötzlich auf, dass er nicht außer Atem war, nicht einmal ein bisschen, „haben Sie vielleicht ein bisschen Platz?“
„Platz?“, wiederholte Caro ohne zu verstehen. Warum keuchte er nicht oder zeigte andere Zeichen von Erschöpfung? Schließlich war er eindeutig eine Weile gelaufen. Die kalte Nachtluft ließ sie frösteln. Sie wollte nichts lieber als weg.
„Ja. Ein freies Zimmer oder etwas Derartiges.“
Sie starrte ihn an. Es gab keine Extra-Zimmer und freier Platz hielt sich in Grenzen, außer, halbleere Wandschränke zählten auch.
„Egal, wie klein - es genügt“, versicherte er ihr und sie hörte sich antworten, obwohl sie eigentlich noch immer im Horror der Implikation gefangen war, dass er bei ihr wohnen wollte.
„Ja, natürlich. Ich wohne gleich dort vorne.“ Caro lauschte ihrer eigenen Stimme und konnte nicht glauben, was sie sagte. Waren die Worte wirklich von ihr? Wie im Traum ging sie zur Haustür und er folgte ihr, direkt hinter ihr, und eigentlich wollte sie sich stoppen, aber es ging nicht.
Ihre Hand verkrampfte sich um die Türklinke, das Metall kalt an ihrer Haut.
„Danke.“ Caro sah ihn nicht, da er genau hinter ihr stand. „Es liegt mir fern, Ihnen Umstände machen zu wollen, aber es ist wirklich sehr wichtig.“ Sie spürte keinen Atem an ihrem Nacken. Abwesend nickte sie, dann öffnete sie die Tür.
„Carolina, bist du das?“, rief ihr Vater aus dem Wohnzimmer. Caro ignorierte die Gänsehaut an ihren nackten Armen.
„Ja! Gute Nacht, Vati!“ Ihre Stimme zitterte auch fast gar nicht.
Sie führte den Mann hinauf. Ihr Kopf war wie vernebelt; sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Während sie ihre Zimmertür öffnete, dachte sie verzweifelt, dass sie doch niemals gewollt hatte, ihn hier hinauf mitzunehmen. Er sah nicht einmal gut aus, nur schäbig. Wie war sie noch einmal in diese Situation gekommen?
Als sie das Licht anschaltete, kniff er die Augen zusammen. Erst jetzt sah sie, wie furchtbar blass er war. Wahrscheinlich einer dieser Computerfreaks, dachte sie, die den ganzen Tag nur vor dem blöden Bildschirm sitzen. Kein Vergleich zu Christopher.
Der Nebel in ihren Kopf legte sich wieder und sie konnte wieder nachdenken. Sie hatte das Gefühl, als sei sie jetzt endlich wieder sie selbst. - Außer, dass die Option, ihn hinauszuschmeißen ihr jetzt plötzlich wirklich absurd vorkam. Wie hatte sie das nur erwägen können? Schließlich wollte er ihr nichts Böses, konnte sie das nicht sehen?
Caro schüttelte verwirrt den Kopf und deutete auffordernd auf den Stuhl neben dem Schreibtisch. Wieder lächelte er und sie schauderte.
„Danke, Carolina“, sagte er sanft, zog den Mantel aus und setzte sich. Caro verzog das Gesicht.
„Ich heiße Caro. Niemand nennt mich Carolina außer meinem Vater. Das klingt schrecklich.“
„Im Gegenteil. Ich wüsste nicht, warum Sie so einen hübschen Namen verstümmeln wollten.“
Sie verdrehte die Augen. Großartig. Jetzt war er auch noch lästig.
Caro hängte ihre Tasche an den steckenden Schlüssel des tiefen Schrankes und sah sich den Mann genauer an. Mager, stellte sie fest, und keine ausgeprägten Muskeln. Unter dem Mantel trug er ein Hemd und eine Anzughose, beides in einem ähnlichen Grau wie der dünne Staubmantel, nur nicht so schäbig.
„Ich heiße Lucius“, stellte er sich vor und innerlich zog sich in Caro alles zusammen. Was für ein schrecklicher, altmodischer Name.
„Ich werde mir von unten ein Butterbrot holen. Magst du auch eins?“, fragte sie, weil es irgendwie angebracht schien.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, danke. Aber sehr aufmerksam von Ihnen.“
Als sie die Treppen wieder herabstieg, war sie damit beschäftigt, ihre Gedanken zu sortieren. Bevor sie allerdings in die Küche ging, machte sie einen Abstecher ins Badezimmer um sich abzuschminken. Für irgend so einen Penner, Computerfreak oder was auch immer er war, brauchte sie nicht schön sein.
Und da, ganz plötzlich, war ihr Kopf wieder klar. Sie hatte einen völlig Fremden in ihr Haus, ihr Zimmer gelassen! Vielleicht, nein, vermutlich war er gefährlich, würde ihrem Vater und ihr etwas antun oder sie ausrauben. Ihre Hände zitterten, während sie sich vorsichtig abschminkte. Wie bekam sie ihn wieder hinaus? Sie schluckte und wusch sich das Gesicht ein weiteres Mal. Er sah ausgemergelt und müde aus, aber trotzdem war er ein gutes Stück größer als sie. Ihr Vater würde sie umbringen, wenn er davon erfuhr!
„Verzeihen Sie, aber ich habe nur die Dusche gesucht“, sagte eine Stimme hinter ihr, seine Stimme. Caros Kopf schnellte in die Höhe. „Könnte ich vielleicht…?“
Die Wassertropfen ließen die Welt verschwimmen. Sie blinzelte, dann konnte sie ihn im Spiegel erkennen, wie er sich hinter ihr an den Türrahmen lehnte und, und lächelte.
Woran hatte sie noch gerade eben gedacht? Es wollte ihr nicht einfallen.
„Natürlich“, sagte Caro. „Ich warte dann oben. Versuch, leise zu sein, in Ordnung?“ Im Spiegel sah sie ihn nicken, dann ging sie an ihm vorbei und holte sich erst einmal ihr Butterbrot.
Etwas später, als sie sich wieder in ihrem Zimmer befand, schlang sie die Arme um sich selbst und schauderte. Was für ein seltsamer Mann.
Sie konnte das Prasseln der Dusche von unten hören, solange sie die Tür einen Spaltbreit offen ließ. Auf diese Weise würde sie auch mitbekommen, sobald er wiederkam, denn eigentlich legte sie es darauf an, nicht erneut von ihm überrascht zu werden.
Caro setzte sich aufs Bett und versuchte sich zu beruhigen. Sie würde ihm jetzt einfach klipp und klar sagen, dass er gefälligst verschwinden sollte und zwar sofort. Genau das würde sie tun. Sie atmete fest aus.
Doch das tat sie nicht. Auch, als er ins Zimmer zurückkehrte, sagte sie nicht ein Wort. Es ging nicht mehr; ihre Gedanken von vor zwei Minuten schienen ihr völlig absurd zu sein. Vielleicht wurde sie langsam verrückt?
Schließlich zeigte sie Lucius den Schrank, der für einen Schrank geräumig war, aber doch nicht mehr als das und an dessen hinterer Wand eine Stange voller Kleidung hing.
„Ich weiß, dass es nicht groß ist. Aber da würdest du hineinpassen, glaube ich.“
„Vielen Dank, junge Lady. Carolina.“
„Nenn mich nicht so! Ich heiße Caro und damit basta!“ Sie verzog das Gesicht und verschränkte die Arme. Lucius’ Mundwinkel zuckten, doch er lachte nicht.
Sie seufzte, schüttelte den Kopf, als sie sich auf ihr Bett setzte.
„Wenn das Jana oder Mel wüssten“, murmelte sie. Ihre Stimme wurde noch ein wenig leiser. „Oder Vati.“ Er sah sie verständnisvoll an, ja, wie hatte sie nur jemals denken können, er wollte sie ausrauben? Es tat ihm doch schrecklich leid, was für Umstände er ihr machte. Wieder runzelte Caro die Stirn bei ihren eigenen Gedanken.
„Es lag nicht in meiner Absicht, dass Sie so viele Sorgen meinetwegen haben“, flüsterte Lucius und beugte sich zu ihr hinunter. Er hatte grüne Augen, aber irgendetwas schien merkwürdig an seinen Augen zu sein, aber Caro hätte nicht sagen können, was es war. „Ich hoffe sehr, dass ich Sie nicht verängstigt habe.“ Er strich ihr dabei sanft über die Wange. Erst bei dieser Berührung schreckte Caro auf und stieß seine Hand beiseite.
„Lass das!“
„Ganz wie Sie wünschen.“ Lucius setzte sich wieder auf den Stuhl beim Schreibtisch und lehnte sich zurück. Caro betrachtete ihn, betrachtete seine magere, blasse Gestalt und fragte sich, warum er hier war. War er wirklich nur ein Penner, der Unterschlupf suchte? Er hatte das Angebot nach etwas zu essen abgewiesen.
„Ich geh’ jetzt schlafen.“ Ihre Hände fühlten sich ganz kalt und feucht an. Vielleicht war er ja ein Vergewaltiger und würde sie in der Nacht-- doch bevor sie diesen schrecklichen Gedanken zuende denken konnte, war er auch schon verschwunden.
„Gute Nacht“, sagte er und lächelte wieder, „Carolina.“
Caro grummelte und ging ins Nebenzimmer um sich umzuziehen. Sie beeilte sich damit, weil im Nebenzimmer, der Waschküche, das Fenster stundenlang offen gewesen war und sie fröstelte. Um sich vollkommen sicher zu fühlen wickelte sie sich auch noch in einen dicken Morgenmantel.
Für einige Momente überlegte sie, ob sie da überhaupt wieder hineinwollte, doch dann nahm sie sich zusammen und betrat erneut ihr Zimmer. Er schien sich überhaupt nicht bewegt zu haben, saß immer noch im Sessel wie davor. Ihr war das nur Recht. Schnell schlüpfte sie unter die Bettdecke.
Innerlich verfluchte Caro sich; wie hatte sie nur so blöd sein können und den Mann ins Haus lassen?! Sie vergrub sich so tief unter der warmen Decke, dass sie ihn nicht mehr sehen musste.