Eine Frage der Bekleidung

Dec 20, 2010 00:07

Dieser Oneshot ist eine Antwort auf folgendes Kink Meme aus der Community tatort_fandom:
"Ich würde gerne noch was von Münster lesen. Am liebsten was in dem Boerne, Thiel und ein (wieder mal) im Trockner eingelaufenes St. Pauli Shirt drin vorkommt. Wer es anzieht kann man sich aussuchen."

Tatort Münster, (Pre-)Slash, Humor, P6.



Eine Frage der Bekleidung

"Mit einer geeigneten Gerätschaft könnten wir die Tatwaffe sofort bergen."

Thiel warf einen abschätzenden Blick auf die morastige Grube, die sich unmittelbar vor ihnen auftat. Sie war angefüllt mit undefinierbarem, schwarzgrünem Matsch und stank erbärmlich. An der Oberfläche trieb eine Art Holzschwert - jedoch viel zu weit vom Ufer entfernt um heranzukommen. "Auf keinen Fall."

Boerne drehte sich zu ihm um und zog die Augenbrauen hoch. "Mein lieber Herr Thiel, ein bisschen mehr Courage bitte! Bei einem Hauptkommissar sollte man zumindest diese Eigenschaft voraussetzen können, wenn es ihm schon an Bildung und linguistischer Kompetenz mangelt."

Thiel sah ungerührt auf seine Armbanduhr. "Ich habe vor vier Minuten die Spurensicherung informiert. Sollen die sich damit amüsieren."

"Bis zu deren Eintreffen kann es Stunden dauern, Thiel. Wie Sie wissen, befinden wir uns hier im Außenbereich des münsteranischen Verkehrsnetzes." Während Boernes linke Hand in der Hosentasche seines Nadelstreifenanzugs steckte, gestikulierte er mit der anderen in Richtung der trostlosen Sumpflandschaft, die sie umgab. "Und auf der Bundesstraße herrscht.."

"Stau, ich weiß. Ich habe auf der Hinfahrt neben Ihnen gesessen, falls Sie sich erinnern, Professor."

"Wie könnte ich das vergessen. Es ist mir unbegreiflich, warum sich ein erwachsener Mensch für Rundfunksendungen begeistert, in denen ein Kommentator beschreibt, wie zweiundzwanzig andere Erwachsene einem Ball hinterher laufen. Die Entwickler des Autoradios haben sicher nicht mit einem derart eklatanten Missbrauch ihrer Erfindung gerechnet."

"Ich vermute, den meisten erwachsenen Menschen ist es noch unbegreiflicher, wie man sich dafür begeistern kann, Leichen aufzuschneiden und darin herumzuwühlen.", entgegnete Thiel trocken.

"Nun, das liegt sicher daran, dass diesen Leuten jegliche Qualifikation dafür fehlt, so eine anspruchsvolle Aufgabe fachgerecht zu erfüllen oder auch nur ihren Sinn zu begreifen. Das Bergen einer Tatwaffe setzt aber keineswegs derartige Spezialkenntnisse voraus, dafür müssen wir nicht auf die Spurensicherung warten, Thiel. Iucundi acti labores!"

Thiel sah den Rechtsmediziner verwirrt an. "Labo..was?"

Boerne achtete nicht mehr auf ihn, sondern begann im Unterholz nach etwas zu suchen. Schließlich zog er mit spitzen Fingern einen länglichen Ast hervor, an dem noch Erde klebte. Dann stellte er sich möglichst dicht an die Grube heran, ohne dass seine teuren Schuhe den Matsch berührten und begann, mit dem Ast darin herumzufischen. Er kam jedoch nicht einmal ansatzweise in die Nähe des Holzschwertes, wie es sich Thiel schon vorher gedacht hatte.

"Herr Kommissar, könnten Sie mal.." Boerne streckte seine freie Hand nach ihm aus.

"Nein.", blaffte Thiel, der ahnte, worauf das hier hinauslief.

Daraufhin setzte Boerne seinen patentierten Hundeblick auf, der noch herzerweichender ausfiel, da ihm die Brille tief auf der Nase hing.

Thiel stapfte brummelnd hinüber. "Ok, aber nur, damit Sie endlich Ruhe geben!" Er ergriff die Hand des Professors und trat nah an ihn heran, während er seine Beine grätschte, um möglichst gut das Gleichgewicht halten zu können. Einen Moment lang standen sie so da, dann räusperte sich Thiel. "Boerne?" Sie sahen sich an.

Boerne blickte schnell wieder weg. "Ähm ja, dann werd' ich mal.." Er hielt Thiels Hand noch fester und beugte sich weit vor, so dass er nun halb über der Grube hing. Gleichzeitig stocherte er wieder mit dem Ast nach der Tatwaffe, dieses Mal mit etwas mehr Aussicht auf Erfolg. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und wie immer in stressigen Situationen begann Boerne vor sich hin zu brabbeln, ohne vorher nachzudenken. Zumindest nahm Thiel das an. "Entschuldigen Sie, ich war gerade etwas abgelenkt. Es ist schon lange her, dass ich mit jemandem Händchen gehalten habe, wie man so schön sagt. Ich befürchte fast, das letzte Mal fand im Beisein meiner Ehefrau statt und war nicht halb so angenehm, weil.."

"Was?!" Instinktiv riss Thiel seine Hand weg, bevor ihm einfiel, was für eine schlechte Idee das war. Boerne fing gefährlich an zu schwanken, ruderte mit den Armen und bevor Thiel nach ihm greifen konnte, fiel er mit einem lauten Platsch in die Grube. Sein Kopf tauchte unter und einen Moment lang schoss Panik in Thiel hoch. Er war kurz davor, sich ebenfalls in die dreckigen Fluten zu werfen, als Boerne prustend wieder auftauchte. Er war über und über mit schwarzgrüner Pampe bedeckt und strampelte eine Weile herum, bis er endlich Boden unter den Füßen bekam und sich aufrichten konnte. "Verdammte Scheiße!", krächze Boerne und spuckte etwas Matsch aus. Dann begann er seine seine verschmutzte Brille notdürftig zu reinigen, um wieder irgendetwas zu erkennen.

Thiel konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Na na, Herr Professor, solche Worte aus Ihrem Mund? Ich bin schockiert!"

Boerne starrte ihn wütend an, was ihm das Aussehen eines Waldschrats mit äußerst schlechter Laune gab. "Den Spott können Sie sich sparen, Thiel, immerhin haben Sie mich erst in diese missliche Lage gebracht!" Dann schritt er durch den Matsch zurück ans Ufer. Dort versuchte er, seinen total verdreckten Anzug auf Vordermann zu bringen. Aber es war aussichtslos.

"Eigentlich hätten Sie die Waffe mit rausbringen können, wenn Sie sich schon ein Bad in der Brühe gönnen.", witzelte Thiel. Gut, dass Boerne nichts schlimmes passiert war. Er fühlte sich unendlich erleichtert. 'Übertreibe ich nicht etwas?', dachte er bei sich, 'so gefährlich ist die Situation ja nun auch nicht gewesen'. Und Boerne war selbst schuld mit seinem Gerede übers Händchenhalten.. Welchen Mann würde das nicht erschrecken? Dass sich sowas gut anfühlte, dachte man vielleicht, aber man sagte es doch nicht.

Boerne würdigte ihn keiner Antwort, sondern drehte sich einfach um und stapfte zurück in die Grube, wo er bis zum Oberkörper in den Matsch eintauchte, sich zu dem Holzschwert vorarbeitete und anschließend damit wieder zurück kam. "So ernst war das ja nun nicht gemeint.", bemerkte Thiel kleinlaut.

Aber Boernes Laune hatte sich inzwischen wieder gebessert, nun, nachdem er zweifellos der Held des Tages war. "Ach was, wahre Größe zeichnet sich durch Opferbereitschaft aus." Stolz reichte er Thiel das Schwert, der inzwischen eine Tüte aus dem Wagen geholt hatte und es sicher verstaute. "Gute Leistung.", gab er zu. "Die Spurensicherung wird Ihnen bestimmt dankbar sein."

Boerne sah an sich herunter. "So darf mich auf keinen Fall jemand sehen. Da werde ich doch zum Gespött der Leute." Thiel folgte seinem Blick und musste ihm recht geben. Der Professor sah aus, wie frisch aus einer Jauchegrube gezogen und er roch auch dementsprechend.

"Sie könnten nach Hause fahren und sich umziehen. Wir brauchen Sie hier nicht unbedingt und ich kann mich von den Kollegen zurückfahren lassen."

Boerne sah ihn an, als wäre er debil oder ein Kleinkind. "Und wie soll ich Ihrer Meinung nach in das Auto steigen? Ich kann mich doch unmöglich mit dieser verdreckten Kleidung auf die Ledersitze setzen! Wissen Sie eigentlich, was ein Satz neuer Bezüge für einen Porsche kostet? Vergessen Sie die Frage, natürlich wissen Sie das nicht."

Thiel rollte mit den Augen, fing aber gar nicht erst an, sich aufzuregen. Zum einen war er derartige Bemerkungen längst von Boerne gewöhnt. Zum anderen fühlte er sich doch etwas mitschuldig an der Misere und dachte deshalb ernsthaft über das 'Problem' nach. "Sie könnten die Klamotten vielleicht einfach... ausziehen?", schlug er schließlich vor.

"Und dann nackt durch Münster fahren? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, Thiel. Da ist ein Auftritt als Moorleiche vor der Spurensicherung doch deutlich verlockender. Und soweit ich weiß, hat zumindest Meyer immer Ersatzkleidung dabei." Boerne runzelte nachdenklich die Stirn, während sein Blick über Thiel streifte. "Andererseits, vielleicht können ja auch Sie mir etwas leihen."

"Wie bitte?"

"Sie könnten mir Ihre Jacke zur Verfügung stellen. Wie ich Sie kenne, tragen Sie eines Ihrer modisch zwar inakzeptablen, aber ausreichend Wärme spendenden Shirts darunter. Die derzeitigen Temperaturen erlauben in derartiger Bekleidung durchaus einen kurzzeitigen Aufenthalt im Freien, ohne dass es zu Erfrierungen kommt."

"Müssen Sie immer so geschwollen daherreden?", antwortete Thiel genervt. "Mir ist schon klar, dass ich im Mai nicht erfrieren werde. Aber trotzdem kann ich Ihnen meine Jacke nicht leihen."

"Wieso nicht?"

"Darum." Thiel strich sich verlegen durchs Haar.

"Das ist selbst für Ihre geringen sprachlichen Fähigkeiten eine höchst unbefriedigende Antwort, Herr Kommissar. Und wenn ich Sie daran erinnern darf: Sie haben meine Hand losgelassen, weshalb ich mich jetzt in dieser überaus peinlichen Situation befinde."

"Warum mussten Sie auch... ach vergessen Sie's." Thiel schnaufte. "Ok, ich zeig's Ihnen." Er öffnete mit einem Ruck den Reißverschluss seiner Jacke und blickte zum Himmel.

Boerne starrte ihn zuerst nur erstaunt an, dann fing er an zu grinsen. "Du lieber Gott, Thiel, wollten Sie das Ding nicht eigentlich wegwerfen?"

"Es hat einen gewissen Erinnerungswert...", murmelte Thiel und zupfte an seinem eingelaufenen FC St. Pauli-T-Shirt herum, als würde es dadurch länger werden und seinen nackten Bauch verbergen. "Ich trage es manchmal noch unter der Jacke oder einem Pulli.. hab ja nicht geahnt, dass ich hier blank ziehen muss. Aber wenn Sie glauben, dass ich mich so der Spurensicherung präsentiere, dann täuschen Sie sich! Und fangen Sie gar nicht erst an, diesen Blick aufzusetzen, der zieht nicht!"

Boernes Grinsen wurde breiter, wobei die Dreckspuren in seinem Gesicht originelle Muster bildeten. Er betrachtete den Bauch von Thiel, der ihn daraufhin schnell einzog. "Ich finde zwar nicht, dass Sie sich schämen müssen, bauchfrei passt durchaus zu ihrem unkonventionellen Gammel-Look. Aber wie wäre es mit Plan B: wir fahren zusammen nach Hause, ich trage im Wagen Ihr T-Shirt - von außen erkennt man sicher nicht, dass es zu kurz ist. Wenn wir dann angekommen sind, gehen Sie ins Haus und holen mir Wechselkleidung. Was halten Sie davon?"

Thiel dachte kurz darüber nach. Das ganze war absurd. Aber ihm fiel keine Alternative ein, die Boerne zufrieden stellen würde. Und ein unzufriedener Boerne war die Hölle - vor allem, wenn er nebenan wohnte und einen Generalschlüssel besaß. Er würde noch öfter als sonst in Thiels Wohnung auftauchen, den Kühlschrank leer räumen und ihn in Grund und Boden reden. Schlaflose Nächte waren vorprogrammiert. Seufzend zog Thiel schließlich seine Jacke aus und zerrte sich das verkümmerte T-Shirt über den Kopf. Während er noch damit kämpfte, das Ding irgendwie vom Leib zu bekommen, bemerkte er Boernes Blick, der auf seinem nun nackten Oberkörper ruhte. Er sah dabei beinahe... verträumt aus. Nein, das war sicher nur Einbildung. Wahrscheinlich dachte Boerne nur über irgendetwas nach, das er selbst für den Inbegriff menschlicher Weisheit hielt und wirkte deshalb leicht weggetreten.

"Sollten Sie sich nicht auch.. äh ausziehen?", presste Thiel hervor, während er eilig seine Jacke wieder anzog. Es war ein seltsames Gefühl auf der Haut, so ganz ohne Pullover oder Hemd dazwischen. Er zog eine Packung Taschentücher aus der Jackentasche. "Hier, damit können Sie sich zumindest das Gesicht und die Hände saubermachen."

Boerne zuckte zusammen. "Achja richtig.. danke Thiel." Mit diesen Worten nahm er die Taschentücher, eilte zu einer Gruppe Sträucher und versteckte sich dahinter. Ach, ich strippe hier, aber der Herr leistet sich plötzlich Schamgefühle, ging es Thiel durch den Kopf. Was natürlich eine absolut irrationale Beschwerde war. Als wenn er Interesse daran hätte, Boerne nackt zu sehen. Seine Wangen röteten sich. Was war nur heute los? Ein gewisses Herumgeplänkel zwischen ihnen beiden gehörte ja inzwischen zum Standard, manchmal flirteten sie geradezu miteinander, auf einer humorvoll-neckenden Ebene. Aber letztlich blieb es doch immer freundschaftlich. Oder?

Seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen und kamen abrupt zum Stillstand, als Boerne wieder hinter den Büschen zum Vorschein kam. Er trug nur noch eine Unterhose, wohl von Calvin Klein (Thiel bemühte sich, nicht zu genau hinzuschauen) und fuchtelte mit einem Stoffknäuel herum. "Diesen Anzug kann ich nie wieder anziehen, der ist völlig verschmutzt. Daran wird auch die effizienteste Reinigung scheitern."

Thiel zog die Schultern hoch. "Ich könnte mich ja an den Kosten für einen neuen Anzug beteiligen.."

"Ein großherziges Angebot, Herr Kommissar, aber mir ist bekannt, wie viel oder besser gesagt, wie wenig man mit Ihrer Vergütungsgruppe verdient. Wie wäre es, wenn Sie mich stattdessen zum Abendessen einladen? Wir haben ohnehin etwas zu feiern, denn mit dem von mir sicher gestellten Beweisstück werden wir den Verdächtigen ohne Zweifel überführen."

"Ohne Zweifel...", echote Thiel leicht abwesend. Boerne benahm sich wie immer - herablassend und selbstverliebt - und es war auch nicht das erste Mal, dass er sich bei ihm zum Essen einlud. Aber die Tatsache, dass der Professor dabei, abgesehen von seinem Slip und der Brille, völlig nackt dastand, gab dem ganzen irgendwie eine besondere Note.

"Das nehme ich mal als ein Ja. Dürfte ich mir jetzt bitte Ihre derangierte Fanbekleidung ausleihen?"

Thiel bekam fast ein schlechtes Gewissen, als er Boerne das verschrumpelte T-Shirt statt seiner Jacke reichte. Aber einer von ihnen musste nachher in die Wohnung und Kleidung für Boerne holen und das tat sicher besser derjenige, der eine Hose anhatte. Und wenn er eins jetzt nicht überstehen würde, dann Hosentausch mit dem Professor. Allein bei dem Gedanken fühlte er seine Wangen schon wieder rot werden. Boerne zwängte sich inzwischen erfolgreich in das T-Shirt, was seine Erscheinung jedoch nicht wirklich respektabler machte.

"W..was ist los, Thiel?", fragte Boerne, ihn aufmerksam durch seine Brille beobachtend. "Hat Ihnen mein Anblick endgültig die Sprache verschlagen?" Offenbar wurde ihm langsam kalt, denn seine Lippen zitterten ein wenig beim Sprechen.

Thiel unterdrückte den Impuls, Boerne an sich zu ziehen, um ihn zu wärmen. Stattdessen wandte er sich wortlos ab und ging schnurstracks auf den Porsche zu, der an einer Böschung geparkt war. Von dort aus schlängelte sich eine Landstraße ins Landesinnere hinein. Thiel war froh, dass sie endlich hier wegkamen. Wenn sie erstmal in Boernes Wagen saßen und durch die Stadt fuhren, würde wieder der Alltag einkehren und alles so sein wie immer.

Boerne folgte ihm sofort, wobei er die ganze Zeit auf ihn einredete. Es ging wohl um die Effizienz von chemischen Reinigungen, bezogen auf Material und Verschmutzungsgrad der Kleidung. Thiel hörte nicht mehr so genau hin. Als sie endlich beide im Porsche saßen, unterbrach er den Wortschwall rigoros.

"Nun geben Sie mal Gas, Professor.", sagte Thiel. "Wenn wir nachher essen gehen wollen, sollten wir uns dringend umziehen." Er musste nicht hinübersehen, um zu wissen, dass Boerne lächelte. Dann fuhren sie los in Richtung Münster.

fanfiction, tatort

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