Von warmen Momenten

Dec 26, 2019 03:57

Wichteln: HP-Weihnachts-Twichteln 2019
Fandom: Harry Potter
Wichtelkind: wortvermis
Charaktere: Roger Davies, Oliver Wood, Cedric Diggory, Percy Weasley
Wortvorgaben (& Ersatz-Wortvorgaben): Stock im Arsch, Tannengrün, Wichteln (spiegelglatt, Schach Matt, Kuschelsocken)



Von warmen Momenten

»Hagrid.« Percy nickt förmlich, ehe er sich seinen Umhang enger um die Schultern zieht. Sein Blick wandert zurück zu den Kindern, die durch den Schnee tollen und sich dabei langsam immer weiter von ihm entfernen.

»Percival«, gibt Hagrid fröhlich zurück und lässt den Sack fallen, den er bis eben über der Schulter getragen hat. Vielleicht hat er Percys höflichen Gruß als Einladung missverstanden, stehen zu bleiben und ein Weilchen nett zu plaudern. »Na, ham’se ja Spaß, die kleinen Racker, nich’?«

Von der am weitesten entfernten Gruppe dringt Gekreische zu ihnen herüber. Gleich darauf folgt atemloses Gekicher, das sich unter den anderen Kindern ausbreitet. Percy presst die Lippen aufeinander und wünscht sich verzweifelt zurück in den Gemeinschaftsraum. Oder - noch besser - in die Bibliothek. Warme, konzentrierte Stille, nur unterbrochen vom Prasseln des Kaminfeuers und dem gelegentlichen Kratzen auf Pergament. Und vielleicht einem Räuspern hin und wieder, wenn er sich dabei erwischt, wie sein Seitenblick auf Cedric zu minutenlangem Starren geworden ist, und er sich selbst daran erinnern muss, warum er eigentlich hier ist …

»Und was treibt dich bei diesem Wetter vor die Tür, Junge?«, reißt Hagrid ihn aus seinem Gedanken. Offensichtlich hat er das anhaltende Schweigen von Percys Seite aus nicht als Hinweis darauf verstanden, dass dem ein Gespräch höchst unwillkommen ist. »Der Schnee wird’s wohl kaum gewesen sein, was?«

»Aufsicht«, antwortet Percy knapp. Im nächsten Moment hebt er die Stimme und ruft: »Keine Schneeballschlachten auf dem Schulgelände! Haltet euch bitte an die Regeln!« Aber natürlich ignorieren die Kinder ihn, lassen sich nacheinander auf die Knie fallen und fangen an, Schneebälle zu formen. Percy schaudert bei dem Gedanken, seine zusammengekauerte Haltung aufgeben zu müssen, um zu ihnen zu gehen und seinen Regeln Nachdruck zu verleihen. Noch nicht, beschließt er. Professor McGonagall hat ihn in einem ausführlichen Monolog davor gewarnt, sich von seinen Pflichten zu sehr vereinnahmen zu lassen. Vielleicht meinte sie nicht nur eine potentielle Vernachlässigung seiner Schularbeiten, sondern auch Situationen wie diese.

»’s nich’ so einfach, was?« Mitfühlend klopft Hagrid ihm auf die Schulter. Zumindest glaubt Percy, dass es mitfühlend sein sollte. »Aber vielleicht willste sie trotzdem vom See wegholen? ’s spiegelglatt dort drum herum. Hab’s vorhin bemerkt, als ich Fang einsammeln musste. Hat sich benommen wie ein Welpe, der zum ersten Mal Schnee sieht, …«

Percy seufzt missmutig und krallt seine Finger im Innenfutter seines Umhangs fest. Hagrids Erzählung wird langsam zu einem Hintergrundgeräusch, so wie das Schreien der Kinder und der Wind, der sich in den Baumwipfeln und an den uralten Mauern verfängt. »Vertrauensschüler« hat in seinen Ohren noch nie so sehr nach einem abgehobenen Wort für »Babysitter« geklungen wie seit Beginn dieser Weihnachtsferien. Dabei ist es erst der zweite Tag. Es liegen noch über anderthalb Wochen vor ihm. Und er steht jetzt schon hier und träumt von einer warmen Tasse Tee und vielleicht Gesellschaft, die nicht vier Jahre jünger ist als er.

Erst, als Hagrid eine Pause einlegt und danach in ernstem Tonfall fragt: »aber ’s is’ wirklich glatt drüben. Wie sieht’s aus, brauchst du Hilfe dabei, die Rasselbande einzufangen?«, wird Percy wieder aufmerksam.

Einen Moment lang ist er versucht, einfach zu verneinen und frierend an seinem Platz stehen zu bleiben. Dann dämmert ihm, was Hagrids kleine Rede bedeutet: Ein Vorwand, alle ins warme Schlossinnere zurück zu beordern. Dort können die Kinder - nun, nicht tun, was sie wollen, aber zumindest ist Percy nicht mehr für sie verantwortlich. Er könnte sich in die Bibliothek setzen. Oder in den Gemeinschaftsraum.

»Danke«, wiegelt er Hagrids Angebot ab und schickt ein halbes Lächeln hinterher, um nicht unhöflich zu wirken. Anschließend richtet er sich zu voller Größe auf, streicht seinen Umhang von außen glatt und marschiert auf die tobenden Erstklässler zu. Als er nahe genug bei ihnen ist, um ohne Mühe gehört zu werden, klatscht er in die Hände. »Bildet bitte eine Zweierreihe. Zweierreihe!«

Nach einer gefühlten Ewigkeit hat er die Kinder soweit, dass sie sich vor ihm versammelt haben. Ihre Formation hat keinerlei Ähnlichkeit mit einer Zweierreihe, aber Percy beschließt, es dieses eine Mal durchgehen zu lassen. »Mr Hagrid hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, dass der See und seine Umgebung gefroren und damit zu gefährlich zum Spielen sind«, erklärt er. »Wir gehen wieder rein!«

Zum Glück haben Jahre des Zusammenlebens mit den Zwillingen ihm beigebracht, seiner Stimme einen Tonfall zu verleihen, der deutlich macht, dass es keine Diskussionen geben wird. Vereinzeltes Murren kommt auf, aber keins der Kinder widerspricht ihm laut.

Percy ignoriert das Tuscheln und marschiert los. »Nicht bummeln!«, ruft er, als die ersten Kinder beginnen, zurückzufallen. Als hätte er nicht vier jüngere Geschwister und wüsste ganz genau, dass hinter seinem Rücken wispernd die ersten Pläne geschmiedet werden, wie man ihm entwischen und doch noch ein wenig im Freien bleiben kann.

»Was für ein Spielverderber!«, hört er einen Jungen flüstern. »Aber das hat meine Schwester mir schon am Anfang des Schuljahres erzählt. Und ich hab gehört, wie ihre beste Freundin zu ihr gesagt hat, dass Weasley einen Stock im Arsch hat und dringend -…«

Der Rest seines Satzes geht unter, als Percy sich abrupt umdreht. Mit einem Blick erfasst er das nervös-ungläubige Gekicher eines Mädchens und die erschrockene Miene des Jungen daneben. Wenigstens das, versucht er, den kleinen Stich, den ihm die Worte versetzt haben, fortzudenken. Wenigstens haben sie gedacht, dass ich sie nicht hören kann.

So richtig funktioniert es nicht. »Es ist unhöflich und unangemessen, gemeine Aussagen über andere Personen weiterzuverbreiten«, erklärt er daher steif, aber mit Nachdruck. Natürlich ist ihm bewusst, dass höflich und angemessen den Erst- und Zweitklässlern nicht halb so viel bedeuten wie ihm. Aber die beiden besitzen den Anstand, zu nicken und einen betretenen Blick zu tauschen. Das ist vielleicht nicht viel; für hier und heute jedoch reicht es ihm.

»Na dann los, weiter!«, fordert er sie mit einer ungeduldigen Handbewegung auf. Nachdem sie an ihm vorbeigelaufen sind, eilt Percy ihnen und den übrigen Kindern hinterher. »Ich sagte doch, nicht bummeln!«

Der Rest des Weges - vorbei an der festlich geschmückten Großen Halle und einigen der tückischeren Treppen - verläuft ereignislos. Erst vor dem Portrait der Fetten Dame bleibt Percy das nächste Mal stehen. Unter dem zufriedenen Blick des Gemäldes zupft er ein wenig von dem Tannengrün zurecht, das dessen Rahmen schmückt.

Und oh Junge, ist das eine Tortur gewesen. Fred und George haben als Erste den spitzen Kommentaren der Fetten Dame nachgegeben und die Zweige besorgt. Das Schmücken hat als fröhliches Gemeinschaftswerk begonnen, aber am Ende sind es nur noch Oliver und Percy gewesen, die sich bemüht haben, das Grün genau nach den Wünschen des Portraits zu befestigen. Und Percy macht sich keine Illusionen: Oliver ist nur seinetwegen überhaupt so lange geblieben. Nicht, dass es ihn stören würde; im Gegenteil. Die Erinnerung an Olivers komisch-verzweifelte Blicke und ihr unterdrücktes Lachen, wenn die Fette Dame mit besonders kreativer Wortwahl die Grausigkeit der aktuellen »Rahmenbedingungen« ausgedrückt hat, hebt Percys Laune augenblicklich.

Und von diesen Momenten voller Wärme hat es einige gegeben. Gefühlt ist eine halbe Ewigkeit vergangen, bevor die Fette Dame nicht mehr ihren Unmut über zu tief hängende oder seltsam abstehende Tannenzweige kundgetan hat. Und vermutlich wären sie immer noch beschäftigt, wenn nicht … Nun ja. Wenn nicht Roger vorbeigekommen wäre und der Fetten Dame mit seinem offenen Lächeln versichert hätte, dass er nur selten ein derart geschmackvoll geschmücktes Gemälde zu Gesicht bekomme.

»Passwort?« Die Fette Dame schwenkt ihr erwartungsvoll erhobenes Weinglas.

»Weihnachtswichteln«, gibt Percy nach einem langen Moment zurück.

»In der Tat, Mr Weasley, in der Tat«, trällert das Portrait und grinst vergnügt. Während es aufschwingt, fährt es fort: »Also vergessen Sie nicht …«

»… das Geschenk für den Rostigen Ritter«, beendet Percy den Satz, ehe er die Kinder in den Turm scheucht, die sich augenblicklich im Gemeinschaftsraum verteilen oder in die Richtung ihrer Schlafsäle rennen. Mit einem verstohlenen, schiefen Lächeln klettert er dann selbst durch das Portraitloch.

Während er durch den Gemeinschaftsraum eilt, verflüchtigt sich das Lächeln, aber die gute Stimmung bleibt. Dabei ist es absurd. Percy könnte schwören, dass die Fette Dame dieses Passwort eigens erfunden hat, um ihn zu ärgern. Zumindest hat er bisher von niemand anderem gehört, für den sie in einer dramatischen Szene ein Los mit einem Wichtelkind aus ihrem Weinglas gezogen hat, nachdem er das Passwort genannt hat.

Aber irgendwann in der letzten Woche, in der die Fette Dame keine Gelegenheit ungenutzt gelassen hat, ihn an diesen Moment zu erinnern, hat er aufgehört, sich zu ärgern. Oder, wenn er ehrlich ist, nicht irgendwann, sondern in einem ganz bestimmten Augenblick.

Das Ganze muss den Mitgliedern anderer Häuser zu Ohren gekommen sein. Zum Beispiel Roger, der sich natürlich beim nächsten Frühstück prompt neben Percy auf die Bank hat fallen lassen, ohne die fragenden Blicke der anderen Gryffindors zu beachten. »Na, Liebster« - und wenigstens ist er so rücksichtsvoll gewesen, leise zu reden. Percys Ohren sind trotzdem sehr heiß geworden - »was schenkt man denn einem Portrait?«

Percy hat nur mit den Schultern gezuckt. Als hätte er bis dato die Angelegenheit mit mehr als einem halben Gedanken gestreift - und das auch nur, wenn die Fette Dame oder die Zwillinge ihn damit aufgezogen haben.

»Hmm.« Roger hat den Kopf schief gelegt und ihn einige Sekunden lang einfach angesehen. Dann hat er gelächelt - und sein Lächeln ist so schön, Percy hat keine Worte dafür - und gesagt: »Du findest schon etwas, da bin ich mir sicher.«

Und plötzlich - und Percy kann es sich auch nicht erklären - ist es unausweichlich geworden, dass er wirklich ein Geschenk für den Rostigen Ritter findet. Nicht, dass die Fette Dame jemals etwas davon erfahren wird. Sie würde sich das möglicherweise als Triumph auf die eigenen Fahnen schreiben. Dabei hat das Ganze sehr wenig mit ihr und sehr viel mit dem warmen, kribbeligen Gefühl zu tun, das für Percy mit Rogers Lächeln einhergeht und das er nicht anders nennen kann als »Verliebtheit«, wenn er es unbedingt in Worte fassen muss.

Also hat er etwas von seiner Bibliothekszeit abgezweigt und weiß jetzt mehr über Portraitzauberei, als er jemals brauchen wird. Aber es hat sich gelohnt. Während Percy sich in seinem Schlafsaal aus dem klammen Umhang schält und ihn sorgfältig trocknet, blitzt ein Funken Stolz in ihm auf. Nicht so wie auf einen besonders gut recherchierten Aufsatz oder einen gelungenen Zauber, aber trotzdem echt, denn: In seinem Nachtschrank warten kratzige, abgetragene Kuschelsocken - ihres Zeichens ein Geschenk von Großtante Muriel - darauf, in ein Kännchen Öl verwandelt zu werden, das als Gemäldebestandteil auf ein Stück Pergament gebannt wird, welches Percy wiederum temporär dem Gemäldekomplex von Hogwarts hinzufügen muss …

Es ist genau genommen nicht der regeltreueste Plan, den er sich jemals ausgedacht hat. Noch genauer genommen allerdings gibt es keine Schulregeln, die er dafür brechen muss. Vielleicht wird es sie nach dieser Aktion geben, denkt Percy, während er seinen Umhang in den Schrank hängt. Aber selbst wenn, dann hat er doch eigentlich nur auf eine Lücke in den Regeln hingewiesen, ohne dabei Schaden anzurichten, denn mal ehrlich, wie schlimm kann ein Kännchen Öl schon sein?

(Percy ignoriert, dass er nicht gänzlich sicher ist, ob er vor einem halben Jahr schon zum gleichen Schluss gekommen wäre.)

Der einzige echte Nachteil an dieser ganzen Sache ist also das schiere Ausmaß an Zeit, das Percy damit verbracht hat, für dieses Geschenk zu recherchieren, und nicht damit, seinen Aufsatz für Zauberkunst zu schreiben. Es ist pures Glück, dass Professor Flitwick sich dazu entschlossen hat, ihnen zusätzlich über die Ferien Zeit dafür zu geben. - Auch, wenn der Gedanke, noch einmal ganz von vorne anzufangen, Percy frustriert. Aber wenn man die unmotivierte Ursprungsarbeit betrachtet, ist es trotzdem besser so. Und mit einem ganzen, unplanmäßig freien Nachmittag vor ihm …

Der vage Gedanke an die Bibliothek verfliegt jedoch in dem Moment, in dem Percy Roger und Oliver auf einem Sofa vor dem Kamin entdeckt. Vor ihm liegen noch anderthalb Wochen und der Nachmittag ist unplanmäßig frei. Er wird genug Zeit für seinen Aufsatz haben. Da kann es doch eigentlich gar nicht so schlimm sein, sich jetzt für ein paar Stunden wirklich und wahrhaftig frei zu nehmen, oder?

»Hey, na?« Roger legt einen Arm um Percy, sobald der neben ihm auf dem Sofa Platz nimmt, und Oliver hebt eine Hand und lächelt ihm zu. »Waren die Kleinen so unglücklich draußen?«

Percy zuckt mit den Schultern. »Hagrid meinte, die ganze Umgebung des Sees sei gefroren und spiegelglatt. Das war mir zu gefährlich. - Und zu kalt«, fügt er, einer spontanen Eingebung folgend, an. Roger lacht leise, und Oliver schnaubt amüsiert.

Percys Blick fällt auf das Zauberschachbrett, das auf dem Tisch vor ihrem Sofa steht. Er betrachtet es einen Moment lang, dann sucht er Olivers Blick. »Schachmatt?«

»Jup, schon eine ganze Weile«, bestätigt Oliver und nickt ihm zu. Die unausgesprochene Anerkennung lässt Percy unwillkürlich lächeln. Er ist wirklich, wirklich eine Niete in Zauberschach, ganz anders als Oliver, und es ist nur noch ein bisschen beängstigend und mittlerweile vor allem nicht-schlecht, dass Oliver das weiß. (Und dass er sich trotzdem nicht über ihn lustig macht.)

»Und schon zum vierten Mal heute«, wirft Roger einige Sekunden später ein, als der warme Moment langsam abklingt. »Ich habe eigentlich gerade überlegt, ob ich noch eine Revanche fordern kann oder es langsam lächerlich wird, aber ich habe eine bessere Idee. Cedric meinte, die Hufflepuffs seien diese Ferien scharenweise nach Hause gefahren und er habe den Gemeinschaftsraum quasi für sich. Wir könnten bei ihm vorbeischauen, um zu verhindern, dass er sich den zweiten Abend in Folge mit den Zaubertrank-Hausaufgaben abmüht.« Einen Augenblick der Stille später lächelt Roger in Percys Richtung und fügt hinzu: »Keine gebrochenen Schulregeln, ich versprech’s.«

»Okay«, stimmt Percy im selben Moment zu, in dem Oliver einfach nickt und bereits aufsteht.

Während Roger und er sich beeilen, es Oliver gleichzutun, und sie gemeinsam den Turm der Gryffindors verlassen, spürt Percy dem sachten Gefühl der Vorfreude nach, das sich in ihm ausbreitet. Es enthält keine Spur von versteckter Reue, oder gar heimlicher Sehnsucht nach einem stillen Abend irgendwo anders. Und für einen Moment ist Percy absurd dankbar für sein Leben, wie es genau jetzt ist. Er hätte es sich vor einem Jahr vielleicht noch anders vorgestellt, hätte sich die vielen warmen Momente nicht erträumen lassen (und vor allem nicht, wie viele von ihnen mit Rogers Lächeln - oder Olivers Nicken oder Cedrics bloßer Präsenz neben ihm zu tun haben würden), aber so, genau so ist es gut.

pairing: cedric x oliver x percy x roger, fandom: harry potter, rating: p12slash, wichteln: hp-weihnachts-twichteln 2019, character: roger davies, character: oliver wood, character: percy weasley, character: cedric diggory

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