Die Hühnerbrühe
Mama hat aus dem Laden ein großes, bläuliches Huhn mit langen knorpeligen Beinen mitgebracht. Auf dem Kopf hatte das Huhn einen großen, roten Kamm. Mama legte es in den Kühlschrank und sagte:
- Wenn Papa früher heimkommt, soll er es kochen. Sagst du es ihm?
Ich sagte:
- Mit Vergnügen!
Und Mama ging arbeiten. Ich holte meinen Malkasten und begann zu malen. Ich wollte ein Eichhörnchen malen, wie es im Wald in den Bäumen springt, aber dann sah ich, dass daraus gar kein Eichhörnchen, sondern ein Mann wurde, so ein komischer Kauz. Der Schwanz des Eichhörnchens wurde zu seiner Nase und die Baumäste zu seinen Haaren, Ohren und seiner Mütze...Ich habe mich sehr gewundert, wie es dazu kommen konnte und als Papa nach Hause kam, sagte ich zu ihm:
- Rate mal, Papa, was habe ich gemalt?
Er schaute hin und überlegte:
- Ein Feuer?
- Ach, Papa, schau doch genau hin!
Da hat Papa noch genauer hingeschaut und sagte:
- Ah, entschuldige, das ist wahrscheinlich Fußball...
Ich sagte:
- Du bist irgendwie unaufmerksam, bist du vielleicht müde?
Und er:
- Nein, nein, ich habe nur Hunger. Weißt du, was wir zum Mittagessen haben?
Ich sagte:
- Im Kühlschrank liegt ein Huhn. Koche es und dann iß es!
Papa holte das Huhn und legte es auf den Tisch:
- Es ist leicht gesagt, “koche“! Kochen kann man’s schon. Kochen ist eine Kleinigkeit. Die Frage ist, wie man das Huhn zubereitet. Aus einem Huhn kann man nicht weniger als hundert wunderbare, nahrhafte Gerichte bereiten. Man kann zum Beispiel einfache Hühnerkoteletts machen, oder Schnitzel mit Weintrauben- ich habe darüber gelesen! Man kann ein Kotelett auf dem Knochen mit pikanter Soße zubereiten- das schmeckt vielleicht himmlisch... Man kann ein Huhn mit Nudeln zubereiten, oder mit Knoblauch einreiben und dann mit dem Bügeleisen pressen- so machte man es in Georgien. Dann kann man noch...Aber ich habe ihn unterbrochen. Ich sagte:
- Papa, koche was Einfaches, ohne Bügeleisen. Verstehst du, was Schnelles!
Papa war sofort einverstanden:
- Richtig, mein Sohn! Was ist für uns wichtig? Schnell etwas zu essen! Da hast du direkt ins Schwarze getroffen. Also, was könnten wir schnell kochen? Die Antwort ist klar und einfach: eine Hühnerbrühe!
Papa rieb sich sogar die Hände. Ich fragte:
- Und, kannst du eine Brühe kochen?
Aber Papa lachte nur:
- Was gibt es da groß zu kochen? - seine Augen leuchteten sogar auf. - Eine Brühe- das ist doch spielend zu schaffen: du legst es ins Wasser und wartest, bis es gekocht ist, das ist die ganze Weisheit! Also abgemacht: wir kochen eine Brühe und bald werden wir ein Mittagessen aus zwei Gängen haben: erster Gang- die Hühnerbrühe mit Brot, zweiter
Gang- das gekochte Huhn, heiß und dampfend! Nun leg deine Künstlerpinsel beiseite und hilf mit!
Ich fragte:
- Was soll ich machen?
- Sieh mal, auf dem Huhn sind lauter Härchen. Schneide sie ab, denn ich mag keine zottelige Brühe. Du schneidest sie ab und ich gehe in die Küche und bringe das Wasser zum kochen!
Und er ging in die Küche. Ich nahm Mamas Schere und fing an die Härchen einzeln abzuschneiden. Erst dachte ich, dass es gar nicht so viele sind, aber dann sah ich, dass es schon viel war, viel zu viel sogar. Und ich begann sie abzuschneiden und bemühte mich schnell zu sein, wie ein Friseur. Papa kam ins Zimmer, schaute mich an und sagte:
- Schneide mehr von den Seiten ab, sonst wird es eine Igelfrisur!
Ich sagte:
- So schnell geht die Sache auch nicht...
Plötzlich schlug sich Papa auf die Stirn:
- Dennis, wir beide sind solche Hohlköpfe! Wie konnte ich es vergessen! Lass die Schneiderei! Man muss das Huhn im Feuer sengen! Verstehst du? Das machen alle so. Wir sengen es im Feuer und alle Härchen verbrennen und dann braucht man kein Haarschneiden und keine Rasur mehr. Mir nach!
Und er griff sich das Huhn und rannte damit in die Küche. Und ich ihm nach. Wir machten den zweiten Gasbrenner an, denn auf dem anderen kochte bereits das Wasser, und begannen das Huhn zu sengen. Es brannte toll und in der ganzer Wohnung roch es nach versengter Wolle. Papa drehte es von einer Seite auf die andere und sprach vor sich hin:
- Bald, bald! Ach, ist das Hühnchen schön! Bald wird es ganz versengt sein und wird schön sauber und weiß sein..
Aber das Huhn wurde umgekehrt irgendwie schön schwarz und verkohlt und Papa machte den Gasbrenner aus. Er sagte:
- Ich meine, es ist irgendwie unerwartet geräuchert geworden. Magst du ein geräuchertes Huhn?
Ich sagte:
- Nein. Es wurde nicht geräuchert, es ist einfach in Ruß. Weißt du, Papa, ich gehe es waschen.
Er freute sich:
- Du bist ein Prachtkerl! - sagte er, - Du bist scharfsinnig. Das ist eine gute Vererbung. Du bist ganz nach mir geraten. Na, Kleiner, nimm dieses Schornsteinfegerhuhn und wasche es richtig ab, denn ich bin schon müde von all diesen Scherereien.
Und er setzte sich auf den Stuhl. Ich sagte:
- Sofort, ich mach es fertig!
Und ich ging zum Waschbecken und begann das Huhn mit der rechten Hand mit ganzer Kraft abzureiben. Es war sehr heiß und fürchterlich schmutzig, ich versaute mir sofort beide Hände bis zu den Ellenbogen. Papa schaukelte auf dem Stuhl.
- Siehst du, Papa - sagte ich, - was du mit dem Huhn angerichtet hast? Es ist gar nicht abzuwaschen. Zu viel Ruß.
- Ach was, Unsinn, - sagte Papa, - der Ruß ist nur außen. Es kann doch nicht ganz aus Ruß bestehen? Warte mal!
Und Papa ging ins Bad und holte mir ein Stück Erdbeerseife. - Da, -sagte er -wasche es anständig! Seife es ein!
Und ich begann dieses armes Huhn einzuseifen. Es sah jetzt irgendwie ganz schön elend aus. Ich es so richtig eingeseift, aber es ließ sich sehr schwer abwaschen. Der Schmutz triefte vielleicht schon eine halbe Stunde lang ab, aber es wurde davon nicht sauberer. Ich sagte:
- Dieser verdammter Hahn verschmiert sich nur noch mehr von der Seife!Nun sagte Papa:
- Da liegt eine Bürste! Nimm sie und reibe damit richtig! Erst den Rücken, dann alles andere.
Ich begann zu reiben. Ich rieb mit aller Kraft und durchrieb sogar an manchen Stellen die Haut. Aber es war trotzdem sehr schwierig für mich, weil das Huhn auf einmal lebendig wurde - es begann sich in meinen Händen zu drehen, zu gleiten und wollte jede Sekunde rausspringen. Und Papa blieb immer noch auf seinem Stuhl und kommandierte rum:
- Reibe kräftiger! Geschickter! Halte die Flügel fest! Oh, Mann! Wie ich sehe, kannst du ein Huhn gar nicht waschen!
Darauf sagte ich:
- Papa, versuch es doch selbst.
Und ich reichte ihm das Huhn. Aber er schaffte es nicht festzuhalten, da sprang es schon aus meinen Händen und galoppierte unter den hintersten Schrank. Aber Papa war nicht irritiert. Er sagte:
- Gib mir den Schrubber!
Und als ich ihm den gab, begann er das Huhn mit dem Schrubber unter dem Schrank rauszuschaufeln. Zuerst schaufelte er eine alte Mausefalle, dann meinen alten Zinnsoldaten hervor und ich freute mich riesig, denn ich hatte geglaubt, ich hätte ihn verloren und nun war er wieder da, mein Lieber! Danach holte Papa das Huhn. Es war ganz verstaubt. Und Papa war ganz rot. Aber er griff es am Fuß und schleifte es wieder zum Waschbecken. Er sagte:
- Na warte, du Blauer Vogel!
Er spülte es ziemlich sauber und legte es in den Topf.
Zu dieser Zeit kam Mama nach Hause.
Sie sagte:
- Was ist denn das für eine Verwüstung?
Und Papa seufzte und antwortete:
- Wir kochen das Huhn.
Mama fragte:
- Schon lange?
- Erst jetzt in den Topf gelegt, - sagte Papa.
Mama hob den Deckel vom Topf. - schon gesalzen? - fragte sie.
- Später, - sagte Papa, - wenn es fertig ist.
Aber Mama roch an dem Topf. - Die Eingeweide herausgenommen? - fragte sie.
- Später, - sagte Papa, - wenn es fertig ist.
Mama seufzte und nahm das Huhn aus dem Topf. Sie sagte:
- Dennis, bring mir bitte die Schürze. Ich muss wohl alles für euch fertig machen, ihr Sonntagsköche!
Ich lief ins Zimmer, nahm die Schürze und meine Zeichnung mit. Ich gab Mama die Schürze und fragte sie:
- Na, was habe ich gemalt? Rate mal, Mama!
Mama schaute hin und sagte :
- Eine Nähmaschine? Ja
INHALT
Zwanzig Jahre unter dem Bett 1
Wenn 4
Die verzauberte Buchstabe 6
Das Feuer im Haus, oder die Heldentat im Eis 7
Die Hühnerbrühe 11
Die Wassermelonengasse 15
„Wo sieht man denn so was...“ 18
Das verrückte Fahrrad 23
Der Freund aus der Kindheit 26
Erzählen Sie mir von Singapur 28
Das Fernrohr 32