1. Das graue Haus
Es ist die unverrückbare Eigenschaft dieses Hauses, dass es in den wenigen bewohnten Zimmern, das es besitzt, stets dunkel ist. Halbdiffus, gräulich, eine Anzahl von verschiedenen Schattierungen an Schatten, wie sie kein Künstler (und kein Farbenblinder) je gesehen hat.
Der Teppich gibt kein Geräusch von sich, wenn man darüber geht, was daran liegen kann, dass stets nur sehr leise und langsam darüber geschlichen wird. Die Fenster sind entgegen aller Vermutungen stets sauber, sie ermöglichen einen einwandfreien Blick hinaus auf die Wiese vor dem Haus und dem Parkplatz.
Leise ist es auch stets in diesem Haus. Was daran liegen kann, dass es fernab jeder Hauptstraße liegt und kaum Kinder in der Nachbarschaft wohnen. Über die Nachbarschaft weiß man allgemein nicht sehr viel, vielleicht existieren sie nicht einmal.
Die Stille könnte aber auch aus dem Haus selbst kommen, bzw. von seinem Bewohner, der in diesem Moment erwacht.
Langgestreckt liegt er vor dem Küchenfenster, eingegraben in viele Decken, die er im Schlaf am liebsten an sich drückt, sich gegen sie presst oder seinen Kopf darauf bettet. Die Augen sind schwer wie Blei, die Wimpern liegen verstaubt und von einem blassen Blond auf den grauen Wangen. Er ist nackt, aber das spielt keine Rolle, denn das sind hier alle auf der Welt. Er streckt sich und steht auf, das Sonnenlicht fällt durch das Küchenfenster und wird vom tanzenden Staub farblos gewaschen. Er fährt sich durchs blonde Haar, es ist genauso ausgewaschen farblos wie das Sonnenlicht, dennoch sagt ihm seine Frau stets er hätte ein schönes Gesicht. Wie das von einem Alien, oder vom Mondlicht gemalt.
Seine Frau, dieser Gedanke betrübt ihn. Sie wohnen hier beide, doch sie ist selten da. Schleicht in den Schatten herum, wenn er schläft und geht so schnell sie kann aus dem Haus, wenn sie merkt, dass er aufwacht. Sie ist wunderschön. Er hat ihre langen, schönen Beine, den weiblichen Rücken, die graue Haut und das graue Haar lange nicht mehr gesehen. Doch er beobachtet sie manchmal durchs Schlüsselloch, wenn sie geht und nicht weiß, dass er wach ist. Dann steht sie da in aller Schönheit im hellen Flur, denn durch das eingebrochene Flurfenster strömt immer ganz viel heller, (reiner, ungefilterter) Sonnenschein in den Flur. Doch da das Schlüsselloch so niedrig liegt, kann er nur ihren schönen Hintern und den Bauch sehen. Wunderschöne Ehefrau. Er liebt sie von ganzem Herzen. Sie redet; mit den Nachbarn vielleicht? Er kennt sie nicht, er kennt sie nicht.
Draußen scheint immer die Sonne. Das ist genauso unabrücklich wie die, seit er denken kann gepflegte Masche der Menschen, nackt herum zu laufen. Es war ja nicht kalt, es war ja auch nicht heiß, man musste sich mit Kleidern nicht vor dem Sonnenlicht schützen. Doch seine Frau, es machte ihn ganz traurig und wütend und noch viel einsamer als bisher schon, sie beobachten zu müssen.
Heimlich, auf dem stillen Teppich im staubigen Licht im Halbdunkeln kniend, überlegt er sich, ob er einfach die Tür öffnen soll und sich entschuldigen.
Sie geht ihm fremd. Doch er hat den überwältigenden Drang sich zu entschuldigen. Es nagt so an seinem Herzen als hätte er eine Raupe in seiner Brust sitzen, die nagt und nagt und nagt. Sie ist so wunderschön, sie ist seine Frau (die Raupe). Sie ist sicher einsam und deswegen betrügt sie ihn. Er ist ihr nicht böse, er muss ihr die Einsamkeit nehmen, denn er ist schuld. Doch er öffnet nicht die Tür, sondern beobachtet wie sie aus dem Schlüsselloch verschwindet. Seine schöne Frau. Er lässt seinen langen Körper sich vor der Türe zusammenfalten. All die langen, beinahe nutzlosen Glieder, denn ihm reichen zwei. Zwei zum Laufen, zwei zum Heben, zwei zum Langstrecken und schleichen genügten doch. Im grauen Haus.
Es (war immer schon) still und staubig und grau dort drin. Das hat keinen besonderen Grund, wirklich nicht. Es liegt auch nicht daran, dass er, der darin lebt und das graue Haus beschlich so traurig war und die einzige Person, die mit ihm hier lebte, geht und ihn betrügt und nur kommt, wenn er tief und fest unter dem sauberen Küchenfenster schläft und sich von seinen Kissen und Decken ganz fest umarmen lässt, als wären es menschliche Körper. Und es gehört zu einer scheinbar schon ewig bestehenden und unveränderlichen Tatsache, dass er darin lebte. In diesem Haus. Aber seine Frau. Traurig entwindet er seine Glieder wieder und schleicht im Haus umher. Er hätte sie aufhalten und glücklich machen sollen, denn er liebt sie. Doch er hat sich nicht rühren können, obwohl ihn nichts lähmte, und nun war sie weg, denn sie war nur da, wenn er schlief. Und dann schlich sie und er träumte und es war so kalt, denn seine Deckenkörper hatten keinen Pulsschlag. Er ist so... traurig und seine Hände waren so lang und grau und sie hatte gesagt sie mochte diese Klavierhände, sie waren zärtlich und schön, doch sie ist nur da, wenn er fest träumte. Von der Küche bis ins Esszimmer, zum Dachboden und wieder zurück. Seine Klavierhände durften sie niemals wieder spielen.
Und er schleicht und sieht zum Fenster hinaus mit der grellgrünen Wiese davor. Denn das verhält sich so: Die Farbe kommt durch das Fenster und wird ausgespuckt, wieder nach draußen und dort lungert die Farbe dann herum bis er, der Bewohner des grauen Hauses, aus dem Fenster sieht und dadurch ist alles noch grüner und noch heller und noch farbintensiver, was ihn zugegebenermaßen (jedes Mal) erschreckt.
Er schleicht über den lautlosen Teppich, sieht durch das Farben lügende Fenster und erschreckt sich (mehr als gewöhnlich). Da sitzt ein Mann auf einer roten Decke und isst Brot! Mit dem Gesicht zu seinem Fenster gewandt! Und er hat schwarzes Haar und braune Haut und ist so überhaupt nicht grau und er trägt eine schwarze Hose und ein rotes Hemd und sieht schrecklich barbarisch aus mit seinen vollen, gekräuselten Schwarzbart. Er macht ihm Angst und schnell duckt er sich im Esszimmer auf den Boden und sein Herz schlägt so schnell und er fühlt sich so unsagbar einsam, weil er das Gesicht eines anderen Menschen gesehen hat. Nicht nur der graue Po seiner Frau und ihren Schatten, nicht seine eigenen Klavierhände und auch nicht die nackten Menschen, die draußen grau in der Entfernung und lachend vorbei schlendern, (ab und an). Denn es ist so, dass ein nahes Gesicht in dem Bewohner des grauen Hauses eine solche Sehnsucht auslöst, dass er noch einmal durch das Fenster sieht. Sein Herz hämmert in seiner Brust vor Angst, dass er schon um die kleine grüne Raupe dort fürchtet, denn der Fremde ist furchteinflößend.
Aber ja, natürlich, er lacht beinahe auf und er hat es vermutlich auch getan, wahrscheinlich hat der lautlose Teppich, über den nur geschlichen wird, das meiste verschluckt und er hat ja auch nicht besonders aufgepasst, ob er lachte. Ein Penner! Die rote Decke! Ja, das ist ein Penner, ein Obdachloser, ein Streuner. Sie bekommen die roten Decken von einem gemeinnützigen Verein und auch das Essen und dann setzen sie sich vor irgendwelchen Häuser und essen und rasten und dann sind sie wieder weg. Kein Grund zur Beunruhigung, kein Grund zur Angst.
Er sieht wieder hinaus, sein Haare stören das Bild, aber sie sind auch gut dort, wo sie sind, dann ist er ein wenig sicherer versteckt. Da ist noch ein zweiter! Vom Fenster kann er zusehen! Er wird ganz aufgeregt. Etwas gepflegter, auch mit schwarzen Haar und ungrauer Haut! Er sitzt da als sei es natürlich dort zu sitzen und zu essen und er ist ernst, ohne Aggressivität und er hat ein Gesicht mit dem er ihn direkt ansieht.
Erschrocken, (entsetzt), taumelt er vom Fenster zurück, greift mit zittrigen Fingern nach einer Decke, um sich zu bedecken, zur Terrassentür und reißt sie auf, (in Panik, in Flucht). Die Farben sind nicht schlimm, warum auch, das hat er gewusst, doch er ist so lange nicht draußen gewesen, dass er es irgendwie vergessen hat.
Nackt und zitternd, nur mit der Decke um sich, geht er auf den Sitzenden zu. Der kaut immer noch auf einem Stück Brot und sieht ihn an als wollte er sagen: „Hab ich das nicht gesagt?“ Das sagt er ohne Ton und das lässt ihn den Schauder vergessen und er kniet sich zu ihm auf die Decke. Die Farben sind über ihn gelaufen und die Gräue fort, doch bevor er Angst davon bekommt, legt sich ein Arm und ihn und es wird dunkel.
Das Insekt hört auf zu fressen, es ist wohl satt und er denkt gar nicht mehr an seine Frau. Sondern er denkt nun daran wie warm und glücklich er sich fühlt, dass seine Decken nun einen Herzschlag haben und dass er nur hochsehen muss, um ein menschliches Gesicht zu sehen. Denn menschliche Gesichter, so ist es schon immer gewesen, lösen Sehnsucht aus, doch dann kann er die Augen schließen und die Umarmung spüren und glücklich sein, auch wenn er schläft, denn niemand schleicht mehr im grauen Haus herum. (Das Brot schmeckt staubig auf seiner Zunge, doch es ist nicht grau.) Es ist nun - (tausend Jahre später) - ziemlich leer und es dauerte nicht lange bis es von einer Tonne Staub begraben war.
2. Der Wanderer
Staub - oder war es Asche? - klebte hartnäckig in den Rillen seiner Stiefelsohle und wurde mit dem einsetzenden Regen zu einer zähflüssigen Masse.
Er war schon Tage unterwegs. Tage und Stunden aus schwarzem Staub lagen auf ihm, er war in seine Kleider und Lungen gekrochen und des Nachts - nicht mehr als das Vergehen von Hellgrau in einen im Spektrum tiefer liegenden Ton - gab es selbst in seinem Geist keinen Ort, an dem er sonst je geschlafen hat. Nichts als weiche, nachgebende, stille Asche- Asche oder Staub, er konnte sich nicht entscheiden. Er hatte den Namen dieser Wüste vergessen. Die Leute am Rand dieses Gebietes hatten ihn gewarnt, dass das passieren würde.
Doch zurück zum unverhofften Regen, der den Staub verklebte und seine Konsistenz änderte, zu einer lebendigen Schlange verformte , dort wo die Tropfen als kleine Flüsse schwarze Dünen entlang schlichen. Sie kicherten über die Erstauntheit der Erde, die seit 1.000 Jahren keinen Regen mehr auf ihrer Haut gespürt hatte. Regen, Wasser, prasste auf sein Gesicht wie ein leises Tippen von Fingerspitzen. Eine Melodie in der Stille.
Zunächst war es nicht zu erahnen gewesen. Wer ahnte auch schone etwas, was seit 1000 Jahren nicht mehr vorgekommen war? Der Himmel war wie stets zu einer unbestimmten Zeit in einen dunkleren Farbton verflossen, doch die Dunkelheit hielt nicht inne. Es wurde dunkler und dunkler, als hätte sie zuvor nur in einer Meditationsübung den Atem flachgehalten und wäre nun erleichtert über das Ende dieser Qual.
Er sah zurück auf seine Füße. Der Regen hatte den flüssigen Sand auf seine Stiefel gespitzt und bei jedem Schritt schluchzte es unser seinen Füßen. Der Wanderer war schon überall auf der Welt gewesen, Wüsten und Dschungel, sonst hätte er sich sicher nicht in an diesen unwirtlichen, gefährlichen Ort gewagt. Sein Blick streift durch die Staubwelt, der es im zunehmenden Maße an den wenigen Licht und Farben mangelte. Es würde eine Sturzflut geben, sollte sich ein Wadi bilden und der Regen zunehmen; das wusste der Wanderer aus Erfahrung. Doch er ahnte die Ruinen, das Geheimnis, unter seinen Sohlen und wartete ab.
Er wartete in einer Welt, die all ihre Farben an die Dunkelheit verspielt hatte. Er wartete, als sich der Staub feucht an seine Hosenbeine klammerte und mit ihm stürzten, zum Schlaf locken wollten.
Ihn verließen die Kräfte. Worauf wartete er?
An einem Ort, wo es vielleicht nichts als pulvrige Vergangenheit gab, die seine Lungen vergifteten. Wer wusste schon, nach 1000 Jahren Trockenheit, ob der Regen nicht auch 1000 Jahre anhalten würde?
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Da war eine Welt unter dem Staub.
Kein Dorf, kein Land, kein Königreich. Eine Welt. Vom ersten Herzschlag im Mutterleib bis zur ersten menschlichen Berührung. Keine ganze Welt, doch genug.
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3. Die Misshandlung des Regens
Der Regen hatte ihn weggeschwemmt, den Wanderer. Und der Regen, dieser Schuft, hatte ihn dabei sanft ausgezogen (vielleicht auch grob und brutal die Kleider vom Leib gerissen. Wer konnte schon sagen, wie tief er schlief und was geschah, wenn er schlief?). Auf jeden Fall hatte der Regen ihn danach allein gelassen. Seine Haut brannte und der Hauch vom restlichen Staub hatte sich in seinen Schürfwunden zur Ruhe gelegt. Er spürte noch die kalten Handabdrücke des Regens klamm auf seiner Haut und seinen salzigen Atem in seinem Mund, der doch überraschenderweise auch die Asche/das Gift aus seinen Lungen gewaschen hatte.
Er raffte sich auf und schloss gequält die Augen als der blaue Himmel gegen seine Pupillen schlug. Er kroch, über weiches Gras, das die frevelhafte Berührung des Regens im Kontrast noch deutlicher machte. Seine Hand, wo er noch harten Staub unter seinen Fingernägeln spürte, fassten in eine Pfütze und als der Gestrandete seinen Blick über sein Giedmaß, seinen Arm, hin zu seinen Händen zog, sah er wie der Rest von Regen den grauen Film von seiner Hand wusch. In Tränenform.
Er fühlte die Träne zu seinem Mund und schmeckte Salz und den Staub und den Dreck. Und der Dreck schmeckte nach dem blendend blauen Himmel und der Welt voller Farben, in der er ganz unverhofft gelandet war.
4. Die Sache mit den Kleidern
Die Frage war, würde seine Haut grau werden, wenn diese zittrigen, staubigen Hände seine heilende Haut im scheuen Liebesakt berührten?
„Es ist ungewöhnlich hier Kleider zu tragen...“
„Es ist verrückt sich so zu entblößen. Würdest du dich schützen, wäre da nicht so viel Staub auf deiner Haut. Es ist in der Luft, ihr atmet ihn. Umweltverschmutzung, und so...“
„Kleider nützen nichts. Der Staub kommt aus der Seele. Atme doch mal tief ein, die Luft ist klar. Die Farben sind rein.“
„Zieh dennoch was an.“
Er reichte ihm das Oberteil und band sich stattdessen den langen Schal um den Oberkörper. Das tat er fast penibel. Graue Augen mit staubblonden Wimpern beobachteten ihn dabei, dann nahmen staubgraue Hände das Oberteil entgegen. Es war viel zu groß, bedeckte den ausgemergelten Körper bis zu den Oberschenkeln.
Der verlorene Wanderer errötete, weil sein Gegenüber auf einmal so weiblich, schmal, zerbrechlich wirkte. Doch solche Begriffe verschwanden schnell, die Schubladen, sein ganzes Mobiliar hatte die Gewalt des Regens weggewischt.
„Bei dir auch?“, fragte der Graue, der ihn geschlechtlich verwirrte und der angezogen noch verletzlicher wirkte.
„Hier auch. Es ist nicht notwendig... aber die Leute schauen aus den Fenstern...“
Langsam drehte sich der graue Mensch um und sah zu den Fenstern, hinter denen sich die Farben verloren und auswuschen, davor lauerten wie ein Film. Er sah keine Augen, er sah niemanden. Ob seine Frau immer noch dort drin herumschlich? Ob sie überhaupt den Unterschied bemerkte? Vielleicht sollte er reingehen und ihr sagen, dass er nicht mehr zurückkam. Sie vor einem Schicksal bewahren, in dem sie auf Zehenspitzen um Decken herumschlich... Vielleicht war sie auch gar nicht mehr wieder gekommen.
5. Die Hausbesichtigung
In einem Alptraum wacht der graue Mensch mit Atemnot in seinem Bett auf. Staub fliegt durch die Luft und verschluckt alle Geräusche außer den seinen: raue Atemnot, perlender Schweiß auf der Haut, das Rauschen der wild flatternden Wimpern, knistern der Laken, kreischende Stille.
Als die Stille wieder die Geräusche überlagert, streckt er zögerlich seinen grauen Körper lang auf dem Bett und befreit sich dabei aus den nun stummen Laken. Die aschblonden Wimpern verkleben im Schlaf, ruhiger flatternd nun, wie die Flügel eines ausruhenden Schmetterlings. Beim Atmen mischen sich kleine Scherben in jeden Atemzug, die seinen Hals zu zerreißen drohen. Er ist nackt - wieder - obwohl er die Schwere der Kleider noch auf seiner Haut spürt. Die Laken sind kalt, wie eine abgestreifte Schlangenhaut, sandig.
Er lauscht auf Schritte, lauscht, ob sie da ist, seine Frau. Die Frau mit dem schönen Gesäß und dem hässlichen Herzen. Er wünscht das Haus wäre leer, er fürchtet er wäre hierher - sei's nur im Traum - zurückgekehrt. Er weiß dass er schläft, sein Herz weiß es nicht. Er möchte jetzt aufwachen, doch er muss den Traum abwarten. Vielleicht war es viel zu unerhört in das Haus zurückzukehren, das der Staub vor 1000 Jahren gefressen hatte? Er fühlt sich in dem Staubschleier so leer, so verängstigt und traurig, dass ihn nicht einmal die Laken trösten könnten.
In diesem Haus ist niemand. Nur schwerer Bleistaub, der unaufdringlich Musik in die Stille malt. Warum wachte er in seinem Bett auf, schlief er nicht sonst unter dem Küchenfenster und war er nicht auf der Wiese vor dem Haus eingeschlafen? Wachte man vielleicht nur in Alpträumen auf, wenn man ohne Illusionen schlafen ging? Er wusste es nicht.
Alles aus der anderen Welt vor dem Fenster liegt noch wie ein Traum oder wie die Berührung des Regens kalt auf seiner Haut. DAS, diese Berührung, ist das einzige was ihn in diesem Alptraum unter all der Atemnot und den Scherben Luft bekommen lässt. Fast so, als würde die Luft nur als ein dünner Luftzug unter dem Dreck, durch seine rein gewaschene Haut sickern, unsichtbar daran kleben bleiben. Er tastet seinen Körper ab, seine Fingernägel glitzern im Staublicht, er ertastet nicht die Kiemen, die ihm Luft verschaffen.
Von einem Herzschlag auf den anderen - zeitlos in diesem Alptraum - seht er sich zurück nach dem Man auf der roten Decke, nach dem Geruch der Wiese, nach den Farben, die vor dem Küchenfenster sicherlich lauerten. Er war vielleicht nicht stark genug, ohne ihn zu leben. Aber er hatte hier gelebt, im Staub geatmet, von der Liebe zu seiner Frau geträumt, zu einem Stern. Es war Zeit aufzuwachen.
6. Eine Ewigkeit bis Sonnenaufgang
Er schlug die Augen auf, irgendwo in dem Zwischenraum von tiefster Nacht und Zeit für den Sonnenaufgang.
Die Farben schliefen wie unsterbliche Tiere neben ihnen, die rote Decke war weich gegen seinen schmerzenden Rücken, niedergepresstes Gras und kleine Stöcke pressten Aufmerksamkeit heischend durch den Stoff seiner Kleider. Die Sterne schickten teilnahmsloses Licht gemeinsam mit kalter Luft nach unten.
Der Andere schlief - er selbst weinte stumm, wollte niemanden wecken, das altbekannte Gefühl der Einsamkeit wollte er mit niemandem teilen. Am Morgen, müde, würden die Farben schwierig zu erkennen sein, die Berührung gefürchtet; aber am Morgen würde offensichtlich, was durch den Traum nur allzu deutlich war: Dass seine Frau das Haus endlich verlassen hatte. Vielleicht war sie zu ihren Nachbarn gezogen? Vielleicht schon weiter, von grauem Haus zu grauem Haus, die ganze Nachbarschaft trocken durchgefickt, ohne Liebe, ohne Regen.
Nun, es wurde offensichtlich. Der letzte Rest Sorge und der letzte Rest Trauer konnte am Morgen nun dem Staub übergeben werden, er konnte endlich weg, nun da er sich um das Haus, in dem er so lange gelebt hatte, gekümmert hatte, ein letzter Kontrollgang. Die Zeit konnte weiter laufen, er war frei zu gehen.