Ficathon:
characters of colour appreciation Fandom: La Haine
Characters: Saïd & Vinz
Genre: hurt/comfort, romance, angst
Rating: P-16
Warning: light violence, a bit of blood
Prompt: mais tu le sais, dis que tu le sais, dis | moi que tu sais que derrière toutes ces conneries | ce n’est jamais dit pour te blesser von
pik_in_aspik Er schlägt zu. Er fragt sich nicht einmal nach dem Warum. Es passiert einfach. Er hat in das viel zu junge, viel zu fröhliche Gesicht geschaut und plötzlich ist da dieser Drang, dem er nachgibt, ohne an die Konsequenzen zu denken. Zuschlagen. Ein Mal. Noch ein Mal. Mitten auf die Nase. Er sieht das Blut, bevor er es riecht. Erst dann hört er auf, blickt auf den nun am Boden Sitzenden hinunter und starrt dann seine Hand an, als wäre sie kein Teil seines Körpers mehr.
»Verflucht, Vinz! Was soll die Scheiße?!«, flucht der Araber, während er den Handrücken gegen seine Nase presst. Das stoppt die Blutung nicht. Nur die Sauerei ist größer.
»Dein Grinsen passt mir nicht. Warum hast du so verdammt gute Laune?«
Besagte gute Laune stirbt mit genau diesen Worten und für ein paar Sekunden ist Saïd der Überzeugung, dass sie niemals wiederkommen wird. Vinz schafft das immer wieder. Genau wie Nordine es ständig hinbekommt, einen guten Tag zu einem beschissenen zu machen, aber wer ist er schon, um sich darüber zu beschweren? Vielleicht sollte er froh darüber sein, überhaupt noch einen Bruder und so etwas wie Freunde zu haben. Allerdings nicht, um auf die Fresse zu kriegen. Ganz sicher nicht.
»Hast du ein sauberes Handtuch?«
Vinz' Augenwinkel zuckt. Keine Antwort. Deswegen folgt auch keine Reaktion seinerseits. Er starrt nur das Blut auf Saïds Hand an und das auf seiner Hose und unter seiner Nase. Dann ist es überall. Nur für ein paar flüchtige Sekunden, doch sie fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Er blinzelt hastig. Das Gras … war nicht gut. Nicht der Stoff, den er sonst von Hubert bekommt. Darauf kann er seinen kurzen Aussetzer schieben, um das, was er getan hat, wieder gut zu machen. Doch er schweigt, während sich Saïd aufrappelt, um selbst nach einem Handtuch zu suchen. Warum regt sich der Junge nicht auf? Warum schlägt er nicht zurück? Warum …
Vinz schnaubt, als er dem Verletzten folgt - mit dem Vorhaben, ihm noch mehr weh zu tun. Doch seine Schritte stoppen, als er die Tür aufschiebt und … Wunden sieht, von denen er keine Ahnung gehabt hat. Blaue Flecken zieren Saïds Rücken. Einige sind so groß, wie eine ganze Hand. Andere ziehen sich in die Länge. Und plötzlich tut es ihm leid, dass er den Jüngeren geschlagen hat. Ihre Blicke treffen sich über den Spiegel. Das Blut ist nur noch ein blasses Rot, tropft weiter ins Waschbecken, nachdem es sich mit dem Wasser vermischt hat, das sich Saïd ins Gesicht gespritzt hat.
»Es …« Vinz würgt die Worte wieder hinunter. Er braucht sich für nichts entschuldigen. Diese Welt ist hart. Ihr Viertel, das sie seit ihrer Kindheit bewohnen, steht vor dem Abgrund. Sie haben nichts mehr zu lachen und wie soll Saïd das lernen, wenn nicht so? »… ist egal.«
»Ach, ist es das, ja?«, hakt der Junge nach, der irgendwie noch an das Gute glaubt - warum auch immer. Alles läuft aus dem Ruder seit dieser Sache, aber … sie haben doch nur noch sich, oder nicht? Auf jemand anderen können sie sich nicht mehr verlassen. Daran hält Saïd fest, auch wenn ihn das manchmal mehr Kraft kostet, als er aufbringen kann. Und solche Momente wie dieser zeigen ihm das sehr deutlich. Er könnte sich umdrehen, könnte den Anderen umreißen und sich mit ihm prügeln, auch wenn Vinz viel größer und viel stärker ist als er, aber … er tut es nicht. Stattdessen schöpft er eine weitere Ladung Wasser und wirft sie sich ins Gesicht. Es ist kühl und es tut gut. Als er wieder in den Spiegel schaut, steht Vinz direkt hinter ihm. Die Tür ist geschlossen, das Licht so grell, dass es ihm in den Augen weh tut und sein Kopf wird zu einem einzigen Chaos.
»Bekomme … ich jetzt ein Handtuch?«, wiederholt er seine Frage von zuvor, weil er den Blick in den hellen Augen seines Freundes nicht deuten kann. Jetzt ist er an einem Punkt, an dem er sich davor fürchtet, sich umzudrehen. Das ist keine Sache des Könnens mehr. Er wünscht sich, Hubert wäre hier. Er ist wie eine Mauer zwischen ihnen, die sich nicht überwinden lässt und deswegen für Ruhe sorgt. Vielleicht hätte er Vinz für diese Aktion eben auch eine verpasst. Aber ihr Großer ist nicht hier, hat irgendwelche Dinge zu regeln, wie er es genannt hat.
»Du bekommst eins, wenn du mir sagst, warum du immer noch grinsen kannst, bei all der Scheiße um uns herum.«
Vinz ist so nahe, dass sein Atem von Saïds Nacken zurückgeworfen wird. Er könnte eine Hand heben und die blauen Flecke berühren. Er tut es nicht. Dafür lehnt er seine Stirn an den kurz geschorenen Schopf. Er mochte die lockigen Haare mehr, aber das kann er nicht sagen, denn schließlich ist er Schuld daran, dass von ihnen kaum mehr was übrig ist.
Saïd ist sich nicht sicher, was er darauf antworten soll, also hebt er die Schultern und starrt auf die rötlichen Flecken hinunter, die er immer noch im Waschbecken hinterlässt. Die Nähe irritiert ihn. Sein Herz schlägt unregelmäßig. Gleich bleibt es stehen, denkt er sich. Gleich fällst du einfach um und dann ist es vorbei. »Was stimmt nicht mit dir?«
»Mit mir?«
»Ja, mit dir. Was soll der Scheiß?«
Der eigentümliche Kontakt zwischen ihnen verschwindet und Saïd ertappt sich dabei, dass er ihn vermisst. Ganz kurz nur. Nicht länger als ein einzelner Atemzug. Und Vinz betrachtet die schwarzen Haare vor sich, ehe er den Blick abwendet, an dem Jüngeren vorbei tritt und aus dem einzigen Schrank in diesem winzigen Bad ein Handtuch herausholt. Es sieht nicht sonderlich sauber aus, aber er drückt es dem Anderen dennoch in die Hand, ehe er ohne ein weiteres Wort den Raum verlässt. Sekunden später hört Saïd das knarrende Lattenrost von Vinz' Bett. Er trocknet sich das Gesicht ab und legt sich das Handtuch dann um den Nacken. Sein Shirt ist eingesaut. Er könnte fragen, ob er sich ein Frisches leihen kann, aber … er könnte sich auch einfach wieder anziehen und verschwinden. Nordine würde das Blut auffallen und es würde ihm nicht gefallen, aber was kann dann schon noch schlimmer werden als das, was eben passiert ist? Nun … einiges. Deswegen steuert er das Zimmer seines Freundes an, schiebt die Tür lautlos auf und schließt sie direkt hinter sich. Vinz liegt quer über dem Bett, mit dem Gesicht Richtung Wand. Die Augen geschlossen hofft er darauf, dass Saïd verschwindet, so wie es der gesunde Menschenverstand verlangt. Sieht aus, als würde er enttäuscht werden. Doch als sich das Bett bewegt und sich wenig später eine warme Brust an seinen Rücken schmiegt, reißt er sie auf und merkt recht schnell, dass von diesem besagten Menschenverstand nicht einmal mehr ein Hauch übrig ist. Sein erster Impuls lässt haarsträubende Bilder vor seinem inneren Auge ablaufen. Der zweite geht die Sache schon etwas ruhiger an, lässt ihn zwar erstarren, aber wenigstens weiter an die Wand starren, anstatt sich mit den Fäusten wieder Abstand zu erarbeiten.
»An was soll ich mich denn festhalten, wenn ich nicht mehr lachen darf?«, hört er Saïds leise Worte. Sie treffen die feinen Härchen über dem Kragen seines Shirts und er schwört sich, dass er den Idioten umbringen wird, wenn der sein Shirt voll blutet! Allerdings bringt die Frage ihn so sehr aus dem Konzept, dass er noch immer nicht wegrücken kann.
Die Antwort zerdenkt er nicht. Zu schnell kommt sie über seine Lippen. »An mir …«
Vorsichtig streift die dunkle Hand seine Seite, dann schmiegt sie sich an seinen Bauch. »Aber du schlägst mich auch … genau wie mein Bruder.«
»Die blauen Flecke sind von Nordine?«, fragt Vinz leise, weil er es sich viel zu gut vorstellen kann, es aber nicht glauben will. Saïds Bruder ist eine Art Messias in ihrem Viertel. Der gute Geist, der noch immer versucht, sie zusammenzuhalten, auch wenn er wohl selbst nichts lieber tun würde, als jeden einzelnen Polizisten an den Pranger zu stellen. Vielleicht liegt das an diesem einen Beamten, den sie alle kennen. Nordine vermutlich nur etwas besser als alle anderen.
»Nicht alle, aber die meisten.« Saïd drückt das Gesicht an die breiten Schultern. Vinz riecht immer etwas nach Zimt und Kardamon. Aber gerade wird dieser typische Geruch von einem anderen überlagert, der ihm nie aufgefallen ist. Der gefällt ihm noch mehr und er kann es sich nicht erklären. Vielleicht spielt es auch keine Rolle. Nicht jetzt. »Ich kann mir vorstellen, warum ihr das tut, aber es wird mich nicht ändern. Ich habe doch sonst nichts mehr und wenn wir uns alle nur noch von dem Hass auf alles leiten lassen, dann können wir uns auch erschießen lassen. Dann wäre alles wieder gut.«
Vinz runzelt die Stirn und dreht sich so heftig um, dass Saïd fast von der Bettkante rutscht. Etwas zu fest krallt er sich an dem Anderen fest, was gar nicht nötig wäre bei dem harten Griff, der folgt. Langsam lässt die Wirkung des Grases nach. Vielleicht hofft er das auch nur. Er hat Vinz schon oft wütend erlebt, aber das hier ist ein anderes wütend.
»Was redest du da für einen Schwachsinn?! Du willst dich erschießen lassen? Ist das deine Lösung? Bist du bescheuert?« In der Hoffnung, diesen Unsinn auf diese Weise aus dem Jüngeren herauszubekommen, schüttelt Vinz ihn, bis Saïds Zähne aufeinanderschlagen. »Wir tun das, weil wir nicht wollen, dass sie dich kaputt machen! Du musst stärker werden, damit du überleben kannst! Damit du dich wehren kannst, wenn es zählt!«
Wehren …
Saïd presst die Lippen aufeinander und greift nach den fremden Handgelenken, drückt zu so fest er kann. »Du schlägst mich, weil ich noch Hoffnung habe? Damit ich stärker werde? Das ist auch nur eine andere Art von Hass!«
Als Vinz ihn nicht loslässt, lässt er seinen Kopf nach unten sausen und tritt mit seiner Stirn frontal die des Überraschten. Der Schmerz folgt sofort und breitet sich in seinem ganzen Kopf aus, aber der unter ihm Liegende sieht so entsetzt aus, dass Saïd damit leben kann. Ein Blinzeln. Offene Lippen, aber keine Worte. Seine Schultern werden losgelassen.
»Ich … hasse dich nicht«, murmelt Vinz schließlich leise. »Ich … ich tue das, weil … weil du mir wichtig bist. Ich will dich nicht verlieren. Ich will nicht, dass du so endest wie Abdel. Das könnte ich nicht ertragen. Ich würde sie alle töten. Jeden Einzelnen.«
Er sieht Saïd nicht an, als er das sagt. Bloßgestellt. Verletzlich. Schon allein dafür sollte er dem Mistkerl noch eine verpassen. Doch lieber dreht er den Kopf weg und sucht abermals nach einem Punkt an der Wand, den er anstarren kann. Davon gibt es so viele, dass er keinen Fokus findet. Dann setzt sein Herzschlag aus. Es ist nicht der erste Kuss, den Saïd ihm auf die Wange drückt. Das ist etwas, das zur Gewohnheit geworden ist. Warum also fühlt er sich so anders an und warum hat er das sehr dringende Bedürfnis, den Kopf wieder zu drehen, um den Kuss auf die Lippen zu bekommen? Die Frage erübrigt sich, als sich eine warme Hand unter seine Wange schiebt, die Bewegung begleitet und Vinz hat die Augen schon geschlossen, ehe sich die nicht ganz so weichen Lippen auf seine drücken. Flüchtig nur. Dann bettet Saïd den schweren Kopf auf seine Brust und schließt die Augen, lauscht dem viel zu schnellen Herzschlag.
»Ich brauche nicht noch mehr Schläge. Aber mehr davon wäre doch nicht verkehrt, oder? Ist das zu viel verlangt?«
Die Frage ist so idiotisch, dass Vinz in einer anderen Situation, high und daueraggressiv, darüber gelacht hätte. Aber er ist nicht mehr high. Und seltsamerweise auch nicht mehr wütend.
»Eigentlich nicht«, sagt er viel zu leise.
»Dann ist ja gut«, antwortet Saïd und schweigt dann, bis nur noch tiefere Atemzüge von ihm zu hören sind und er Vinz mit seinen wirren Gedanken und seinem rasenden Herzen einfach so allein lässt.
Es sind so viele Gründe.
So viele Gründe, um jedes Mal wieder auszurasten.
Nur nicht dann, wenn die Lippen noch prickeln, die Wärme des anderen Jungen sich mit der eigenen verbindet und die Geräusche draußen vor dem Fenster immer leiser werden.
Er schließt ebenfalls die Augen. Er fragt sich nicht einmal nach dem Warum. Es passiert einfach.