Feb 07, 2007 10:49
Dies ist eine meiner Geschichten über die Wüste, sie gehört zu mehreren die ich über dieses Thema geschrieben habe.
Prompt# 050 - Angst
Schwarze Augen
Ich mache einen Ausflug in die Wüste. Die Sonne scheint heiß, aber es ist eine trockene Hitze und deswegen macht mir das nicht so viel aus. Mein Ziel ist dieser Wald aus Joshuas, ungefähr noch drei Kilometer entfernt von hier. Mein Auto steht bei den rosafarbenen Hügeln. Es ist rosafarbiger Granit, er leuchtet in der Sonne. Ein lustiger Anblick, als wenn der Felsen über irgend eine Bemerkung erröten würde. Sieht hübsch aus.
Hier endet die befestigte Straße und ich muss den Wagen stehen lassen. Ich habe mir vorgenommen, mindestens bis zu den Joshuas zu gehen, um dort nach schönen Steinen zu suchen. Beim letzten Besuch habe ich gesehen, dass dort viele große Brocken herumliegen und ich möchte mir welche für meine Sammlung suchen. Ich habe meinen blauen Rucksack dabei, damit die Schlepperei nachher nicht so anstrengend wird. Genug zu trinken habe ich auch, der Ausflug wird schön, ich bin guter Dinge.
Das bleibt leider nicht lange so. Kaum bin ich die Hälfte des Weges gegangen, als Wind aufkommt. Ich mag es ja etwas windig, aber leider kommt er von vorne und bläst mir den ganzen Sand scharf und schmerzhaft ins Gesicht. Zum Umkehren ist es zu spät, also kämpfe ich mich vorwärts. Irgendwie habe ich das Gefühl, als sollte ich davon abgehalten werden, mein Ziel zu erreichen. Es wäre soviel einfacher, einfach umzukehren, dann hätte ich den Wind im Rücken und könnte mich sogar schieben lassen. Ich wäre dann schnell wieder an meinem Ausganspunkt angelangt. Dafür bin ich aber zu stur. So schnell will ich meine Pläne für heute nicht aufgeben.
Verbissen stapfe ich durch den Sand und das Geröll, den Kopf nach unten und die Augen hinter meinem Schal halb verborgen. Frühere Ausflüge haben mich gelehrt, immer ein Baumwolltuch dabei zu haben, damit ich mein Gesicht schützen kann. Ich kann jetzt schon die Silhouetten der Bäume ausmachen, anklagend recken sie die puscheligen Arme in den Wind und es sieht fast aus, als würden sie mich anflehen wieder umzukehren. 'Was ist denn heute bloß los hier,' denke ich verwirrt. 'Irgendwie fühlt es sich an, als wäre ich nicht erwünscht.' Ich bin wirklich verwirrt, denn ein bisschen Wind ist eine Sache, aber dieses Gefühl nicht willkommen zu sein, das hatte ich noch nie und es bringt mich ziemlich durcheinander.
Nun, der Wind hat es nicht geschafft mich von meinem Ziel abzubringen. Atemlos stehe ich zwischen den sich im Wind beugenden Joshuas, es raschelt und rauscht um mich herum und ist so laut, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Der Wind heult jetzt richtig wie ein wildes Tier und langsam richten sich mir die Nackenhaare auf. Von allen seiten kommen Stöße, die Böen können sich nicht für eine Richtung entscheiden, treiben mich zwischen den seltsamen Bäumen hin und her als wollten sie mich gegenseitig in ihre Arme treiben. Es ist, als mache die Wüste ein Spiel mit mir, als wäre ich heute eines ihrer Opfer und sie wäre darauf aus, mir das Leben in ihrem Revier schwer zu machen.
Verzweifelt halte ich nach einem windgeschützten Platz Ausschau. 'Da hinten ist einer von den ganz alten Joshuas, ich werde mich im Windschatten seines Stammes verbergen und diesen Sturm abwarten. Hoffentlich hört das bald auf!' Während ich noch die Kraft sammle um den Alten zu erreichen und mich dem Wind entgegen stelle, ist plötzlich Windstille und ich falle nach vorne auf die Knie, weil die Kraft die sich mir entgegen gestellt hat so abrupt verschwunden ist. Zum ersten Mal kann ich tief durchatmen, ohne Sand zwischen die Zähne zu bekommen.
Irgendwie ist mir klar, dass das nur eine kurze Gnadenfrist ist und ich beeile mich, zu dem dicken Baumstamm zu gelangen. Reuevoll denke ich daran, dass ich ein Seil im Auto habe. 'Wenn ich das doch nur mitgenommen hätte, ich würde mich wahrscheinlich damit am Baum festbinden.' Ein bisschen muss ich ja schmunzeln in Gedanken an diese Vorstellung, wie ich da mitten in der Wüste an so eine Wüstenpflanze gebunden bin, als wäre ich auf einem Schiff und würde mich im Sturm an den Mast binden, damit ich nicht von Bord geweht werde.
Das Schmunzeln vergeht mir schnell, denn jetzt setzt der Sturm wieder ein und ich erreiche meinen Zufluchtsort gerade noch rechtzeitig, um mich festzuklammern und die Böen über mich hinwegbrausen zu lassen. Als wenn das noch nicht genug Ungemach wäre, fängt es plötzlich auch noch an zu regnen. Ich war so beschäftigt damit, durch den Sturm zu kommen, dass ich die dunklen Gewitterwolken nicht bemerkt habe. Der einsetzende Regen macht mich auf der Stelle klatschnass, ich fühle mich als stünde ich unter der Dusche. Und der Regen ist nicht mal warm, oh nein, er ist kalt und hier stehe ich nun, angeschmiegt an eine schuppige Baumrinde, umklammere den Stamm als wollte ich mit meinem neuen Freund verschmelzen, nass bis auf die Knochen und meine Zähne fangen an zu klappern.
'Bitte erinnert mich daran, das nächste mal wasserdichte Kleidung mit in die Wüste zu nehmen.' Ich versuche meinen Humor zu bewahren, bin aber bald so mit Zittern beschäftig, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Und dann habe ich Halluzinationen. Zumindest denke ich das, denn was ich da sehe, kann ja wohl nicht wirklich geschehen, oder? Etwas von meinem hübschen Plätzchen entfernt steht noch ein alter Joshua, und ich kann in seiner Krone zwei Gestalten ausmachen. Menschen. Und beide sind nackt. Ich glaube, mir steht der Mund auf, denn plötzlich habe ich den Regen im Hals und verschlucke mich, fange an zu würgen und zu husten. Die beiden Gestalten im Baum hören mich nicht, sie sind ziemlich mit sich beschäftigt. Ich fange an, an meinem Verstand zu zweifeln. Hier stehe ich in der Wüste und sehe einem Liebespaar in einer Baumkrone beim Sex zu. 'Ist ja wohl kaum möglich, ich muss träumen, wahrscheinlich bin ich bewusstlos und liege irgendwo in dieser staubigen Hölle und keiner wird mich hier jemals finden.'
Es ist aber irgendwie schwer etwas als einen Traum abzutun, wenn man frierend und zähneklappernd im schüttenden Regen steht. Fasziniert schaue ich den beiden also weiter zu. Sie ist klein und wohlpropotioniert, mit rabenschwarzen langen Haaren die ihr ins Gesicht hängen. Der Mann ist größer und er hat rote Haare, eine kräftige und muskulöse Gestalt und - im Moment bevor er den Höhepunkt erreicht kann ich es sehen - die blauesten Augen die ich jemals gesehen habe. Nicht einfach nur so blau, sondern blau wie das Meer, wie der Himmel, wie dunkelblauer Samt. Völlig hingerissen gaffe ich und begleite die beiden durch ihren Orgasmus, der, zusammen mit Blitz und Donner, die jetzt gewalttätig einsetzen, eine Ewigkeit zu dauern scheint und der beide völlig verausgabt, so dass sie schließlich erschöpft zusammenbrechen und keuchend nebeneinander liegen.
Und dann hebt die Frau ihren Kopf und schaut mich lächelnd an und ich mache mir vor Schreck fast in die Hose. Sie schaut mir direkt in die Augen. Sie hat völlig schwarze Pupillen, und während ich nichts anderes machen kann als ihr in die Augen zu starren, merke ich, wie mir schwarz vor den Augen wird. Plötzlich ist mir schwindelig und ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten, die Geräusche des Gewitters werden immer leiser und dann - höre und sehe ich nichts mehr.
Ich weiß nicht, wie ich an diesem Tag wieder nach Hause gekommen bin. Nachdem ich kurze Zeit später aufgewacht bin, klatschnass und eiskalt, habe ich meinen Rest Kraft zusammengenommen und bin den Rückweg zum Auto fast gerannt, obwohl ich so erschöpft war. Ab nach Hause und eine heiße Dusche und dann ins Bett und dann - oh Mann, die Träume die ich dann hatte, heiß und feucht und atemberaubend und verwirrend. 'Ich weiß nicht, ob ich noch bei Verstand bin. Davon kann ich doch auch niemandem erzählen, jeder würde mich für verrückt halten. Aber diese schwarzen Augen verfolgen mich und ich habe Angst, dass, wenn ich schlafe, ich jedesmal von dieser Frau träumen werde. Sie macht mir Angst. Was soll ich bloß tun?'
Die Wüste