D. Die AG
Parallel zur Vorbereitung alleine gründete ich mit drei Freundinnen eine AG. Wir trafen uns ein Jahr lang einmal wöchentlich für vier Stunden (inkl. kurze Pause). Reihum brachte eine von uns einen großen Fall zu einem vorher festgelegten Thema (z.B. „EBV“ oder „Mord/Totschlag“) mit. Die anderen drei bekamen jeweils ca. eine halbe bis ganze Stunde Zeit, um vor Ort jede für sich eine Lösungsskizze anzufertigen. Die AG-Leiterin der Woche nutzte diese stille Arbeitszeit meist, um ihre Lösung noch einmal durchzugehen oder noch etwas nachzulesen. Anschließend lösten wir den Fall wie in einer mündlichen Prüfung. D.h. die AG-Leiterin nahm uns dran und wir prüften, nach Möglichkeit im Gutachtenstil.
Den AG-Plan hatten wir vorher gemeinsam festgelegt. Die Fälle sollten abwechselnd aus dem Zivilrecht und Ö-Recht/Strafrecht kommen (Verhältnis 2:1:1). Wegen der unterschiedlichen Bedeutung der Teilrechtsgebiete waren die Vorgaben mal recht detailliert („EBV“; „Meinungs- und Versammlungsfreiheit“) und mal eher grob („Arbeitsrecht“; „Baurecht“).
Zur besonderen Herausforderung wurde für uns, dass wir uns alle unterschiedlich auf das Examen vorbereiteten: eine bei hemmer, einer bei AS-Kleingruppe und eine beim Unirep. Für mich war es noch am Einfachsten; ich hatte ja nach einem halben Jahr AG den Stoff schon einmal komplett durch. Im Nachhinein wäre es sinnvoll gewesen, noch stärker darauf zu achten, dass wir in der AG nur Rechtsgebiete behandeln, die alle schon einmal in ihrer eigenen Vorbereitung gehabt haben. Das gilt insbesondere für die Nebengebiete, die man dafür am Besten ans Ende des AG-Planes verbannt.
Andererseits war die heterogene Zusammensetzung der AG auch ein Vorteil, denn so konnten wir aus verschiedenen Quellen die besten Erklärungen und Merksprüche abgreifen.
Insgesamt war die AG eine große Bereicherung. Ich kann jeder und jedem nur ans Herz legen, sich ebenfalls eine Lerngruppe zu suchen, egal wie man sich ansonsten vorbereitet. Man lernt unheimlich viel im Gespräch mit den anderen, übt, bekommt Fehler korrigiert, die man sonst im Examen gemacht hätte - und nebenbei macht es auch richtig Spaß! Wir hatten jedenfalls immer viel zu lachen.
E. Der Klausurenkurs
Nach einem knappen halben Jahr begann ich Klausuren zu schreiben. Dass das wichtig ist, ist allgemein bekannt. Damit (erst) ca. sechs Monate nach Beginn der Examensvorbereitung zu anzufangen ist auch sinnvoll, denn dann hat man bereits einen Grundstock an Wissen, mit dem man sich durch eine Lösung kämpfen kann.
Ich habe knapp 30 Klausuren geschrieben und abgegeben, sowohl im Unirep-Klausurenkurs als auch bei hemmer, wo damals in Münster die Klausurbesprechungen (bei Jan Jakob und Christian Pope) sehr, sehr gut waren. Außerdem habe ich zu weiteren Klausuren Lösungsskizzen angefertigt. Das ist sinnvoll, sobald man den Eindruck hat, dass man beim Schreiben kein Problem mit der Zeiteinteilung hat. Mit Lösungsskizzen kann man gut üben, die Schwerpunkte einer Klausur zu erkennen, eine Falllösung sauber zu gliedern und sowohl Definitionen als auch Streitstände zu wiederholen. Die Zeit, die man spart, weil man keine ausformulierte Lösung erstellt, kann man dafür aufwenden, Probleme nachzulesen, die man in der Klausur nicht beantworten konnte.
Ich habe ja recht wenige Klausuren geschrieben und ein paar Mal überlegt, ob es besser gewesen wäre, mehr zu schreiben. Am ehesten hätte es sich vermutlich gelohnt, solche Klausuren zu schreiben, in denen sehr viele bekannte Probleme in verhältnismäßig kurzer Zeit abgefragt werden. Denn in solchen Klausuren kann man gut überprüfen, ob man ebendiese Probleme „auf der Pfanne“ hat und z.B. in der Lage ist, die verschachtelte Prüfung eines Kostenbescheids im POR souverän aufzubauen. Wer sich bereits eine Weile aufs Examen vorbereitet, dürfte in der Lage sein, solche Klausuren am Sachverhalt zu erkennen.
F. Doch noch zum kommerziellen Rep: Der Crashkurs
Nach über einem Jahr selbstständiger Vorbereitung hatte ich Lust, mich doch auch mal berieseln zu lassen. Außerdem fand ich es beruhigend, von einem Profi präsentiert zu bekommen, was jedenfalls zum relevanten Stoff gehören würde. Da mir der AS-Crahskurs vor Ort zu sehr auf aktuelle Rechtsprechung fokussiert war, buchte ich den Crashkurs bei hemmer, über deren Dozenten ich dank meiner Freundinnen auch mehr (überwiegend Positives) gehört hatte.
Letztlich hat sich der Kurs etwa zur Hälfte gelohnt. Die Materialien zu Strafrecht, Arbeitsrecht, ZPO und Ö-Recht waren für mich sehr nützlich. Arbeitsrecht und ZPO hatte ich überdies bis dahin ziemlich vernachlässigt, weil ich kein Buch gefunden hatte, das mir den Stoff in dem von mir gewünschten komprimierten Umfang vermittelte; hier hat mir der Kurs zwei sehr schöne Noten in den Examensklausuren beschert. Ansonsten wirkte der Kurs wirklich vor allem beruhigend: Kaum etwas Neues, ich hatte also nichts Wesentliches übersehen gehabt.
G. Aktuelle Rechtsprechung
Vom Prüfungsamt Hamm hatte es in einer Info-Veranstaltung den Hinweis gegeben, dass es ca. fünf bis acht Monate dauere, eine Klausur zu erstellen. Da Klausuren oftmals auf aktuellen rechtlichen Entwicklungen beruhten, sei man gut beraten, in dieser Phase die Rechtsprechung und die Ausbildungszeitschriften besonders genau zu beobachten.
Die letzten Monate vor den Klausuren verbrachte ich deshalb u. a. damit, mir einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zu verschaffen. Dafür wertete ich die Urteilsbesprechungen mehrerer Ausbildungszeitschriften für das Jahr 2009 aus (bei Klausurentermin Februar 2010). Urteile, die mehrfach besprochen wurden oder mir wegen ihrer Thematik examensrelevant erschienen, kamen auf meine Leseliste. Insgesamt las ich so innerhalb von drei Wochen ca. 150 Urteilsbesprechungen.
Auch wenn keines dieser Urteile im Examen drankam, war diese Arbeit dennoch sinnvoll, denn auf diese Weise wiederholte ich kurz vor den Klausuren noch einmal die verschiedensten Gebiete und bekam ein ganz gutes Gefühl dafür, was die Welt der Juristerei gerade bewegt. Dazu kam das angenehm gute Gewissen, mir jedenfalls keinen Vorwurf machen zu müssen, wenn im Examen aktuelle Rechtsprechung verwurstet würde. Und wir wissen ja alle: Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.