Gradwanderung - Prolog

Dec 23, 2009 19:47

Titel: Gradwanderung
Kapitel: Prolog: "Und so beginnt es..."
Autor: sommerschnee
Warnungen: PG-13
Pairing : Taito (in späteren Kapiteln)

Taichi schmiss seine Schuhe mit einer solchen Wucht in die Ecke, dass sie von der Wand abprallten und gegen die Kommode stießen, von der daraufhin sein Festnetztelefon herunter fiel.
Fluchend ging er zur Kommode, sammelte erst einmal seine Schuhe ein und räumte sie vernünftig in den Schuhschrank bevor er das Telefon aufhob und dann noch lauter fluchend versuchte die Batterien wieder zu finden die beim Sturz aus dem Telefon gefallen waren.
Heute war wirklich so ein Tag an dem einfach alles schief gehen musste. Offensichtlich hatte es nicht gereicht, dass die Arbeit ihm heute den letzten Nerv geraubt hatte. Sein Chef hatte heute der gesamten Abteilung eine riesige Standpauke gehalten weil sie den Williams-Bericht erst eine Stunde vor Abgabetermin eingereicht hatten.
Taichi konnte so etwas nicht verstehen. Warum gab er ihnen überhaupt einen Abgabetermin wenn er den Bericht eigentlich schon viel früher haben wollte? So etwas grenzte Taichis Meinung nach an Wahnwitz. Warum bekamen immer solche Menschen die Chefposten? Taichi wusste, dass er gut in seinem Job war. Es machte ihm keinen Spaß, aber er war gut. Aber es hatte ihn ewige Anstrengungen gekostet um überhaupt zum Teamchef befördert zu werden und ihm war klar, dass er niemals höher kommen würde. Dafür war er zu offen. Wenn es notwendig war sagte er seine Meinung und er kuschte nicht, nur weil irgendein Boss gerade mal eingefallen war, dass er gerne alle Pläne über den Haufen werfen würde.
Jedenfalls war der Tag grässlich gewesen. Nach dem Ausraster vom Chef war die Stimmung gedrückt gewesen und obwohl es dafür eigentlich überhaupt keinen Grund gab hatte jeder einzelne seiner Kollegen die Mittagspause ausfallen lassen.
Die Mittagspause!
Das war doch der einzige Teil des Arbeitstages auf den Taichi sich immer freute.
Er fand die zweite Batterie schließlich hinter der Fußleiste die sich gestern gelöst hatte als er voller Wut dagegen getreten hatte. Taichi seufzte. Er musste seine Agressionen wirklich in den Griff bekommen. Aber der einzige Weg dazu war wahrscheinlich, dass er seinen Job kündigte und sich einen neuen suchte.
Taichi stellte das Telefon wieder in die Aufladestation und ging ins Wohnzimmer. Er wusste selbst, dass das nicht passieren würde. Natürlich hasste er seinen Job, aber er hasste ihn nicht genug um ihn zu kündigen und um sich aufzuraffen einen Neuen zu suchen.
Nicht, dass er auf dem Arbeitsmarkt wirkliche große Chancen hatte. Sein Schulabschluss war ganz passabel, er hatte nie eine offizielle sondern nur die firmeninterne Ausbildung gemacht, geschweige denn dass er jemals überhaupt an ein Studium gedacht hatte.
Und auch wenn er genug Geld verdiente um ein halbwegs vernünftiges Leben zu führen war es nicht genug Geld um ein Abendstudium oder ähnliches anzufangen.
Manchmal bereute er es, dass er nach der Schule diesen Job angenommen hatte. Aber sobald die Reue aufkam zwang er sich den Gedanken zu vergessen und in die „Lieber-wieder-gleich-vergessen-Schublade“ zu schieben. Damals hatte er der Situation entsprechend die bestmögliche Entscheidung getroffen. Es brachte nichts sich jetzt darüber aufzuregen, was geschehen war war geschehen.
Zumindest versuchte er sich das immer einzureden. Und ab und zu funktionierte der Gedanke sogar.
Taichi versuchte seinen Hals zu entspannen in dem er den Kopf nach links und rechts bewegte, erstaunt bemerkte er, dass irgendetwas seine Bewegung hinderte griff sich an den Hals und erkannte erst jetzt, dass er immer noch seinen Schal trug.
Müde warf er seinem Sofa einen sehnsüchtigen Blick zu bevor er wieder in den Flur zurück ging um seinen Schal aufzuhängen. Sein Blick fiel erneut auf die Kommode, das Telefon stand etwas anders als zuvor und zeigte nun so, dass er schon viel zu lange keinen Staub mehr gewischt hatte.
Er trat an die Kommode heran und strich mit einem Finger über die Oberfläche, verzog sein Gesicht als er erkennen musste dass seine Fingeroberfläche schon nach wenigen Zentimetern grau war.
Damit wusste er wohl wie sein Abend aussehen würde. Er musste putzen. Es kam zwar nicht all zu oft vor, aber ab und zu standen am Wochenende einfach seine Eltern vor der Tür. Und da heute bereits Freitag war sollte er lieber auf Nummer sicher gehen und putzen.
Er wollte gerade schon ins Bad gehen um die Putzmittel heraus zu holen als ihm eine Ecke der Kommode auffiel in der weniger Staub war als in den anderen. Irgendetwas hatte wohl dort gestanden und er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern was es gewesen war.
Die wahrscheinlichste Lösung war.... Taichi ging mit einem Seufzer in die Knie und griff in die Ecke zwischen Wand und Kommode. Es dauerte nur wenige Sekunden bevor sich seine Hand um etwas festes schloss, er zog es heraus und schloss dann für einen Moment die Augen als er erkannte was es war.
Natürlich war es genau der Gegenstand in dieser Wohnung den er jetzt am wenigsten sehen wollte. Er hätte das Foto schon längst wegräumen sollen... in irgendeine Ecke, in eine Kiste, dahin wo er all die anderen Erinnerungen versteckt hatte.
Es war das Foto, dass alle acht Digiritter zeigte, kurz nach dem letzten Kampf, als sie für einen Moment alle entspannt und glücklich gewesen waren. Damals waren sie elf und bereits Helden. Es war ein guter Augenblick gewesen.
Normalerweise hätte Taichi das Foto wahrscheinlich noch nicht einmal aufgestellt. Aber Hikari hatte es ihm geschenkt und darauf bestanden es im Flur aufzustellen. Eigentlich hatte sie sogar gesagt er müsse es an die Wand hängen, aber er wusste wie er war wenn es um handwerkliche Dinge ging und hatte es besser gelassen.
Wann war das Bild nur runtergefallen? Er zog den Ärmel seines Pullovers über seine Hand und befreite so den Bilderrahmen von Staub bevor er es wieder an seinen Platz stellte.
Das Putzen konnte auch noch einen Moment warten. Erst einmal etwas Essen und ein Bier trinken, dass hatte er sich jetzt verdient.

*

Es klingelte genau an seiner Tür als er gerade das Essen fertig hatte und die Dose Bier öffnen wollte. Taichi widerstand dem Drang das Bier in die nächste Ecke zu werfen und stellte es stattdessen auf der Arbeitsplatte ab.
Eigentlich hatte er sich doch denken können, dass es so enden würde. Wenn ein Tag schon schief lief, dann doch auch komplett. Wer störte ihn denn nun beim Essen? Ihm fiel niemand ein, der an einem Freitag Abend einfach so vor seiner Tür stehen würde.
Er zögerte einen Moment mit der Klinke in der Hand und überlegte ob er vielleicht einfach so tun sollte ob er nicht da war. Dann schüttelte er den Kopf: Das würde ihm auch nichts bringen.
Als er jedoch die Tür geöffnet hatte erstarrte er. Vor ihm stand ein junger Mann, hoch gewachsen und schmal gebaut mit blondem, verwuschelten Haar und fast schon femininen Gesichtszügen die ihm aber so sehr bekannt vorkamen, dass...
„Yamato?“, rutschte es ihm raus, bevor er darüber nachdenken konnte und die Person die ihm gegenüber stand schüttelte den Kopf. Taichi merkte erst wie schnell sein Herz geschlagen hatte, als ihm klar wurde wer ihm tatsächlich gegenüber stand und es sich schmerzhaft zusammen krampfte.
So ein Fehler war ihm ja noch nie passiert. Der Tag musste sogar noch anstrengender gewesen sein, als er eigentlich gedacht hatte. „Takeru.“, sagte er nun und nickte dem Jungen kurz zu. Natürlich, Yamato war ebenso alt wie Taichi, er hatte sicherlich schon all die jugendlichen Züge verloren die man in Takerus Gesicht aber immer noch wiederfand. „Entschuldige, es war ein langer Tag und du hast mich überrascht.“
Takeru lächelte ihm besänftigend zu. „Das ist doch kein Problem. Wir hätten vorher anrufen sollen. Können wir trotzdem reinkommen?“
Erst jetzt bemerkte Taichi die Person die neben Takeru stand. „Hikari.“ Er bekam ein Lächeln geschenkt „Hallo Bruder.“
Taichi ließ die Tür los um seine Schwester zu umarmen - erst jetzt wurde ihm klar, dass es bereits einige Wochen her sein musste, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte - bevor er zur Seite trat um die beiden in die Wohnung zu lassen. „Natürlich.“, erklärte er „Geht nur durch, ihr kennt euch ja aus. Kann ich euch irgendetwas zu trinken bringen?“
„Hikari jammert schon den ganzen Weg, dass sie gerne einen Kaffee hätte.“, erklärte Takeru während er seine Schuhe auszog und verdiente sich damit einen Stoß des Mädchens in die Seite. „Und ich hätte gerne ein Glas Mineralwasser wenn es geht.“
„Kein Problem. Setzt euch schon einmal hin, dann mache ich eben alles fertig.“ Er ließ die Beiden im Flur stehen und verschwand in der Küche - sie kannten sich schließlich in seiner Wohnung aus. Er betrachtete die Dose Bier kurz mit einem traurigen Blick, dann stellte er sie zurück in den Kühlschrank. Jetzt war wohl eine Tasse Kaffee eher angemessen.
Taichi nutzte die Gelegenheit während der Kaffee durchlief um sich Gedanken zu machen. Das Takeru und Hikari vorbei kamen war nicht ungewöhnlich, aber normalerweise riefen sie vorher an, meistens sogar schon ein oder zwei Wochen vorher. Die beiden hatten mit ihrem Job ein anstrengendes und abwechslungsreiches Leben in dem Termine einzuhalten nicht immer das Einfachste war.
Deshalb trafen sie meistens so klare Absprachen wie nur irgendwie möglich.
Früher, als sie beide noch zur Schule gegangen waren und Taichi gerade diese Wohnung alleine bezogen hatte hatten die beiden öfter unangekündigt vor der Tür gestanden, aber in den letzten zwei Jahren, seit sie zusammenlebten und ihre Jobs hatten war das nicht ein einziges Mal vorgekommen.
Mit Unbehagen erinnerte sich Taichi an das ungute Gefühl, das ihn die letzten ein, zwei Wochen begleitet und manchmal geradezu wellenartig über ihn hergefallen war. Es schien sich jetzt zu bestätigen und Taichi hoffte nur, dass es nicht wirklich etwas Schlimmes war sondern Hikari und Takeru es in ihrer Jugend einfach nur hochgepusht hatten.
Der Kaffee war fertig und Taichi schnappte sich Tablett das er sonst fast nie benutzte, wischte auch hier schnell den Staub ab und stellte die beiden Kaffeetassen und die Flasche Wasser für Takeru darauf.
Takeru und Hikari saßen nicht nebeneinander, als er das Wohnzimmer betrat was ungewöhnlich für die beiden waren. Auch wenn die beiden selten aufeinander hingen und sich sehr wohl voneinander trennen und zum Beispiel auch auf Feiern mit anderen Leuten reden konnten war es selten, dass sie so ene Gelegenheit verstreichen ließen nebeneinander zu sitzen. Hatten sie sich gestritten? Sie hatten vorhin nicht so gewirkt.
Dennoch wirkte es merkwürdig, dass sie die beiden Sessel besetzen was Taichi nur noch das Sofa ließ. Er stellte das Tablett ab und holte aus dem Wohnzimmerschrank ein Glas für Takeru, bevor er sich auf das Sofa setzte und sich darauf etwas verloren vorkam.
Es gehört schon Talent dazu es zu schaffen, dass man sich in seiner eigenen Wohnung unwohl fühlt, sagte eine äußerst sarkastische Stimme in ihm, aber Taichi ignorierte sie. Er würde ganz bestimmt nicht anfangen sich mit Stimmen in seinem Kopf zu unterhalten.
Hikari stand auf und Taichi schaute sie erstaunt an. „Ich hole mir nur eben Milch.“, erklärte sie und Taichi lächelte ihr entschuldigend zu. Es war sein besonderes Talent als Gastgeber immer wieder zu ignorieren, dass nicht jeder wie er Kaffee schwarz trank. Inzwischen hatten sich alle die regelmäßig bei ihm waren daran gewöhnt.
„Wie geht es dir Takeru?“, fragte er den Freund seiner Schwester schließlich um die Stille im Raum zu füllen. Takeru schaute ihn mit einem Blick an, der Taichi direkt klar machte, dass es nicht die Zeit für Smalltalk war. Takerus Worte bestätigten Taichis Verdacht auch direkt.
„Nicht so gut. Wir sind aus einem bestimmten Grund hier, Taichi. Wir brauchen deine Hilfe.“
Taichi nickte. „Ich habe mir so etwas fast gedacht. Ihr wisst, dass ihr immer zu mir kommen könnt wenn irgendetwas ist, aber ich muss dir direkt sagen, wenn ihr finanzielle Probleme habt bin ich mir nicht sicher, ob ich groß helfen kann. Allzu viele Ersparnisse habe ich selber nicht.“
Takeru lächelte traurig. „Ich wünschte es ging um so etwas simples wie finanzielle Probleme.“
Das ungute Gefühl war wieder da und ließ Taichis Magen zusammen krampfen.
„Es geht um etwas viel ernsteres.“, erklärte Hikari die sich in diesem Moment wieder in den Sessel setze und die Milch auf dem Wohnzimmertisch abstellte. Taichi griff nach seiner Tasche und hielt sie krampfhaft fest, während er beobachtete wie Hikari nach Hilfe suchend zu Takeru blickte und schließlich die Hand ausstreckte um seine zu ergreifen und er seine Finger sofort mit ihren verschränkte.
Also offensichtlich doch kein Streit. Zu dem unguten Gefühl gesellte sich Verwirrung, eine Mischung die Taichi überhaupt nicht gefiel.
Schweigen herrschte im Raum, bis Taichi schließlich keine Lust mehr hatte zu warten. „Sagt ihr mir jetzt bitte endlich was los ist?“, fragte er und versuchte dabei seine Stimme nicht zu wütend klingen zu lassen - dass würde ihnen hier jetzt auch nicht weiterhelfen. „Ihr macht mir noch mehr Sorgen mit eurem Schweigen als ihr es bereits durch eure Anwesenheit schafft.“
Erst nachdem er den Satz ausgesprochen hatte wurde ihm klar, dass man ihn auch falsch verstehen konnte, aber Hikaris Blick beruhigte ihn direkt. Sie hatte verstanden was er sagen wollte.
„Es geht um folgendes...“, begann sie, brach ab und blickte dann erneut zu Takeru, der einmal tief durchatmete bevor er für sie weitererzählte.
„Es geht um Yamato.“
Taichi Griff ließ nach und ihm wäre fast die Tasse aus der Hand gefallen, bevor er im letzten Moment wieder zugriff und sie festhielt. Der Kaffee schwappte und einige Tropfen fiel auf den Boden, doch er ignorierte es.
„Du weißt, dass du dann bei mir falsch bist.“, erklärte er und er hasste es, dass seine Stimme leiser war als sonst und leicht zitterte und er keine Chance hatte sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Es gibt nichts wobei ich ihm helfen könnte. Und egal ob ich es überhaupt tun wollte oder nicht, er würde niemals akzeptieren, dass ich ihm helfe.“
Taichi zwang sich einmal tief durchzuatmen bevor er weiter redete, aber auch das Luft holen hatte ihm mit seiner Stimme nicht geholfen. „Ihr wisst das ganz genau, du Takeru vielleicht sogar besser als ich selbst. Warum seit ihr dann also hier und sagt mir so etwas? Wollt ihr mich ärgern? Habe ich irgendetwas getan was ihr mir heimzahlen wollt?“
Da war sie wieder, die Wut, normalerweise unterdrückte er sie so gut es ging, aber im Moment war sie ihm wesentlich willkommener als das ungute Gefühl und der Schmerz, das ihn noch vor wenigen Augenblicken beschäftigt hatte.
„Es tut mir leid Taichi, wir wollen dir nicht weh tun, wirklich.“, erklärte Takeru und auch wenn Taichi gerne etwas anderes geglaubt hätte sagte ihm Takerus Gesichtsausdruck doch, dass er die Wahrheit sagte. „Wir wären auch nicht hier, wenn es nicht sein müsste, aber bitte...“ Takeru schien einen Moment mit den Worten zu kämpfen bevor er fortfuhr. „Gib uns einen Augenblick um alles zu erklären, ja? Dann wirst du verstehen warum wir hier sind... bitte.“
Taichi zögerte einen Moment, dann nickte er. „Fünf Minuten.“, erklärte er.
„Seit Yamato nach Frankreich gezogen ist meldet er sich einmal die Woche bei mir. Wir haben zwar keinen genau festgelegten Zeitpunkt aber irgendwann im Laufe des Wochenendes ruft er eigentlich immer an und wenn es nur ist um kurz zu sagen, dass es ihm gut geht, er aber gerade keine Zeit hat und sich nächste Woche meldet.
„Vor vier Wochen hat er sich nicht gemeldet. Es kam mir komisch vor, natürlich, aber da habe ich mir noch keine großen Sorgen gemacht. Ich dachte mir, dass er vielleicht Zuhause angerufen hatte und einfach keine Nachricht hinterließ, wir waren das Wochenende relativ viel unterwegs gewesen. Das nächste Wochenende waren wir aber Zuhause und er rief wieder nicht an. Da machte ich mir dann Gedanken.“
Takeru drehte den Blick von Taichi ab, schaute kurz zu Hikari, die ihm bestätigend zunickte, bevor er raus aus dem Fenster schaute und weiter redete.
„Ich rief ihn mehrmals an, versuchte ihn auf allen bekannten Telefonnummern zu erreichen, aber ihn selbst bekam ich nicht ans Telefon. Ich rief schließlich auf seiner Arbeit an, wo man mir sagte, dass er sich hätte beurlauben lassen - auf unbestimmte Zeit, etwas was ihm gar nicht ähnlich sah und als ich schließlich einige seiner Freunde erreichte erzählten diese mir er hätte einen Familiennotfall gehabt und wäre nach Japan gereist. Es gab aber überhaupt keinen Grund nach Japan zu kommen. Yamato war also ganz offensichtlich verschwunden.“
Jetzt schaute Takeru Taichi wieder an.
„Dann passierte etwas, was unsere Sorgen noch weiter steigerte, aber das erzählen wir dir gleich. Jedenfalls nahm ich nächste Woche einen Flieger nach Frankreich um selbst raus zu finden wo Yamato hin war. Alles was mir am Telefon erzählt worden war wurde dort nur bestätigt Taichi. Seine Wohnung war verlassen und sah auch so aus, als wäre sie seit Wochen nicht mehr betreten worden.
„Ich durchsuchte alles in der Hoffnung irgendeinen Hinweise zu finden aber ich fand nichts. Ich hatte gedacht, dass er vielleicht Geldprobleme hatte oder in irgendetwas illegales gerutscht war, aber all seine Unterlagen die ich finden konnte verrieten nichts darüber. Ich bin schließlich in den Keller, um etwas anderes zu überprüfen. Ich hatte bis dahin noch gehofft, dass es eine andere Erklärung gab, aber....“
Takeru atmete tief durch. Erst jetzt fiel Taichi auf, dass die Hände des Jungen zitterten.
„Es gab nur eine Kiste, die nicht vollständig mit Staub bedeckt war. Als ich sie öffnete war alles drin, seine Kleidung von damals, die Fotos, alles.“ Takeru machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er fortfuhr. „Aber sein Digivice war weg.“
Taichi riss erstaunt die Augen auf, schaute erst Takeru, dann Hikari ungläubig an. „Es ist wahr.“, erklärte sie. „Ich denke ich bin die einzige von uns, die es noch regelmäßig herausholt, deshalb war ich wohl auch die einzige die es zuerst bemerkte, vor etwa einer Woche hat es sich wieder aktiviert. Es hat keinen Warnton oder ähnliches von sich gegeben, aber es funktioniert wieder. Als ich das bemerkte, holte auch Takeru seines wieder hervor und auch bei ihm war es das Gleiche. Deshalb flog er nach Frankreich. Weil wir so etwas befürchtet hatten.
„Während Takeru in Frankreich war schrieb ich die Anderen an. Es dauerte einige Tage bis ich sie alle erreicht hatten, aber sie alle bestätigten, was wir uns gedacht haben. Alle Digivice sind wieder aktiv. Und ich bin mir sicher, dass wenn du nach schaust, du dasselbe feststellen wirst.“
Taichi widerstand dem Drang aufzustehen und die Kiste unter dem Wohnzimmerschrank hervor zu holen. Die Geschichte der Beiden war schön und gut und so sehr er ihre Sorge auch verstehen konnte - er selbst machte sich schließlich nun auch Sorgen! Und das trotz allem was in der Vergangenheit passiert war - wusste er nicht warum sie hier waren. Er sprach seine Gedanken aus.
„Ihr habt also alles angeschrieben.“, erklärte er und blickte dabei zwischen beiden hin und her. „Mich aber nicht, bei mir seit ihr persönlich aufgetaucht. Warum?“
Hikari lächelte ihn traurig an. „Einer der Gründe liegt in der Vergangenheit, Bruder. Du warst damals unser Anführer, wurdest offiziell gewählt. Offensichtlich müssen wir alle wieder zusammenarbeiten, aber wenn du nicht dabei bist und uns führst bin ich mir nicht sicher ob es funktionieren wird.“
„Und der andere Grund?“ Taichi war sich fast sicher, wie die Antwort aussehen würde, aber aus einem Grund den er selber nicht verstand musste er ihn ausgesprochen hören.
„Egal was damals passiert ist. Egal wie lange ihr nicht mehr voneinander gehört habt.... Und ich weiß das was ich jetzt sage mit Sicherheit Taichi, deshalb streite es bitte nicht ab: Du würdest immer noch alles für ihn tun. Ihr wart die besten Freunde, ihr habt euch gegenseitig geschworen dem anderen immer zu helfen. Für dich bedeutet so ein Schwur wesentlich mehr, als für die meisten anderen Menschen. Wenn Yamato jemals Hilfe brauchen würde, wusste ich immer, dass du der erste sein würdest der zu seiner Rettung eilen würde, Taichi. Du würdest für ihn durch Feuer gehen. Ich liebe meinen Bruder Taichi, aber ich denke nicht, dass wir ohne dich irgendeine Chance haben ihn zu retten.“

*

Der Kaffee war kalt geworden.
Angewidert stellte Taichi die Tasse weg und blickte weiter aus dem Fenster. Takeru und Hikari hatten die Wohnung vor wenigen Minuten fast direkt nach Takerus kleiner Rede verlassen.
„Denk darüber nach, triff eine Entscheidung, die für dich die Richtige ist.“, hatte Hikari gesagt, als sie in der Tür gestanden hatte. „Aber bitte beeil dich. Wir wissen immer noch nicht was wirklich los ist, aber gerade deshalb ist jede Sekunde die wir verlieren kostbare Zeit.“
Taichi war sich im Klaren darüber, was ihre Worte bedeuteten und das sie am liebsten sofort eine Entscheidung gehabt hätte, aber das konnte er nicht. Der Junge, der er früher einmal gewesen war hätte das bestimmt getan. Er hätte nicht gezögerte sondern wäre aufgesprungen und los gerannt. Sein bester Freund war in Gefahr, wie hätte er da zögern sollen?
Taichi seufzte. Ja, so war er einmal gewesen, aber das war lange her. Die Zeiten hatten sich geändert und er mit ihnen. Mut? Niemand brauchte Mut im Alltag, im wirklichen Leben, also hatte er ihn abgelegt.
Müde strich er sich über die Augen. Natürlich machte er sich Sorgen, wie konnte er auch nicht? Das was die beiden ihm über Yamato erzählt hatte klang zwar unwirklich in seinen Ohren, aber das bedeutete nicht, dass es ihn nicht dennoch getroffen hatte.
Aber was sollte er tun. Sie wussten ja noch nicht einmal was genau passiert war? Und wenn Yamato sich tatsächlich nur eine Auszeit genommen hatte? Vielleicht war das Digivice ja eigentlich gar nicht in der Kiste unten gewesen? Vielleicht war nur kein Staub unten auf der Kiste gewesen weil Yamato sie hatte umstellen müssen um an irgendetwas anderes dran zukommen.
Es gab so viele Möglichkeiten.
Vielleicht machten sie sich alle ja ganz umsonst Gedanken.
Aber Taichis Bauchgefühl sagte ihm etwas vollkommen anderes und ihm war klar, dass er sich auf dieses Gefühl normalerweise verlassen konnte. Yamato konnte sich gar nicht so sehr geändert haben, dass er einfach verschwand. Er hätte zumindest Takeru eine Nachricht zukommen lassen.
Tatsächlich schaffte es Taichi nicht sich etwas anderes einzureden egal wie sehr er es versuchte: Takeru und Hikaris Erklärung war die Einzige die wirklich Sinn machte.
Aber sie war gleichzeitig auch die Beängstigenste.
Und was sollte er jetzt tun? Los rennen und den Retter spielen? Mit Unbehagen bemerkte Taichi, dass seine Gedanken sich wiederholten und er zögerte einen Moment, bevor er beschloss den Gedankengang noch einmal durch zuspielen, vielleicht war ihm ja vorhin irgendeine Möglichkeit nicht eingefallen?
Er konnte seinen Mut raus holen und den Anführer spielen, natürlich, aber damit würde er alles aufs Spiel setzen, würde ignorieren, dass sich alles geändert hatte...
Taichi stockte mitten im Gedanken. War das denn wirklich war? Hatte sich tatsächlich alles geändert? Natürlich führte er ein anderes Leben als damals und er war erwachsener geworden, aber was sagte das schon aus? Er lebte alleine und hasste seinen Job, darüber hatte er sich vorhin doch noch ausführlich beklagt!
Was gab es schon groß was er verlieren konnte? Und einige Dinge - die wichtigen Dinge! - hatten sich niemals verändert. Taichi wusste, dass er sich immer noch auf alle verlassen konnte. Takeru hatte es ihm vorhin bestätigt. „Wenn du dich entschieden hast, dann sag Bescheid, alle anderen warten nur darauf etwas zu hören.“
Sie alle hatten nicht vergessen was damals passiert war, was sie für einander getan hatten. Und gerade er hatte es getan? Eine Welle der Scham schwappte plötzlich über ihn.
Wieso zögerte er überhaupt?
Es ging hier um Yamato! Takeru hatte Recht, er hatte einmal etwas geschworen, es gab jetzt keinen Grund sich zurückzuziehen, es gab keinen Grund das Versprechen zu brechen.
Egal wie er und Yamato damals auseinander gegangen waren, für Taichi war immer klar gewesen, dass er dennoch immer alles für Yamato tun würde. Es gab nicht den geringsten Grund sich jetzt anders zu entscheiden.
Bevor er groß über seine Handlungen nachgedacht hatte, aber mit einer klaren Entscheidung im Kopf griff Taichi nach seinem Telefon.
Takeru nahm nach dem ersten Klingeln ab.
„Takeru? Hier ist Taichi.“, es war lange her, dass er seine Stimme so selbstsicher gehört hatte „Wie schnell können alle hier sein?“

*Prolog Ende*

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