fandom: harry potter
charaktere: lily evans, marlene mckinnon
prompt: Dass sie weder die Gefühle ihres besten Freunds, Severus Snape, erwidert noch auf James Potters nervtötende Flirtversuche eingeht, hat einen erschreckend simplen Grund: Lily Evans steht auf Frauen. Und zwar nur auf Frauen.
»Dieser Sommer wird phantastisch.«
Sie stehen am offenen Fenster in Marlenes Zimmer und trinken Limonade mit Feuerwhiskey, den Sirius aus dem Arbeitszimmer seines Vaters gestohlen hat. Es dämmert und der Himmel über der Stadt ist beinahe apricotfarben. Tagsüber hat es geregnet und die Luft riecht frisch und grün.
Marlene legt Patti Smiths Horses auf. Mit geschlossenen Augen wiegt sie ihre Hüften. Die Platte hat Sirius ihr im Frühling geschenkt, und Lily weiß selbst nicht, warum ihr der Gedanke daran wehtut. Nach einem Jahr in einem Einzelzimmer hat niemand dieses bißchen Glück mehr verdient als Marlene. In ihrem Hängerkleid sieht sie zum ersten Mal wirklich unbeschwert aus. Das Haar fällt ihr offen auf die Schultern und ausnahmsweise trägt sie kein Halstuch.
Es ist einer dieser Momente, an die sie sich ein Leben lang erinnern werden.
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Nachdem sie die Bücher für das neue Schuljahr in der Winkelgasse gekauft haben, will Marlene unbedingt zu Biba. Sie zieht Lily an der Hand die Kensington High Street runter hinter sich her, beneidenswert sicher auf ihren hohen Absätzen, während Lily mit der freien Hand den Saum ihres Rockes festhält.
Marlene ist wie besessen von Biba. Sie gibt ihr Erspartes für neue Kleider und Make Up aus. In einer magisch vergrößerten Hutschachtel bewahrt sie einen schier endlosen Vorrat an tiefdunkelroten Lippenstiften und schimmernden Lidschatten auf. So oft sie eine Idee hat, probiert sie ihn an Lily aus, »Du hast das Gesicht dafür, Darling.«, murmelt sie, die Augen schmal und konzentriert, und verwandelt Lily mit unzähligen Pinselstrichen in Feen und Meerjungfrauen.
Sie selbst schminkt sich nur leicht. »Ich bin noch nicht ganz da.«, erklärt sie. »Ich will nicht, daß sie mich so sehen.«
Nicht solange Marys Eltern die Schule verklagen wollen, sollte Marlene ihr Bett im Mädchenschlafsaal bekommen, nicht solange Mitschüler sie in den Korridoren ungeniert anstarren.
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»Gefällt es Dir? Es würde Dir stehen.«, Marlene hält ihr ein dunkelviolettes Minikleid hin. Lily berührt den Stoff zögerlich. »Ich denke nicht, daß es mir passen würde.«, sagt sie, und kaut auf ihrer Unterlippe herum.
Zwischen den dünnen Mädchen mit den Puppengesichtern und neben Marlene, mit den schlanken, langen Beinen fühlt sie sich unförmig und zu viel. Ihre Brüste sind zu schwer, ihre Hüften zu ausladend und ihre Oberschenkel reiben aneinander. Sie schwitzt und möchte vor Scham im Boden versinken, als eine der Verkäuferinnen sie von oben bis unten mustert.
»Mum könnte es ein wenig verändern. Ich kann diese Farbe nicht tragen.«
»Doch. Du kannst alles tragen.«, murmelt Lily, und nimmt eine Jacke vom Ständer, einfach um irgendetwas in der Hand zu halten, auf das sie sich konzentrieren kann. Und endlich bemerkt Marlene es.
»Ich bezahle kurz, dann können wir gehen.«, sagt sie, »Und Lily? Sie sind bloß neidisch auf die.«, und sie nickt ihren Brüsten zu, »Die sind echt phantastisch.«
Lily lächelt schief.
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Nachmittags sind sie alleine im Haus. Marlene probiert vor dem Spiegel die neuen Kleider an und legt Lippenstift auf. Sie hören die Runaways und Lily erlaubt sich, leise mitzusingen. In Jeans und T-Shirt fühlt sie sich wieder ein wenig sicherer.
»Es tut mir leid«, sagt sie irgendwann, »Das eben. Ich hatte das Gefühl, daß sie mich alle auslachen würden.«
Marlene dreht sich zu ihr um, »Du musst Dich nicht entschuldigen. Ich hätte merken müssen, daß Du Dich unwohl gefühlt hast.«
Lily vergräbt die Hände in den Hosentaschen und sieht auf den Boden. »Mit Alice hättest Du mehr Spaß haben können.«
»He«, mit ein paar Schritten ist Marlene ganz nah bei ihr und legt ihr einen Finger auf das Kinn, »Wir haben doch Spaß, oder? Wir hören Platten und wir waren im Kino und außerdem sind wir Freundinnen, Lily. Und das ist London. Die großartigste Stadt der Welt. Wir könnten gar nicht weniger Spaß haben.«
Sie küsst Lily auf die Wange, und Lily muss sich sehr zusammennehmen, um sie nicht auf den Mund zu küssen.
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Tagsüber streifen sie durch die Stadt. Marlene überredet Lily dazu, sich einen Pony schneiden zu lassen. In der Winkelgasse essen sie bei Florean Fortescue mit James und Sirius Eiskrem. Lily lässt sie alle ihren Zaubertränke-Aufsatz lesen, nachdem sie ihnen das Versprechen abgenommen hat, ihn wenigstens nicht vollständig abzuschreiben.
»Dafür gebe ich Dir bis an Dein Lebensende Eis aus.«, sagt James, aber sie winkt lachend ab und zum ersten Mal lässt er es damit gut sein.
Sirius ist bei seinen Eltern rausgeflogen und trägt es wie eine Auszeichnung. Die Potters lassen ihn in ihrem Gästezimmer wohnen. »Aber sobald ich volljährig bin, suche ich mir eine eigene Wohnung. Mein Onkel meint, er würde mir unter die Arme greifen.«, er lächelt grimmig, »Hat meiner Mutter gar nicht gefallen.«
Marlene legt ihm ihre schmale Hand auf die Schulter, »Melde Dich, wenn Du Hilfe brauchst, ja?«, sagt sie sehr eindringlich, und Lily wünscht sich, die Jungen würden verschwinden. Dabei tut ihr Sirius wirklich leid.
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Nachts bleiben sie lange wach. Manchmal schleichen sie in die Küche, um Limonade zu trinken. Marlene redet über Sirius und darüber, wie ungerecht seine Eltern sind. Lily stimmt ihr zu und hasst Sirius ein bißchen dafür, daß sie Mitleid mit ihm haben soll.
Lily erzählt von Petunia und davon, wie Severus versucht hat, sie zu küssen, kurz bevor sie nach London gefahren war. Marlene macht ein angewidertes Geräusch. »Hat er Dich gefragt?« - »Nein. Ich hätte doch nie im Leben ja gesagt.« - »Wenn er das noch einmal tut, haue ich ihm persönlich eine runter.«
Am Wochenende schmuggelt Mickey sie nach Mitternacht in einen Club, in dem er als Barkeeper arbeitet. Er überlässt Lily eine seiner alten Lederjacken, weil es nach Sonnenuntergang doch sehr kühl wird, und als Lily sich im Spiegel auf der Damentoilette sieht, gefällt sie sich tatsächlich gut. Sie teilt sich ein Bier mit Marlene und tanzt bis in die frühen Morgenstunden mit ihr.
Als sie um halb fünf wieder ins Haus schleichen, knufft Marlene ihr in die Seite und flüstert: »Mein Märchenprinz.«
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»Ich mag... ich mag Mädchen.«, sagt Lily. Sie sitzen auf dem Fußboden, mit den Rücken gegen Marlenes Bett gelehnt, nebeneinander. »Ich werde James nie mögen, weil ich keine Jungen mag. Also, nicht so, verstehst Du?«
Petunia würde sie auslachen und sie ist sich nicht sicher, wie ihre Eltern reagieren würden. Aber Marlene hört ihr zu, den Kopf schiefgelegt, und sieht sie mit einem kleinen, aufmunternden Lächeln im Mundwinkel an, und Lily atmet tief ein und aus.
»Ich bin lesbisch.«
Sie weiß, daß sie weinen wird, wenn sie noch mehr sagt.
Marlene legt ihr einen Arm um die Schulter, »Ich bin stolz auf Dich, Kleines«, flüstert sie und drückt ihr einen Kuss auf die Schläfe, »Das hat lange an Dir genagt, oder?«
»Du hast es gewusst?«, murmelt Lily mit brüchiger Stimme, und ihr Hals fühlt sich wie zugeschnürt an. »Mhm. Geahnt. Aber ich wollte Dich nicht drängen. Da müssen wir alle für uns durch.«
Lily vergräbt das Gesicht in den Händen und die Tränen fließen ihr über die Wangen.
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Es ist ein kleiner Schritt und sie bringt es nicht über sich, wirklich alles zu sagen, aber es fühlt sich an, als hätte sie zum ersten Mal in ihrem Leben selbst ein neues Kapitel aufgeschlagen.