Fandom: Game Of Thrones
Genre: Romanze, Hurt/Comfort
Rating: P12
Pairing: Sansa Stark x Margaery Tyrell
Wichteln:
Herbstwichteln mit non-canon PairingsWichtelkind: BubbleBobble (FF.de)
FF.de-Crosspost:
[x]Vorgaben:
- Stichworte (Kuchen, Blätter, Kerzenlicht, Sturm, Meer)
- nichts mit Ramsay oder Theon
- Herbstfeeling & AUs erwünscht
Geschrieben nach einem Prompt aus
Happily Ever After & als Songfiction zu "Speechless" von The Veronicas.
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{ S p e e c h l e s s }
Sansa Stark x Margaery Tyrell
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In Königsmund können sie nicht bleiben, und der Norden gehört nicht mehr den Starks. Also ist die Reise der Südwesten der Sieben Königslande die einzig verbleibende Option und die Entscheidung, die sie treffen muss, als Margaery ihr die entscheidende Frage stellt (Ich verschwinde von hier. Und du wirst mich begleiten. Wirst du doch, oder?), wird Sansa dadurch mehr oder minder abgenommen.
Dennoch ist da ein flaues Gefühl in ihrer Magengrube, wenn sie daran denkt, dass sie schon wieder auf unbestimmte Zeit an einem unbekannten Ort verweilen soll, auch wenn sie dieses Mal nicht auf Geheiß des Königs anreist, sondern vielmehr vor dem König flieht. Oder besser gesagt, vor den Konsequenzen seines Todes, mit dem sie nichts zu tun hat und für den man sie doch zur Verantwortung zu ziehen versucht. Sie hat nicht die besten Erfahrungen damit gemacht sich in die Hände fremder Leute zu begeben und ihnen zu vertrauen, wirklich nicht. Deswegen ist ihr mulmig, als sie sich in dieser Nacht davonschleichen, aber Margaery hält ihre Hand, und das macht alles ein wenig besser. Ein kleines Bisschen nur, aber es genügt für den Moment.
Die Kutsche, in der die reisen, ist genau so, wie man es von Haus Tyrell erwarten würde: Es ist eine märchenhafte Karosse aus dunklem Holz, mit schönen Gravuren und großen Rädern und gepolsterten Sitzen. Sie sieht bei Nacht nicht halb so edel aus wie sie eigentlich ist, und eigentlich sollte man meinen, sie sie nicht gerade optimal für eine Flucht, aber sie haben nun mal keine Wahl; eine Abreise bei Nacht und Nebel mit den Mitteln, die ihnen kurzfristig zur Verfügung stehen, ist das einzige, was ihnen bleibt. Aber es ist nicht weiter schlimm, dass ihnen weiße Schwaden um die Füße streichen und sie in der Dunkelheit kaum sehen, wo sie hintreten, als sie von den Pferden steigen, auf das Fuhrwerk zurennen mehr in das Gefährt stolpern als alles andere. Es ist nicht schlimm, dass alles improvisiert und etwas kompliziert ist.
(Es ist alles in bester Ordnung, denn sie sind jetzt auf dem Weg nach Hause, auf dem Weg in ein besseres Leben. Wenn alles gut geht. Hoffentlich.)
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Feels like I have always known you
And I swear I dreamt about you
All those endless nights I was alone
Sie sind seit Tagen unterwegs und es nimmt kein Ende. Westeros ist groß, die Weite weit weg von den Kronlanden, noch viel weiter weg vom Norden, von Sansas Heimat, und es war von vorne herein klar, dass es keine einfache und keine angenehme Reise werden würde. Aber mit ihr ist alles so viel erträglicher, sogar die unbequemen Pritschen, die Ritte, die Fußmärsche dazwischen, alle paar Tage in einer anderen Taverne zu übernachten, nicht die eigene Identität tragen zu können, immer jemand anderes sein zu müssen, zum eigenen Schutz. Solange Margaery nachts neben ihr liegt und ihr tagsüber ihre heilsame Anwesenheit, ihr aufrichtiges Lächeln schenkt, das heller leuchtet als die letzten warmen Herbstsonnenstrahlen, ist alles gar nicht so schlimm. (Oder zumindest ist es besser als der sichere Tod, der in der königlichen Hauptstadt lauert und ihr noch immer im Nacken sitzt.)
(„Es fühlt sich an als würden wir uns schon ewig kennen“, versucht sie es in einem ruhigen Moment zu beschreiben. „Als seist du schon immer da gewesen. Verstehst du?“ Margaery drückt ihre Hand ein wenig fester und nickt. „Mir geht es genauso“, flüstert sie. Der Wind zerwühlt ihr Haar und bauscht ihr Kleid auf, aber das stört sie nicht; sie lässt den Kopf gegen Sansas Schulter sinken und haucht der Jüngeren einen Kuss auf die Wange, dann einen zweiten, dann wandern die Küsse hinab zu ihrem Hals und Sansa überkommt eine Gänsehaut.)
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It's like I've spent forever searching
Now I know that it was worth it
With you it feels like I am finally home
Der Herbst in Westeros ist kurz, denn eigentlich gibt es kaum einen Herbst; es gibt nur lange Sommer und noch längere Winter und dazwischen liegen nur ein paar Wochen, in denen die Wälder sich langsam bunt färben, Blätter fallen und Regen fällt und alles wartet, bis er erste Schnee zu fallen beginnt, den gefürchteten Winter einleitend. Der Zeitpunkt ist gerade richtig. Zwischen Sommer und Winter, zwischen Leben und Tod, zwischen Freiheit und Gefangenschaft. Gerade so, haarfein dazwischen.
(Sansa und Margaery fliehen. Aber eigentlich ist es gar keine Flucht, sondern eine Heimkehr. Oder zumindest fühlt es sich so an.)
Es ist als sei sie ewig auf der Suche gewesen, auf der Suche nach dem Guten in der Welt, das ihr so sehr fehlte, seit sie ihre Heimat verließ, und als hätte sie die Suche schon fast aufgegeben gehabt, als dann Margaery in ihr Leben trat und all das Suchen und Warten sich plötzlich gelohnt hatte. Mit ihr fühlt es sich an, als sei sie endlich wieder Zuhause; auch wenn Zuhause jetzt etwas ganz anderes bedeutet als die vertrauten Mauern Winterfells, der kalte Wind des Nordens und die Gesellschaft ihrer Familie. Zuhause bedeutet jetzt an Margaerys Seite zu sein. Mit ihr fühlt sie sich endlich angekommen, egal wo, egal wann; selbst jetzt schon, als sie noch längst nicht in der Heimat des Rittertums angelangt, sondern auf Reisen sind, jeden Tag woanders. (Alles ist mehr Zuhause als Königsmund. Alles ist mehr Zuhause als Joffrey. Alles ist mehr Zuhause als ein Haufen Aristokraten, die sie tot sehen wollen, eine Stadt, die sie verschluckt. Alles, wirklich alles. Aber besonders das hier.)
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Falling head over heels
Thought I knew how it feels
But with you it's like the first day of my life
Sie dachte immer sie wüsste wie sich Verliebtsein anfühlt; dachte es wäre Joffreys Hand zu halten und ihn gutaussehend zu finden und ihm so lange in die Augen zu sehen, bis sie darin endlich mehr erkennen kann. Sie war ein junges naives Mädchen mit typischen Mädchenträumen, die in Königsmund in Erfüllung gehen sollten. Ein junges naives Mädchen, das von der Realität bitter enttäuscht wurde und gelernt hat, dass die Liebe nicht das ist, wofür es sie immer hielt.
Aber mit Margaery entdeckt sie all das ganz neu. Mit Margaery ist Verliebtsein nicht oberflächlich, sondern reine Emotionssache. Es ist nicht nur, dass sie sie wunderschön findet und sich allein in ihren Anblick jeden Tag aufs Neue verlieben könnte, und dass sie einem ehrenwerten Haus angehört und für sie sorgen wird. Es ist auch, dass sie sich gegenseitig zum Lachen bringen, dass sie sich über die Sieben und die Welt und alles mögliche unterhalten können, ohne dass es je langweilig wird, und dass in ihrer Gegenwart alles erträglicher wird, egal wie schlimm die Situation sonst scheint. Es ist, dass sie bei ihr zur Ruhe kommt. Geborgenheit findet, und jemanden, der sie nie enttäuscht hat und nie enttäuschen wird. Das ist alles, was ihr wild pochendes Mädchenherz sich je erträumt hat, all das, was sie längst nicht mehr zu finden glaubte, und es macht sie so viel glücklicher als die klassische Geschichte von Prinz und Prinzessin und Pflichtheirat es je konnte.
Es ist als beginne ihr Leben von vorne, als überdenke sie alles, was sie je geglaubt hat, als sei es ein Neuanfang, der alles Alte ausradiert und ihr die Chance gibt jenes Leben noch einmal ganz neu zu gestalten, nach ihrenWünschen, nicht nach dem, was ihre Verpflichtungen von ihre verlangen. Und genau das ist es letzten Endes schließlich: Ein Neuanfang. Für sie beide. Für Sansa, die in Joffrey Baratheon beim besten Willen nicht das Glück fand, das sie sich erhofft und das man ihr versprochen hatte, wie auch für Margaery, die den ursprünglichen Plänen ihrer Familie zum Trotz nach Rosengarten zurückkehrt und entschieden hat, dass Glück für sie nicht der Thron an der Seite irgendeines grausamen Königs ist, sondern Frieden an der Seite ihrer Liebsten, mit ihrer Familie, dort, wo sie hingehört, dort, wo sie zufrieden sein kann. (Zufrieden. Das genügt. Dasreich, berühmt und mächtig ist ihnen beiden so egal.)
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Cause you leave me speechless
When you talk to me
ou leave me breathless
The way you look at me
Es ist nicht neu, dass sie sich lieben, eigentlich überhaupt nicht. Eigentlich war es von Anfang an so. Von Anfang an hat Sansas Herz in Margaerys Gegenwart höher geschlagen und sie hat sich nach ihrer Nähe gesehnt, nach ihrem Lächeln, ihren Küssen. Nach all dem, was sie eigentlich von ihrem Zukünftigen wollen sollte, nicht von ihr. Und doch ist die anfängliche Zeit des Schwärmens, des Begehrens, des Idealisierens nie ganz abgeklungen. Es ist alles geblieben, all die schöne Verliebtheit, all das Herzklopfen.
Noch immer macht es sie für einen Augenblick sprachlos, wenn Margaery das Wort an sie richtet; sie hält inne, staunt, ihr Herz hämmert von innen gegen ihren Brustkorb und es dauert einen Moment, bis sie den imaginären Kloß in ihrem Hals unterschlucken und die ersten Worte hervorbringen kann, zusammen mit einem entschuldigenden Lächeln für die verzögerte Antwort.
Noch immer bleibt ihr für den Bruchtteil einer Sekunde der Atem stehen, wenn Margaery sie direkt anschaut, mit diesen funkelnden Rehaugen und diesem ganz besonderen Blick, der nur ihr gehört, so voller Zuneigung und Begeisterung. Es ist ein Blick, der genau die Gefühle zeigt, die sie selbst für Margaery hegt, ein Blick, der spiegelt, was sie empfindet, und es gibt nichts schöneres auf Erden als zu wissen, dass diejenige, die sie liebt, diese Liebe erwidert, immer dann daran erinnert zu werden, wenn sie ihr in die Augen sieht, manchmal vielleicht einen Tick zu lange, weil sie so gern in Emotionen und Blicken versinkt, dass sie gar nicht mit dem Moment fortfahren will, der dadurch unterbrochen wurde.
(Sansa blickt dann aus ihren großen, blauen, unschuldigen Augen zurück und ahnt nicht, dass Margaery sie in Gedanken Meeresaugen nennt, weil sie genauso darin versinken kann und will wie Sansa in ihren.)
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I thought I could resist you
I thought that I was strong
Somehow you were different from what I've known
I didn't see you coming
You took me by surprise and
Stole my heart before I could say no
Anfangs dachte sie, sie könne ihren ungewohnten Gefühlen widerstehen. Sie hielt es für falsch so für eine Frau zu empfinden, noch dazu für die Königin in spe, die neue Verlobte des Jungen, den sie einst heiraten sollte, hielt es für verwerflich und dachte, sie sei stärker als das, stark genug um der Versuchung zu widerstehen. Doch Margaery zeigte ihr vom ersten Moment ihrer Freundschaft an, dass sie auf eine ganz andere Art und Weise stark ist: Stark genug, um ihren eigenen Weg zu gehen. Stark genug, um zu ihren Gefühlen zu stehen und mit den Normen zu brechen.
Sich in sie zu verlieben, war das letzte, was Sansa erwartet hätte, wirklich. In all den bunten Vorstellungen, die sie von ihrer Zeit in Königsmund hatte, gab es so viele Varianten, so viele Träume, und doch keinen einzigen, der an sie herankäme. Sie hat mit all dem nicht gerechnet. Selbst dann noch nicht, als Margaery ihre Hand ergriff und sagte: Lass uns Freundinnen sein. Aber es ist das schönste, was sie sich hätte wünschen können. (Sie war einfach plötzlich da und hat sich ihr Herz zueigen gemacht, sich ihren unbestreitlichen Platz darin beschlagnahmt, bevor Sansa auch nur Nein denken konnte.)
Und das beste ist: In Margaery hat sie jemanden gefunden, der sie um ihrer selbst Willen liebt und will. Nicht, weil sie Ned Starks Tochter ist. Nicht, weil sie einen Erben gebären soll. Nicht, weil die Familien es so wünschen. Margaery liebt sie, weil sie Sansa ist. Und nur deswegen. Und sie liebt sie bedingungslos, liebt sie so sehr, dass sie sich für sie gegen den Willen ihrer Großmutter - die ihrem Sohn dafür die Knochen im Leib verflucht, dass er diesem heiklen Manöver zugestimmt hat - stellt und ihre eigene Sicherheit riskiert, so vieles riskiert, um sie ihr zu helfen, indem sie sie mitnimmt, sie beschützt. Das ist das schönste Geschenk, das man Sansa nach all den Strapazen, Enttäuschungen und Vertrauensbrüchen machen könnte.
(Sie ist so anders als alles, was der Norden kennt. Sie ist Sanftheit, sie ist Eleganz, sie ist Unbeschwertheit. Sie ist nicht so ernst und kalt wie die Menschen im Norden und nicht so falsch und gefährlich wie die Bewohner der Hauptstadt; Margaery ist eine ganz eigene Kategorie, und wenn Rosengarten auch nur ein Bisschen dem ähnelt, was sie verkörpert, denkt Sansa, dann wird es eine gute Heimat sein. Eine friedliche, gütige, stabile Heimat, die ihr Zeit zum Heilen und zum Verarbeiten gibt, Raum zum Wachsen, Raum, um sie selbst zu sein - genau das ist es, was sie braucht.)
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You leave me speechless
The way you smile
The way you touch my face
Sie sind seit Wochen unterwegs und noch immer scheint es als dauerte die Reise ewig, doch Sansa weiß, das ist nur ein Gefühl. Der Herbst draußen schreitet immer weiter voran, und wohin sie auch kommen, sehen sie Regen, graue Himmel, braunes Laub und Stürme, die über das Land fegen.
Sansa fürchtet sich vor Stürmen, ein kleines Bisschen nur, nicht viel, aber genug, um sie nervös zu machen, wenn draußen der Wind heult, Donner und Blitz krachend über sie hereinbrechen, und das einzige, was sie von all diesem Chaos trennt, das dünne Holz des Wagens ist, zumindest so lange, bis sie den nächsten geschützten Ort erreicht haben. Genug, dass sie, während sie dem Krach lauscht, noch enger an ihre Freundin heranrückt als sonst und ihr Gesicht in ihrem Mantels versteckt, als könnte sie das vor dem Unwetter schützen.
„Angst?“, will diese wissen, und Sansa zuckt unbeholfen mit den Schultern, während sie sich wieder aus dem schützenden Stoff schält. „Ein wenig“, gibt sie zu. „Stürme machen mich unruhig, weißt du?“ Margaery nickt leicht und berührt ihr Gesicht, fährt die Kontur ihres Kiefers nach, ihre Schläfen, ihre Stirn, an ihrer Nase entlang, und Sansa schließt die Augen und genießt einfach nur. Solche zärtlichen Momente lassen sie vergessen, was um sie herum ist, wenn sie sich nur darauf einlässt. Ein Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus, und Margaery schenkt ihr prompt einen Kuss, als hätte sie es als Aufforderung gesehen. Ihre Finger streichen Sansa das Haar aus der Stirn, das Haar, das die Farben von Herbstblättern hat, rot und orange und bräunlich, alles gemischt und so leuchtend, dass es fast als Feuer durchgehen könnte. Ihre Finger wandern weiter. Unaufhörlich, bis Sansa auf ihrem Schoß einschläft und das Getöse draußen langsam verstummt.
(„Du brauchst dich nicht vor Stürmen zu fürchten“, wispert sie, und das Donnergrollen verschluckt ihre Stimme fast vollständig, aber es ist nicht so wichtig, denn Sansa schläft ja ohnehin. „Du bist doch selbst einer.“)
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You leave me breathless
It's something that you do I can't explain
„Wir sind bald da“, sagt Margaery am nächsten Morgen in die Stille hinein, die bloß vom Rattern der Räder unter ihnen und den Hufen der trabenden Pferde durchbrochen wird. Draußen scheint wieder ein letzter Hauch von Sonne, der Himmel ist wieder friedlich und Sansa hat ihren Kopf nach wie vor auf ihren Schoß gebettet. Sie versucht noch ein wenig mehr Schlaf zu finden, doch das fällt schwerer als gedacht, wenn man so lange unterwegs ist, dauernd müde und doch ständig rastlos, und so hebt sie ihre Lider sofort wieder, als die Stimme ihre Liebsten ertönt, hatte sie ohnehin nur gesenkt ohne wirklich zu schlafen.„Tatsächlich?“, hakt sie nach, wobei sie zu Margaery aufsieht. Die lockigen braunen Strähnen ihrer Begleiterin sind so lang, dass sie sie an der Wange kitzeln, als diese den Kopf leicht neigt, um zu ihr hinabzublicken. „Ja“, bestätigt sie, was sie bereits festgestellt hat. „Sieh nach draußen, Liebes.“
Sansa richtet sich langsam auf, ein wenig widerwillig, weil da doch Margaerys Hand an ihrer Wange liegt und die andere spielerisch durch ihr Haar fährt und sie das so sehr genießt, dass sie sich eigentlich nicht von dieser Berührung lösen möchte; aber die Neugier siegt am Ende und sie setzt sich mit einem leisen Gähnen wieder auf die gepolsterte Sitzbank. Während sie sich noch die Müdigkeit aus den Augen reibt, zieht sie vorsichtig einen der Vorhänge beiseite. Die Sonne scheint mittlerweile wieder glanzvoll und durchdringend auf sie nieder, was man auch an den Temperaturen in der Kutsche merkt, aber dennoch ist sie nicht darauf vorbereitet, muss erst einige Male blinzeln, bevor sie sich an die Helligkeit, den letzten glühenden Überrest des heißen Sommers, gewöhnt hat.
Die Landschaft, die draußen an ihr vorbeizieht, bietet einen Anblick, der ihr völlig fremd ist, und doch fühlt sie sich sofort heimisch, als sie die weiten Wiesen und die hellen, freundlichen Straßen der Stadt aus der Ferne entdeckt. So heimisch wie bei Margaery. Noch immer lächelnd kuschelt sie sich wieder an die Ältere. „Habe ich dir zu viel versprochen?“, hakt diese nach, und ihre Hände kehren sofort zurück, nesteln wieder an Sansas Haar herum, streichen zärtlich über ihre Haut, ein kribbelndes Gefühl hinterlassend. Die angenehmste Art den Tag zu beginnen, findet sie. „Nein“, murmelt sie eine knappe Erwiderung, gefolgt von einem erneuten Gähnen. „Es ist genauso schön wie du.“ Und das ist es wahrlich, soweit sie es bisher beurteilen kann. Margaery lacht kurz auf, Sansa stimmt in ihr Lachen ein, und ihr ist so seltsam warm ums Herz, dass sie sich wünscht der Augenblick würde nie wieder enden.
(Sie kann gar nicht erklären, was es ist, das sie so fühlen lässt. Es ist irgendetwas an ihr, was ihr von Anfang an den Kopf verdreht und den Atem geraubt hat und es bis heute schafft sie zum glücklichsten Mädchen der Welt zu machen, einfach nur, weil sie bei ihr ist.)
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I run a million miles just to hear you say my name
You manage to disarm me
My soul is shining through
Margaery behält recht: Sie sind wirklich bald da, und sie werden herzlich in Empfang genommen, wie es für edle Damen nun mal üblich ist; sie sind Heimkehrende, keine Geflüchteten. Es gibt eine beschauliche Feier in kleinem Kreise, nur die Familie und die engen Bekannten, die treuen Bediensteten, mit dem ersten ordentlichen Essen seit einer ganzen Weile, ein wenig Wein und einer vertrauten Atmosphäre, die sich exakt nach Zuhause anfühlt. Alle wissen, dass die Situation keine einfache ist, dass sie einige Konflikte mit sich bringen wird, und doch, daran scheint an diesem Abend niemand zu denken. Sansa fühlt sich nicht unerwünscht, wie sie es zeitweise befürchtet hatte, sondern willkommen, und die Stimmung ist ausgelassen und enspannt. Wenigstens für diesen einen Tag. Egal, was danach vielleicht noch auf sie zukommt.
Sie bedankt sich etliche Male bei allen, vor allem bei Mace Tyrell, Margaerys Vater, der ihre Anwesenheit gestattet, obwohl er die Abreise sehr bedauert, und ihr wird noch amselben Abend eine Schlafkammer zugeteilt, ein hübsches Zimmer mit großem Fenster und einem bequemen Einzelbett. Es ist provisorisch, sagt die Kammerzofe, kein angemessenes Zimmer für eine Lady, aber es ist schon viel mehr als Sansa sich erhofft hätte. Dennoch steht von Anfang an fest , dass sie die folgende Nacht nicht dort verbringen wird. Zu sehr hat sie sich während der letzten Monate an Margaerys Anwesenheit gewöhnt, und umgekehrt genauso.
Margaerys Bett ist aus Magahoniholz und groß genug für zwei Personen und viel mehr Decken und Kissen, als man eigentlich benötigt. Es ist einladend und gemütlich und Sansa glaubt, sie war noch nie in ihrem Leben so froh ein Bett vor sich zu haben. „Gefällt es dir?“ In Margaerys Stimme klingt ein unterdrücktes Lachen mit. „Oder willst du doch lieber allein schlafen?“ Sansa rollt mit den Augen und dreht sich zu der anderen um, um sie zu sich heranzuziehen und ihr einen zarten Kuss zu geben. „Unsinn“, lautet ihre Antwort. „Wenn es nach mir ginge, würde ich nie wieder allein schlafen, wie du weißt.“
Margaery zeigt dieses herzliche, reine Lächeln, und sie kann nicht anders als es zu erwidern. Es ist ihr ein Rätsel, dass sie in dieser umwerfenden Frau wohl genau dasselbe auslösen kann wie diese in ihr, aber es erfreut sie zutiefst und sie genießt es. Bei Margaery kann sie ganz sie selbst sein, ihr wahres Ich scheint durch die höfliche, kalte, unvertraute Fassade, die sie mit der Zeit errichtet hat, hindurch, und trotzdem - oder genau deswegen - ist sie genau richtig so, wie sie ist. Bei Margaery ist sie ungeschützt. Sie kann sich nicht vor ihr verstecken, weil sie all ihre Mauern einreißt, sie mit einem bloßen Lächeln zu entwaffnen weiß und zum Vorschein bringt, was beinahe verloren geglaubt war.
Sie sinken erschöpft in weiche, saubere Laken und natürlich schlafen sie rasch ein. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten liegen sie bequem, in einem richtigen Bett, und zum ersten Mal können sie so nebeneinander einschlafen, ohne sich davor fürchten zu müssen, dass man sie entdecken könnte. Sie, Sansa, die davonläuft vor all dem, was sie zurückgelassen hat, und sie, Sansa und Margaery, als das Paar, das sie doch irgendwie geworden sind, ohne dass es je beabsichtigt gewesen wäre.
Letzten Endes ist sie ihr bis nach Rosengarten gefolgt, meilenweit weg von ihrem Zuhause und von ihren Kindheitsträumen, weil Margaery so viel besser ist als jeder Traum. Und sie bereut es keine Sekunde lang, sondern würde es jederzeit wieder tun, würde auch zu Fuß gehen, wenn sie müsste, ehrlich, weil es nichts schöneres gibt als die Stimme dieser wundervollen Frau, ganz nah an ihrem Ohr, ihren Atem, den sie in ihrem Nacken spüren kann, als sie ihren Namen flüstert, Sansa, selbst im Schlaf, als sei sie das beste, was ihr je passiert ist.
Sansa lächelt unwillkürlich und schmiegt sich etwas enger an ihre Liebste. Das Kerzenlicht in ihrem Schlafgemach taucht die herbstliche Welt in ein flackerndes warmes Licht und es ist egal, dass draußen schon wieder ein Sturm zu toben beginnt, draußen vorm Fenster und draußen in der großen weiten Welt. Sie ist endlich angekommen. Nicht nur in der Weite nach einer langen Reise, sondern auch am Ziel ihrer persönlichen Reise, davon ist sie fest überzeugt.
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I can't help but surrender
My everything to you
Als Sansa an ihrem ersten Tag in Rosengarten aufwacht, sieht sie draußen rote Blätter von den Bäumen rieseln, zusammen mit kleinen Regentropfen, die wie dünne, schillernde Fäden aussehen und wie letzte kristallne Überreste des nächtlichen Gewitters scheinen. Der Herbst hat seinen Höhepunkt erreicht, und das bedeutet, der Winter wird alsbald Einzug halten. Sie fröstelt ein wenig, zieht die Decke enger um ihren unbekleideten Körper, als sie sich im Bett aufsetzt und sich verschlafen die Augen reibt. Der Winter kommt, endgültig. Es ist nicht mehr abzustreiten. Aber sie fürchtet ihn nicht mehr. Wie könnte sie ihn fürchten, wenn sie doch schon so viel schlimmeres überstanden hat als Frost und Eis? Menschliche Abgründe, tiefer und bedrohlicher als Kälte es je sein könnte. Und selbst das hat sie überlebt. Mit ihrer Hilfe. Ein Lächeln schleicht sich auf ihre Züge und sie tastet nach Margaery, ohne den Blick von dem bunt rieselnden Spektakel abzuwenden, jedoch greift sie ins Leere. Neben ihr ist nichts als ein zerknittertes Laken, noch leicht warm, und sie blickt sich irritiert in der Schlafkammer um, auf einen Schlag hellwach ob der Abwesenheit ihrer Liebsten.
Doch gerade als die ersten negativen Gedanken aufkommen, sich zu überschlagen beginnen, öffnet sich die Tür und Margaery schleicht auf Zehenspitzen in den Raum. „Du bist wach“, stellt sie fest. Ihre Gestalt wird bloß von einem dünnen Morgenmantel verhüllt, seidiger Stoff, orangerot schillernd, die wie Blätter draußen. Sansa fällt ein Stein vom Herzen, als sie ihre Freundin erblickt und ihre Stimme hört. Jene Stimme, die ihr immer noch eine wohlige Gänsehaut verschafft, nach all den Monaten. (Sie denkt nicht, dass das je aufhören wird.) „Ja“, entgegnet Sansa, obwohl es nicht nötig wäre. Sie sieht und staunt, kann nun den Blick nicht mehr von Margaery abwenden anstatt von den herbstlichen Blätterfluten vor dem Fenster.
Leichtfüßig bewegt sich die andere durch den Raum, um diesen wieder ein wenig abzudunkeln. „Ich finde nach den Strapazen der letzten Wochen haben wir uns einen Tag im Bett verdient, oder?“ Kurz dreht sie sich zu Sansa um und zwinkert, während sie einen Vorhang zuzieht. Sansa nickt eifrig. „Das stimmt wohl.“ Während sie wieder von den Fenstern ablässt und sich ganz ihr zuwendet, löst Margaery mit einem geschickten Griff das Band, das ihren Überwurf an der Taille zusammenhält und lässt den Stoff beinahe beiläufig zu Boden sinken. Das seidige Gewebe gleitet über die blasse Haut, rutscht einfach so von ihren Schultern und Armen, und sie steht wieder nackt vor ihr, wie letzte Nacht, doch dieses Mal im frischen Tageslicht, das durch ein letztes offenes Fenster noch hereinfällt, nicht im schummrigen Halbdunkel, sodass Sansa wieder für einen Augenblick bloß staunen kann. Sie ist so umwerfend schön, denkt sie. So viel schöner als jeder Mann, für den sie je geschwärmt hat.
Margaery nähert sich ihre mit wohlbedachten Schritten und einem leichten Schmunzeln. „Ich hoffe du hast mich nicht zu sehr vermisst“, scherzt sie. „Es ließ sich gerade noch aushalten“, antwortet Sansa lachend. „Bist du schon lange wach?“ Sansa verneint mit einem Kopfschütteln. „Gut. Ich habe dir Frühstück bringen lassen, während ich weg war … aber zu zweit frühstücken ist dennoch viel schöner, findest du nicht auch?“ Mit einer leichten Kopfbewegung deutet Margaery in Richtung des Nachttischs, dem Sansa bislang noch gar keine Beachtung geschenkt hat.
Auf dem Tisch steht alles, was das Herz begehren könnte; tatsächlich reicht der Nachttisch gar nicht aus, es ist daneben noch ein kleiner Wagen platziert, aus demselben Holz, aus dem auch das Bett gefertigt ist. Eine kleine Teekanne, diverse deftige Kleinigkeiten, eine Schüssel Haferbrei, die in der Morgenkälte noch leicht dampft, verschiedenes Obst … und inmitten des reichen Buffets entdeckt Sansa auch ein Stück Zitronenkuchen. Ihre Lieblingsspeise.
„Danke“, flüstert sie, unwillkürlich lächelnd, und sie meint Danke für alles, aber Margaery winkt nur ab. „Dank mir nicht. Ich habe dir zu danken.“ Fragend sieht die Jüngere sie an, während sie sich auf die Bettkante setzt, die nackten Füße auf dem Boden, den die Sonne bereits gewärmt hat, und den Teller mit dem Kuchen auf ihren Schoß nimmt, die Gabel an ihren Mund führt, um ein Stück von diesem zu kosten. „Du hast mich hierher begleitet“, erläutert Margaery ihre Aussage. „Und wie ich sehe, machst du keinerlei Anstalten gleich wieder zu verschwinden.“ Sie lächeln beide. „Das ist das schönste Geschenk, das du mir machen konntest.“
Margaery setzt sich zu ihr und kriecht zurück unter die Decke, um sich hinter Sansa zu legen und ihr über den Rücken zu streicheln. „Lass es dir schmecken, mein Herz.“ Ein sanfter Kuss zwischen die Schultern folgt, und die Ältere streckt sich und bettet sich wieder auf ihr Kissen.
Nach einer Weile schluckt die den letzten Bissen das Kuchens unter, stellt den Teller vorerst wieder beiseite und wischt sich - ganz und gar nicht elegant und manierlich - den Mund mit dem Handrücken ab. Sie dreht sich zu ihrer Liebsten um, um sie zu küssen und sich zurück in ihren Arm zu legen. Sie haben sich mit dem Frühstück Zeit gelassen und es ist einer dieser Tage, die schon träge anfangen und an denen man ohnehin nichts besseres zu tun hat als sich auszuruhen; und was gäbe es da schöneres als sich mit seiner Geliebten im Schlafzimmer zu verschanzen und es sich gut gehen zu lassen? Nichts, findet Sansa
„Ich liebe dich“, murmelt sie, zwischen zwei Küssen an Margaerys Schlüssebein entlang, und noch während diese ihr über den Kopf und die Schultern streicht und ein leises „Und ich dich erst“ zurückgibt, fallen ihr schon wieder die Augen zu - und sie in einen leichten, traumlosen Schlaf.
(Sie kann gar nicht anders, als sich Margaery ganz und gar hinzugeben und sie zu ihrem Ein und Alles zu machen. Wirklich nicht.)