[Tatort Münster] Zugriff

Jul 30, 2022 22:51


Team: Nimmerland
Fandom: Tatort Münster
Rating: P12? 16?
Prompt: Angst: Verlust eines Sinnes
Länge: 803
Zeit: 90min


“Sie bleiben hier!” Thiel funkelte Boerne böse an. “Das ist viel zu gefährlich, und wir wissen beide, dass Sie das auch wissen!”

Boerne baute sich auf. “Aber-“

“Keine Widerrede!” Thiel war nicht zu Scherzen aufgelegt. “Das ist kein Spiel, Boerne! Ich weiß nicht, wie Sie immer darauf kommen, beim Zugriff mitmachen zu wollen, aber das hier ist selbst für uns gefährlich! Und wir sind die Polizei! Wir sind jahrelang ausgebildet für solche Fälle. Sie nicht!”

Mit jedem Wort, das Thiel ihm entgegen geschrien hatte, war Boerne etwas kleiner geworden. Thiel wusste, warum. Es war noch nie passiert, dass er Boerne so vehement daran gehindert hatte, zu einem Zugriff mitzukommen. Normalerweise ließ er sich dann doch dazu durchringen, weil Boerne bei den Ermittlungen maßgeblich geholfen hatte, oder Boerne beschloss, auf eigene Faust loszufahren, was Thiel meistens auch nicht verhinderte, auch dann nicht, wenn er konnte. Aber heute war es anders. Heute war Thiel laut geworden, aufbrausend, wie man es von ihm überhaupt nicht kannte. Denn dieser Zugriff war gefährlich, mehr noch als alles andere, was sie bisher gemeinsam gemacht hatten.

Boerne wirkte trotzig, als er sagte: “Dann fahren Sie eben alleine. Aber glauben Sie mal nicht, dass ich Ihnen nochmal helfe!”

“Gut.” Thiel war immer noch geladen. “Sie sind nämlich kein Polizist. Sie haben bei Ermittlungen und Zugriffen nichts zu suchen.”

Ohne ein weiteres Wort drehte Boerne sich um und verließ Thiels Wohnung.
Thiel hoffte, dass Boerne diesmal wirklich auf ihn hören würde und morgen nicht mitkam. Es war nur zu Boernes bestem.

Widerwillig machte Thiel sich bettfertig. Wahrscheinlich konnte er sowieso nicht schlafen, würde den Plan für morgen wieder und wieder im Kopf durchgehen, obwohl er ihn schon längst auswendig kannte, würde jede Eventualität dreifach überdenken, nur damit am Ende dann doch alles anders kam.
Aber als er seinen Kopf auf sein Kissen legte, übermannte ihn erstaunlicherweise doch die Müdigkeit.
Wahrscheinlich war es besser so, dachte er noch. Morgen wach und fit zu sein konnte nicht schaden.

Das nächste, was er mitbekam, war, dass er nichts mehr sehen konnte.
Nur Sekunden später durchströmten Schmerzen seinen gesamten Körper. Wo war er? Was war passiert? Die Luft, die er atmete, war stickig und verbraucht, und die Umgebung um ihn wackelte leicht. Vibrierte beinahe. War das… Ja, tatsächlich: Wenn er sich konzentrierte, konnte er ein leises Motorengeräusch hören.
Was zur Hölle war hier los?
Er versuchte, sich zu bewegen, seine Umgebung zu tasten, aber er kam nicht weit. Um ihn herum schien eine Art Kiste zu sein, die mit Pappe gepolstert und von innen mit Stoff überzogen war. Als er sich gegen den Deckel stemmte, passierte nichts, ebenso wenig bei den Seiten. Erst als er sich verzweifelt wieder in die Ursprungsposition legte, bemerkte er, dass es unter seinem Kopf weich war. Er tastete vorsichtig danach. Ein Kissen.
Dann dämmerte es ihm schlagartig: Er lag in einem Sarg. In einem verschlossenen Sarg. Und wurde gerade irgendwo hin transportiert.

Scheiße.

Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich, doch zwei Gedanken stachen heraus. Erstens: Er musste hier dringend raus, wenn er nicht innerhalb der nächsten Zeit bewusstlos werden wollte, weil der Sauerstoff fehlte. Und zweitens: Boerne hatte recht gehabt. Die Bande, die sie morgen wegen mehrfacher Morde hochnehmen wollten, arbeiteten tatsächlich mit Bestattungsinstituten zusammen. Sie hatten es Boerne nicht geglaubt, weder er noch der Rest der ermittelnden Beamten, weil es dafür keine Anhaltspunkte gegeben hatte, aber Boerne hatte darauf bestanden. Und recht gehabt, verdammt nochmal.

Panisch hämmerte er von innen gegen den Sarg, doch nichts passierte. Der Motor brummte weiter monoton vor sich hin, seine Glieder schmerzten immer noch, er konnte immer noch nichts sehen. Er versuchte, den Rand abzutasten nach Schrauben oder sonstigen Dingen, die er als Werkzeug benutzen konnte, aber er wusste, dass es vergeblich war. Das hier war nicht der erste Sarg, den er von innen sah, auch wenn er in den anderen nicht drin gelegen hatte. Aber der grundlegende Aufbau war ihm bekannt, und auch, dass man nicht mehr raus kam, wenn der Deckel einmal wirklich fest auf den Sarg geschraubt worden war.
Trotzdem probierte er es weiter. Es musste doch irgendwas geben, es musste! Aber es gab nichts. Es war hoffnungslos. Sie hatten ihn, hatten ihn zuhause erwischt, am letzten Tag, der ihnen dafür noch geblieben war. Als hätten sie gewusst, dass sie morgen Besuch bekommen würden.

Resigniert ließ er sich zurück auf das unbequeme Kissen fallen und starrte in die Dunkelheit.
Noch nie hatte er so sehr gehofft, dass Boerne nicht auf ihn hörte. Dass er morgen ins Präsidium kam, um beim Zugriff dabei zu sein, und eins und eins zusammenzählte. Dass er die restlichen Beamten davon überzeugen konnte, die Bestattungsinstitute nochmal ins Visier zu nehmen.
Und er hoffte, dass er aktuell nicht auf dem Weg in eine Kühlkammer war, auch wenn sein Bauchgefühl etwas anderes sagte.

Scheiße, verdammt.
Hoffentlich war Boerne stur.

c: angst, g: fanfiction, p: gen, t: 2022: sommerchallenge, v: oneshot, f: tatort münster

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