Titel: Zugriff
Fandom: Tatort Münster
Rating: P6
Team: The Machine
Prompt: Romantik/Intimität: unerwartete Berührung - fürs Team
Genre: Drama-ish?, wenn man mit ner Lupe guckt findet man auch die Romantik/Intimität
Länge: 1330
Zeit: 80min
A/N: zzzzzzzz eingerostet zzzzzzzz müde zzzzzzzzz naja zzzzzzzzz
“Sie bleiben im Auto.”
Boerne verdrehte die Augen und nickte halbherzig. Wie oft er diesen Satz schon aus Thiels Mund gehört hatte, besonders in letzter Zeit. Er hatte inzwischen quasi jeden letzten Rest an Wirkung verloren, und das wusste auch Thiel.
Es würde wie immer so ablaufen: Thiel stieg als erster aus dem Auto, nachdem er das Backup alarmiert hatte. Er würde mit gezogener Waffe vorsichtig in Richtung der Lagerhalle laufen und um die erstbeste Ecke verschwinden. Dann würde Boerne bis fünf zählen, aus dem Auto steigen und die Lage retten, in die Thiel sich bis dahin manövriert hätte.
Thiel warf ihm einen bösen Blick zu, als könnte er Boernes Gedanken lesen. “Ich weiß überhaupt nicht, warum ich sie immer wieder zu Einsätzen mitnehme.”
“Das lässt sich leicht beantworten”, antwortete Boerne. “Ich fahre Sie meistens.”
Thiel schnaubte und zog die Waffe aus der Innentasche seiner Jacke. “Ich mein’s ernst, Boerne, bleiben Sie hier.”
Boerne nickte artig, dann verließ Thiel den Wagen und machte sich - wie erwartet vorsichtig schleichend - auf den Weg zum Seiteneingang der Lagerhalle. Warum fanden solche Showdowns eigentlich so oft in irgendwelchen Industriegebieten statt? Boerne machte sich eine mentale Notiz, sich dazu mal ein paar Statistiken durchzulesen. Dann bog Thiel um die Ecke und er begann zu zählen.
Die Autotür ließ er offen stehen, als er sich auf den Weg zu seinem großen Triumph machte. Mehr als einmal hatte er auf Plan B zurückgreifen müssen, für den es gut gewesen war, schnell sein Auto starten zu können, und außerdem, man konnte ja nie wissen. Eigentlich erwartete er aber, dass Plan A funktionierte: Die Verbrecher mit der wasserdichten Beweiskette konfrontieren und erwarten, dass sie sich aufgrund ihrer ausweglosen Situation einfach von Thiel festnehmen ließen. Vielleicht mit einer kurzen Verfolgungsjagd, aber Thiel war erstaunlicherweise deutlich schneller, als er aussah, deswegen hatten die Flüchtenden oft wenig Chancen.
Heute war aber laut dem Polizeifunk, den Thiel im Auto mitgehört hatte, sowieso nicht zu erwarten, dass sie überhaupt jemanden antrafen. Das war neu, das war eine Abweichung vom Standard, die in dieser Form lange nicht mehr vorgekommen war, aber Thiel behandelte die Situation trotzdem so, als wären sicher Leute vor Ort, also tat Boerne das gleiche. Wenn die Lagerhalle leer war, dann war dem eben so, dann hatten sie es aber wenigstens versucht.
Boerne strengte sich nicht sonderlich darum an, sich so leise wie möglich zu bewegen. Einerseits war er von Natur aus eher leichtfüßig unterwegs und dadurch prinzipiell immer etwas leiser als andere, und andererseits war er ja durchaus auf Konfrontation aus. Er hielt nicht viel davon, gleich mit vorgehaltener Waffe auf die Verbrecher zuzugehen, wie es Thiel immer machte. Das provozierte nur. Es war doch viel sinnvoller, die Personen vor vollendete Tatsachen zu stellen: dass man sie überführt hatte, dass die Beweiskette solide war, dass sie sowieso keine Chance hätten, wenn sie flüchteten.
Und wenn Thiel von sich aus nicht akzeptierte, dass man es wenigstens ein paar Mal mit Boernes Methode versuchen sollte, musste er das eben selbst erledigen. Und nebenbei rettete er Thiel dabei noch aus den prekären Situationen, die seine vorgehaltene Waffe oftmals verursachte. Win-Win, eigentlich. Wenn Thiel nur nicht so stur wäre.
Elegant bahnte er sich seinen Weg durch die herumliegenden Maschinenteile, dann betrat er die Lagerhalle durch die gleiche Seitentür, die Thiel bereits genommen hatte, denn praktischerweise stand sie noch einen Spalt weit offen und bereitete ihm dadurch den geringsten Widerstand.
Drinnen war alles still. So still, dass man beinahe eine Stecknadel hätte fallen hören können, wenn nicht der Wind leise durch die Belüftung pfeifen würde. Von Thiel fehlte jede Spur. Allerdings auch von jedem anderen lebendigen Wesen. Nicht mal eine Maus huschte zwischen den Regalen über den Boden. Die Nachtbeleuchtung tauchte die ganze Halle in ein schummriges Licht, das die Sicht auf einige Meter begrenzte. Boerne traute seiner Intuition und schlug den Weg nach links ein, in der Hoffnung, von dort aus zu den angrenzenden Büroräumen zu kommen.
Dann bog er um ein Lagerregal und lief geradewegs in Thiel hinein, dem ein dumpfes “Uff” entwich, bevor er sich zu Boerne umdrehte. Sein Gesicht lag im Schatten, aber Boerne sah die gerunzelte Stirn und die wütend blitzenden Augen trotzdem deutlich vor seinem inneren Auge. Offenbar hatte Thiel hier in Deckung gesessen und die Lage sondiert.
Aber noch bevor Boerne sich still entschuldigen konnte, zog Thiel ihn zurück um die Ecke, um die er gerade erst gebogen war, und drückte ihn gegen das Regal. Er fragte nicht, was Boerne hier zu suchen hatte, und Boerne versuchte nicht, sich zu erklären. Thiel wäre nicht so energisch, so still, wenn die Situation es nicht erfordern würde, so viel war ihm klar.
Er versuchte, aus Thiels Blick etwas herauszulesen - waren die Büros besetzt, war die Lage einfach nur unklar, war Thiel nur wütend, weil Boerne sich mal wieder seiner Anweisung widersetzt hatte? - aber Thiels Augen lagen nach wie vor im Schatten, und nach nicht mal einer Sekunde brach er den Blickkontakt und spähte vorsichtig um die Ecke. Dass er Boerne dabei nun mit seinem ganzen Körper gegen das Regal drückte, schien ihn nicht zu stören, und Boerne störte es auch nicht. Es lag sicher an Thiels Körperwärme, dass ihm auf einmal so warm wurde.
Er schluckte trocken.
Thiel schien diese Position bequem zu finden, denn er bewegte sich weder vor noch zurück, und Boerne konnte und wollte sich nicht aus seinem Griff winden, denn das würde sicher nicht still vonstatten gehen. Nicht, dass er am Ende noch jemanden verschreckte oder auf sie aufmerksam machte. Also atmete er tief durch, einmal, zweimal - Thiel strahlte wirklich viel Wärme ab - dreimal, viermal, dann bemerkte er, dass Thiel ihn wieder ansah. Sein Blick war fragend, zumindest interpretierte Boerne das in die Dunkelheit hinein. Wahrscheinlich war er zu laut gewesen. Vielleicht hatte Thiel auch gespürt, wie sein Puls aufgrund der ernsten Situation in die Höhe geschnellt war, wer wusste das schon.
Dann fiel etwas im Nebengang mit einem metallischen Scheppern um und Boerne hielt den Atem an, diesmal wirklich der Situation geschuldet.
Thiel löste sich von ihm und verschwand um die Ecke in Richtung des Geräuschs, und Boerne wurde erst kalt und dann wieder viel zu warm. Adaption des Körpers an die Gegebenheiten, sagte er sich. Wenn die Wärmequelle verschwindet, muss der Körper nachregulieren.
Was zur Hölle dachte er hier eigentlich für einen Quatsch zusammen?
Dann war Thiel mit einem Mal wieder da, griff nach seinem Unterarm und zog ihn hinter sich den gleichen Weg zurück aus der Lagerhalle heraus. Boerne war zu perplex - von sich, von Thiel, von der ganzen Situation - um sich zu wehren.
Draußen warteten drei weitere Autos, die eilig um seins herum geparkt wurden.
“Die Kollegen sind da, also sind wir raus”, flüsterte Thiel. “Wir stören hier nur. Fahren wir nach Hause.”
Er sah sich ein paar Momente lang um, dann bedachte er Boerne mit einem längeren Blick. Kurz wirkte es so, als würde er etwas sagen sollen - eine Standpauke halten, sich erklären, vielleicht nachfragen, warum Boerne auf einmal so ruhig geworden war - dann setzte er sich in Bewegung in Richtung Auto.
Boerne folgte ihm ein paar Schritte später.
Erst als sie schon längst wieder auf dem Heimweg waren, fand er seine Sprache wieder.
“Seltsame Situation, nicht?”, murmelte er. “Ich hab nicht damit gerechnet, dass…” Er zögerte. Dass es doch so gefährlich werden könnte? War es denn überhaupt gefährlich gewesen? Oder war es vielleicht doch eher die unerwartete Berührung gewesen, die ihn aus der Bahn geworfen hatte? Aber das konnte er Thiel ja unmöglich so sagen, oder?
Thiel nickte nur knapp. “Schon gut”, brummte er.
Nichts ist gut, wollte Boerne antworten, sich rechtfertigen, einen Sinn in der Situation und in seinem Verhalten finden. Aber er war müde, und für Thiel schien alles geklärt, falls es jemals überhaupt etwas zu klären gab, vielleicht hatte Thiel auch gar nicht mitbekommen, dass etwas in Boerne vorging? Und außerdem waren sie in weniger als zwei Minuten zuhause, da lohnte es sich gar nicht, jetzt noch ein Thema aufzumachen.
Über die Situation würde er morgen weiter nachdenken.