Originalgeschichte.
Zusammenfassung: Jo glaubt seinen Traummann gefunden zu haben: gutaussehend, reich und gut im Bett. Und er scheint seine Gefühle zu erwidern. Einziges Problem: Robert ist gut zwanzig Jahre älter als er, hat eine Frau und zwei Kinder...
Warnungen: Yaoi, M/M, 18+
Es war Freitagabend und ich war so vergnügt wie schon seit Wochen nicht mehr. Auf einmal schien alles wieder seinen Sinn zu haben- sich stundenlang vorher mit Bier anzudüdeln, sich ein Outfit auszusuchen, mit Paul zu telefonieren. Ich spürte das vorfreudige Kribbeln, das mich früher immer vor dem Weggehen befallen hatte, welches ich aber schon beinahe vergessen hatte.
Robert hatte gesagt, er wolle nach der Arbeit vorbeikommen und ich wartete schon ungeduldig. Als es endlich klingelte, hüpfte ich zur Tür und riss sie auf, um ihm dann stürmisch um den Hals zu fallen. Schließlich war es schon eine halbe Ewigkeit her, dass wir uns gesehen hatten, knapp drei Wochen.
Ich küsste ihn tief und innig und berauschte mich an dem vertrauten Geschmack, der in mir wieder diese altbekannten Schmetterlinge hervorrief. Er lachte und schob mich ein Stückchen von sich, um mich zu betrachten.
„Nicht so stürmisch“ meinte er lächelnd und strich mir zärtlich über die Wange. Ich wurde wieder von einer Welle der Zuneigung überkommen und presste mich an ihn. Sein Geruch beruhigte mich immer, schien wie eine Windstille nach dem großen Sturm. Die Anspannung der letzten Wochen löste sich vollkommen und ein breites Lächeln stahl sich in mein Gesicht.
„Schön, dich zu sehen“ seufzte ich erleichtert.
„Ich finde es auch schön, dich zu sehen“ sagte er und strich mir zärtlich durchs Haar.
Wir standen einen Moment nur so da, umarmten uns fest und sagten nichts. Die wohltuende, fast meditative Stille wurde schließlich von ihm unterbrochen.
„Wollen wir nicht mal reingehen?“
Ich nickte an seine Brust gepresst und zog ihn dann in die Wohnung, dann schloss ich die Wohnungstür hinter ihm.
„Hast du Lust auf Sushi?“ fragte ich ihn. „Da hat letztens ein neuer Lieferservice aufgemacht, ich dachte, wir können ihn mal ausprobieren.“
„Hm... ich steh nicht so auf Sushi.“
„Die haben auch andere Sachen... so chinesisches Zeug. Warte, ich hole mal die Karte.“
Ein wenig widerwillig löste ich mich von ihm und verschwand in die Küche, um den Zettel, den ich an meinen Kühlschrank gepinnt hatte, zu holen. Als ich wieder ins Wohnzimmer trat, spürte ich seinen intensiven Blick auf mir und wie er mich beobachtete, wie ich näherkam.
„Du siehst gut aus“ sagte er lächelnd. „Aber du bist dünner geworden.“
In seinen Blick mischte sich Sorge, was mich wieder einmal unglaublich glücklich machte. Ja, ich war wirklich verliebt in ihn. Warum hatte ich es immer geleugnet? Dass er sich um mich sorgte, erschien mir auf das schönste der Welt, als lebte ich nur für seine Sorge, für seine Zuneigung, für seine Aufmerksamkeit und seine Anwesenheit.
„Nur ein bisschen“ untertrieb ich. „Also müssen wir jetzt viel essen.“
Er lächelte und nahm mir die Karte aus der Hand. „Dann wollen wir mal sehen, was es so gibt.“
Wir setzten uns aufs Sofa, um uns etwas herauszusuchen, dann wählten wir die Nummer des Lieferservices und warteten geduldig vor dem laufenden Fernseher, bis der Bote klingelte. Während der ganzen Zeit saß ich an ihn gekuschelt und er hatte seine Arme fest um meinen Bauch geschlungen. Wir sprachen nicht, weil wir spürten, dass wir besser nicht allzu viel redeten. Alles, was wir hätten sagen können, wäre deprimierend gewesen- was hätte ich ihm auch erzählen können, von meinem erbärmlichen Leben, das mehr dem eines Kriechtiers als einem halbwegs erwachsenen Menschen ähnelte? Und von was hätte er berichten können, von den Problemen mit seiner Frau, wegen der wir uns kaum noch sehen konnten, von den Streitereien im Geschäft? Alles, was wir außerhalb unserer kleinen Welt hatten, war so weit voneinander entfernt. Also schwiegen wir lieber und genossen die körperliche Nähe.
Schließlich kam das Essen und ich genoss mein Sushi, während Robert hungrig seine gebratenen Nudeln mit Hühnchen verspeiste.
„Was haben wir heute Abend denn jetzt genau vor?“ erkundigte er sich schließlich, als wir dann mit vollen Bäuchen träge auf dem Sofa herumlagen.
„Wir gehen in unseren Stammclub“ antwortete ich. „Keine Sorge, du wirst da niemand treffen, den du kennst.“
„Ich hoffe doch“ seufzte er und ich merkte, dass er doch ein klein wenig nervös war. Ich lächelte gerührt.
„Wenn es dir total zuwider ist, gehen wir nicht... aber es wäre doch schön, findest du nicht?“
Er grinste. „Du willst dich tatsächlich mit so einem alten Sack zeigen? Vor allen Leuten?“
Ich lachte und krabbelte zu ihm, um mich rittlings auf ihn zu setzen.
Nachdem ich ihn lange und zärtlich geküsst hatte, sagte ich, meine Stirn an seine gepresst: „Mit so einem gutaussehenden alten Sack allemal.“
Er grinste und stahl sich noch einen Kuss, während seine großen Hände über meinen Rücken zu wandern begannen. Gott, hatte ich das vermisst. Schon von dieser noch recht unspektakulären Berührung wurde mir ziemlich warm.
„Ich habe leider nichts zum Anziehen dabei“ murmelte er an meinen Lippen, als wir uns voneinander gelöst haben. „Es ist schon lange her, dass ich weg war.“
Ich schüttelte nur den Kopf. „Du bist perfekt angezogen, Darling. Im Anzug und mittleren Alter- das suggeriert, dass du ne Menge Kohle hast. Die werden sich die Augen nach dir ausgucken- aber sie werden alle keine Chance haben, weil ich dich keine Sekunde aus den Augen lasse, den ganzen Abend. Und ich werde meine Hand die ganze Zeit auf deinem Arsch lassen, dass alle wissen, dass du mir gehörst.“
Oh ja. Mein Robert, nur mein Robert, nur für heute Abend. Nachdem ich ihn so lange hatte entbehren müssen.
Seine Hände krochen unter mein Shirt und bei dem direkten Hautkontakt ging mein Atem sofort schneller.
„Ich gehöre dir, so?“ fragte er amüsiert.
„Jap.“ Ich nickte grinsend. „Mein ganz persönlicher Sugardaddy.“
Er brach in schallendes Gelächter aus und warf den Kopf zurück. „Ach du meine Güte.“
Mittlerweile waren seine Hände auf meinem Po zu liegen gekommen und begannen, ihn sanft zu kneten. Schon begann die Lust, durch meinen Körper zu wandern, ohne, dass er mich groß berührt hätte. Es war aber schon viel zu lange her und ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle.
Nachdem ich mich nur kurz an ihm gerieben hatte, spürte ich schon, wie er hart wurde und sein Atem sich beschleunigte, offenbar ging es ihm ähnlich wie mir.
Es lagen mir allerlei Fragen auf der Zunge, vor allem, wie es sich mit seiner Frau entwickelte, ob sie sich wieder arrangiert hatten, ob er wieder mit ihr schlief oder ob sie sich nun endgültig auf den Ruin zubewegten, doch ich wagte keine davon zu stellen.
Stattdessen fühlte ich nur den heißen Atem auf meinen Wangen und auf meinen Lippen, kurz bevor er mich küsste, die fordernden Hände, die mich mit forscher Bestimmtheit berührten. Doch gerade, als sich seine Finger unter den Bund meiner Hose schoben, hörte ich auf einmal das schrille Geräusch der Türklingel.
Ich seufzte genervt und ließ mich gegen ihn senken.
„Wer kann das sein?“ fragte er gegen mein Ohr.
„Paul und Christoph“ murmelte ich genervt.
„Freunde von dir?“
Ich nickte an seiner Schulter. „Ich hab ihnen gesagt, sie sollen irgendwann vorbeikommen. Aber natürlich sind sie so neugierig auf dich, dass sie, wenn ich ab neun sage, natürlich auch Punkt neun auftauchen.“
Als ich mich aufrichtete sah er mich stirnrunzelnd an. „Hast du ihnen von uns erzählt? Und von mir...“
„Ja, sie wissen, dass du verheiratet bist und so“ entgegnete ich ungehalten. „Ich verheimliche den Leuten in meinem Umfeld nichts.“ Der bissige Seitenhieb kam natürlich an und er tat mir sofort wieder leid, als ich den verletzten Ausdruck in Roberts Augen sah. Um mich abzulenken, stand ich schnell auf und lief zur Tür.
Paul umarmte mich nur kurz und schielte dann an mir vorbei in die Wohnung.
„Ist er schon da?“ wollte er ungeduldig wissen.
„Ja, komm rein.“
Ich drückte auch Christoph kurz an mich, während Paul schon ins Wohnzimmer hüpfte.
„Lange nicht gesehen“ meinte dieser.
„Sorry, ich...“
„Schon gut. Ich weiß, was los war.“
Ich sah ihn an, dankbar dafür, dass er nichts weiter sagte oder mir etwa Vorwürfe machte.
Die beiden bewegten sich vor mir ins Wohnzimmer und ich fühlte mich leicht nervös. Eigentlich war es mir ja ziemlich egal, was sie von Robert hielten, was irgendjemand von Robert hielt, aber irgendwie hoffte ich doch, ihren Segen zu bekommen.
„Oh mein Gott!“ stieß Paul schließlich hervor, als er vor Robert stand, der etwas unsicher auf der Couch saß.
Ich beäugte ihn misstrauisch, besorgt, er könne etwas unglaublich Dummes sagen.
„Also Jo hat ja immer die Tendenz gehabt, zu übertreiben, wenn er von seinen Eroberungen gesprochen hat“ begann er. Ich verdrehte die Augen. „Aber hier hat er ausnahmsweise einmal gehalten, was er versprochen hat!“ Begeistert drehte er sich zu mir um.
„Nicht schlecht, Herr Specht!“ nickte er anerkennend.
Ich sah Robert grinsen, als Paul und Christoph sich ungefragt neben ihm auf dem Sofa niederließen. Es war schon ein sehr seltsames Bild, das musste ich zugeben, die drei wirkten wie ein schlecht zusammengestellter Scherenschnitt.
„Wollt ihr... was trinken?“ fragte ich ein wenig verlegen. Ich hoffte inständig, die Situation würde sich etwas entspannen, obwohl Paul mit seinem Kommentar schon einiges dazu beigetragen hatte. Robert wirkte ein wenig lockerer, nun, da er nicht offensichtlich als alter Sack abgestempelt worden war.
„Ja, gerne“ kam es von Christoph. „Was hast du denn da?“
„Eigentlich nur Wodka und Bier... und vielleicht noch Wein irgendwo“ zählte ich auf.
„Kann ich mir Wodka-Bull machen?“ fragte Paul begeistert.
„Nein, hab kein Red Bull da, das Zeug ist widerlich“ entgegnete ich mit verzogenem Gesicht. „Wodka-O höchstens.“
„Ok“ seufzte Paul.
„Für mich erst mal Bier“ fügte Christoph hinzu. Mein Blick wanderte fragend zu Robert.
„Auch Bier. Ich muss ja irgendwann später noch fahren.“
Ja stimmt, du musst ja nach Hause um das Bett zu wärmen, dachte ich missmutig, während ich in die Küche verschwand, um die bestellten Getränke zu holen. Währenddessen begannen Christoph und Paul, sich munter mit Robert zu unterhalten, und zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass sie ihm keine verfänglichen Fragen über Familie oder Arbeit stellten, sondern ihm lediglich von dem Club berichteten, den wir später besuchen würden. Die ganze Situation war mir irgendwie zuwider. Wäre Robert mein fester Freund, wäre das alles etwas anderes. Aber er war nun mal meine Affäre und dass meine besten Freunde ihn so beäugten, hatte schon etwas Komisches. Ich fragte mich, wie Robert das alles wohl empfand. Sicher wie beim Kindergeburtstag seines Sohnes, kam es mir sarkastisch in den Sinn.
Ich zwang mich zu einem stoischen Lächeln und kehrte mit Bier, Orangensaft und Wodka ins Wohnzimmer zurück.
Nachdem wir eine knappe Stunde getrunken und gequatscht hatten, drängte ich zum Aufbruch. Obwohl ich meinen beiden Freunden im Stillen für die ausgezeichnete Konversation dankbar war, hatte ich dennoch kein Bedürfnis mehr auf vorgespielte Normalität. Dieses ganze So-tun- als-ob war mir fürchterlich unangenehm. Jeder von uns spielte seine Rolle perfekt und so klappte alles wunderbar, aber dennoch basierte die gute Stimmung darauf, dass alles Wichtige und Wahre verschwiegen wurde. Das klappte eine Weile ganz gut, doch auf einmal erschien es mir so unerträglich, dass ich demonstrativ auf die Uhr sah und wie beiläufig fragte: „Sollen wir langsam mal los?“
„Was, jetzt schon?“ fragte Christoph erstaunt. „Ist doch bestimmt noch gar nichts los.“
„Robert muss aber relativ früh schon wieder gehen“ meinte ich und sah etwas nervös zu ihm, schließlich war das das erste Mal, dass ich indirekt die Heimlichtuerei, in die wir beide verstrickt waren, ansprach. „Deswegen müssen wir es ausnutzen.“
„Jo, können wir schon“ meinte Paul schnell. „Ob wir jetzt hier trinken oder dort ist ja egal, außerdem dauert es bestimmt zwanzig Minuten, bis wir dort sind.“
„Nein, Robert fährt“ murmelte ich. Schließlich würde er es nicht riskieren wollen, mit uns durch die Stadt zu spazieren, wenn seine Frau dachte, er sei mit seinen Freunden unterwegs.
„Also gut“ meinte Christoph und erhob sich. „Dann mal los.“
Ich war schon lange nicht mehr so früh in Ausgang gegangen und es war höchst ungewöhnlich, die Tanzfläche fast gänzlich leer und auch den Rest des Clubs nur spärlich gefüllt zu sehen. Robert schien sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Kein Wunder, bestimmt war dies das erste Mal in einem Schwulenclub und ich musste zugeben, dass die Tatsache, dass er alleine mit drei wesentlich jüngeren Boys unterwegs war, ihm einen ziemlich negativen Anstrich gab.
Dennoch, er sah gut aus in dem schummrigen Disco-Licht. Wir ließen uns zunächst an der Bar nieder und ich sah mehrere eindeutige Blicke in seine Richtung huschen, woraufhin ich ihm besitzergreifend den Arm um die Schulter legte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Paul und Christoph sich angeregt miteinander unterhielten, also widmete ich mich ganz Robert und küsste zärtlich eine freie Stelle an seinem Hals.
„Wow...“ flüsterte ich lächelnd. „Wir sind zu zweit unter Leuten... und ich darf dich anfassen...“
Ich fühlte ihn grinsen und gleich darauf einen sanften Kuss auf meinen Lippen.
„Dann bist du für heute Abend ganz offiziell mein Freund“ sagte er mit einem weichen Ton in seiner Stimme, der mein Herz ein wenig schneller schlagen ließ.
Mein Freund. Das klang gut. Und es weckte eine Sehnsucht in mir, die ich meistens in einer Art Wachkoma hielt.
Wieder küsste ich ihn, diesmal tief und innig, ließ meine Zunge in seinen Mund wandern und signalisierte damit jedem, dass er ihm besser nicht zu nahe kam.
„Hey, ihr Turteltauben“ hörte ich in meinem Rücken. „Schön, dass ihr euch so gut versteht, aber was wollt ihr trinken?“
Ich drehte mich um und sah Christoph auf den Barkeeper deuten, der uns fragend ansah.
„Jackie Coke“ rief ich ihm durch die laute Musik zu.
Robert bestellte noch ein Bier und wir stießen zu viert an.
„Auf euch!“ rief Paul und ich hätte ihm am liebsten eine gescheuert. Dennoch fühlte ich mich so glücklich, wie lange nicht mehr. Die Welt war in einem perfekten, ausgeglichenen Schwebezustand stehengeblieben. Hier, in diesem kleinen Mikrokosmos, in dem es nur Robert und mich gab, keine Ehefrau, keine Kinder, keine Außenwelt. Nur ich und er, und ich war sein Freund. Leise sagte ich das Wort immer wieder vor mir her, als wäre es eine Zauberformel, die wahr werden würde, wenn man sie oft genug aussprach.
Nachdem wir eine Weile an der Bar gesessen hatten, begann sich der Club langsam etwas zu füllen. Ich sah einige bekannte Gesichter und mehrere verwunderte Blicke. Ein paar frühere Bekanntschaften kamen auch auf mich zu und ich hatte Mühe, die neugierigen Fragen abzuwimmeln, die man mir bezüglich Robert stellte, wer er sei, woher wir uns kannten, und warum er nie zuvor hier gewesen war.
„Siehst du, alle sind ganz hin und weg von dir“ raunte ich ihm irgendwann zu. „Und dann erzählen sie alle weiter; ,Jo ist jetzt das Betthäschen von so einem geilen alten Sack, der ihm Martinis spendiert...‘“
„Ich habe dir noch gar keinen Martini spendiert“ entgegnete Robert lächelnd.
„Das kommt noch“ grinste ich und winkte den Barkeeper zu mir her.
„Martini bianco“ rief ich ihm zu. Robert lachte sein wunderschönes Lachen und die hellen, strahlenden Augen hatten dabei einen Ausdruck, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er war, dann erstaunte mich, zu merken, dass er entspannt war. Ja, entspannt. Nachdem ich ihn all diese Wochen und Monate niemals gelöst gesehen hatte, niemals wirklich ruhig, sondern immer in einer subtilen Alarmbereitschaft, war er nun zum ersten Mal wirklich entspannt und schien die Situation zu genießen.
„Du hast recht, es war eine gute Idee, herzukommen“ sagte er an meinem Ohr. „Es tut gut, einmal zu dir zu stehen. Ich hasse es, dass ich das sonst nicht kann.“
Oh ja, und ich erst, dachte ich bei mir. Ich sagte aber nichts, sondern küsste ihn nur sanft, während meine Hand seine Wange streichelte.
Mein Martini kam und ich trank ein paar Schlucke, bevor ich aufsprang und ihn an der Hand zu mir zog. „Lass uns tanzen!“ rief ich ihm begeistert zu.
„Tanzen?“ Er zog eine Augenbraue hoch.
„Ja, tanzen“ antwortete ich. „Aber nicht Walzer oder Discofox.“
Ich war schon ziemlich betrunken, das ging bei mir immer schnell. Zudem hatten wir bei mir zu Hause schon einiges an Wodka vernichtet, das Bier davor nicht zu vergessen. Leicht schwankend zog ich ihn an mich und gab ihm einen tiefen Kuss, so dass er nicht dazu kam, sich zu weigern.
An der Hand zog ich ihn auf die Tanzfläche und schlang sofort die Arme um seine Taille, um ihn bei mir zu behalten und zu verhindern, dass sich die Hand irgend so eines Flachwichsers auf seinen Arsch verirrte. Es war ziemlich schnell voll geworden, daher waren wir alles andere als alleine und das Angebot war groß.
Die Musik war schnell, aber wir ließen uns davon nicht beeindrucken, sondern tanzten unseren eigenen Tanz. Ich presste mich eng an Robert und berauschte mich an den bunten, blitzenden Lichtern, der Menschenmasse um uns und die schwüle Hitze. Es tanzten schon viele, daher war es eng und stickig auf der Tanzfläche und ich hatte ein Argument, um mich eng an die starken Muskeln zu schmiegen und ihn an mir zu spüren.
Ein Elekto-DJ legte House auf, was mich immer in eine Art Trance fallen ließ, vor allem, wenn ich getrunken hatte. Nach all der Anspannung und dem vielen Denken der letzten Woche erschien mir das hier wie eine wohltuende Oase, die ich endlich erreicht hatte. Robert war alles, was meinen Verstand erfüllt, sein Körper an meinem, seine Hände, die mich an sich drückten, sein heißer Atem an meinem Nacken und ab und zu ein paar wenige Worte, die er mir ins Ohr rief.
„Und, wie gefällt’s dir?“ fragte ich ihn irgendwann eng an ihn geschmiegt.
„Ganz nett, aber ich glaube, ich bin wirklich ein wenig zu alt für das hier.“
„Ach was“ entgegnete ich lächelnd. „Schau dich doch mal um, du bist garantiert nicht der Älteste.“
Es waren einige in seinem Alter da, wie immer, die nach jungen Knaben Ausschau hielten. Früher hatten sie mich ebenso angewidert, wie der bloße Gedanke, mit so einem alten Kerl etwas zu haben. Das hatte sich natürlich drastisch geändert, seit ich Robert kennengelernt hatte. Auf einmal schien Alter überhaupt kein Faktor mehr zu sein.
„Ich weiß nicht, warum die hier sind“ gab Robert zurück. „Aber ich bin wegen dir hier... nur wegen dir...“
Mein Herz wummerte schon wieder so schnell. Wie schaffte er es, mich nur mit Worten so durcheinander zu bringen?
„Dabei hat es doch so viele hübsche Typen hier drin“ erwiderte ich und grinste ihn ein wenig frech an. „Keine Lust auf einen Dreier?“
Er schüttelte nur den Kopf und sagte mit ernster Miene: „Du bist der Einzige hier drin, den ich will, Jo.“
Das gab mir den Rest. Ich wurde in einer Welle von Glück gebadet und drückte seinen schweren Körper fest an mich.
„Und du bist der Einzige, den ich will.“
Oh Gott, warum musste es nur so sein? Wieso war er der Einzige, den ich wollte, wo er doch nicht mir gehören konnte? Oh nein, versuchte ich meine Gedanken zu bremsen. Bloß nicht daran denken, nicht jetzt. Nur den Augenblick genießen, genießen, dass er hier ist, mit dir, und niemandem sonst.
Ich versuchte mich abzulenken, indem ich ihn küsste. Seine Küsse waren so sanft heute und irgendwie machte mir das Angst, obwohl ich mir nicht erklären konnte, weshalb.
Der Rhythmus der Musik wurde etwas ruhiger, was mir Gelegenheit gab, mich sanft mit ihm im Arm zu wiegen.
Mir wurde ziemlich warm, einerseits wegen der vielen schwitzenden Körper und der verbrauchten Luft um mich, anderseits wegen diesem Körper an meinem, von dem ich nie genug würde bekommen können. Es war so voll auf der Tanzfläche, dass uns niemand groß Beachtung schenkte, also presste ich meinen Schritt auf den seinen, während ich nicht von seinem Mund abließ. Meine Hände krallten sich in sein Hemd, das schon feucht vom Schweiß war und wanderten dann über seinen Rücken, spürten seine harten Muskeln unter dem Stoff.
Ich fühlte mich auf eine seltsame Art high, auf einer rosa Wolke. Die Tatsache, mich hier, unter Menschen, mit Robert zu bewegen, berauschte mich genauso wie sein Körper. Unser Tanz war schon die ganze Zeit innig gewesen, doch nun schlich sich etwas in unsere Berührung, das weniger zärtlich und mehr verlangend war. Ich keuchte leicht in unseren Kuss.
Vor allem dann, als sich seine großen Hände besitzergreifend auf meinen Hintern legten.
„Robert...“ keuchte ich leise, obwohl ich nicht sicher war, ob er dies unter der lauten Musik überhaupt hörte. Sein Griff verstärkte sich und er presste meinen Unterleib an seinen.
Benommen stellte ich fest, dass er steinhart war.
Oh weia, auf einmal wurde mir bewusst, dass es knapp drei Wochen her war, dass wir das letzte Mal Sex gehabt hatten. Und dass ich nun hier, auf der Tanzfläche, zwischen all den Menschen, unglaublich scharf auf ihn war. Sein harter Schwanz an meinem erinnerte mich wieder daran, wie es war, ihn in mir zu haben, seine Hände auf meinem Po daran, wie sie sich oft in Ekstase in ihn krallten. Ergeben legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und ließ zu, dass er mich so eng an sich presste, dass ich kaum noch Luft bekam.
„Oh Gott, ist das heiß hier“ stöhnte er und seine Worte rannen wie ein dunkler Schauer durch meinen Körper. Ich konnte mich kaum noch beherrschen, und dann glitt auch noch eine seiner Hände forsch unter meine Jeans.
Meine Hose war nun ebenfalls viel zu eng. Als ich seine Finger auf meiner bloßen Haut fühlte, stieß meine Hüfte unwillkürlich in seine Richtung vor, suchte Reibung.
Unsere Blicke verhakten sich miteinander und während der ganzen Zeit vergaßen wir nicht, uns alibimäßig zur Musik zu bewegen, dass niemand um uns herum von unserem niederträchtigen Treiben Wind bekam. Seine Augen blickten direkt in die meinen, während er den Druck erwiderte und sich langsam an mir rieb, so dass ich mich an ihn klammern musste, um nicht den Halt zu verlieren.
Mir entfuhr ein lautes Stöhnen, die Hitze zwischen uns breitete sich in meinen ganzen Körper aus. Auf einmal wollte ich nur noch eines.
„Gehen wir aufs Klo“ brüllte ich ihm ins Ohr, keine Frage, sondern ein Befehl. Ein spitzbübisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht und er folgte mir, als ich seine Hand ergriff und ihn hinter mir herzog. Ein Blick auf seine Hose zeigte mir, wie offensichtlich erregt er war und das machte mich noch heißer. Die Erwartung ließ mich beinahe rennen, gleichzeitig erschien mir der Weg zur Toilette wie ein Halbmarathon.
Zum Glück war gerade niemand an den Waschbecken, nur eine der Kabinen war abgeschlossen. Wie von Sinnen schob ich ihn in eine unbesetzte, sah mich kurz um, ob jemand hereingekommen war, und schloss dann Tür und Riegel hinter uns.
Keine Sekunde verging, bevor sich sein Mund leidenschaftlich auf meinen presste und mich die Augen vor Schwindel schließen ließ. Auch sein Körper hatte es eilig, mit meinem Kontakt aufzunehmen. Ich war froh, dass ich von der Trennwand hinter mir gestützt wurde, sonst hätten meine Knie sicher nachgegeben. Sie zitterten wie irre, als mein Verstand abschaltete und ich nichts mehr wahrnahm, außer der Leidenschaft, mit der Robert mich zu verschlingen schien. Sein heißer Mund verließ meine Lippen, um meinen Hals hinunter zu wandern und mir ein besinnungsloses Stöhnen zu entlocken.
Oh Gott, was tat ich hier? Ich war kurz davor, mich in einer Klokabine von ihm nehmen zu lassen, aber mein Verstand weigerte sich, dies zu verhindern.
„Ich will dich“ hauchte er leise in mein Ohr und das Begehren, das in seiner Stimme mitschwang, raubte mich den Atem.
„Nimm dir, was du willst“ war alles, was ich hervorbrachte, während ich das letzte bisschen Selbstkontrolle über Bord warf und fühlte, wie seine Finger begannen, den Knopf meiner Jeans zu öffnen. Dabei hielt er seine Augen fest auf meine gerichtet und ich sah so viel Leidenschaft darin, dass ich ihm die Arme um den Hals schlingen musste, um nicht an der Wand herunter zu gleiten.
Es war das erste Mal, dass ich so etwas in diesem Klo tat. Zwar hatte ich schon öfter jemanden aufgerissen, aber wir hatten es bisher immer zu einem von uns nach Hause geschafft. Doch jetzt hätte ich keinen Meter mehr gehen können, so furchtbar scharf war ich auf Robert, so heiß darauf, ihn zu fühlen. Meine Finger machten sich ebenfalls daran, seine Hose zu öffnen und meine Brust hob und senkte sich dabei rasch.
Als sie nach unten glitt, steckte ich ihm die Hand in die Unterhose und holte seinen harten Schwanz heraus, an dessen Spitze sich bereits Feuchtigkeit gebildet hatte. Ich leckte mir über die Lippen und sah ihn erwartungsvoll an.
„Dreh dich um“ keuchte Robert leise, als auch meine Jeans nach unten gerutscht waren. Mir schoss durch den Kopf, dass uns möglicherweise Leute hören könnten und ganz genau wissen würden, was wir hier drin trieben. Doch der Gedanke machte mich noch geiler, wenn das irgendwie möglich war. Zitternd tat ich, was er mir befohlen hatte und fühlte seine großen Hände warm über meine Pobacken streichen.
Seufzend lehnte ich mir gegen die Wand und schloss die Augen, fühlte nur noch. Ein Finger strich über meinen Eingang, während Robert beruhigende Worte murmelte, dann schmutzige, und in mich drang. Ich wusste, ich musste dies über mich ergehen lassen, damit es nicht schmerzen würde, aber ich wollte ihn jetzt, sofort. Ungeduldig drückte ich mich seinen Berührungen entgegen.
„Pscht“ kam es von ihm und er strich mir beruhigend über den Hintern, während ein zweiter Finger in mir verschwand. Ich biss in meine Unterlippe, um kein Geräusch von mir zu geben, denn ich hörte, wie neben uns jemand in der Kabine verschwand. Doch es war beinahe unmöglich, so erregt war ich. Am meisten machte es mich an, Roberts Händen so ausgeliefert zu sein, zu spüren, wie er mich weitete und mich ihm so hinzugeben. Ich wollte ihn in mir, so sehr wie noch nie zuvor.
Doch er nahm sich Zeit, reizte mich nur mit seinen Fingern, bis ich kaum noch stehen konnte. Meine Lider waren fest aufeinander gepresst und ich keuchte ungehalten, als er sie endlich aus mir herauszog und ich nach einem kurzen Moment beinahe unerträglicher Leere endlich seine Spitze an meinem Eingang spürte.
Ich versuchte, mich zurückzuhalten, kein Geräusch von mir zu geben, doch es war unmöglich. Langsam drang er tief in mich an, versenkte seine ganze Länge in mir und mir entfuhr ein Stöhnen, das ich beim besten Willen nicht leise halten konnte.
„Oh Gott“ keuchte ich und das kühle Plastik der Trennwand kühlte mein erhitztes Gesicht. Es war so gut, ihn endlich in mir zu fühlen und ich erbebte vor lauter Erwartung.
Von ihm kam ein ähnlich unterdrücktes Seufzen und als er ganz in mir war, lehnte er sich nach vorne und küsste mich fahrig auf die Wange.
„Gott, du bist so heiß“ flüsterte er an meinem Ohr und biss sanft hinein, als er zum ersten Mal in mich stieß. Er kannte meinen Körper mittlerweile so gut, dass er sofort wusste, wie er zielen musste, um mich erbeben zu lassen.
Ich war nur noch ein zitterndes Bündel unter ihm und ich nahm nichts mehr wahr außer dem harten Schwanz in mir, der immer wieder zustieß. Aus der Ferne drangen Roberts geflüsterte Worte zu mir, ich hörte Leute in den Kabinen verschwinden, ihr Geschäft verrichten und dann spülen. All das verschwamm zu einem Gemisch, eine Atmosphäre, in der ich trieb. Meine Zähne gruben sich immer tiefer in meine Lippe, um nicht zu laut sein, obwohl ich mich kaum beherrschen konnte. Robert hatte meine Hüfte gepackt und stieß hart und schnell in mich, traf meine Prostata immer und immer wieder. Ich fühlte mich, als würde ich gleich ohnmächtig werden, kaum hatte ich Zeit zu atmen zwischen seinen kräftigen Stößen. Mein ganzer Körper wurde geschüttelt und alle Leute, die ein- und ausgingen merkten ganz bestimmt, was hier los war.
„Oh fuck“ stöhnte ich ergeben, als Robert schließlich meine Hände packte, sie mit einem Ruck über meinen Kopf brachte und dort festhielt.
„Spürst du das?“ hauchte er und leckte über meinen Hals. „Spürst du meinen Schwanz?“
Ich zitterte unkontrolliert und fühlte den Höhepunkt, der sich entfernt ankündigte.
„Oh ja“ konnte ich noch keuchen, bevor meine Stimme brach. „Oh ja...“
Auch er war kurz davor, das konnte ich spüren. Ich kannte seinen Körper ebenfalls, wusste genau, wie seine Stöße immer unkontrollierter und fast brutal wurden, wenn er jeden Moment kommen würde, wusste, wie sinnlose Worte seinen Mund verließen und er sich kaum noch beherrschen konnte.
„Oh, du fühlst dich so gut an“ zischte er mir ins Ohr, auch er gab sich offenbar Mühe, nicht allzu laut zu werden. „Scheiße, du bist so eng... ich komme gleich, du bist so gut...“
Ich konnte nichts mehr formulieren, mein Mund stand halboffen und konzentrierte sich darauf, noch einigermaßen regelmäßig zu atmen.
Dann ergoss er sich in meinem Inneren. Sein heißer Samen floss in mich und mein letzter zusammenhängender Gedanke war, dass wir vollkommen vergessen hatten, ein Kondom zu verwenden. Aber das Gefühl von seinem Erguss in mir war so einzigartig, dass ich den Gedanken beiseiteschob.
Er sank schwer keuchend auf mich herab, immer noch in mir versenkt und ich war immer noch von dieser unglaublichen Lust erfüllt. Völlig gedankenlos griff ich nach vorne, um mir selbst Erleichterung zu verschaffen, doch ich wurde von ihm aufgehalten.
„Lass mich das machen“ flüsterte er und dann brachte mich seine Hand zu dem langersehnten Orgasmus. Und so sehr ich es versuchte, mein Mund konnte das Stöhnen nicht zurückhalten, das erstickt aus meiner Kehle entwich.
Es brauchte einige Sekunden, wenn nicht Minuten, bis ich wieder klar denken konnte. Langsam drang es in mein Bewusstsein, wo wir uns befanden und was wir gerade getan hatten und ich wusste nicht, ob ich mich schäbig oder verrucht fühlen sollte.
Roberts leises Lachen brachte mich endgültig in die Realität zurück.
„Oh man“ murmelte er benommen. „Was war denn das?“
„Ziemlich geiler Sex“ gab ich leise zurück und lachte ebenfalls, bevor ich ihn kurz grinsend auf den Mund küsste. „Oh Gott, das war fast nicht mehr auszuhalten.“
Langsam glitt er aus mir heraus und ich fühlte, wie etwas von seinem Sperma an meinem Oberschenkel hinunter rann. Noch nie hatte ich es mit irgendjemand ohne Kondom getan, immer war ich trotz aller meiner Triebe, so unkontrolliert sie auch manchmal waren, auf meine Sicherheit bedacht gewesen.
„Sag mal...“ murmelte ich ein wenig verlegen, als ich mich umdrehte. „Du bist doch... du hast sicher keine Krankheiten oder so...?“
Er lachte kurz und schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich habe seit Jahren mit niemandem außer meiner Frau Sex gehabt... außerdem war ich immer Blutspenden, daher bin ich sicher, dass ich nichts habe.“
Ich nickte erleichtert. „Ich auch.“
„Hoffentlich“ entgegnete er etwas ernster. „Ich habe den Eindruck, du hast schon die eine oder andere Erfahrung gemacht...“
„Aber nie ohne Schutz“ empörte ich mich. „Bin ja nicht blöd...“
In diesem Moment durchschnitt auf einmal ein Ton die Luft, der mich erstarren ließ. Es war der Torrero Marsch aus „Carmen“, sein Klingelton. Augenblicklich versteifte ich mich und sah ihn fragend an. Mir war nur allzu klar, was das bedeutete. Und wer am anderen Ende war. Mir war, als würde ich aus einem wunderschönen Traum geweckt und meine Umgebung schien unnatürlich scharfe Konturen anzunehmen.
Da war sie auf einmal wieder, die Realität. Mit einer giftigen und gehässigen Grausamkeit hatte sie mich auf einmal wieder eingeholt. Er war nicht mein, niemals, nicht in diesem Leben. Da war noch jemand anders, der auf ihn wartete, der Anspruch auf ihn hatte, der mit ihm sprechen wollte. Und so gut ich es auch geschafft hatte, mich davon abzulenken, ich würde es nie vergessen können.
„Geh ran“ sagte ich und wandte den Blick ab. Er senkte den Kopf.
„Es tut mir leid...“ flüsterte er. „Aber vielleicht ist es etwas Wichtiges.“
„Geh hin“ wiederholte ich und sah ihn immer noch nicht an. Meine Gedanken schwirrten wild umher. Du bist so dumm, sagte ich immer wieder zu mir selbst, so dumm. So naiv.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er in seiner Tasche nach dem Handy angelte und es herausnahm. Es war nur eine simple Geste, aber sie besaß Symbolkraft. Ich fühlte mich fehl am Platz und die Kälte wanderte durch meinen Körper, als er auf den Abnehmknopf drückte und sich meldete.
„Hey. Was ist los?“
Auf einmal kam mir alles schäbig vor. Der dreckige Club voller notgeiler Schwuler, ich mittendrin, mit heruntergelassener Hose und schleimigem Sperma auf meiner Haut, in mir drin. Ich, eine amüsante Affäre, ein nettes Spielzeug, ein Gebrauchsgegenstand, für den netten Quickie zwischendurch.
„Was?“
Robert klang entsetzt, was mich dazu brachte, ich doch wieder anzusehen. Sein Gesicht war mit einem Mal todernst geworden und er sah erschrocken aus. Langsam riss ich mir etwas Klopapier ab und begann, mich zu säubern, während mein Blick nicht sein Gesicht verließ.
„Oh Gott“ entfuhr es ihm und er riss seine Augen weit auf. „Ist ihr was passiert?“
Mein Herz begann zu klopfen, als mir klar wurde, dass es sich offenbar wirklich um etwas Ernstes handelte. Die Stimme am anderen Ende redete weiter, während ich meine Hose hochzog und sie zuknöpfte.
„Ach du scheiße“ erklang Roberts brüchige Stimme. Er schien erschüttert und ließ sich auf den Rand der Klobrille sinken. „Ich komme sofort. Ich bin gleich da. Dann fahren wir hin.“
Ich schloss die Augen und kämpfte gegen die Tränen an, die sich auf einmal ohne Ankündigung aufstauten. Es schien wirklich etwas passiert zu sein und Robert war hier, mit mir, fickte mich auf dem Klo, während seine Familie ihn brauchte und auf ihn wartete. Der Schmerz, der mich dabei überwältigte, war keineswegs neu, aber traf mich mit einer ungewohnten Heftigkeit. Egal, was passieren würde, ich würde immer an zweiter Stelle stehen.
Und auf einmal wurde mir in einer nie gekannten Klarheit bewusst, dass ich das nicht mehr konnte. Dass ich nun an dem Punkt angekommen war, an dem die wenigen schönen Momente, die wir zusammen hatten, nicht mehr den Schmerz aufwogen, den ich wegen ihm erlitt. Eigentlich war mir das schon lange klar gewesen, aber nun erkannte ich, dass es Wahnsinn war, diese Entscheidung noch länger hinauszuzögern, obwohl ich das Ende schon gesehen hatte.
Ich musste ihn gehen lassen. Um seinetwillen, um meinetwillen.
Als ich schluckte, spürte ich einen harten Kloß in meinem Hals.
„Ich bin gleich bei dir. Ich mache so schnell, wie ich kann. Warte auch mich.“
Roberts Stimme zitterte, obwohl er offenbar versuchte, ruhig zu klingen. Dann senkte sich seine Hand von seinem Ohr und er legte auf.
Es dauerte einige Sekunden, bevor er sprach. Seine Worte waren leise und weit entfernt, als befände er sich in einer Art Trance.
„Meine Tochter hatte einen Unfall. Sie sind nachts aus dem Internet abgehauen und mit irgendwelchen Typen mitgefahren. Der Fahrer hat getrunken und dann...“
Er musste nicht mehr weitersprechen. Ich sah ihn entsetzt an.
„Und was ist mit ihr?“
„Es ist offenbar nicht allzu schlimm, sie saß hinten. Aber eines der Mädchen ist wohl tödlich verunglückt. Sie ist jetzt im Krankenhaus. Wenn ich denke... es hätte... es hätte auch ihr passieren können... und dann... und ich... während ich so was hier mache, ich...“
Ich hatte bemerkt, wie wirr die Worte aus seinem Mund kamen und dann wurden sie von Schluchzern unterbrochen. Erschrocken bemerkte ich, wie der große Körper zu beben begann und Tränen anfingen, seine Wangen hinunter zu rinnen, zunächst eine einzelne, dann mehr und immer mehr. Wie im Schockzustand konnte ich nichts tun, als mich an die kalte Wand zu pressen und ihn anzusehen, wie er weinte.
Alles in mir schrie, drängte mich dazu, ihn in den Arm zu nehmen, zu trösten, ihm zu sagen, dass er sich keine Vorwürfe machen musste, dass er nichts Falsches getan hatte, doch ich blieb stocksteif stehen. Ich konnte es nicht. Die Gewissheit, ihn gerade zu verlieren, in eben diesem Moment, lähmte mich und eine ungeheure Trauer machte meine Glieder schwer wie Blei.
„Ich muss los“ murmelte Robert benommen, als er sich ein wenig beruhigt hatte und sein tränennasses Gesicht mit einem Stück Klopapier abwischte. „Wir fahren zu ihr, ich muss sofort gehen.“
„Ich gehe auch“ gab ich zurück und ich bemerkte, wie abgehackt meine Stimme klang. „Ich sage nur noch kurz den Jungs Bescheid...“
„Ich habe keine Zeit“ unterbrach mich Robert barsch. „Ich muss jetzt sofort los, sofort.“
„Du kannst mich noch mitnehmen“ gab ich zurück. „Es liegt sowieso auf dem Weg.“
Er sah ein wenig verwirrt aus, als wüsste er nicht mehr wirklich, was jetzt Tatsache war, dann nickte er zögerlich. „In Ordnung. Aber wir müssen jetzt gleich los. Meine Frau wartet.“
Als er sich wieder anständig bekleidet hatte, verließen wir die Kabine, wuschen uns so schnell wie möglich die Hände und verschwanden unter den missbilligenden Blicken der anderen Toilettenbesucher. Ich bemerkte es kaum. Alles schien so weit weg auf einmal. Über alles schien ein grauer Schleier gelegt, als würde es in Strömen regnen. Ich fühlte mich in einer Art Taumel, als wir ohne ein Wort zu reden zum Auto liefen und ich mich auf dem Beifahrersitz niederließ.
Robert wirkte wieder ein wenig gefasster, als er den Motor anließ und losfuhr. Ein paar Mal dachte ich, er wolle etwas sagen, doch am Ende blieben wir die ganze Fahrt über still. Zu still. In der Stille nahmen meine Gedanken eine bedrängende Klarheit an. Warum mir jetzt auf einmal diese Gewissheit gekommen war, wusste ich selbst nicht genau. Es hatte diese Ernüchterung gebraucht, um all meine Zweifel und Bedenken wieder aufleben zu lassen und sie auf einmal mächtiger denn je erscheinen zu lassen. Ich hatte sie lediglich verdrängt, aber sie waren da und würden immer da sein. Während das Auto durch die dunklen Straßen glitt, auf denen kaum noch Verkehr war, erinnerte ich mich an diese Nacht, in der er mich vom Bowling heimgefahren und alles begonnen hatte. Damals hatte er ununterbrochen geredet, nun schwieg er und ich auch. Es war, als schließe sich ein Kreis und dieses plötzliche Empfinden der Endgültigkeit des Verlustes ließ mir schon wieder die Tränen in die Augen steigen. Gleichzeitig wusste ich es auf einmal mit einer schicksalhaften Gewissheit- dass ich ihn liebte, wie ich zuvor noch nie jemanden geliebt hatte, auch wenn das kitschig klang und unreif und ich früher nie an so etwas geglaubt hatte. Und mich stets gegen den Gedanken gewehrt hatte.
Die Fahrt zu meiner Wohnung kam mir unendlich lang vor und meine Erinnerung schien mit der Gegenwart zu verschwimmen. Es tröstete mich, mir vorzustellen, jemand hätte die Zeit zurück gedreht und es wäre nicht diese Nacht, sondern eine andere, weit entfernte, Ende Januar und alles wäre erst der Anfang, nicht das Ende. Doch als der Wagen hielt, wusste ich, dass er jetzt nicht bleiben würde, dass er wegfahren würde und nicht mehr wiederkommen.
„Es tut mir leid, dass ich dir den Abend verdorben habe“ unterbrach er die Stille und sah mich entschuldigend an. Er ergriff meine Hand und streichelte sanft darüber. Ich blieb steif und senkte den Blick.
„Ich rufe dich an“ sagte er weiter. „Sobald sich alles beruhigt hat. Ich habe mich so sehr gefreut auf den Abend, ich hätte nie gedacht, dass so etwas passiert, ausgerechnet heute...“
Ich schüttelte den Kopf ohne ihn anzusehen. „Das wusste niemand.“
Wieder diese verdammten Tränen. Wenn ich den Blick heben würde, würde er sie sehen. Deshalb starrte ich in meinen Schoss, wo seine Hand auf meiner lag.
„Ich rufe dich an“ wiederholte er.
Ich holte tief Luft. Wenn ich jetzt nichts sagen würde, würde ich lange nicht den Mut aufbringen, es zu tun. Die ganze Geschichte würde immer weiter und weiter gehen und unsere Zerrissenheit immer tiefer, unser Schmerz immer stärker werden. Nun schaffte ich es, den Kopf zu ihm zu drehen, ihn anzusehen.
Als er meine Tränen sah, spürte ich, wie etwas in ihm begriff. Seine Augen weiteten sich entsetzt.
„Jo“ flüsterte er erstickt.
„Nein“ sagte ich. Nur dieses eine Wort. Aber er verstand.
Der Schmerz, den ich in seinem Blick sah, ließ mich beinahe alles zurücknehmen. Beinahe fiel ich ihm um den Hals, küsste ihn, sagte, dass alles in Ordnung sei und er mich so bald wie möglich anrufen solle. Beinahe brach ich. Doch nur beinahe.
„Jo, bitte nicht“ begann er zu sprechen. Er schüttelte den Kopf, als könne er dadurch alles ungeschehen machen. „Bitte nicht. Ich rufe dich an, wir reden darüber.“
Ich schüttelte ebenfalls den Kopf, doch in wilder Verzweiflung, ich warf ihn wie von Sinnen hin und her.
„Nein“ rief ich. „Ich kann das nicht mehr, Robert. Und du doch auch nicht.“
In seinen Augen stand eine unausgesprochene Frage und ich fühlte mich verpflichtet, sie zu beantworten, obwohl er sie gar nicht gestellt hatte.
„Ich liebe dich“ flüsterte ich. „Ich bin mir sicher. Aber du wirst doch so nicht glücklich. Wenn du es irgendwann schaffst, deiner Frau die Wahrheit zu sagen, wenn du ihr sagst, dass du sie nicht mehr liebst, wenn deine Kinder erwachsen sind und dich nicht mehr brauchen, wenn dir irgendwann so egal ist, was die Leute sagen, dass du zu mir stehen kannst... dann werde ich für dich da sein.“
Ich schwieg einen Moment und holte tief Luft, um die letzten Worte zu sprechen, die mir unendlich schwer fielen. „Aber ich fürchte, das alles wird niemals passieren. Ich habe eine Weile gedacht, ich brauche keine Zukunft, aber... ich bin auch nur ein Mensch.“
Roberts Lippen zitterten und mehrmals setzte er an, etwas zu sagen. Am liebsten wäre ich einfach aus dem Auto gestürmt, hätte die verzweifelten Tränen vor ihm verborgen, doch ich wollte noch etwas von ihm hören. Irgendetwas. Irgendein Wort der Entschuldigung, der Trauer, des Abschied. Doch er schien sprachlos, seine Lippen öffneten sich, ohne einen Laut von sich zu geben.
„Du hast gesagt, du lässt mich gehen, wenn es soweit ist“ flüsterte ich schließlich, als ich glaubte, es nicht mehr ertragen zu können. Da gab er auf. Ein kurzer Schluchzen zerriss die Stille und er presste eine Hand auf den Mund. Aber er sagte nichts, hielt mich nicht auf, nickte nur langsam, als er verstand.
Dann fasste er meinen Kopf in einer raschen Bewegung mit beiden Händen und zog mich zu sich. Es war kaum mehr als eine kurze, sachte Berührung unserer Lippen, doch ich glaubte alles darin wahrzunehmen, was er mir nicht sagen konnte.
Mein Herz schien zu zerspringen in diesem Moment.
Als wir uns lösten, hob er endlich an zu sprechen. Seine Stimme war dünn und kraftlos und eine resignierende Traurigkeit lag darin.
„Ich habe mir diesen Moment so oft ausgemalt“ sagte er. „Ich habe mich immer überlegt, was ich dir sagen würde und wie... jedes Mal habe ich Angst gehabt, es würde dir zu viel werden, du hättest jemand anderen gefunden, du hättest keine Lust mehr auf so eine sinnlose Geschichte mit einem alten Sack. Jedes Mal war ich erleichtert, als du gesagt hast, dass du mich wiedersehen willst. Und jetzt... jetzt ist der Moment da und... ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
Er schüttelte erneut den Kopf und wieder sah ich Tränen auf seinen Wangen schimmern, die nur von dem matten Licht der Straßenlaternen erhellt wurden.
„Es gibt so viel, was ich dir gerne sagen würde... aber ich bin dir dankbar für die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, die du für mich vergeudet hast. Das Einzige, was wichtig ist...“ Er holte tief Luft, als brauche er Kraft für das, was er sagen wollte.
„Ich liebe dich auch.“
Ich erstarrte und hatte das Gefühl, etwas in mir gehe zu Bruch, für immer.
„Ich habe meine Zeit nicht vergeudet“ flüsterte ich. „Keine Sekunde. Alles mit dir war wunderschön.“
„Machs gut“ sagte er nur und drehte den Kopf von mir weg. Ich wusste, dass er weinte, und ich wusste, dass er nicht wollte, dass ich es sah. Also ließ ich ihm seine Würde und öffnete die Tür. Meine Glieder schienen schwer und wollten mir nicht gehorchen, irgendwie schaffte ich es, aufzustehen und aus dem Auto zu steigen. Dann zerriss das Knallen der Autotür die Stille und der Motor heulte durch die Nacht.
Ich stand da, noch lange nachdem er um die Ecke gebogen war und das letzte Geräusch seines Wagens verklungen war.