Week 4: 6313/2000

Jun 30, 2007 16:34

Hey guys :-)

Here's my final wordcount. Had a very busy writing week, as you can see^^



Amicus Draconis, German version, next part of chapter 15

Maskenbälle waren ein Mysterium der magischen Welt, vielgestaltiger, facettenreicher, und mannigfaltiger als ein Außenstehender sie sich je hätte erträumen können. Es war nicht nur die Musik, der Tanz, die Vielfalt der Kostüme, das Glitzern der Masken in der feuchtheißen Luft des Ballsaals, das Schillern und Rascheln bunter Stoffe über spiegelblanken Parkettboden. Nein, es war das Spiel mit Realität und Phantasie, mit Identität und Gestalt mit Wahrheit und Lüge - ein einziges wirbelndes Kaleidoskop aus Eindrücken, das den Geist eines Menschen blenden und ihm die Sinne vernebeln konnte.

Seine Sinne mussten vernebelt sein, sonst hätte er es niemals gewagt, hierher zu kommen. Einer mysteriösen Einladung zu folgen, die ihn ausgerechnet in das Haus seines Erzfeindes führte, war ein nicht unbeträchtliches Risiko. Doch falls er eine Schwäche in seinem geordneten und geregelten Leben zuließ, so war es sein unbezähmbarer Drang, Rätsel zu entschlüsseln und Geheimnissen auf den Grund zu gehen. Im geschäftlichen und politischen Leben hatte ihm diese Eigenschaft bereits gute Dienste erwiesen, denn so ganz ohne Risiko ließ sich eben doch kein Gewinn erzielen.

Er hielt sich bewusst im Hintergrund, beobachtete das bunte Treiben durch seine eigene Maskierung hindurch. Manche Leute waren trotz ihrer aufwendigen Kostümierungen sehr gut zu erkennen, weil sie keinerlei Wert darauf legten, ihre Identität zu verschleiern. Camille Lestrange, älteste Tochter des Hausherrn und Gastgeberin des Balls hatte sich zwar die Mühe gemacht, ihr Gesicht unter einer Medusenmaske zu verbergen, aber trotz ihres archaischen Gewandes und der Masse aus Schlangen, die sich zischend um ihren Kopf ringelten, war sie eindeutig als Camille Lestrange erkennbar. Natürlich besaß sie nicht die Fähigkeit einer echten Gorgo, Menschen durch ihren Blick in Stein zu verwandeln. Aber das machte sie gewiss nicht weniger gefährlich.

Und dort drüben, die Gestalt des schakalköpfigen Anubis, das musste ihr Vater sein. Der Legende nach besaßen die Lestranges einen Stammbaum bis ins alte Ägypten, wo die Familie der Priesterschaft des Totengottes angehört hatte. Daher führten sie auch den Schakal als Wappentier.

“Nervös, Lucius?“

Er zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte und verschränkte missmutig die Hände - oder besser gesagt, Pfoten - in den weiten Ärmeln seines Kimonos. Welcher Dämon ritt Onkel Dorian, ihn ausgerechnet an einem solchen Ort mit Namen anzusprechen? Wenn sie beide hier erwischt wurden, drohte ihnen weit Schlimmeres, als eine Anzeige beim Ministerium.

Unbekümmert griff Dorian nach einem Weinglas und reichte Lucius ein zweites. “Beruhig’ dich, mein lieber Neffe,“ flüsterte er. “Hier sind zu viele Zeugen; sie würden es nicht wagen, uns vor so vielen Augen etwas anzutun.

“Sie würden unsere Anwesenheit trotzdem nicht dulden.“ Die Sorglosigkeit seines Onkels schreckte Lucius, aber vielleicht hatte Dorian recht damit. Je unauffälliger sie sich verhielten, desto geringer war die Chance entdeckt zu werden. Und auf einem Ball gehörte es nun mal zum guten Ton, fröhlich und sorglos zu sein.

Wer konnte ihm diese Einladung nur geschickt haben? Wer konnte ein Interesse daran haben, ihn ins Haus der Lestranges zu locken?

Lucius wusste sich keinen Rat und auch Dorian hatte ihm keinen geben können. Aber er hatte darauf bestanden, ihn in die Höhle des Schakals zu begleiten und im Grunde genommen war Lucius froh darüber. Sein Onkel hatte schon immer ein Ohr für all die Dinge gehabt, die er seinem Vater, Abraxas Malfoy, niemals hätte anvertrauen können.

Andererseits musste er mit solchen Vertrauensbezeugungen vorsichtig sein, damit Dorian sie nicht irgendwann gegen ihn verwendete. Als zweiter Sohn hatte sein Onkel einen äußerst schweren Stand in der Familie, denn zweite Söhne waren in der Erbfolge der Malfoys eigentlich nicht vorgesehen. Vorgesehen war eine Tochter, die an eine andere der alten reinblütigen Familien hätte verheiratet werden können. So war alles ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten.

Nur gut, dass Dorian selbst keine weiteren männlichen Nachkommen hatte. Seine einzige Tochter, eine junge Frau in Lucius’ Alter war schon seit mehreren Jahren unter der Haube und hatte auch eine sehr gute Partie gemacht.

Lucius stellte das Weinglas kurz ab und ließ seinen Blick weiter durch den Raum wandern. War seine Cousine eigentlich hier? Lucius konnte es sich nicht vorstellen, denn die Abneigung der Lestranges gegen die Malfoys war kolossal und selbst eine ehemalige Malfoy wäre mit Sicherheit nicht auf diesen Ball bestellt worden.

Die Gestalten, die sich lachend zu den Klängen von Pauken und Flöten drehten, hätten bunter und vielfältiger nicht sein können. Einige hatten Tiere als Kostümierung gewählt, andere Götter, und wieder andere berühmte Persönlichkeiten oder magische Wesen. Da tanzte der Fenriswolf mit Morgan Le Fey, ein bocksbeiniger Faun mit der achtarmigen Göttin Kali, und ein überdimensionaler Leprechaun mit einer ägyptischen Skorpiongöttin, deren Namen er einmal gekannt, aber später wieder vergessen hatte. Das vielleicht aufwendigste Kostüm war eine Arachne mit menschlichem Oberkörper und dem Hinterleib einer Spinne. Die Frau, die es trug, musste wohl monatelang mit Tränken und Zaubern experimentiert haben, um die Verwandlung so perfekt hinzubekommen.

“Hm... ich denke, so ein kleiner Tanz könnte nicht schaden.“ Dorian, der das Kostüm des Roten Todes trug, warf mit einer fließenden Bewegung seinen Umhang zurück, trat auf die Arachne zu und verbeugte sich vor ihr. Sie akzeptierte mit einem Lächeln, welches ein paar spinnenähnliche Kauwerkzeuge zum Vorschein brachte. Dorian schluckte, doch er machte keinen Rückzieher. Einige Augenblicke später drehten sie sich inmitten all der anderen Paare, welche darauf achten mussten, nicht über den gewaltigen Hinterleib der Spinnenfrau zu stolpern.

Lucius blieb allein zurück, was seine Situation natürlich nicht verbesserte. Nervös wandte er den Blick nach links und rechts und fasste unwillkürlich an die Griffe der beiden Schwerter, die er im Gürtel trug. Die Schwerter selbst hätten im Ernstfall natürlich nichts genutzt, aber das kleinere der beiden, Wakizashi genannt, verbarg seinen Zauberstab, den er natürlich für alle Fälle griffbereit haben wollte.

Da er für den Moment nichts weiter tun konnte, als zu warten, griff er wieder nach seinem Weinglas und nahm einen weiteren Schluck. Ob der geheimnisvolle Unbekannte sich endlich zeigen würde? Wie wollte er ihn überhaupt erkennen? Lucius hatte mit voller Absicht ein Kostüm gewählt, welches seine wahre Erscheinung kunstgerecht verschleierte. In dieser Aufmachung erinnerte nichts mehr an einen hageren jungen Mann mit hellem Haar und spitzen Gesichtszügen. Statt der Haare umspielte nun ein silberweißes Fell seine Gestalt und spitz war nur die Fuchsschnauze, welche sein wahres Gesicht verbarg.

Der Fuchsdämon musste zu Lebzeiten Soldat gewesen sein, denn die braune Uniform mit dem Symbol der drei Stockmalvenblätter wies ihn deutlich als Krieger des Fürsten Tokugawa aus. Lucius bewunderte Tokugawa, der sich allein durch seine Kriegslisten und sein politisches Ränkespiel zum mächtigsten Mann seines Landes aufgeschwungen hatte. Natürlich konnte er diese Bewunderung in seinen Kreisen nicht offen aussprechen, aber dann, er zeigte auch nicht jedem die Schriften von Machiavelli, Sun Tzu, oder Nietzsche, die sich in seiner ganz privaten Bibliothek befanden und er erzählte auch nicht jedem von den Muggle-Aktien in die er einen Teil seines Geldes investiert hatte. Am allerwenigsten Vater.

Er griff in die Innentasche seines Kimonos und zog die Einladung daraus hervor um sie ein weiteres Mal zu studieren und vielleicht nach einem Hinweis zu suchen. Doch die Schrift verschwamm vor seinen Augen, kaum, dass er den Blick darauf gerichtet hatte. War es Magie? Oder war etwas in dem Wein gewesen?

Einen Moment lang schloss er die Augen, doch außer einem ganz leichten Schwindelgefühl, das vom Wein und von den wirbelnden Buchstaben herrühren mochte, konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen, auch keine möglichen Anzeichen einer Vergiftung. Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich das Schreiben allerdings grundlegend verändert. Es zeigte jetzt eine grobe Karte des Ballsaales mit einem Pfeil, der auf eine der hinteren Türen gerichtet war. Offenbar wollte der geheimnisvolle Unbekannte, dass er den Hinweisen folgte.

Lucius überlegte, ob er Onkel Dorian Bescheid geben sollte, aber wenn sie zu zweit hier herumschlichen, würde es mit Sicherheit auffallen. Außerdem brannte er darauf, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen und wollte nicht noch unnötig Zeit verlieren.

Die Tür führte auf einen schmalen Gang hinaus. In der einen Richtung befanden sich die Gästetoiletten, doch der Pfeil auf der Karte deutete in die andere. Lucius horchte, ob in der Nähe Stimmen zu vernehmen waren, doch das nicht endende Geplapper, das aus der Damentoilette zu kommen schien, klang nicht danach, als ob die Unterhaltung innerhalb der nächsten Minuten beendet sein würde. Also wandte er sich ab und folgte dem Pfeil den Gang entlang, durch eine weitere Tür, die allerdings durch ein Passwort geschützt war (Selket, wie ihm die Karte verriet), und schließlich in ein gewaltiges Treppenhaus, in welchem sich eine Wendeltreppe nach oben schlängelte.

Und inmitten dieses Raumes, umrankt von den Windungen der Treppe, vom Boden bis zur Decke etwa drei oder vier Stockwerke hoch, befand sich ein so geheimnisvolles und unergründliches Konstrukt, dass selbst ein Mann wie Lucius, der in der Zaubererwelt schon mancherlei gesehen und erlebt hatte, wie angewurzelt stehen blieb und sich für einige Minuten nicht von der Stelle rührte.

Auf den ersten Blick wirkte es wie eine Art erstarrtes Uhrwerk, mächtige Zahnräder, deren Kreise ineinander griffen, kupferne Hebel, die bestimmte Einstellungen markierten, Federn, Schrauben und rostige Ketten, welche die gesamte Apparatur miteinander verbanden. Daraus erwuchs ein riesiges Pendel, dessen kupferne Scheibe mit seltsamen Schriftzeichen beschrieben war und vollkommen reglos nur wenige Zoll über dem Boden schwebte. Hoch über ihm konnte er auch ein Zifferblatt erkennen, welches die gesamte Decke ausfüllte und nicht nur mit zwei, sondern gar mit sechs Zeigern bestückt war. Noch etwas anderes erschien ihm störend daran, aber er konnte wirklich nicht sagen, was genau das war.

Auf den zweiten Blick war er sich sicher, dass er sich getäuscht hatte und es sich um etwas völlig anderes handelte. Dies war keine Darstellung der Zeit, sondern eine Darstellung des Raumes, ein Modell der Milchstrasse und umliegender Galaxien. Die angeblichen Zahnräder waren die Bahnen von Sternen und Planeten, dazwischen glitzerten Kugelsternhaufen, schwebten erstarrte Supernoven und Kometenschweife. An der Decke über ihm leuchteten statt eines Ziffernblattes die verschiedenen Sternbilder des Zodiac und was er für die Scheibe eines Pendels gehalten hatte, war in Wirklichkeit nichts anderes als ein schwarzes Loch, das alles um sich herum verschlang.

Oder verschlingen würde, falls die stumme Apparatur irgendeine Art von Leben gezeigt hätte.

Auf den dritten Blick schienen ihm seine bisherigen Überlegungen lachhaft. Dies war weder eine Uhr, noch ein Astrolabium um die Bahnen der Sterne zu bestimmen. Es musste irgendeine Form von Lebewesen sein, ein gewaltiges Ungetüm, erschlagen und halb ausgeweidet.

Nein, kein natürliches Lebewesen konnte so aussehen. Es war eine Maschine. Eine Waffe. Ein Seelenfänger. Ein Zeitumkehrer. Eine Möglichkeit in die Gedanken eines anderen Menschen einzudringen. Ein Tor zu einer anderen Welt. Ein Luftschiff. Eine Waagschale für Herz und Sünde. Nein, es war nichts von alledem und es war das alles und noch viel mehr.

Während sich seine Gedanken ein ums andere Mal im Kreise drehten und sich dabei schreiend überschlugen, lenkten ihn seine Schritte immer näher an das große Pendel heran. Grüngolden schimmerte es vor ihm und die Symbole darauf schienen wie von Feuer durchzogen. Ein seltsamer Glanz ging von ihm aus, als wäre es das Einzige an der bizarren Apparatur, das wirklich lebendig war.

Wie mechanisch hob er seine Fuchspfote und rührte ein wenig mit dem Finger an dem Glanz. Die kupferne Scheibe fühlte sich warm und lebendig an, so als bestünde sie gar nicht aus totem Metall und ein winziger leuchtender Schimmer blieb auf seinem Fell zurück.

“Sie sollten die Große Unruh lieber nicht berühren.“

Lucius zuckte zurück wie von der Acromantula gebissen und schalt sich einen Narren. So schlau hätte er selbst sein müssen, eine magische Apparatur, die er in einem fremden Haus vorfand, nicht so einfach anzufassen. Das gehörte eigentlich mit zu den ersten Lektionen, die ein Kind in der magischen Welt lernen musste und seine Kinderzeit lag nun schon eine Weile zurück. Schande über ihn.

Als er sich umwandte, um die Sprecherin genauer in Augenschein zu nehmen, dachte er dabei nicht an die neun Fuchsschweife, die sich wie ein Rad seinen Rücken entlang fächerten. Einer nach dem anderen schlugen sie gegen das Pendel und ließen dabei dröhnende Gongschläge hören.

Nicht. Schon. Wieder.

Heute Nacht schien er wahrlich ein Talent dafür zu besitzen, sich von einer peinlichen Situation in die nächste zu manövrieren. Hoffentlich hatte er nichts an der Maschine kaputt gemacht oder mit dem Lärm unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Geiste sah er schon Lestrange und seine Leute mit gezogenen Zauberstäben in den Raum stürmen.

Seltsamerweise wog der Gedanke, sich blamiert zu haben, noch schwerer als diese Sorge. Er fühlte die Röte in sich aufsteigen, hoffte jedoch, dass diese Gefühlsregung unter seinem Fuchsgesicht unbemerkt bleiben würde. Stattdessen richtete er seinen Blick auf die Gestalt, welche ihn angesprochen hatte.

Es war ein Mädchen. Es war ein Schwan. Es war eine Frau.

Sie war schlank und hochgewachsen, eine natürliche Grazie sprach aus jeder ihrer Bewegungen. Zwar lag der obere Teil ihres Gesichtes unter der Vogelmaske verborgen, doch darunter konnte man ihr zartes Kinn und den sinnlichen Schwung ihres Mundes erkennen. Gemäß ihrer Erscheinung war ihr Kleid lang, fließend, mit Flaum und Federn besetzt, und die weißen Schwingen auf ihrem Rücken wirkten so realistisch, als könne sie sie im nächsten Moment entfalten und damit auf- und davon schweben.

Vermutlich würde sie genau das tun, sobald er nur eine falsche Bewegung machte...

“Aber eigentlich kann nichts passieren. Sie funktioniert nämlich nicht. Sie hat noch nie funktioniert.“

“Was, bitte?“ Lucius überlief es heiß und kalt; er hatte keine Ahnung, wovon sie gesprochen hatte und befürchtete schon, sich zum dritten Mal an diesem Abend zu blamieren. Zum Glück wurde ihm nur kurze Zeit später bewusst, dass das Schwanenwesen noch immer über das seltsame Konstrukt sprach, welches sich über ihnen ausbreitete wie ein gigantisches Schattengeschöpf.

“Genau das,“ entgegnete sie spitz. “Der Herr dieses Hauses hat die Große Unruh vor Jahren nach den Zeichnungen in einem alten, mottenzerfressenen Buch über Schwarze Magie anfertigen lassen. Er dachte wohl, sie würde ihn zum mächtigsten Zauberer aller Zeiten machen, auch wenn er keine Ahnung hatte, wofür sie gut ist.“

Sie lachte kurz und höhnisch auf, einen Hauch von Triumph in ihrer Stimme. “Was für eine Narretei, soviel Mühe und Anstrengung, in ein Ding zu stecken, das ohnehin nicht funktioniert.“

Seltsamerweise befiel ihn ein Hauch von Erleichterung, als sie diese Worte aussprach, beinahe so als habe er sich davor gefürchtet, was diese Apparatur anrichten konnte, wenn sie einmal zum Laufen gebracht wurde. Er wollte es nicht herausfinden.

Wer war diese Frau? Kannte sie Lestrange näher? Wusste sie was hier vorging und wozu diese sogenannte Unruh gut sein sollte? War sie etwa diejenige, die ihn mit der Einladung hierher gelockt hatte? Und falls ja, wozu? Was bezweckte sie?

“Sie tragen ein wirklich faszinierendes Kostüm, Mr. Malfoy.“ Sie trat näher, hob eine blasse weiße Hand und strich vorsichtig über das Fuchsfell auf seiner Wange. Die sanfte Berührung jagte winzige Schauer durch seinen Körper und dort, wo die Hand seine Haut streifte, verschwand das Fuchsgesicht für wenige Sekunden und sein eigenes kam darunter zum Vorschein.

“Vorsicht, spielen Sie keine Spielchen mit mir.“

Lucius trat einen Schritt zurück und hielt der Schwanenjungfrau seinen Zauberstab unters Kinn. “Wer sind Sie? Und warum wollten Sie mich hier treffen? Geht es um dieses Ding da?“

“Ja und nein.“ Sie antwortete nur auf seine letzte Frage, ignorierte geflissentlich die beiden ersten. “Ich habe in Erfahrung gebracht, dass ihre Familie große Fähigkeiten im Bereich der schwarzen Künste erlangt hat und ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht etwas über die Große Unruh wissen. Zum Beispiel, was sie antreibt. Eine Unruh muss doch irgendetwas antreiben, nicht wahr?“

“Normalerweise eine Uhr.“ Lucius hob den Kopf und betrachtete die Decke über ihm, die so aussah wie ein Himmelsgewölbe und gleichzeitig ein gewaltiges Zifferblatt. “Aber dieses Konstrukt hat selbst Ähnlichkeit mit einer Uhr. Gewissermaßen.“

Er konnte immer noch nicht ausmachen, was an diesem Zifferblatt nicht stimmte. Es waren nicht mehr die schleichenden Verwandlungen, die ihn verwunderten, daran hatte er sich inzwischen gewöhnt. Mal waren es Zahlen, die dort standen, mal Buchstaben und einen Augenblick später schienen es Elemente oder Sternenkonstellationen zu sein. Aber das war nicht das Problem. Irgendetwas war mit diesem Ding nicht in Ordnung und bei Morgana, er konnte nicht sagen, was. Und es zerrte an seinen Nerven.

“Sie haben sich geirrt.“ Er runzelte die Stirn und wandte den Blick seiner Begleiterin zu. “Ich weiß nichts über diese Unruh. Sie hätten jemand anderen hierher bestellen sollen.“

“Bei jedem anderen aus meinem Bekanntenkreis bestünde Gefahr, dass er dem Hausherrn“ - sie sprach dieses Wort mit einer Spur Verachtung aus - “von meinem Interesse berichtet. Bei Ihnen konnte ich sicher sein, dass es nicht der Fall ist. Schließlich hegen Sie keinerlei freundschaftliche Beziehungen zu ihm, hab’ ich nicht recht?“

“Sie sind gut informiert,“ entgegnete Lucius knapp und steckte den Zauberstab wieder in das Schwert zurück. Er glaubte nicht, dass eine unmittelbare Gefahr von dieser Dame ausging (zumindest nicht von magischer Art), aber er nahm sich vor, trotzdem auf der Hut zu sein. “Nun, wie Sie vielleicht ebenfalls wissen, besitzt meine Familie eine umfangreiche Bibliothek. Ich könnte versuchen, dort etwas über diese Unruh in Erfahrung zu bringen. Am besten, Sie erzählen mir erst mal, was Sie darüber wissen. Der Titel des alten, mottenzerfressenen Buches wäre natürlich ebenfalls hilfreich.“

“Nun gut.“ Sie beäugte ihn misstrauisch durch ihre hellen Vogelaugen. “Den genauen Titel des Buches kenne ich zwar nicht, aber Istave Lestrange bezeichnet es normalerweise als ’Buch der Geheimnisse’. Es soll sehr alt und sehr mächtig sein.“

“Es heißt nicht zufällig Necronomicon?“ Lucius zog eine Augenbraue hoch.

“Sie können es mir gern glauben, mein Herr, es gibt noch mehr alte Bücher. Darunter auch solche, die nicht von drittklassigen Muggle-Schreibern erfunden wurden.“

Gegen seinen Willen musste er schmunzeln. Der Humor dieser jungen Frau gefiel ihm; ihre ganze Art hatte etwas Faszinierendes an sich, auch wenn er sie kaum kannte und noch nicht viel darüber sagen konnte. Aber sie schien eine Frau mit Zielen zu sein und schreckte dabei nicht vor ungewöhnlichen Methoden zurück.

Mittlerweile war er sich sicher, dass sie eine Slytherin sein musste. Wasser findet immer seinen Weg, egal wie viele Steine sich vor ihm auftürmen.

“Nun, was die Unruh selbst angeht, so kann ich nur aus Beobachtung sprechen. Was immer sie tun sollte, sie tut es nicht. V... früher hat Istave Lestrange viel damit herumexperimentiert, aber inzwischen hat er es längst aufgegeben. Seit Jahren steht sie nur noch hier herum und ist praktisch vergessen. Ich habe sie mir oft angesehen und konnte nie einen wirklichen Sinn in ihr erkennen. Eine Sache ist allerdings bemerkenswert... kommen Sie ein Stück näher, hierher. Und sehen Sie dann nach oben.“

Sie streckte ihre Hand nach ihm aus. Er fürchtete den Moment der Berührung mit diesem verzauberten Geschöpf, ihrer unschuldigen Weiße, ihrem hauchzarten Federflaum, beinahe so als würde sich durch diese Berührung unwiederbringlich eine Falle schließen. Er glaubte schon das leise ’Klick’ im hintersten Winkel seiner Gedanken zu hören, aber das Geräusch verblasste unter dem sanften Kribbeln seiner Fingerspitzen, kaum dass ihre Hände sich einander genähert hatten.

Hände, ja, es waren Hände. Fuchsfell und Schwanenfedern verschwanden, als sie die Wärme des jeweils anderen spürten.

Er trat zu ihr heran und hob den Blick auf das Kuppelgewölbe über ihnen, folgte mit den Augen ihrem ausgestreckten Finger. Elemente, Sterne, Planeten, Himmelsrichtungen und Galaxien drehten sich in wirbelndem Tanz und ließen ihn gegen den aufsteigenden Schwindel ankämpfen. Es war ein schwirrendes, unangenehmes Gefühl des Schwebens. Ihre andere Hand auf seiner Schulter, kühl und beruhigend, schien der einzige Silberfaden zu sein, der ihn noch an die Erde unter sich band.

“Sieh hin,“ sagte sie ein weiteres Mal, gerade als er geblendet die Augen schließen wollte. Ihre Stimme und ihr Atem erzitterten an seinem Ohr, jagten winzige Schauer durch seinen Körper. Etwas zerbrach darin, ein Harnisch, eine Fessel mit der sein kühler Verstand die Kontrolle über die tieferen Bereiche seiner Seele hielt. Etwas Wildes, etwas Animalisches schien sich aus seinem Inneren freikämpfen zu wollen, ein verborgener Teil seiner selbst, der Leben witterte, Freiheit und den zarten Duft eines Rosenparfums.

“Sieh hin,“ sagte sie; ihre Stimme wurde zu einem süßen Lockruf, ihre Worte zu einem verführerischen Zauber und die schwirrenden Windungen über ihm zu einem undurchdringlichen Labyrinth, dem er nicht entfliehen konnte. In dem Ring aus Zahlen, Farben und Sternen formten sich nun Bilder. Uralte, wohlvertraute Bilder, die vor seinem Geist lebendig wurden und ihn mit ihrem sinnlichen Zauber erfüllten.

Sagittarius, der Schütze. Zeichen der Herbstglut, Symbol des Zweikampfes, Sinnbild der entfesselten männlichen Kraft. Einer Kraft, die Lucius tief unter den Mauern des Verstandes zu begraben pflegte, der er sich aber dennoch nicht entziehen konnte, als sie so unvermittelt und ungebändigt durch seine Adern pulsierte. Sein Herz pochte, die pure Hitze raste unter seiner Haut hindurch, riss seine Sinne in die schwindelerregenden Höhen eines Rausches, der ihm zwar vertraut war, den er aber noch nie auf diese Weise erfahren hatte.

War es Magie? Ein Zauberspruch der geheimnisvollen Schwanenjungfer, die Macht der Großen Unruh, ein magischer Trank in seinem Wein? Oder war es nichts anderes als die bezaubernde Ausstrahlung der mysteriösen Unbekannten, die knisternde Spannung zwischen ihnen beiden?

Capricornus, der Steinbock. Zeichen des Wintersteins, Symbol der gehörnten Götter, Sinnbild der ewig fließenden Zeit. Noch war es nicht zu spät, noch waren seine Gedanken klar und seine Vernunft stark genug, um innezuhalten und sich nicht auf dieses Abenteuer einzulassen. Er könnte sich abwenden und der süßen Verlockung widerstehen, den Aufruhr in seinem Innersten mit harter Hand niederwerfen. Noch gab es ein Entrinnen.

Aber wollte er das wirklich? Oder würde er mit Reue an diesen Tag und diese Frau zurückdenken und sich ewig fragen, wer sie war und warum sie ihn hierher gelockt hatte?

Andererseits, falls er blieb, würde er es ganz sicher bereuen. Wenn er seiner Leidenschaft ihren freien Lauf ließ, wer konnte wissen, wohin dieses Abenteuer ihn führen würde? Er spielte mit dem Feuer und dieses Feuer war gerade dabei, sich in ein Flammeninferno zu verwandeln, welches ihn unaufhaltsam, unabänderlich in seine Gewalt riss.

Aquarius, der Wassermann. Zeichen der Winterstürme, Symbol des Himmels, Sinnbild der Veränderung. Etwas geschah mit ihm, etwas, das sich geschickt seiner Kontrolle entzog. Sanfte Hände, die über seine Haut strichen, ein weicher geschmeidiger Körper, der sich gegen den seinen drängte; jede Berührung löste einen wahren Strudel an Emotionen in ihm aus, ein Feuerwerk der Gefühle. Ihr Duft betörte ihn, ihre Wärme hüllte ihn ein wie ein Mantel, ihre bloße Präsenz erfüllte ihn mit Hitze, Rausch und Verlangen.

Jeder Blick aus diesen mysteriösen violetten Augen schien sich bis auf den Grund seiner Seele zu bohren. Und doch hielt er ihnen stand, schwankte nicht unter der Macht, die sich ihm entgegenstellte. Ein Teil dieser Kraft befand sich auch in ihm selbst und er würde zulassen, dass sie erwachte und von ihm Besitz ergriff. Er würde sich nicht feige verkriechen, wenn das Schicksal an seine Tür klopfte. Sonst hätte er überhaupt nicht hierher zu kommen brauchen.

Pisces, die Fische. Zeichen des Wintereises, Symbol der Empfindsamkeit, Sinnbild der ewig rätselhaften, weiblichen Tiefe. Jede Frau war ein Ozean an Geheimnissen, sanft und doch unbeugsam, kalt berechnend und leidenschaftlich emotional, voller Widersprüche, die man nicht erklären, noch ergründen konnte. Dieses Wesen in seinen Armen war voller Unschuld in ihrem weißen Kleid, ein Hauch mädchenhafter Röte auf ihren erhitzten Wangen. Und doch war sie ebenso Verführerin, eine lockende Sirene, deren verheißungsvolle Sinnlichkeit nicht unter dem unschuldigen Weiß verborgen bleiben konnte.

Mittlerweile war sie ganz Mensch, ganz Frau geworden, bis auf die Schwanenfedern, die ihr Kleid schmückten und ihr hochgestecktes Haar wie unter einem Krönchen verbargen. Und natürlich die gefalteten Schwingen auf ihrem Rücken, die sie wie einen Engel aussehen ließen. Ein Engel, der noch eine andere, dunklere Seite verbarg.

Aries, der Widder. Zeichen der Frühlingsflamme, Symbol der Leidenschaft, Sinnbild ausbrechender stürmischer Eroberung. Seine Hände gruben sich in ihr Haar, lösten das silberglänzende Federkrönchen, während die Haarnadeln, die ihren Knoten zusammenhielten, in alle Richtungen flogen. Die schwere, Flut ihrer Haare ergoss sich wie ein goldener Strom über ihren Rücken und umspielte ihre schmalen Schultern.

Er sog dieses Bild in sich auf, spürte, dass es Wirklichkeit war, während er die seidige Pracht weiter durch seine Finger gleiten ließ. Sie sträubte sich nicht, als er ihren Kopf zu sich heranzog; ihr wissendes Lächeln verriet ihm, dass sie ebenso wie er auf die Berührung ihrer beider Lippen wartete. Erst im allerletzten Moment zog sie den Kopf zurück, eine stolze, herrische Gebärde, die ihm zu sagen schien: “Wenn du mich willst, musst du mich erobern.“

Mit nichts hätte sie sein Begehren stärker schüren können, als mit dieser winzigen Geste. Er presste seine Lippen auf die ihren, eroberte stürmisch ihren Mund, aber ohne sich dabei zu jener trunkenen Unbeholfenheit hinreißen zu lassen, die ungezügelte Leidenschaft so häufig mit sich brachte. Stattdessen erkundete er ihren Mund mit dem Geschick eines wahren Meisters, schwelgte in der süßen Nachgiebigkeit ihrer Lippen, flüsterte Versprechen um Versprechen mit der Kunstfertigkeit seiner Zunge. Ihr Körper reagierte wie von selbst, bäumte sich ihm entgegen und verlangte nach mehr. Jetzt war er es, der in ihrem Tanz der Kräfte die Kontrolle übernommen hatte, doch wie lange würde dieser Zustand anhalten?

Taurus, der Stier. Zeichen der Frühlingserde, Symbol der Offenbarung, Sinnbild wachsender Ekstase. Er löste sich von ihren Lippen, ließ seine Zunge über ihre bebende Haut gleiten, die sanfte Neigung ihres Halses entlang. Darunter spürte er Atemlosigkeit, Rausch, Verzückung, das Pulsieren ihres Blutes, welches rhythmisch durch ihre Adern pochte.

Noch einmal hob er den Mund, wie um einen Seufzer von ihren Lippen zu trinken, dann senkte er den Kopf, liebkoste behutsam den Ansatz ihres Ohres und fühlte wie sich ihre Hände in seinen Rücken krallten. Einen Augenblick später war der Moment ihrer Schwäche bereits vorüber, ihre Finger glitten unter den Stoff seines Kimonos, lösten ohne Zögern den Knoten seines Obi. Er sog heftig die Luft ein - die Hitze, die sich unter ihren Berührungen aufbaute, wuchs mit rasender Geschwindigkeit, erblühte in ein immer stärker werdendes Verlangen. Ein Verlangen, das geradezu nach Erlösung schrie.

Gemini, die Zwillinge. Zeichen der Frühlingslüfte, Symbol der Wanderung, Sinnbild der zwei Gesichter. Licht und Schatten, Unschuld und Sünde, Engel und Dämon verbargen sich gleichermaßen unter dem fließenden Gewand, dessen Haken und Bänder er nun behutsam löste, um endlich die seidenweiche Haut darunter spüren zu können.

Er befreite zunächst die eine, danach auch die andere Schulter aus dem Stoff. Mit den Fingerspitzen fuhr er ihre weißen Arme entlang, fühlte ihre Festigkeit, ihre geschmeidige Stärke. Er streichelte ihre zarten Handgelenke, liebkoste sanft die empfindsame Wölbung unterhalb des Ellenbogens und umfasste danach ihre Hände mit den seinen.

Doch sie entzog sie ihm, um ihrerseits auf Wanderschaft zu gehen. Sie strich über seine Haut, betastete forschend die festen Muskeln, die darunter lagen. Er sah sich versucht, nachzugeben, sich einfach fallen zu lassen, um in der Süße ihrer Gegenwart zu versinken. Doch so einfach wollte er sich ihr nicht unterwerfen.

Cancer, der Krebs. Zeichen der Sommerquelle, Symbol des Mondes, Sinnbild tiefer Emotionen. Von allen Fesseln befreit, glitt der seidige Stoff ihren Körper hinab bis zur Taille, entblößte ihre Brüste, die nun wie zwei alabastern schimmernde Hügel vor ihm lagen. Er umfing sie mit seinen Händen, um sie behutsam zu streicheln und zu kneten. Jetzt war sie es, die vor Wonne aufseufzte und für eine kleine Weile lang wie geblendet die Augen schloss.

Verlangend drückte sie sich gegen seine Handflächen, während seine Hände weiterglitten, seine Finger die Spitzen ihrer Brust umfassten, die sich unter seinen Berührungen erhärteten, zu rosigen Knospen erblühten. Er spielte mit ihnen - rieb sie erst ganz zart und vorsichtig, um dann plötzlich fester zuzudrücken und ihrer Kehle weitere Seufzer zu entlocken. So wurde ihm deutlich bewusst, dass die Glut der Leidenschaft, die wie eine Lanze durch seinen Körper schoss, auch von ihr Besitz ergriffen hatte. Ein köstliches Gefühl, das durch seine Liebkosungen eher verstärkt, denn gelindert wurde.

Es gab jetzt keinen Weg zurück mehr. Die einzige Möglichkeit aus diesem Labyrinth der Sinne hinauszufinden, war die Flucht nach vorne.

Leo, der Löwe. Zeichen des Sommerfeuers, Symbol der Sonne, Sinnbild wilder Entschlossenheit. Er zog eine feurige Spur von Küssen über ihre Haut, schmeckte den Schweiß, das Salz, die blumige Süße ihres Parfums. Ihr Körper erbebte unter seinen Zärtlichkeiten, ergab sich ihm, verlangte nach mehr, um ihn in der nächsten Sekunde wieder von sich zu weisen. Es war, als wolle sie ihm den Triumph nicht gönnen, als könne sie nicht zulassen, dass er eine solche Macht über sie erlangte.

Wusste sie denn gar nicht, wie sehr sie ihn in ihren Bann geschlagen hatte? Er wollte diese Frau, wollte sie besitzen, erobern, ganz und gar zu der Seinen machen. Er wollte - sei es auch nur für diesen Augenblick - ganz in ihren Zauber eintauchen, selbst wenn er darin versinken und umkommen würde. Alles andere erschien ihm in dieser Nacht bedeutungslos.

Virgo, die Jungfrau. Zeichen des Sommerbodens, Symbol der Vernunft und Weisheit, Sinnbild uralten weiblichen Wissens. Sein Geist war gefangen in ihrem Wesen, ebenso wie seine Hände nun gefangen waren, eingeschlossen zwischen ihrem weichen warmen Körper und der harten unnachgiebigen Kälte des Marmorbodens. Ihr Haar lag um sie herum ausgebreitet wie ein goldener Schein, ihr Kleid bauschte sich wie eine Wolke um ihre langen Beine in den weißen Pantalons, ihre Schwanenflügel rahmten ihren Leib wie frisch gefallener Schnee.

Er hielt einen Moment inne, richtete sich auf, um sie in ihrer vollen Schönheit zu betrachten, sog ihr Bild in sich auf, wie den Duft eines kostbaren Parfums. Doch er verharrte nicht lange in dieser Position, denn ihre schimmernden zarten Arme erhoben sich, umfingen ihn mit süßer Verlockung und zogen ihn zu sich hinunter.

Wieder einmal spürte er den Rausch ihrer Nähe, die Hitze ihrer Gegenwart, die elektrisierende Spannung ihrer tastenden Hände, die sich einen Weg über seinen Rücken bahnten, an seinen Hüften verharrten, die restlichen Bänder seines Unterkimonos lösten und sich nicht eher zufrieden gaben, bis sie nur noch bloße Haut unter ihren Kuppen fühlten. Fieberhaft erforschte sie seinen Körper, ließ ihn unter ihren Berührungen erbeben, jagte abwechselnd heiße und kalte Schauer der Lust durch jede einzelne Pore seiner selbst..

Libra, die Waage. Zeichen der Herbstwinde, Symbol der Ausgleichung, Sinnbild der Harmonie. Er befreite seine Hände aus ihrer verführerischen Gefangenschaft und ihre Beine von den mit kostbarer Spitze verzierten Pantalons....

“Obliviate!“

Schmerz, rasender Schmerz riss ihn aus dem Schlaf und auch wenn im ersten Moment seine Erinnerung noch etwas vernebelt war, so kehrte sie doch mit erstaunlicher Klarheit zurück. Er wusste nicht genau, was geschehen und warum er ausgerechnet auf dem Ball der Lestranges eingeschlafen war, doch ihm blieb jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Sein Meister verlangte nach ihm und war, dem Grad der entsetzlichen Schmerzen nach zu urteilen, nicht gerade bester Laune. Er musste sich auf Schwierigkeiten gefasst machen.

“Ihr habt mich gerufen, mein Lord.“ Ein kurzer Blick auf seine Umgebung, bevor er in die Knie sank, zu mehr reichte es nicht, denn er wollte seine Situation nicht noch verschlimmern, indem er es am nötigen Respekt fehlen ließ.

Zu seiner Verblüffung befand sich der Salon, in den der Dunkle Lord ihn gerufen hatte, ebenfalls in Lestrange Manor und als ob es nicht noch schlimmer kommen könnte, stand Istave Lestrange höchstpersönlich im Raum. Eigentlich überraschte es Lucius nicht besonders, dass Lestrange ebenfalls zu den Gefolgsleuten des Meisters zählte. Andererseits hatte er sich manchmal gefragt, ob dieser mächtige Schwarzmagier wirklich vor einem anderen das Knie beugen würde.

“Lucius, ich bin nicht zufrieden mit dir.“

Eine weitere Welle des Schmerzes zuckte durch seinen Arm und er konnte nur mit Mühe an sich halten, um nicht laut aufzuschreien. Offenbar hatte sein heimliches Eindringen in dieses Haus mehr Schwierigkeiten verursacht, als einer von ihnen erwartet hätte. Und das für nichts und wieder nichts, denn er war dem Absender des Briefes nicht einmal begegnet.

Aber was war geschehen? Wenn Lestrange ihn im Haus entdeckt hätte, dann hätte er ihn doch sicher angegriffen, oder nicht? Und wo war Onkel Dorian?

“Falls ich Euch gefehlt habe, Meister, bitte ich untertänigst um Vergebung.“ Trotz der Schmerzen blieb seine Stimme aalglatt und obwohl er die Worte zwischen zusammengebissen Zähnen hervorstoßen musste, so waren sie doch für jedermann im Raum verständlich. Der Meister schwieg noch, doch Lestrange quittierte die Aussage mit einem wütenden Schnauben. “Verzeiht, Meister, doch ich bitte Euch inständig, gewährt mir Satisfaktion. Diese beiden Männer haben meinen Grundsitz ohne meine Erlaubnis betreten und den Tod meines Bruders verursacht. Soll diese Tat etwa ungerächt bleiben?“

“Istave, deine Bitte wurde bereits zur Kenntnis genommen und abgelehnt, also strapaziere nicht meine Geduld. Ich habe heute Nacht schon einen herausragenden Diener verloren und ich habe kein Interesse daran, weitere zu verlieren. Diese Familienfehde endet. Hier und jetzt.“

“Ja, Meister.“ Lestrange senkte demütig den Kopf, auch wenn es ihm nicht ganz gelang, den Ärger zu verbergen, der sich deutlich in seinen Gesichtszügen abzeichnete. Lucius Gedanken rasten - was war in den letzten Stunden geschehen, während er offenbar geschlafen hatte? Onkel Dorian und Lestrange’s jüngerer Bruder mussten aufeinander getroffen sein, soweit konnte er die Bruchstücke mittlerweile zusammensetzen. Und Lestrange’s Bruder war tot. Hatten sie sich duelliert? Was war mit Onkel Dorian geschehen? Hatte er ihm vielleicht den Schlaf verpasst, um ihn aus der Sache herauszuhalten?“

“Sowohl deine Familie, Istave, als auch die Malfoys haben einen Toten zu beklagen. Damit ist die Blutschuld beglichen. Du wirst deinen Bruder begraben müssen und Abraxas Malfoy den seinen. Und ebenso begrabt ihr die Fehde zwischen euch. Der Machtwechsel ist nahe und die Mitglieder unserer Gemeinschaft müssen sich jetzt mit wichtigeren Aufgaben befassen, als einander zu dezimieren.“

“Abraxas Malfoy ist nicht Teil unserer Gemeinschaft,“ begehrte Lestrange ein letztes Mal auf, während Lucius das dringende Bedürfnis bekämpfte, seinen Zauberstab zu ziehen und den Alten zum Schweigen zu bringen. Gleichzeitig durchfuhr ihn ein heftiges Schuldgefühl, denn er selbst hatte Dorian in diese Lage gebracht. Er war es gewesen, der unbedingt hierher kommen und dieser geheimnisvollen Einladung nachgehen wollte. Und Dorian hatte ihn begleitet, um ihn zu schützen. Sein Onkel und Vertrauter hatte diese Waghalsigkeit mit dem Leben bezahlt, während er, Lucius, ungeschoren davon kommen würde.

Oder beinahe ungeschoren, denn das letzte Wort in dieser Angelegenheit war noch nicht gesprochen.

“Aber sein Sohn ist es und darum wird es in Zukunft keine weiteren offenen Feindseligkeiten zwischen seiner und deiner Familie geben. Gerade jetzt in der entscheidenden Phase unserer Pläne brauchen wir eine starke Gemeinschaft und nicht eine, die sich selbst bekämpft.“

“Ich werde tun, was Ihr verlangt, Herr.“ Lucius hob den Kopf und blickte dem Dunklen Lord direkt in die Augen, um ihn erkennen zu lassen, dass er diese Worte ehrlich meinte. Auch wenn es ihn große Mühe kostete, da alles in ihm nach Rache schrie, so war es doch ein kleiner Triumph, als erster auf den Befehl reagiert zu haben. Lestrange mochte weitaus mächtiger sein und zudem das engere Vertrauen des Meisters besitzen, doch Lucius war derjenige, der sich besser unter Kontrolle hatte und das trotz seiner jungen Jahre. Und er wollte dafür sorgen, dass Lestrange dies nicht vergessen würde.

“Wie ihr wünscht, Meister.“ Auch Lestrange’s Gesicht war jetzt eine steinerne Maske, nichts deutete mehr auf den Aufruhr hin, der noch vor wenigen Augenblicken in diesen Zügen sichtbar gewesen war. “Ich werde Euch nicht enttäuschen. Nun aber bitte ich demütig um die Erlaubnis, mich zurückziehen zu dürfen. Ich habe eine Beerdigung vorzubereiten.“

Lucius verschlug es beinahe den Atem. Jeden anderen hätte der Dunkle Lord mit Sicherheit für diese Unverschämtheit bitter büßen lassen, aber Lestrange konnte sie sich offenbar erlauben. Der Dunkle Lord hielt den Schwarzmagier nicht auf, als dieser sich nach einer tiefen Verbeugung rückwärts in Richtung Tür bewegte.

Erst als er sie schon beinahe erreicht hatte, spielte ein überlegenes Lächeln um die Lippen des Lords und er rief seinen Diener zurück: “Istave? Da wäre noch eine Kleinigkeit.“

“Meister?“ Lestrange verbeugte sich ein weiteres Mal und Lucius wurde klar, dass der Dunkle Lord keineswegs bereit war, die Unverschämtheit hinzunehmen. Was immer er im Begriff war zu sagen oder zu tun, es würde eine schlimmere Strafe sein, als ein einfacher Fluch oder ein paar Schmerzen im linken Arm. Lestrange selbst schien es offenbar auch zu wissen, denn einen winzigen Augenblick lang zeigte sich Sorge auf seinen Zügen. Doch es dauerte nur Bruchteile von Sekunden und dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

Lucius beging jedoch nicht den Fehler, seinen Triumph offen zu zeigen. Der Meister war auch mit ihm noch nicht fertig und es mochte durchaus sein, dass seine eigene Bestrafung nicht weniger unangenehm ausfiel.

“Nun, um dafür Sorge zu tragen, dass der Waffenstillstand zwischen euren Familien auch tatsächlich eingehalten wird, braucht es einen stärken Bund als ein einfaches Wort.“

“Ich bin bereit, einen Unbrechbaren Schwur zu leisten, falls dies euer Wunsch ist, mein Lord.“ Lucius merkte, dass ihm dieses Zugeständnis schon weitaus weniger schwerfiel, als das erste. Inzwischen hatte er eingesehen, dass es ohnehin eine schlechte Idee wäre, diese Familienfehde weiterzuführen. Es würde nur für Zwist unter den Todessern sorgen und den armen Dorian machte es auch nicht wieder lebendig. Außerdem hatte Dorian’s Mörder ebenfalls sein Leben verloren, dies würde zumindest ein Trost für seine Cousine sein. Falls sie sich damit nicht zufrieden gab - nun gut, dann sollte sie sich bei ihrem Ehemann ausheulen und dann konnten seinetwegen die Blacks die Fehde weiterführen. Damit hatte er dann nichts mehr zu tun.

“Nein Lucius, ich dachte an eine ganz andere Art der Verbindung. Istave, du wirst ihm eine deiner Töchter zur Frau geben. Wird es für deine Erstgeborene ohnehin nicht langsam Zeit?“

“Meister, ich bitte Euch... Camille ist bereits verlobt, es würde unsere Familie große Schwierigkeiten bereiten...“ Blankes Entsetzen stand Lestrange ins Gesicht geschrieben. Auch Lucius musste schlucken; mit einem solchen Befehl hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Natürlich war ihm klar gewesen, dass er einen Pakt fürs Leben eingegangen war, als er in die Dienste des Dunklen Lords getreten war, aber nun wurde ihm bewusst, dass sein Meister in jeden, noch so privaten Bereich seines Lebens eingreifen konnte. Eine Frau zu heiraten, die er nicht einmal kannte, das war ein Befehl, den er nicht leichten Herzens befolgen konnte. Aber dass er ihn befolgen musste, stand außer Frage.

Er senkte den Blick und starrte mit regloser Miene auf den Marmorboden, der schwarz und kalt unter dem Saum seiner Todesserrobe glänzte. Alles um ihn herum wirkte dunkel und unheilverkündend.

Alles, bis auf eine Schwanenfeder, die einsam, zart und schneeweiß zu seinen Füßen lag.

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