psychochromatisch

Aug 09, 2011 16:26

 Sie nannten die Außenbezirke den Großstadtdschungel - ein vergessenes Wort für eine alte Zone. Es wachsen Blumen aus dem Stahlbeton, sagten sie, wenn du ihn lange genug nicht desinfizierst. Der bunte Kunststoff tanzte in der Abluft der sicheren Ebenen. Das große Klimatisierungssystem arbeitete ohne Unterbrechung und heizte die Luft des Dschungels auf feuchtwarme Zweiundvierzig Grad.
Würde die Innenstadt eine Stunde die Klimaanlagen ausschalten, hätten wir einmal am Tag kalte Drinks! hatte jemand auf die Hauswand gesprayt,die Welsh betrachtete. Wenigstens erfror niemand. Er zog die Schutzgläser von den Augen, um sich zu orientieren, und zählte langsam bis Dreißig.
Ein dunkelblauer Fluss wellte sich über den Untergrund Untergrund und schwarze Fußabdrücke resonierten den Korridor entlang um die nächste Ecke auf ein Einkaufszentrum zu. Acht. Blutige Kugeln rotierten über der Hauptstraße und zogen eine Spur zu weinroten Schutzverkleidungen in den Gebäudewänden. Verteidigungsanlagen. Vierundzwanzig. Auf der anderen Seite war ein grasgrünes Raster in der 4 eines Graffitis verborgen. Achtundzwanzig. f4d3 t0 6r4y.
Welsh zog die Schutzgläser wieder über die Augen und unterdrückte den Drang zu reiben. Feinstaub. Schmutzpartikel. Er konzentrierte sich auf das feine Summen des Reinigungsmechanismus innerhalb der chemischen Isolation. Seine Sicht wurde wieder klar und ließ die Häuserschlucht in ihren Farbschemen zurück. Die Reinigungsmaschinen funktionierten selbst in den Außenbezirken, doch es gab immer mehr Müll als Zeit, ihn zu beseitigen. Und auf Asphalt und nacktem Beton sah alles ein bisschen hässlicher aus.
Welsh drückte sich flach auf den Boden, als Lärm durch das Heulen der Abluft drang. Stampfen brachte die leeren Konversendosen neben ihm zum Zittern. Er hörte das Ächzen von schlecht gepflegter Kybernetik, noch bevor die Maschine um die Häuserecke kam und den ersten weißen Schritt in die schwarzen Spuren setzte, die Welsh von ihm erwartete. Sie wurden irgendwann so berechenbar und merkten es nicht einmal.
Er war dem Zombie seit einigen Tagen auf seinem Weg in den Dschungel gefolgt. Kurz nachdem der Cyborg auf die Abschussliste gesetzt wurde und der Herr den Auftrag zugeteilt bekam, hatte er Welsh losgeschickt, um am Ziel zu bleiben; es eigenständig zu eliminieren, wenn möglich. Er war leicht die Route eines Zombies mit einem Minimum seiner Persönlichkeitsdaten abzuschätzen. Nur der Angriff gestaltete sich in den meisten Fällen beinahe unmöglich. Welsh hatte zugesehen wie er sich durch die Sicherheitskontrollen an der Grenze der sicheren Ebenen gekämpft hatte, ohne ernsthaft beschädigt zu werden.
Auto-Poietisches System. Der Zombie schlachtete sich durch die automatisierte Sicherheit und fraß deren Technik in sein eigenes System. Je mehr man dem APS entgegenwirft, desto stärker wird der Widerstand auf lange Zeit. Aber es gab einen Haken, erinnerte der Herr Welsh bei dessen Berichten: Irgendwann ist der Organismus satt, aber das System frisst weiter. Wenn der Cyborg klar im Kopf ist, schaltet er ab und wartet auf den nächsten Hunger. Zombies verlieren diese Details aus den Augen.
Welsh lauerte seit Tagen auf den Moment, an dem die Maschine überläd und das Fleisch kollabiert. Es kitzelte ihn in der Nase nichts tun zu können. Nicht mehr lange. Nicht mehr lange.
Der Zombie war von einem mechanischen Puzzle an neuen Elementen überzogen, unter denen die ehemals klare Struktur seines künstlichen Körpers zu erkennen war. Neue Schutzplatten aus nacktem Keramik waren platziert worden, wo früher
noch Fleisch gewesen war und der Oberkörper schien pausenlos Eingeweide aus Verkabelungen, Gewebeverstärkung und improvisierten Waffen zu erbrechen. Er stampfte mit donnernden Schritten den Straßenzug entlang als habe er alle Zeit der Welt.
Welsh gefiel die derzeitige Lage nicht. Ebenerdig konnte er sein Ziel zwar aus einer Gasse überraschen, aber niemals überwältigen. Außerdem waren da noch die Sicherheitsanlagen. Er hechtete über die Straße und auf einen der Müllcontainer zu - dort wo er ins Grün sah. Der Sicherheitsanzug registrierte den Tempowechsel und beschleunigte seine Bewegungen. Im Sprung brach er durch das Gitter und rollte in den schachtelgroßen Lüftungsschacht dahinter, noch bevor der nächste Schritt von der Straße widerhallte.
Der Schacht summte die Melodie der Maschinen hinter den Hauswänden. Leitungen und Generatoren. Glas und Faser und Kunststoff. Jemand hatte ein intrinsisches Pflanzenmuster auf die Aluminiumwände gezeichnet, das sich um die Ecke schlang. Welsh begann zu kriechen und es mit den Seiten zu verwischen. Er fühlte sich in engen Räumen wohler als draußen.

Das Salvenfeuer auf der Straße setzte ein, kurz bevor er einen Ausgang fand. Seine Ohren stachen trotz Geräuschfilter. Durch das Raster sah er noch wie der Zombie das letzte Abwehrgeschütz aus der Wand riss und es ruhig wurde. Das Ende des Schachts führte auf eine schmale Wartungsbrücke überhalb der Straße und gab ihm freie Sicht. Mehrere Alarmsirenen rotierten an der Decke des Komplexes, weit über ihnen, und warfen rotes Licht über den leeren Straßenzug. Nur vergitterte Schaufenster, halb intakte Leuchtreklamen und zu viele Autos. Falls Bewohner des Dschungels in der Gegend waren, hatten sie sich schon verkrochen, als die ersten Wachen Warnung gegeben hatten.
Die Maschine hielt inne, riss die herumliegenden Sicherheitsanlagen auseinander; vermutlich um an die Munitionslager zu kommen. Öl und Kühlflüssigkeit rannen aus dem Körper, der eifrig mit Flicken beschäftigt war. Er biss die Zähne zusammen, als er die Gelegenheit witterte. Seine Gelenke spannten sich zum Sprung und der Anzug passte sich an.
Welsh bemerkte den Schatten aus dem Augenwinkel und eine rote Spur durchschnitt seine Sicht. Erst als dieser im Rücken der Maschine einschlug, erkannte er den Speer. Dort wo die Metallstange in ihrem Ziel versank, verbreiterte sie sich durch einen dunklen Klumpen.
Eine Sekunde später warf die Detonation des Sprengstoffs den Zombie zur Seite, jedoch ohne ihn zu Fall zu bringen. Langsam dreht er sich um und versuchte - ebenso wie Welsh - den Angreifer zu lokalisieren. Die Pranken schlugen einen zweiten Speer zur Seite, bevor eine Flasche gegen die Panzerung zerbrach und sie in Brand steckte. Das Feuer leckte auf den Asphalt -
überall dort, wo sich das Benzin verteilt hatte.
Welsh erkannte den Geruch auf drei Häuserblocks gegen den Wind. Er sah sich weiter angestrengt um. Der Zombie drehte sich um die eigene Achse und versuchte das Feuer zu löschen. Er bemerkte den Stahlbolzen nicht einmal, der in seine Schulter einschlug. Die Gestalt, die das daran befestigte Kabel entlangrutschte, setzte ihre Stiefel in seinen Nacken und klammerte sich fest. Ihr Mantel war eine dreckig graue Masse, die mit den ruckartigen Bewegungen des Reittiers träge gegen die Flammen zappelte.
Welsh glaubte ein dunkles Gesicht zu erkennen. Er wurde nervös. Die Gestalt wurde herumgerissen - duckte sich unter einer Pranke weg, ohne die Umklammerung der Beine zu lösen. Er sah sie den großen Schlagbohrer vom Rücken ziehen und unter sich in den Nacken zu setzen, so gut es ging. Dann durchschnitt das Kreischen den Lärm und der Bohrer versank in der Maschine.
Der Zombie begann zu zucken, doch erwischte seinen Reiter mit einem Glückgriff und riss ihn zu Boden. Er schlug mit einem Scheppern auf und für eine Sekunde lag der Mantel still, bevor die Gestalt darunter hervorglitt. Der hellhäutige Mensch war bis auf Werkzeuggürtel, Stiefel und Handschuhe nackt. Er ließ die Überreste der Bohrmaschine fallen und zog die Axt aus dem Gürtel. Ein Grinsen öffnete das geschwärzte Gesicht wie ein Reißverschluss. Er tänzelte durch das ausbrennende Feuer um seinen Gegner und hackte auf alles ein, was in seine Nähe kam. Doch wann immer die Maschine ihn auch nur streifte, verletzten ihn Metallkanten und Stacheldraht. Irgendwann hörte er auf sich um den Menschen zu kümmern und richtete nur noch eine Pranke nach vorne. Die Aktivierung seines Waffenarms benötigte seine gesamte Konzentration.
Welsh sah die Lücke. Als das Ziel ihm den Rücken zudrehte, stürzte er von der Brücke und vergrub seine Zähne dort, wo der Bohrer ein Loch hinterlassen hatte. Die Schichten aus Metall, Fleisch und Verkabelung zerrissen unter der Kraft seines Gebisses. Mit einem Ruck nach rechts schaltete der Zombie ab. Die automatisierten Funktionen durchliefen noch einige Routinen, doch stellten ihren Dienst ein, als das zentrale Nervensystem nicht mehr antwortete. Welsh löste seinen Biss und kletterte von der toten Maschine hinunter.
Der Mensch stemmte einen Stiefel gegen den Gegner, um die Axt aus dessen Kopf zu lösen. Als er Welsh sah, ließ er ab und unter wischte sich über die Stirn. Er kniete sich herunter.
"Ja, wer bist du denn?" Er musste lachen und zog einen Handschuh aus, um Welsh die bloße Hand vor die Schnauze zu halten. "Du bist ja ein feiner Kerl!"
Mensch, dachte Welsh. Dschungelbewohner. Er seufzte und ließ die Zunge aus dem Maul hängen.. Der Mensch streichelte ihm über den Sicherheitsanzug.
"Hast du mir gerade den Arsch gerettet! Na, wer hat mir den Arsch gerettet! Wer ist ein feiner Kerl? Bist du ein feiner Kerl! Wie heißt du denn?"
Welsh war gerade nicht nach Spielen zumute, also bellte er dem Menschen einmal entgegen und trottete dann zu seiner Beute, um sie zu untersuchen.
"Hast recht, Hundchen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Er wühlte in seinem Mantel herum. "Ich trommel meine Jungs zusammen und dann weiden wir das Ding aus. Vielleicht finden wir ja 'n Knochen für dich."
Kein Bedarf, dachte Welsh, während per Kommunikationseinheit Standort und Erfolgssignal an den Herrn übermittelt wurden. Ich will nur den Kopf. Daran gibt es nicht viel Tech für euch auszuschlachten.

sci-fi, assoziation, womöglich dystopisch, natural-born cyborgs, tierperspektive, cyberpunk, nackte menschen, ich kann auch mit action anöden, künstliche lebewesen und halbgare sachen

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