Stiller Alarm

May 16, 2013 04:39




Ich glaube nicht, dass ich verlernt habe in Panik zu verfallen. Viel wahrscheinlicher ist eine Art und Weise mit dem erstickenden Tumult umzugehen, die vollkommen gemächlich und ruhig daherkommt.

Als ich an diesem Abend nach Hause komme, stimmt etwas nicht mit der Wohnung. Der Eingangsflur fühlt sich verzerrt und wie ausgetauscht an. Vielleicht ist es auch umgekehrt und ich habe die Räume niemals als real proportioniert gesehen. Es erfüllt mich mit dem Gefühl als könnte sich jeden Moment die Decke um mich schließen und erwürgen wie zusammengeknülltes Papier. Meine Sinne schwimmen in einem Mülleimer voller weggeworfener Idee, noch bevor ich die Schuhe ausgezogen habe.

Der Boden des Apartments ist gesprenkelt mit Staubflocken, Papierfetzen und Haaren, was im Gegensatz zur ungewöhnlichen Atmosphäre nichts Neues ist. In einem Anflug von Zweifel streiche ich über den Schuhschrank, um mich der Realität zu vergewissern. Meine Finger hinterlassen eine kleine Gasse in der Staubschicht und am Ende der Linie kommt mir meine Hand fremd vor. Der Schrank dagegen ist so gewöhnlich und bekannt wie es Möbel für mich an sich haben. Ich mustere die Adern und Härchen meines Handrückens und versuche mich zu erinnern, wie meine eigene Hand aussieht. Ich denke an Merkmale, Narben, Eigenheiten - mir will kein vernünftiges Indiz einfallen.

Ich lasse mich in meiner Verwirrung im Flur zurück und lasse mich aufs Sofa fallen. Mein Gesicht versinkt in meinen Fingern, als könnte ich es in den Leerräumen zwischen meinen Fingerspitzen verstauen. Einfach wegräumen und im Winter wieder auspacken, wenn es kühler ist und sich ein Kopf wieder lohnt. Als ich mich zurücklehne, ist mir mein Gesicht immer noch bewahrt geblieben und versucht das Zimmer zu erfassen.

Es sollte dunkel sein hier drin, doch ich lebe in der Stadt und es wird niemals dunkel. Demotivierte Anflüge von Licht berühren die Wände, Möbel und mich. Ich fühle mich zu groß; als würde ich von einem Leuchtturm auf das Wohnzimmer hinabblicken und mir ein Bild machen. Um der Entscheidung zu entgegen begrabe ich die Augen hinter den Lidern und selbige als doppelten Boden in meinen Handballen. In der Schwärze zittern die glitzernden Fäden, die nirgendwo hinführen und sich niemals zusammenfinden. Sie wollen interpretiert und verknüpft werden, doch schaffen es niemals über meine Augenlider hinaus.

Ich bin sicher, würde ich sie hinausziehen, könnte ich Blitze werfen und meine Bücherregale in Brand setzen. Dann ginge ich auf den Hügel zwei Straßen weiter, während die Nachbarn den Rauch bemerken. Ich sehe aus der Entfernung zu wie die Wohnung angefangen mit dem aufgestauten Wissen in Flammen aufgeht. Vielleicht hätte ich Angst um die verlorenen Gedanken, doch Erleichterung ist das nahe liegende Szenario.

Als ich den Blick wieder schweifen lasse, ist alles still und unberührt. Das Feuer bleibt in meinem Kopf. Das Gehirn fühlt sich wie ein Klotz Metall an, der vergessen hat ein Amboss zu sein. Mit knackenden Knochen stehe ich auf und durchwandere die dunkle Wohnung wie eine verirrter Fremder auf der Durchreise.

Vielleicht wartet die erschütternde Katastrophe in der Küche.

Ich-Erzähler, reflexiver kram, tragisch ist wenn man trotzdem lacht, irgendwie sinnlos, irgendwie total nachdenklich intendiert, schnellschreiben, fisch namens biogra, dramaemotragik

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