Titel: Puma mit Meinung
Team: Weiß (Titanic)
Challenge: Krimi/Thriller/Horror: „Danke für diesen Beitrag“ - Für mich
Fandom: Tatort Stuttgart (Urban-Fantasy-AU)
Rating: PG-13
Genre: Gen, UrbanFantasyAU
Warnungen: None
Zusammenfassung: Thorstens erste Begegnung in Stuttgart …
Wörter: ~2100
Widmung:
turelietelconta &
rolly_chan. Danke, dass ihr mich ermutigt habt, mich tatsächlich an dieser Idee zu versuchen!
Anmerkungen: So, mal wieder ein Tatort-Stuttgart-AU. Weil das letzte (aka „The TimeCorps“) ja gar kein Eigenleben entwickelt hat und mich unter Ideen erschlug… Egal. Nachdem ich
„Exorzismus“ geschrieben hatte, hatte ich eigentlich nicht erwartet, dass da noch großartig mehr von wird, weil ich nicht so der große AU-Schreiber bin. Irgendwie war das allerdings ein Memo das meine Bunnies nicht bekommen hatten und so wurde aus einem kleinen Gedankenspiel, dass ich nur für ein paar Punkte unternommen hatte, plötzlich ein verrücktes Mash-Up aus „Hart an der Grenze“ und „Hüter der Schwelle“, angerührt mit einer kräftigen Dosis Magie. Tja, und wer bin ich, meinen Bunnies ihre Wünsche nicht zu erfüllen?
Puma mit Meinung
In der modernen, geschäftigen Wohnstraße wirkte das alte Haus vollkommen fehl am Platze. Schmal, ein bisschen windschief und gerade einmal zwei Stockwerke hoch mit spitzem Dach duckte es sich in den Schatten zwischen dem riesigen Geschäftskomplex und dem zugehörigen Parkhaus. Eingezwängt zwischen Beton, Stahl und Glas wirkte es mit seinen geteerten Balken und den strahlend weißen Ausfachungen wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Die meisten Menschen schienen es gar nicht zu wahrzunehmen - oder nicht wahrnehmen zu wollen. Sie eilten vorbei, die Augen stur geradeaus und wenn doch einmal jemand zur Seite blickte, dann beschleunigte er seinen Schritt höchstens noch ein bisschen mehr. Dabei hatte das Haus nichts Bedrohliches an sich.
Es war wundervoll gepflegt. Feine Schnitzereien verzierten die Balken, Fensterläden strahlten in sattem Grün, als wären sie gerade erst gestrichen worden, die frisch geputzten Fenster glänzten in der Morgensonne und die schwere Eichentür stand einladend offen. Es war auch keine Illusion. Das Haus war zwar von Magie erfüllt, durchtränkt bis in die tiefsten Fasern seiner Existenz, aber es war keine Magie der Täuschung, die nur einen schönen Schein über eine hässliche und unheimliche Realität legte. Sie war offen und echt, genau wie das Haus - und sie war deutlich spürbar, auch für Uneingeweihte. Es war nicht völlig auszuschließen, dass es Absicht war. Uneingeweihte verstanden nicht, was es war, das sie da spürten und das war ihnen unheimlich. Und es lag in der Natur des Menschen, dass er instinktiv mied, was ihm unheimlich war.
Thorsten beobachtete den Eingang eine Weile von der anderen Straßenseite. Er war die ganze Nacht kreuz und quer durch Stuttgart gewandert, hatte sich von den Linien und Knoten leiten lassen seine neue Heimat zu erkunden. Er war im Fluss gewesen, in den umliegenden Wäldern, hatte den Hain erkundet, der so machtvoll nach ihm gerufen hatte und war dann schließlich hier gelandet. Aber jetzt zögerte er. Er hatte noch Zeit, bevor er seinen Dienst im Präsidium antreten musste, und hätte sich gerne ein wenig gestärkt, aber er wollte auch nicht versehentlich irgendjemandes Revier verletzen. Ohne wirklich bewusst darüber nachzudenken, zapfte er die Magiestränge an, die sich um ihn wanden. Vielleicht sagten sie ihm, ob jemand dieses Haus für sich beanspruchte.
Ein riesiger blauer Schutzkreis leuchtete um das ganze Haus auf, strahlend hell und nach den Zeichen zu urteilen uralt. Ein Refugium. Offen für jeden, der gewillt war, sich dem alten Gastrecht zu beugen. Thorsten seufzte leise. Genau das, was er jetzt brauchte.
Er ließ sich von der Magie leiten, folgte den sanften Zug der Stränge, die sich um seine Handgelenke gewunden hatten. Sie leiteten ihn sicher bis zur Tür. Mit jedem Schritt, den er näher kam, wurde das Flechtwerk der Magie, das dieses Haus durchwob deutlicher, traten mehr Details hervor. Kunstvolle Knoten, die die Magiestränge an Ort und Stelle hielten. Unauflösbar und doch so flexibel, dass sie den Fluss der Energien nicht störten. Eine Kunst, die heute nur noch wenige beherrschten. Noch ein Zeichen dafür, wie alt dieses Refugium sein musste, älter vermutlich sogar als das Haus, um das es sich jetzt wand.
Ein paar blaue Stränge lösten sich aus dem Kreis, glitten über seine Stirn, durch sein Haar. Thorsten atmete tief durch, zwang sich, seinen Geist nicht zu verschließen. Es schien so widersinnig nach all den Jahren in dem ihm genau das Gegenteil zur zweiten Haut geworden war. Die probenden Stränge strichen an den Rändern seines Bewusstseins entlang, sanft und vorsichtig, wie ein warmer Sommerregen. Wer auch immer diesen Kreis gewoben hatte, er war ein Meister seiner Kunst gewesen. Selten hatte er eine derartig sanfte Geistprüfung erlebt. Cougar regte sich in seinem Unterbewusstsein, hob verschlafen ein Augenlid und gähnte herzhaft. Sofort zogen die Stränge sich zurück, hießen ihn willkommen in ihrem Refugium. Thorsten neigte den Kopf, spendete dem Kreis einen kleinen Teil seiner Magie, wie es die alten Riten verlangten. Die Reaktion war überwältigend. Der Kreis schien zu jubilieren, leuchtete für einen Augenblick blendend hell auf. Er hatte seine Gabe akzeptiert. Thorsten trat durch die Tür, einmal mehr fasziniert von der Reaktion, die Cougar hervorrief.
‚Das ist meine überwältigende Persönlichkeit‘, schnurrte sie.
Thorsten schnaubte nur leise, enthielt sich aber eines Kommentares. Cougar war extrem launisch, sogar für eine Katze, und heute war kein Tag, an dem er es ertragen oder gebrauchen konnte, wenn sie es vorzog, den ganzen Tag zu schmollen.
‚Ich schmolle nicht. Ich demonstriere nur für ein bisschen mehr Dankbarkeit dann und wann.‘
‚Konzentrier’ dich lieber auf unsere Umgebung. Irgendetwas stört mich hier‘, gab Thorsten stumm zurück.
Er durchquerte den kleinen Schankraum, versuchte dabei so viel seiner Umgebung einzufangen, wie möglich, ohne allzu offensichtlich alles zu mustern. Da war eine seltsame, unterschwellige Spannung im Raum, die Magiestränge zitterten, schickten bei jeder Berührung ein elektrisches Kribbeln über seine Haut. Viel war nicht los um diese Zeit. Ein Pärchen bei den Fenstern genoss sein Frühstück, ein Gnom turnte auf einem der Barhocker herum und versuchte verzweifelt, der gutmütig grinsenden jungen Frau hinter der Theke ein weiteres Bier aus dem Kreuz zu leiern und dann war da noch der Mann an dem Stehtisch ganz hinten in der Ecke. Der Quell des Aufruhrs. Thorsten musste gar nicht genauer hinschauen, schon der Blick aus dem Augenwinkel genügte. Die wilden Verwirbelungen um ihn herum waren unübersehbar. Ein Were, Luchs oder Wildkatze, wenn er sich nicht völlig täuschte und ein revierloser Streuner noch dazu. Vermutlich der einzige Grund, warum das Refugium ihn duldete, obwohl er so offensichtlich feindselig gesinnt war.
‚Lynx zu deiner Linken‘, kommentierte Cougar. ‚Und auf Krawall gebürstet!‘
‚Danke für diesen Beitrag. Wäre mir gar nicht aufgefallen.‘
‚Das hat du bei dem Wolfswere auch gesagt.‘
‚Das lässt du mich niemals vergessen, oder?‘
Thorsten schüttelte den Kopf. Warum diskutierte er eigentlich immer wieder mit Cougar? Gegen sie hatte er doch sowieso keine Chance, sie kannte alle seine Geheimnisse. Eine Welle der Selbstzufriedenheit rollte über ihn hinweg, so mächtig, dass er spürte, wie seine Mundwinkel zucken. Er schnaubte leise, ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten und schwang sich auf einen der Barhocker an der Theke. Die junge Frau entzog dem Gnom mit einem entschuldigenden Schulterzucken ihre Hand und eilte zu Thorsten hinüber. Der Gnom gab den enttäuschten Verehrer höchst überzeugend, doch das Funkeln in seinen Augen zeigte, dass er genau darum wusste, dass es nur ein Spiel war.
„Einen Kaffee, bitte.“
Sie musterte ihn diesen Tick zu lange, der den Unterschied zwischen Zufall und Absicht machte. Ihre Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde und Thorsten hatte plötzlich das Gefühl, als wären sie viel zu alt für das junge Gesicht. Sie streckte die Hand aus, bewegte ein paar Magiestränge ganz vorsichtig in seine Richtung, doch bevor er erkennen konnte, was sie damit vorhatte, wurde sie von einer rauen, unhöflichen Stimme unterbrochen.
„Mach mir auch noch einen, Rosie!“
Cougar fauchte und die Haare in Thorstens Nacken stellten sich auf. Von jetzt auf gleich stand sein ganzer Körper unter Spannung, wie eine Katze vor dem Sprung. Die Grenzen zwischen ihm und Cougar verwischten, es fiel ihm plötzlich schwer, seine Gedanken von ihren zu trennen. Der Lynxwere stand direkt hinter ihm, provozierend dicht. Er richtete seinen Gürtel, schob das Hemd richtig in die Hose. Sein Handrücken streifte an Thorstens Hintern entlang. Cougar hatte Recht. Der Andere war auf Krawall gebürstet und er würde nicht aufgeben, bis er ihn bekommen hatte. Thorsten legte die Hände auf der Theke übereinander, verschränkte die Finger, zwang sich zur Ruhe. Cougar grollte tief in der Kehle. Sie brannte darauf, diesem impertinenten Were zu zeigen, wer der Herr im Hause war. So sehr Thorsten sie verstehen konnte, es war keine Option. Sie waren noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier, hatten noch keine Ahnung vom Machtgefüge in der Stadt. Da wäre es mehr als nur fahrlässig, einen Streit anzufangen - auch mit einem revierlosen Werestreuner.
„Bitte schön!“
Die junge Bedienung stellte zwei Tassen Kaffee auf die Theke. Wieder schien es Thorsten, als ruhte ihr Blick einen Tick zu lange auf ihm. Sie schien etwas zu suchen - oder etwas zu sehen. Erst jetzt fielen ihm ihre langen, geschlitzten Pupillen auf und der kühle, bernsteinfarbene Schimmer der Iris. Eine Naga. Hier. Das war ungewöhnlich. Aber es erklärte zumindest mal, warum ihre Augen so viel älter schienen als ihr Gesicht.
„Was macht das?“, fragte Thorsten.
„Sie haben Kredit.“
Sie nickte in Richtung der kunstvollen blauen Magieknoten unter der Decke, dann drehte sie sich um und ging wieder zu dem Gnom hinüber. Es schien fast, als versuchte sie so viel Raum wie möglich zwischen sich selbst und den Were zu bringen. Aber warum? Warum duldete sie ihn überhaupt hier? Er griff nach seiner Kaffeetasse und nahm einen Schluck. Aus dem Augenwinkel registrierte er noch, wie der Were seine Bewegung spiegelte, und schon im nächsten Moment kollidierte sein Ellbogen mit etwas. Seine Tasse schwappte über, er verbrannte sich die Zunge und eine dicke Kaffeepfütze klatschte auf die Theke.
„Ey sag mal, kannst du mal aufpassen. Du hast mir meinen Anzug ruiniert!“
Der Were hinter ihm schimpfte und fluchte unflätig. Sofort stieg die Spannung im Raum. Die Magiestränge, die sich bis eben träge durch den Raum geschlängelt hatten, erstarrten. Das Pärchen unterbrach sein Frühstück, der Gnom hörte auf zu turnen und die Naga ließ das Glas sinken, dass sie gerade poliert hatte. Alle Augen waren plötzlich auf ihn und den Were gerichtet. Der andere hatte ihn herausgefordert, er musste reagieren. Sein ganzer Körper kribbelte, Cougar drängte nach draußen, war drauf und dran die Kontrolle zu übernehmen. Thorsten kämpfte mit ihr, versuchte sie zu beruhigen. Dieser verdammte Streuner war es nicht wert, dass sie für ihn eine mögliche neue Heimat aufs Spiel setzten.
‚Er ist nur ein Streuner!‘
‚Ein Streuner, den man trotz seines Verhaltens hier duldet. Da steckt mehr dahinter.‘
„Ey, du Arsch, hörste du mir überhaupt zu?“, fauchte der Were ihn an. „Du sollst dich gefälligst entschuldigen!“
„Und Sie sollen aufhören mich zu duzen!“
Es kam aggressiver heraus, als es sollte. Der Were zuckte zurück, schien einen Augenblick zu befürchten, dass er sich doch mit jemandem angelegt hatte, dem er nicht gewachsen war. Doch er fing sich schnell wieder.
„Und Sie zahlen mir die Reinigung!“
Er lehnte sich vor, versuchte seine Körpergröße zu nutzen, um Thorsten einzuschüchtern. Unter Uneingeweihten hätte das vielleicht funktioniert, hier aber sah Thorsten wie die Magiestränge den Were mieden, wie dünn sie wurden, wie sie Abstand hielten. Der Andere hatte keine Ahnung, wer er war, was er war. Er hielt ihn für einen anderen Were, für jemanden, der ihm seine kleine Zuflucht streitig machen wollte. Hätte er sich nicht aufgeführt wie ein Idiot, er hätte Thorsten fast leidtun können. Das Leben war nicht wirklich freundlich zu revierlosen Were.
„Kohle raus. Jetzt aber zackig!“, fauchte der Kerl.
Seine Stimme zitterte leicht, er beugte sich noch weiter über Thorsten. Der unverkennbare, moschusartige Geruch einer Raubkatze stieg ihm in die Nase. Verdammt! Der Kerl war kurz vor einer unkontrollierten Verwandlung. Da musste er unbedingt verhindern.
„Komm, lass rüberwachsen!“
Jetzt klopfte der Kerl ihm schon mit dem Handrücken gegen die Schulter. Cougar brüllte vor Wut. Sie drängte darauf, ihn jetzt und hier in die Schranken zu weisen. Thorsten biss die Zähne zusammen, schüttelte leicht den Kopf und zog den Rucksack zu sich heran. Er wollte dem Kerl kein Geld geben, aber mit ihm kämpfen wollte er noch viel weniger. Allein der Gedanke, sich zu unterwerfen trieb Cougar die Wände hoch.
‚Zeig es ihm. Du kannst dir das doch nicht gefallen lassen!‘
‚Ich kann seine Herausforderung hier nicht annehmen. Hier sind Zivilisten.‘
Er öffnete die Schnallen, schlug die Klappe zurück und löste das Band, das den Rucksack verschloss. Natürlich war sein Portemonnaie ganz nach unten gerutscht.
‚Dann lass mich das machen. Ganz subtil!‘
Fast hätte Thorsten laut losgelacht. ‚Du bist so subtil wie eine Dampframme.‘
‚Vertrau mir doch mal!‘
Er zog die Zeitung aus seinem Rucksack, warf sie auf die Theke. Cougar streckte sich, teste die Grenzen aus. Noch hielt Thorsten sie im Zaum, zog sein Notizbuch aus der Tasche, legte es auf die Zeitung. Es folgte die Dienstwaffe. Der Were lachte.
„Damit machst du hier niemandem Angst, Mietze!“, raunte er gegen Thorstens Ohr.
Cougar fauchte, drängte nach draußen und dieses Mal ließ Thorsten sie. Ihre Formen wurden eins und für den Bruchteil einer Sekunde lag da keine menschliche Hand mehr auf der Waffe, sondern die gewaltige, silberbraune Pranke eines Pumas. Cougar grollte ganz tief in der Kehle, dunkel und drohend.
Der Gestank von Angst überlagerte den Moschusgeruch des Were. Er richtete sich augenblicklich auf und war schneller aus der Tür als Thorsten überhaupt noch eine Chance gehabt hätte, sein Portemonnaie endlich zu finden. Er schaute ihm kurz hinterher, dann wandte er sich wieder seinem Kaffee zu. Der Gnom starrte ihn mit riesigen Augen an. Thorsten zog nur die Augenbraue hoch und zuckte mit den Schultern. Cougar schnurrte zufrieden und putzte sich ausgiebig.
‚Subtil genug für deine Zwecke?‘
‚Wie eine Dampframme!‘