Belladonna [Krimi/Thriller/Horror: JOKER - Für mich]

Sep 23, 2019 13:00

Titel: Belladonna
Team: Weiß (Titanic)
Challenge: Krimi/Thriller/Horror: JOKER (Inspiration: Oleander von rolly_chan) (Weltherrschaft) - Für mich
Fandom: Tatort Stuttgart (UrbanFantasyAU)
Rating: PG-13
Genre: Gen, Crime/Thriller, UrbanFantasyAU
Warnungen: Tote Kinder
Zusammenfassung: Ein Besuch in der Gerichtsmedizin fördert überraschendes zutage…
Wörter: ~1200
Anmerkungen: Und noch ein netter kleiner Schnipsel Tatort-Stuttgart-UrbanFantasyAU. Hier kann ich immerhin sagen, dass dieser Teil chronologisch hinter „Spurensuche“ gehört. Ansonsten weiterhin keinen Plan aber viel Spaß mit Thorsten, Sebastian und Cougar…


Belladonna

Irgendjemand hatte einmal behauptet, dass Tote aussähen, als würden sie schlafen. Es war eine Meinung, die Thorsten nicht wirklich teilte. Vielleicht galt das für diejenigen, die friedlich zu Hause eingeschlafen waren oder vielleicht redet man sich das ein, wenn man die Toten gut gekannt hatte, aber hier unten in der Gerichtsmedizin sah niemand aus, als ob er schlief. Hier sahen die Toten einfach tot aus. Das kalte, unbarmherzige Neonlicht, die sterilen Metalltische, die grünen Leichentücher, der wächserne Schimmer der Haut und vor allem die eisige Kälte ließen kein Platz für romantisierende Illusionen. Vor allem aber ließ die Magie absolut gar keinen Zweifel daran, dass die Toten wirklich tot waren. Diese absolute Abwesenheit aller Energie, wie ein Riss, ein Loch in der Textur des Lebens war einfach unverkennbar.

Das galt auch für das kleine Mädchen auf dem Obduktionstisch vor ihm. Sie mochte fünf, vielleicht sechs Jahre alt gewesen sein. Halblanges, blondes Haar, eher klein und zart für ihr Alter. Ein Kind wie hunderte da draußen, ein Kind, das man sah, vielleicht kurz anlächelte und dann wieder vergaß - wenn sie nicht das zweite tot kleine Mädchen binnen kaum einer Woche gewesen wäre, dass einer der Brückentrolle aus der Neckar gefischt hätte. Zwei tote Kinder, ohne Namen, ohne Identität, Kinder, die anscheinend niemand vermisste. Zumindest hatte sich auf ihren Suchaufruf niemand gemeldet. Wechselbälger vielleicht. Oder Trollkinder. Mischlinge, die niemand wollte.

„Sie wurde auch geopfert?“

Thorsten warf Dr. Vogt einen fragenden Blick zu. Manchmal wurde er aus dem schweigsamen Gerichtsmediziner einfach nicht schlau. Da bestellte er sie extra hier ein, weil er ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen hätte, und dann stand er nur stumm in der Ecke. Irgendwie kontraproduktiv.

„So sieht es auf den ersten Blick aus, ja.“

Mehr sagte er nicht. Thorsten verdrehte innerlich die Augen, schaffte es aber doch irgendwie, seinen Gesichtsausdruck weitgehend neutral zu halten. Das ‚aber‘ in Vogts Antwort war doch unüberhörbar gewesen, warum sagte er also nicht einfach, was die tatsächliche Todesursache war? Warum ließ er sich jedes Wort aus der Nase ziehen? Ja, Charonsjünger waren notorisch schweigsam, aber Dr. Vogt war selbst für sie ein extremer Fall.

„Aber?“, mischte sich jetzt Sebastian ein.

„Gift.“

Vogt hielt ihnen ein Klemmbrett mit einem Bericht entgegen. Thorsten griff danach, aber Sebastian war schneller. Er schnappte sich das Brett und überflog den Bericht.

„Atropa belladonna?“

Schwarze Tollkirsche? Thorsten riss Sebastian das Brett aus der Hand und blätterte den Bericht durch. Dr. Vogt erklärte irgendetwas - überraschend ausführlich sogar - doch die Worte rauschten einfach über ihn hinweg. Schwarze Tollkirsche. Natürlich, das ergab perfekten Sinn. Hoch genug dosiert führte es zunächst zu Benommenheit, Hitzegefühlen und völliger Verwirrung und schließlich zu hohem Fieber und einem tödlichen Koma. Das perfekte Gift, wenn man einem uneingeweihten Gerichtsmediziner vortäuschen wollte, dass beide Kinder an der gleichen Ursache verstorben waren. Ihr Pech nur, dass Dr. Vogt kein Uneingeweihter war. Aber es brachte sie nicht weiter. Es bewies gar nichts. Außer dass irgendjemand in Stuttgarts magischer Gemeinschaft offensichtlich bereit war, für seine Ziele - was immer sie sein mochten - über Leichen zu gehen. Das hatten sie vorher schon gewusst. Es deutete auf niemanden, belastete niemanden und - viel schlimmer - es entlastete Hanna nicht. Er warf den Bericht auf den nächstbesten - leeren! - Obduktionstisch, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Obduktionssaal. Die beiden metallenen Schwingtüren krachten gegen die Wand, so schwungvoll stieß er sie auf.

„Hey! Was hast du denn jetzt?“

Er reagierte nicht, stürmte einfach weiter. Seine Schwester war unschuldig, das war so sicher wie der Sonnenaufgang und das würde er such beweisen. Komme was wolle. Solange er Polizist war, würde seine kleine Schwester nicht für Morde in den Knast gehen, die sie niemals begangen hatte. Und warum war Cougar nicht da? Wo war denn dieser verdammte Puma, wenn er sie einmal wirklich brauchte? Seine Schwester saß als Mordverdächtige in einem magisch gesicherten Verhörzimmer im Präsidium und alles, was er von Cougar spürte, war ein seltsames Gefühl von Leere. Sie war irgendwie da , aber er konnte sie nicht erreichen. Er wollte gerade am liebsten die Wände hochgehen, fühlte sich wie ein Tiger im Käfig.
Eine Hand schloss sich um seinen Unterarm, stoppte seinen Schritt abrupt. Verdammt, warum konnte man ihn nicht einfach mal in Ruhe seine Arbeit machen lassen. Er wirbelte herum. Hinter ihm stand Sebastian.

„Was?“, fauchte Thorsten ihn an.

„Was soll das jetzt? Was ist denn in dich gefahren?“

„Was los ist? Ich erkläre dir, was los ist. Das da…“ - er schlug mit dem Handrücken gegen das Klemmbrett, dass Sebastian in der Hand hielt - „… bringt uns in keiner Weise weiter. Vor allem entlastet es Hanna nicht!“

Er drehte dich wieder um und wollte weitergehen, doch Sebastians Hand auf seiner Schulter stoppte ihn ein weiteres Mal.

„Jetzt komm’ mal wieder runter, okay. So kommen wir garantiert nicht weiter.“

„Hanna ist meine Schwester, also sag’ mir nicht, was ich zu tun habe.“

Er ballte die Hände zu Fäusten, funkelte Sebastian zornig an. Der starrte zurück, gab nicht ein Stück nach. Die Luft flirrte plötzlich zwischen ihnen, knisterte, übersättigt von roher Magie, die nur darauf wartete, losgelassen zu werden. Thorsten griff nach den Fäden, die sich um seine Handgelenke wanden. Ohne dass er es bewusst gewollt hatte, formte sich ein Knoten zwischen seinen Händen. Er biss die Zähne zusammen, hielt ihn mit aller Kraft zurück. Er würde diese Macht nicht entfesseln, nicht hier, nicht so. Das würde auch niemandem helfen.

„Hanna ist unschuldig!“, presste er hervor. „Ich weiß, sie ist im Moment die Hauptverdächtige und ich weiß, es sieht nicht gut aus, aber sie war es nicht. Und das werde ich auch beweisen.“

Für einen Augenblick schaute Sebastian ihn einfach nur an. Lange und forschend. Etwas strich an seinen Schläfen entlang, über seine Stirn, federleicht, wie junge Blätter im Frühlingswind. Die Spannung floss aus seinen Schultern, seinen Armen. Er atmete einmal tief durch und zog den Knoten, den er geformt hatte vorsichtig wieder glatt, ließ die Magiefäden wieder los.

„Besser?“, fragte Sebastian.

Thorsten brummte nur bestätigend und nickte knapp. Eigentlich sollte er Sebastian böse sein - er hasste geistesbeeinflussende Magie -, aber Sebastian war immer so vorsichtig und respektvoll. Er drängte nie und wenn jemand seinen Geist verschloss respektierte er das sofort und ohne Widerspruch.

„Ich kenne deine Schwester nicht, aber ich glaube dir. Wir werden diesen Fall lösen und den wahren Mörder finden. Gemeinsam! Okay?!“

Wieder konnte Thorsten nur nicken. Er war sich nicht sicher, ob Sebastian absichtlich so viel Magie in seine Worte hatte einfließen lassen, oder ob es einfach passiert war - Familie war ein Thema, bei dem Sebastian sehr sensibel war - aber dieses Gefühl absoluter Überzeugung tat gut. Es brachte die böse kleine Stimme in seinem Hinterkopf zum Schweigen, die ihn permanent daran erinnerte, dass Magier anfälliger für finstere Abwege waren als alle anderen Magietraditionen und er Hanna seit Jahrzehnten nicht gesehen hatte.

„Okay.“ Er atmete tief durch. „Wo fangen wir an?“

„Mit dem Gift. Und ich denke, ich weiß auch schon, wen wir dazu befragen könnten. Komm!“

Sebastian legte ihm den Arm um die Schulter und setzte sich wieder in Bewegung. Thorsten ließ sich einfach mitziehen. Es war ungewohnt, nicht mehr alles alleine machen zu müssen, aber irgendwie auch ein verdammt gutes Gefühl.

‚Siehst du, und zu der Erkenntnis bist du jetzt ganz ohne meine Hilfe gekommen.‘

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