Prompt: Romantik/Intimität - Altmodisch - fürs Team
Team: Weiß (Titanic)
Fandom: Tatort Münster
Rating: P 6
Genre: AU, Seelenverwandte, Slash, Fluff
Handlung: Alles ist wie immer und doch anders.
Länge: ca. 1.900 Wörter
Zeit: ca. 120 Minuten
A/N: Der Teil ist auch echt altmodisch geworden ;) Mit all den alten Klischees *hust* Außerdem paßt er nicht so ganz zu den frühen Kapiteln, Thiel ist nicht so richtig konsistent, das ist immer mein Problem bei längeren Sachen. Aber das soll ja auch kein Meisterwerk werden, sondern hat sich aus einer Reihe von Prompts ausgewachsen - ein Wunder, wenn es überhaupt halbwegs rund wird …
Kapitel 1 |
Kapitel 2 |
Kapitel 3 |
Kapitel 4 |
Kapitel 5 |
Kapitel 6 ***
Alles war wieder so, wie es immer gewesen war. Ein bißchen unheimlich war ihm das Ganze ja immer noch, vor allem dieser unglaubliche Zufall, daß sein Zwischen-Vermieter genau in dem Moment wieder nach Münster zurückkommen wollte, als er sich entschlossen hatte wieder zurückzuziehen. Und wie zufrieden alle wirkten, daß er wieder bei Boerne wohnte, war ihm auch nicht ganz geheuer. Herbert natürlich sowieso, aber auch Nadeshda hatte so Andeutungen gemacht - Er sei wieder viel ausgeglichener. Pffff. Frau Klemm hatte irgendwas gemurmelt von wegen daß das Gras anderswo auch nicht grüner sei, was auch immer sie damit meinte. Und Frau Haller hatte ihn einfach nur stumm gedrückt, als er das erste Mal nach dem Rückzug wieder in die Rechtsmedizin gekommen war, um dann zu erklären, daß sie das auch keine Woche länger mehr ausgehalten hätte.
Alles war also wieder so wie früher. Sie trafen sich im Treppenhaus auf dem Weg zu den Mülltonnen, oder den Briefkästen, oder weil sie beide gerade zur Arbeit aufbrachen oder vom Einkaufen zurückkamen. Merkwürdig war das, wenn man darüber nachdachte. Die anderen Mieter im Haus traf er manchmal wochenlang nicht. Bei Boerne konnte er dagegen drauf wetten, daß sie sich wenigstens dreimal täglich über die Füße liefen (die Arbeit nicht mitgerechnet). Alle paar Tage kochten sie gemeinsam, und wochenends frühstückten sie meistens zusammen. Das hatte sich in den letzten Jahren so eingebürgert und er hatte da nie groß drüber nachgedacht. Sie wohnten eben nebeneinander, sie waren beide alleine, und zu zweit essen war einfach angenehmer als alleine.
Über das Mal redeten sie nicht.
Oder über den Moment in der WG, als er schon halb eingeschlafen war und Boerne ihn geküßt hatte. Er war sich fast sicher, daß das ein Kuß gewesen war. So viel Schmerzmittel hatte er jetzt auch nicht genommen, daß es für Halluzinationen gereicht hätte.
Aber jetzt fühlte sich das alles wie früher irgendwie anders an, seit er wußte, wie sehr er Boerne vermissen würden, wenn alles anders wäre. Und dann das mit Boernes Mal, und mit seinem. Daß er einige Abende damit zugebracht hatte zu recherchieren, was man sich so erzählte über die Auswirkungen dieser Male, hatte auch nicht gerade dazu beigetragen ihn zu beruhigen. Da gab es ja doch ganz eindeutig eine romantische Komponente, auch wenn manchmal von platonischen Seelenverwandten die Rede war. Es gab sogar ganze Diskussionsforen, in denen sich Leute über die erotischen Auswirkungen dieser Male austauschten. Nach ein paar Stunden stöbern in diesen Untiefen hatte er sich geschworen, nie wieder Boernes Rücken zu berühren. Oder ihm die Hand zu geben, also die, an der sein Mal gewesen war. Sicher war sicher.
Also jedenfalls nicht, bevor sie geklärt hatten, was sie beide eigentlich wollten. In der Hinsicht war er altmodisch.
Daß Boerne Männern wie Frauen zugetan war, wußte er schon seit Jahren, das hatte er ihm irgendwann bei einem Glas Rotwein in genau diesen Worten erzählt. Nebenbei, so als ob das keine große Sache wäre, was es ja auch genaugenommen nicht war. Bei ihm selbst hatte es vor Susanne auch nicht nur Frauen gegeben, wobei … viel war das nicht gewesen. Zwei oder drei pubertäre Abenteuer. Meistens fand er Frauen eben doch attraktiver, und dann war es natürlich auch sehr viel einfacher gewesen, vor allem als er bei der Polizei angefangen hatte. Und dann hatte er ja auch Susanne kennengelernt, und in der Hinsicht war er auch altmodisch, wenn er mit jemandem zusammen war, fing er nix nebenher an.
Das brachte ihn jetzt allerdings in die unangenehme Situation überhaupt nicht zu wissen, wie er vorgehen sollte. Alle seine früheren Beziehungen hatten mehr oder weniger zufällig angefangen, meistens mit einer wilden Knutscherei auf einer Fete, nachdem man sich davor vielsagende Blicke zugeworfen hatte. In einem Fall auch mit einer wilden Knutscherei in der Dusche nach dem Training, als die anderen Jungs schon in der Umkleide gewesen waren.
Aber da war er eben auch noch ein halbes Kind gewesen, erst Anfang zwanzig als er Susanne kennengelernt hatte. Es war nie jemand gewesen, den er so lange kannte wie jetzt Boerne. Oder jemand, der schon sein eigenes Leben gelebt hatte (wie auch er selbst). Und erst recht nicht jemand, mit dem er durch ein magisches Mal verbunden war.
Thiel seufzte. Er war kurz davor gewesen, seinen Vater um Rat zu fragen, was ja wohl hinlänglich bewies, wie verzweifelt er war. Der hätte ja vielleicht sogar den ein oder anderen sinnvollen Tipp gehabt, aber andererseits kannte sein Vater keinerlei Grenzen in der Hinsicht und bevor er sich anhörte, welcher Art Herberts sexuelle Erfahrungen mit Männern waren, und was er Boerne und ihm empfehlen würde, wenn es denn soweit käme … nein. Das ging wirklich gar nicht.
Am Ende entschloß er sich für den klassischen Weg und lud Boerne zum Essen ein. Also auswärts. Da konnte man doch erwarten, daß dem was auffiel, und wenn nicht, hatten sie wenigstens einen netten Abend verbracht und gut gegessen.
***
Er war sich nicht so ganz sicher, ob Boerne das so richtig verstanden hatte, als er ihn eingeladen hatte. Gut, er hatte ihn ein bißchen komisch angesehen, aber als er dann zugesagt hatte, hatte es mehr so nach „Warum nicht, wir können ja zur Abwechslung auch mal auswärts essen“ geklungen. Was möglicherweise daran lag, daß er das Thema auch auf die Art und Weise zur Sprache gebracht hatte. Also eigentlich hätte mal wieder kochen bei ihm angestanden, und er hatte eher beiläufig versucht die Frage unterzubringen, ob Boerne vielleicht stattdessen mal Lust hätte essen zu gehen.
Als er ihn dann abgeholt hatte, hatte er jedoch schon das Gefühl gehabt, daß Boerne ihn anders als sonst ansah. Aber dann hatte er nur „Ist das Hemd neu?“ gefragt, was Thiel ein wenig in Verlegenheit gebracht hatte, denn das war es in der Tat, aber er wollte nicht unbedingt, daß Boerne wußte, daß ihm keines seiner alten Hemden gut genug gewesen war für diesen Anlaß.
Er hatte ein italienisches Restaurant ausgesucht, weil er wußte, daß sie das beide mochten - ihm war’s nicht zu exotisch und Boerne nicht zu langweilig. Außerdem hatte Boerne gerade dieses Lokal schon vor einigen Monaten mal sehr gelobt, er hatte noch was von kleine Speisekarte, aber sehr gute Qualität in Erinnerung. Ein Probeessen seinerseits hatte das bestätigt (und ihn hinsichtlich der Preise beruhigt - wenn die nicht auf der Speisekarte standen, war das seiner Meinung nach ein deutliches Warnzeichen, in diesem Fall passten Preis und Leistung aber zusammen). Trotzdem hatte er nicht so recht gewußt, wie er Boerne einladen sollte, und jetzt, wo sie vor der Tür standen, geriet er langsam in Panik, weil er das Thema immer noch nicht angeschnitten hatte.
„Und dann sagt dieser Schmidthuber doch tatsächlich -“
„Das geht übrigens heute auf mich.“
Boerne sah ihn einen Moment verblüfft an und nickte dann. Thiel griff nach der Tür und öffnete sie. „Nach Ihnen.“
Boerne hob eine Augenbraue, sagte aber nichts weiter und ging los.
„Was hat dieser Schmidthuber denn nun gesagt“, fragte Thiel, während er Boerne aus dem Mantel half und gleichzeitig nach einem Kellner schielte, um nach dem reservierten Tisch zu fragen.
„Ach …“ Boerne drehte sich um, um sich zu revanchieren und ihm die Jacke abzunehmen. „Nicht so wichtig. Eigentlich sollten wir uns den Abend nicht mit Gesprächen über dieses impertinenten Emporkömmling verderben.“
„Bloß weil er anderer Meinung ist als Sie.“
„Was denken Sie denn von mir!“
Und dann hatte Boerne ihm natürlich doch die halbe Vorspeise lang erzählt, was er von diesem Schmidthuber hielt und warum. Und er hatte vor sich hin gegrinst und geschwiegen. Vermutlich war der ja nicht halb so schlimm wie Boerne tat, aber andererseits brauchte der ganz offensichtlich noch ein bißchen, um sich nach der Tagung, die er die letzten Tage besucht hatte, wieder zu beruhigen.
Zum Hauptgang waren sie dann aber zu erfreulicheren Themen übergegangen. Den Wein hatte er Boerne aussuchen lassen, weil er sich dachte, daß er das ja eigentlich nur falsch machen konnte, und vor allem weil er wußte, wieviel Spaß der andere dabei hatte, den Kellner nach den Details der einzelnen Jahrgänge auszuquetschen, um dann nach langem hin und her den passendsten Tropfen auszusuchen. „Der geht dann aber auf mich“, hatte Boerne erklärt und sich geweigert, ihm den Preis zu verraten. Naja, gut war er jedenfalls, so viel konnte er auch beurteilen, und warum sollte Boerne ihn nicht zum Wein einladen, wenn er ihn zum Essen einlud.
Zum Dessert hatten sie beide jenen angenehmen Zustand erreicht, der sich bei gutem Essen in guter Gesellschaft einstellt (vor allem, wenn man dazu noch eine Flasche edlen Rotweins leert). Ob er seinem eigentlichen Ziel näher gekommen war, konnte er nicht so wirklich gut einschätzen, aber schön war der Abend auf jeden Fall gewesen. Als sie die Rechnungen bestellten, waren sie schon die beiden letzten Gäste im Restaurant.
Die Nacht war spätsommerlich mild und der Heimweg kaum der Rede wert. Keine halbe Stunde zu Fuß. Boerne erzählte ihm irgendwas über einen Aufsatz, den er gelesen hatte - irgendwas mit Leichen vermutlich, aber hörte nur mit halbem Ohr hin, weil er darüber nachdachte, daß diese Nacht wie gemacht war für den Beginn einer Romanze mit dem lauen Wind, der ihm durch die Haare fuhr und den Sternen, die man heute selbst über der Stadt sehen konnte, als sein Gehirn ihn plötzlich informierte, daß er dringend genauer hinhören sollte.
„Was?“
„Ich habe gefragt, ob ich Ihre Hand nehmen darf“, wiederholte Boerne geduldig.
„Ja.“
Sie gingen Hand in Hand weiter, was so ziemlich das romantischste war, was er seit Jahren getan hatte, auch wenn Boerne immer noch über Leichenflecke redete. Bis er irgendwann meinte „Laß uns doch lieber die Nacht genießen. Und nicht über die Arbeit reden.“ Und Boerne zu seinem Erstaunen zustimmend nickte. Erst in dem Moment fiel ihm auf, daß er den anderen eben geduzt hatte, aber vielleicht hatten sie den Punkt ja jetzt auch erreicht. Es wäre ein bißchen albern gewesen, sich immer noch zu siezen, während man Hand in Hand unter dem Münsteraner Sternenhimmel nach Hause spazierte.
Boerne hatte die Hand genommen, an der das Mal gewesen war. Da war jetzt nichts an sich nichts Mystisches dran, weil er rechts neben Boerne ging, hatte der ja nur die linke Hand greifen können. Und doch … Jedesmal, wenn der andere mit dem Daumen leicht über seine Hand strich, strich er genau über die Stelle, an der das Mal gewesen war. Von dem er Boerne immer noch nichts erzählt hatte. Das mußte er unbedingt -
„Thiel?“
„Ja?“
Boerne war stehen geblieben, nur ein paar Schritte von ihrer Haustür entfernt, und hatte sich zu ihm gedreht. „Wenn wir uns jetzt duzen, sollten wir das aber richtig machen, oder?“
Thiel nickte.
Der Kuß begann ganz sanft und vorsichtig, war aber trotzdem ganz eindeutig kein Bruderschaftskuß. Bei so einem Bruderschaftskuß, da küßte man sich nicht auf die Lippen, und man umarmte den anderen auch nicht und lehnt sich mit dem ganzen Körper gegen ihn, und erst recht seufzte man nicht oder murmelte „Das wollte ich schon so verdammt lange tun.“
„Was?“ fragte Boerne, als er zu lachen anfing. Er sah ein wenig verwirrt aus, fast schon gekränkt, und Thiel brauchte ein paar Sekunden um sich wieder zu fangen. Bedauerlicherweise führte diese ganze Sache mit den Malen nicht dazu, daß man sich ohne Worte verstand. Das wäre mal praktisch gewesen.
„Ich bin nur froh, daß wir das endlich geklärt haben.“
Andererseits brauchte es nicht wirklich viele Worte, bis Boerne verstand, dachte Thiel, als er die plötzliche Erleichterung auf Boernes Gesicht sah. Und dann legte er eine Hand in Boernes Nacken und zog ganz leicht, und siehe da, jetzt klappte die Verständigung auch ohne Worte. Ganz leicht ging das auf einmal.
* tbc *