Außer Atem (Atemlos Prequel)

Jun 07, 2011 20:35


Mit einem gequälten Seufzen griff Thiel sich mit der rechten Hand in den Nacken und versuchte vergeblich, die Schmerzen zu vertreiben, die ihm schon seit dem frühen Nachmittag zu schaffen machten.

„Alles in Ordnung?“, kam es leicht besorgt von seiner linken Seite.

Boerne sah kurz zu ihm herüber und richtete seinen Blick dann wieder auf die Straße.

„Mein Nacken bringt mich noch um“, murrte Thiel nur und lehnte seinen Kopf gegen das Fenster der Beifahrertür.

Der Tag heute war einfach nur anstrengend und verdammt lang gewesen. Sie hatten endlich einen Fall lösen können, an dem allerding seinem Empfinden nach das halbe Münsteraner Polizeipräsidium beteiligt gewesen war. Mehrere Stunden hatte Thiel den Hauptverdächtigen in die Mangel genommen und letzten Endes ein Geständnis aus ihm herausbringen können. Jetzt fühlte er sich nur noch ausgelaugt und unendlich müde, was seine Nackenschmerzen nicht gerade erträglicher machte.

Es war schon spät am Abend und Boerne fuhr wie gewohnt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Innenstadt. Immer wieder warf er einen Blick zu Thiel hinüber und schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber scheinbar jedes Mal wieder anders.

„Könnten Sie sich vielleicht mal auf den Verkehr konzentrieren? Ich bin nicht gerade besonders scharf darauf, dass wir uns um die nächste Straßenlaterne wickeln.“, seufzte Thiel leicht gereizt und fuhr sich erneut mit der Hand über seinen Nacken.

„Ich dachte nur… vielleicht…“, druckste Boerne herum.

„Nun mal raus mit der Sprache, Boerne. Sie sind doch sonst nie um Worte verlegen.“

„Also, ich wollte sagen, dass ich als Gerichtsmediziner über exzellente Kenntnisse der menschlichen Anatomie verfüge…“. Boerne ließ den Satz in der Luft hängen und konzentrierte sich zur Abwechslung verbissen auf den Verkehr.

„Und weiter? Jetzt kommen Sie mal zum Punkt, Boerne“, setzte Thiel genervt hinzu.

„…und deshalb wollte ich Ihnen vorschlagen, dass ich mir Ihren Nacken mal genauer ansehe.“

Thiel drehte sich verblüfft zu Boerne um. Er wusste nicht, was er sagen sollte, dazu schossen ihm zu viele Gedanken auf einmal durch den Kopf. Schon allein die Vorstellung, dass die Hände des Pathologen, die Tag für Tag mit kaltem, toten Fleisch zu tun hatten, sich seines Nackens annehmen sollten, jagte ihm für einen Moment einen eisigen Schauer über den Rücken.

Andererseits… er lehnte seinen Kopf wieder gegen die Scheibe und betrachtete Boerne verstohlen aus dem Augenwinkel, wobei er versuchte, den anderen so genau wie möglich zu mustern. War Boerne etwa rot geworden? Vielleicht sollte er sich das Angebot doch noch einmal durch den Kopf gehen lassen…

„Na gut, meinetwegen. Schlimmer kann’s ja nicht mehr werden“, meinte Thiel und versuchte seine Stimme möglichst beiläufig klingen zu lassen, was ihm einen fast schon gehässigen Blick Boernes einbrachte.

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Boerne öffnete die Haustür und wartete auf Thiel, der sich beinahe zum Gehen zwingen musste, so müde und abgespannt, wie er sich fühlte. Er schob sich an Boerne vorbei ins Treppenhaus und schleppte sich die Stufen hoch, wobei seine Beine mit jedem Schritt schwerer zu werden schienen. Als er sogar Mühe hatte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, erbarmte sich Boerne seiner und nahm ihm den Schlüsselbund aus der Hand, um die Wohnungstür zu öffnen.

Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, nahm Boerne ihm die Jacke ab, in die er ihm vor einer guten halben Stunde noch hineingeholfen hatte und hängte sie an einen der Haken neben dem Schlüsselbrett.

Während Thiel sich langsam in Richtung Wohnzimmer aufmachte, verschwand Boerne im Badezimmer. Einen Moment später drang ein geschäftiges Klappern zu Thiel hinüber, und bevor er sich noch fragen konnte, was in aller Welt Boerne da bloß treiben mochte, war ein triumphierendes „Ah, na wer sagt’s denn!“ zu vernehmen.

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck betrat Boerne das Wohnzimmer, in der Hand eine kleine Flasche Bübchen Öl. Thiel stöhnte leise auf und ließ sich noch tiefer ins Sofa sinken. Wie gut, dass er erst vor einigen Tagen ein bisschen Ordnung in das Chaos gebracht hatte, das er seine Wohnung nannte. Sonst hätte Boerne die kleine Flasche nicht im Hängeschrank über dem Waschbecken, sondern auf seinem Nachttisch im Schlafzimmer gefunden. Allein bei dem Gedanken stieg Thiel eine leichte Röte ins Gesicht.

Während er noch weiter seinen Gedanken nachhing, brabbelte Boerne munter vor sich hin. Erst als er seinen Namen hörte, schob Thiel seine Gedanken beiseite und drehte den Kopf in Richtung seines Nachbarn. Boerne stand inzwischen beinahe vor ihm, die Hemdsärmel bereits hochgekrempelt, und sah ihn auffordernd an.

„Was is’ los?“

„Ihr Oberteil, Thiel. Soll ich das Öl etwa auf Ihrem heiß geliebten St. Pauli-Shirt verteilen?“

„Was? Oh… nein, natürlich nicht. Moment…“

Unter größten Anstrengungen und mit einigen gequälten Lauten zog sich Thiel das Shirt über den Kopf und saß nun mit freiem Oberkörper auf der Couch. Nach einigen Sekunden unangenehmen Schweigens räusperte Boerne sich und machte noch einen Schritt auf Thiel zu.

„Würden Sie sich bitte zur Seite drehen? Ich kann Ihren Nacken ja schließlich schlecht von vorne massieren.“

„Ja ja, jetzt verbreiten Sie hier mal keine Hektik.“

Während Thiel sich noch die Schuhe abstreifte, um es sich im Schneidersitz auf dem Sofa bequem zu machen, sah er aus dem Augenwinkel, wie Boerne ebenfalls seine Schuhe auszog und sie fein säuberlich nebeneinander auf den Boden stellte. Doch noch bevor Thiel sich weiter Gedanken über diese Pedanterie machen konnte, ließ sich Boerne hinter ihm auf die Couch sinken. Und als wäre das noch nicht genug, rutschte Boerne bedenklich nahe an ihn heran. Thiel merkte, wie ein leichtes Kribbeln in seiner unteren Bauchgegend aufstieg und sackte noch etwas mehr in sich zusammen. Er seufzte leise. Das konnte er nun wirklich nicht auch noch gebrauchen.

„Alles in Ordnung?“, kam die offensichtlich besorgte Frage aus seinem Rücken.

„Ja, alles bestens. Na, dann zeigen Sie mal, dass Sie nicht zu viel versprochen haben.“

Er hörte das Klacken der Verschlusskappe und machte sich auf das eiskalte Gefühl des Öls auf seiner Haut gefasst. Doch er wartete vergebens. Gerade als er sich umdrehen wollte, spürte Thiel zwei warme, verblüffend weiche Hände auf seinen Schultern. Ein wohliges Schaudern lief ihm über den Rücken und er entspannte sich merklich. Boerne hatte das Öl wohl mit den Händen angewärmt, bevor er es nun mit gleichmäßigen Bewegungen auf Thiels Nacken und Schultern verteilte. Die Müdigkeit rückte immer mehr in den Hintergrund und das Kribbeln breitete sich in seinem ganzen Körper aus.

Es war ruhig und sie hatten seit einigen Minuten kein Wort mehr gewechselt, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Thiel war sogar kurz davor, einfach weg zu dösen, da die Müdigkeit nun doch wieder die Oberhand gewann. Wie lange hatte er schon auf so eine Gelegenheit gewartet. Er selbst hatte sich nie getraut, den entscheidenden Schritt zu tun. Dass Boerne nun von sich aus diese Nähe gesucht hatte, ließ ihn Mut schöpfen. Er driftete in einen seiner vielen Tagträume ab und genoss die sanften Berührungen des anderen, während er sich zum wiederholten Male ausmalte, wie es wohl wäre, wenn er und Boerne sich näher kommen würden. Viel näher, als sie sich ohnehin schon waren…

Der unangenehme Druck, den seine Hose mittlerweile ausübte, holte ihn wieder halbwegs in die Realität zurück. Für Boerne hatte das Schweigen offensichtlich zu lange angehalten, denn er hatte einen neuen Versuch gestartet, Konversation zu führen. Thiel achtete nicht weiter darauf und war eher mit der Frage beschäftigt, wie er nachher an Boerne vorbei kommen sollte, ohne dass diesem auffiel, was er mit seiner Massage angerichtet hatte. Dabei bemerkte Thiel nicht, dass die Hände an seinem Hals sich still verhielten, bis Boerne sich nach vorne neigte und warmer Atem über sein Ohr strich, als der andere sagte: „... wenn Sie sonst noch irgendwo eine helfende Hand brauchen...“

Das war zu viel. Thiel sprang hastig auf und wandte Boerne weiterhin den Rücken zu. Der Druck in seiner Hose wurde beinahe schon unerträglich. Während er planlos einige Schritte nach vorn machte, war Boerne fast genauso schnell aufgesprungen und folgte ihm mit einem äußerst verwirrten Gesichtsausdruck.

„Jetzt bleiben Sie doch stehen Thiel. Was haben Sie denn? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Er griff Thiel zögerlich bei den Schultern und versuchte ihn umzudrehen, aber der wehrte sich und versuchte, sich aus dem Griff des anderen zu winden.

„Hände weg, Boerne!“

Der andere machte keinerlei Anstalten, Thiel los zu lassen.

„Sind Sie taub oder was? Lassen Sie mich los, verdammt. Sonst kann ich wirklich für nichts mehr garantieren …“, zischte Thiel, doch allem Anschein nach hatte er aggressiver geklungen, als er es beabsichtigt hatte. Denn noch bevor Thiel wusste, wie ihm geschah, wurde er so kraftvoll gegen die Wand gedrückt, dass ihm beinahe die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Das gab auf jeden Fall ein paar deftige blaue Flecke.

„Beruhigen Sie sich doch, Thiel. Was ist denn bloß los mit Ihnen?“, kam es beinahe schon verärgert von Boerne, und Thiel ließ jeden weiteren Versuch fahren, sich zu befreien. Wieso wehrte er sich überhaupt, wenn sie doch offensichtlich dasselbe wollten? Vielleicht war das jetzt der Zeitpunkt, alle Bedenken über Bord zu werfen.

Um Boerne die Bedeutung seines letzten Satzes klar zu machen, griff Thiel hinter seinem Rücken nach der Hand des anderen und zog sie behutsam nach vorne, um sie direkt auf die inzwischen beachtliche Wölbung seiner Jeans zu legen. Durch den Mann hinter ihm ging ein spürbarer Ruck und er machte Anstalten, die Hand wieder zurückzuziehen. Aber Thiel hielt die Hand des anderen weiter an Ort und Stelle und schloss seine Finger noch fester um sie. Als er die Hand wieder los ließ, schien Boerne verstanden zu haben, dass er mit der Entwicklung des Abends mehr als einverstanden war. Boerne fand sogar allem Anschein nach Gefallen daran, mit seiner Hand immer wieder leichten Druck auszuüben und Thiel so ein verhaltenes Stöhnen zu entlocken. Als Boerne kräftiger zugriff, drückte Thiel sich gegen ihn und stellte dabei mit Zufriedenheit fest, dass es dem anderen inzwischen nicht viel besser ging als ihm selbst.

Während Boerne anfing, auf der Innenseite seines Oberschenkels hinab zu streichen, nur um dann erneut mit dem Handballen seinen Schritt hinauf zu fahren, versuchte Thiel, einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen. Mit dem letzten bisschen Verstand, den sein mittlerweile fast blutleeres Hirn ihm noch zur Verfügung stellte, machte er sich an Boernes Gürtel zu schaffen. Da er sich bei diesem Vorhaben jedoch fast den Arm auskugelte, konzentrierte er sich lieber wieder auf das Gefühl, das von Boernes Hand ausging, während er gleichzeitig versuchte, einen halbwegs verständlichen Satz heraus zu bringen.

„Boerne… die Hose…“. Zu mehr fühlte er sich im Augenblick einfach nicht in der Lage, doch der Angesprochene verstand und öffnete nach kurzem Zögern seine Hose, aber bei Thiel hielt er einen Moment inne.

„Was denn? Brauchen Sie etwa ‘ne Einladung?“, fragte Thiel ungehalten über die Schulter hinweg.

Fast im selben Moment spürte er, wie seine Jeans geöffnet und mit einer schnellen Bewegung samt Shorts über die Hüfte gestreift wurde. Er sog scharf die Luft ein, als er plötzlich Boerne Haut an Haut spürte. Herr Gott nochmal, wurden ihm gerade etwa vor Aufregung die Knie weich...? Das war wirklich albern, schließlich machte er das hier nicht zum ersten Mal. Allerdings das erste Mal mit Boerne, und vielleicht war das der Unterschied.

Der andere drängte sich gegen ihn, so dass er zwischen der Wand und Boerne eingeklemmt war. Das half zwar gegen die weichen Knie, war aber nicht das, was Thiel eigentlich wollte.

„Das Öl…“, stieß Thiel zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Ließ Boerne sich etwa absichtlich so viel Zeit?

Thiel wollte Boerne erneut anfahren, als dieser sich endlich umdrehte und mit einer fahrigen Bewegung nach der Flasche griff. Thiel hörte erneut das Klacken der Verschlusskappe, war dieses Mal jedoch nicht auf die Kühle des Öls vorbereitet und zuckte zusammen, als es auf seine Haut traf. Doch das Unangenehme Gefühl wurde sofort von Boernes warmer Hand verdrängt, die das Öl mit langsamen Bewegungen an Stellen verteilte, deren Berührung Thiel beinahe die Beherrschung verlieren ließen.

~~~Ab hier übernimmt das Kopfkino~~~
~~oder ihr könnt lesen, wie's weiter geht:  Atemlos~~

Tatort Münster, p-18, thiel/boerne, fanfiction

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