Der Cellist - Teil 15

Jul 04, 2012 19:02


Da ich morgen erst am späten Nachmittag online kommen werde, poste ich das jetzt. Nett von mir, nicht wahr? Find ich auch.

Zurück zum Anfang - Teil 1


Bruce blickt flüchtig von einem Reagenzglas auf, das er über seinem Bunsenbrenner erhitzt, als Tony sein Labor betritt. Sein Gesicht wird völlig leer. „Ich will nicht darüber reden.“

Tony verschränkt die Arme vor der Brust. „Dein Pech. Die Regelung in diesem Haus ist offenbar, dass jeder alles mit allen zu besprechen hat - und dann kuscheln wir. Warst du die letzten Tage geistig abwesend, dass dir das entgangen ist?“

Bruce reagiert nicht, zeigt nicht das kleinste Lächeln, und Tony wird ein bisschen schlecht. „Komm schon, Bruce - komm mir ein bisschen entgegen. Du weißt, dass ich keine Ahnung habe, was in solch einer Situation zu tun ist!“

Bruce starrt beharrlich auf die Flüssigkeit in seinem Reagenzglas. „Und was für eine Situation wäre das, Tony?“

„Die Situation, dass du allein hier rumhängst und vor dich hin brütest, anstatt deine Zeit mit deinen Freunden zu verbringen“, platzt es aus Tony heraus. Er weiß nicht, was er gesagt haben kann, dass Bruce so sehr zusammenzuckt.

Er hat über den Labortisch gelangt, und den Bunsenbrenner ausgemacht, ehe er sich bremsen kann. Bruce stellt prompt das Reagenzglas in eine dafür vorgesehene Halterung.

„Was hat Roberts zu dir gesagt?“ fragt Tony ihn vorsichtig.

Die Frage bringt Bruce dazu, ihm endlich in die Augen zu sehen. Er wirkt überrascht. „Zu mir? Roberts hat überhaupt nichts zu mir gesagt.“

Tony kraust verwirrt die Stirn. „Dann begreife ich nicht, was -“

„Er war … grausam zu Clint“, unterbricht Bruce ihn mit einem Grollen in der Stimme, das Tony nicht unbedingt überrascht - aber es lässt ihn in Ansätzen begreifen, wo das Problem liegt.

„Das hat dich wütend gemacht“, sagt er brüsk. „Ja, na und? Ich nehme an, mich hätte es auch wütend gemacht. Jeden hätte es wütend gemacht. Steve hätte es wütend gemacht!“

„Steve ist keine Gefahr für die Allgemeinheit, wenn er wütend wird“, gibt Bruce leise zurück. Tony wünschte, er hätte seinen Elektroschocker dabei. Falls Bruce es jemals verdient hat, so richtig eine gewischt zu bekommen, dann ist es dieser Augenblick.

„Richtig. Steve haut Fury auf die Nase, wenn er wütend wird. Du hast dich zusammengerissen, nehme ich mal an. JARVIS hat mir zumindest nichts davon gesagt, dass ich schon wieder die Bauarbeiter herzitieren müsste.“

„Hör endlich auf, so zu tun, als seien meine Befürchtungen völlig grundlos!“ fährt Bruce ihn plötzlich an, und wischt mit einer Armbewegung sämtliche Utensilien von seinem Labortisch. Das Reagenzglas zerbricht mit einem lauten Klirren.

Tony hebt eine unbeeindruckte Augenbraue. „Hör du endlich damit auf, so zu tun, als würde ich dich rauswerfen, wenn du einmal zu oft aus der Haut fährst. Du kannst hier so viel kaputt machen, wie du willst, Bruce.“

„Was, wenn ich es nicht dabei belasse, dein Eigentum kaputt zu machen, Tony?“

Tony zuckt mit den Schultern. „Was, wenn ich meine Alkoholprobleme doch nicht so gut unter Kontrolle habe, wie ich mir gerne einrede?“ fragt er mit beißendem Unterton. „Was, wenn ich im Vollrausch auf Zivilisten losgehe - im Anzug?“

Bruce starrt ihn entgeistert an. „So weit würde es nie … Du hast das unter … Tony - das … wir würden das nicht zulassen.“

Tony hebt vielsagend beide Augenbrauen.

Alle Wut und Anspannung scheint aus Bruce herauszuströmen, als er seufzt. „Ich war so verdammt wütend. Was Roberts zu Clint gesagt hat … er hat mich so aufgeregt. Ich konnte spüren, wie der Andere versucht hat, auszubrechen. Ich dachte, es würde sich auf beängstigende Situationen beschränken. Auf Momente der Lebensgefahr. Dass ich die Kontrolle verloren habe, als Thor aufgetaucht ist, um uns von Coulson zu erzählen, konnte ich mir zumindest noch mit der ganzen absurden Situation erklären - dem Blitz, der Art und Weise, wie Thor angekommen ist, mit -“

Tony marschiert um den Labortisch herum und fasst Bruce an den Schultern. „Darf ich dich ein weiteres Mal darauf aufmerksam machen, dass überhaupt nichts passiert ist?“

Bruces Mund verzieht sich zu einem schiefen Grinsen. „Ja. Weil Clint mich beruhigt hat.“

Tonys Augenbrauen heben sich ein weiteres Mal, beinahe bis hinauf in seinen Haaransatz. „Barton hat dich beruhigt? Ich kann mir das kaum vorstellen, wenn ich ehrlich bin. Selbst Phil scheint einen Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, sich im Positiven wie im Negativen über den Mann aufzuregen. Wie schafft Barton es da bitte, ausgerechnet dich zu beruhigen?“

„Er ist ein Mann mit vielen versteckten Talenten“, gibt Bruce trocken zurück, nimmt seine Brille ab, und legt den Kopf in den Nacken, schließt die Augen. „Ich nehme an, Doktor Foster und ihre Assistentin sind eingetroffen?“

Tony bejaht und knetet Bruces Schultern. „Ihre Assistentin heißt Darcy Lewis, ist fünfundzwanzig Jahre alt, und absolut hinreißend. Ich glaube, ich werde sie adoptieren müssen. Auf dem Weg hierher hat sie Thor einen dreckigen Witz nach dem anderen erzählt, allein, um Steve rot werden zu sehen.“

Bruce schnaubt amüsiert auf. „Ich denke, Leute hatten Sex in den Vierzigern.“

Tony räuspert sich delikat. „Schon. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der gute Steve zu diesen Leuten dazu gehört.“

„Roberts’ Sohn ist im Verlauf der Invasion ums Leben gekommen“, erklärt Natasha ruhig, und Phil legt seinen Arm um Clint, als er die Augen zusammenkneift.

Sie sind zu dritt im Wohnzimmer geblieben, während Pepper den Neuankömmlingen gemeinsam mit Steve und Thor ihre Zimmer zuweist.

Phil hegt den starken Verdacht, dass Steve nur mitgegangen ist, um ihnen einen privaten Moment zu ermöglichen.

Er sitzt mit Clint auf dem Sofa, Natasha hat einen Platz ihnen schräg gegenüber gewählt.

„Zu dem Zeitpunkt warst du schon längst wieder bei Sinnen“, fügt sie jetzt streng hinzu. „Du hattest nicht das Geringste mit der ganzen Sache zu tun. Aber erstens ist es zu früh für Roberts, um wieder zu arbeiten, und zweitens ist er nach all dem der denkbar falsche Arzt für dich. Ich weiß nicht, was der Direktor sich gedacht hat.“

Phil nimmt einen tiefen Atemzug. „Ich glaube, ich sollte mich mit ihm in Verbindung setzen. So geht das nicht weiter.“

Natasha widerspricht ihm mit keiner Silbe, aber Clint runzelt die Brauen. „Ich will keine -“

„Das sind keine Umstände, das ist eine Notwendigkeit“, fällt Phil ihm mit ruhiger Stimme ins Wort. „Der Direktor mag viele Qualitäten haben, aber Einfühlungsvermögen und ein Instinkt fürs Zwischenmenschliche gehören weiß Gott nicht dazu.“

Clint grinst plötzlich. „Richtig. Das sind deine Qualitäten.“

Phil nickt prompt. „Korrekt. Und ich war drei Wochen lang nicht da, um ihm auf die Finger zu gucken.“

Clint hebt bestürzt beide Augenbrauen. „Wir müssen um die komplette Organisation fürchten!“

Natasha seufzt. „Das müssen wir wirklich. Er hat mich in einer Highschool eingesetzt.“

Clint blinzelt sie fasziniert an, Phil ist ehrlich entsetzt. „Das war meine Mission.“

Natasha nickt. „Völlig absurd.“

Phil schließt einen Moment lang die Augen und reibt sich mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand die Nasenwurzel. „Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mir einen Notfallersatz für mich ausbilde. Nur für den Fall, dass ich mal Urlaub nehmen möchte.“

Clint tätschelt ihm mitfühlend die Brust. „Ich schlage Darcy vor. Das wird sie dir vielleicht vergeben lassen.“

„Das sagst du nur, weil du ihren iPod behalten willst“, gibt Phil trocken zurück. „Denk nicht, ich hätte nicht mitbekommen, wohin der damals verschwunden ist.“

Jane hat die Hälfte ihrer spärlichen Habseligkeiten ausgepackt, als Darcy ohne anzuklopfen bei ihr ins Zimmer platzt. „Mein Bad hat ein verdammtes Bidet!“

„Das freut mich für dich“, gibt Jane geistesabwesend zurück. Ihr Kleiderschrank ist begehbar. Ihr Kleiderschrank ist größer als der Trailer, in dem sie in New Mexiko gewohnt hat. Wenn das auf die Dimensionen ihres zukünftigen Arbeitsplatzes deutet, steht ihr eindeutig ein Leben in Saus und Braus bevor.

Darcy lässt sich theatralisch auf das gigantische Bett im Zentrum des Zimmers fallen. Die Matratze federt dreimal nach, ehe sie zur Ruhe kommt.

„Ich schlage vor, dass du mit Thor auf dem Boden kopulierst“, sagt sie nach einem Moment der Stille. „In diesem Bett werdet ihr allerhöchstens seekrank.“

Jane brummt eine geistesabwesende Zustimmung. Erst die überraschende Leuchtkraft von Thors Grinsen, der neben Darcy auf dem Bett sitzt, lässt ihr bewusst werden, was soeben gesagt wurde.

Jane räuspert sich hastig, weiß jedoch nicht, wie sie das Thema erneut zur Sprache bringen soll, ohne sich komplett lächerlich zu machen. Also lässt sie es. Es hat sie schon genügend aus der Bahn geworfen, dass Thor sich plötzlich anzieht wie ein Calvin Klein Model.

„Ich bin wirklich froh, dass es Agent Coulson gut geht“, sagt sie stattdessen, und Darcy stemmt sich auf ihre Ellenbogen hoch. „Ich bin wirklich froh, dass er sich so einen feschen Scharfschützen geangelt hat. Tut ihm bestimmt gut.“

Thor betrachtet sie liebevoll von der Seite, und Darcy tätschelt ihm den Oberschenkel. „Du freust dich auch, richtig, Großer?“

Er nickt. „Wieder mit euch vereint zu sein, erfüllt mich in der Tat mit großer Freude.“

Darcy lässt sich mit einem hingerissenen Seufzen wieder auf den Rücken fallen. „Ich muss zugeben, dass ich mir Tony Stark ein bisschen anders vorgestellt habe - aber er ist wirklich genau so wie im Fernsehen. Nur irgendwie … kleiner. Macht das Sinn?“

Jane zieht leicht die Stirn kraus. Ich hab ihn mir … anzüglicher vorgestellt. Seine Frauengeschichten sind …“

„Sicherlich größtenteils wahr“, beendet Darcy ihren Satz. „Na und? Ich mag Miss Potts.“

„Die Lady Pepper ist in der Tat eine bewundernswerte Frau“, stimmt Thor ihr sofort zu. Darcy grinst ihn freundschaftlich an. „Da hörst du’s, Jane.“

„Ich habe nie in Zweifel gezogen, dass Miss Potts eine großartige Frau ist“, stellt Jane sanft klar. „Es geht hier um Tony Stark.“

„Beurteilt an den Menschen - und Göttern - mit denen Tony Stark sich umgibt, ist er ein verdammt toller Typ“, tut Darcy ihre Meinung kund. „Außerdem konnte er mir tatsächlich ein paar Witze erzählen, die ich noch nicht kannte.“

„Tony ist eine großzügige Seele“, mischt Thor sich ernst ein. „Ohne seinen Beistand hätten wir nicht so bald unser Wiedersehen feiern können.“

Jane gibt es endlich auf, ihre Sachen in einem Zimmer verteilen zu wollen, das viel zu groß für sie ist.

„Ich mag ihn ja auch!“ gesteht sie mit einem kleinen Lächeln. „Ich werde nur das Gefühl nicht los, dass ich nicht sollte.“

Darcy macht eine wegwerfende Handbewegung. „Captain America hat ihn lieb. Wer bist du im Vergleich dazu bitte, dass du ihm deine Zuneigung verwehren willst?“

Jane seufzt leise. „Das Fernsehinterview mit den Kätzchen war schon unglaublich niedlich. Ob er das mit Absicht gemacht hat?“

Ihr entgeht völlig das halb versteckte Schmunzeln, mit dem Thor auf die Füße kommt. „Wünschst du, sie zu sehen?“

Darcy sitzt plötzlich kerzengerade im Bett. „Ihr habt die Kätzchen hier?“

Thor nickt lächelnd auf sie hinab und streckt ihr seine Hand entgegen. „Das haben wir in der Tat.“

Darcy greift prompt nach seiner Hand, und er legt den freien Arm um Jane und bugsiert beide Frauen sanft aus dem Zimmer hinaus.

Steve ist mit Pepper in die Küche gegangen, nachdem sie Jane und Darcy ihre Zimmer zugewiesen haben.

Er hat sich noch immer nicht völlig von der Autofahrt zurück zur Villa erholt. Manchmal wünschte er wirklich, er habe keine so gute Auffassungsgabe und schon gar keine derartig bildliche Vorstellungskraft.

So wie die Dinge stehen, konnte er nicht umhin, jeden einzelnen von Darcys und Tonys dreckigen Witzen nur allzu gut zu verstehen. Wenn Tony solche Witze macht, ist es auch nur halb so schlimm, als wenn sie aus dem Mund einer attraktiven jungen Frau kommen.

Steve ist sich viel zu sehr im Klaren darüber, dass er nach wie vor zu altmodisch für diese Zeit ist.

„Du siehst aus, als könntest du einen steifen Drink gebrauchen“, informiert Pepper ihn mit einem Schmunzeln.

Steves Ohren werden prompt wieder rot. Dann geht ihr offenbar auf, was sie soeben gesagt hat, und sie lacht auf. „Oh Gott, sie haben auf mich abgefärbt - aber mach dir keine Sorgen, Steve, in ein paar Stunden benutze ich wieder unverfängliches Vokabular.“

Steve beißt sich auf die Unterlippe, und Pepper zögert einen Moment, ehe sie zum Kühlschrank geht und ihm ein Glas Milch einschenkt. Als sie das Glas vor ihm abstellt und ihm einen gigantischen Keks mit Schokosplittern in die Finger drückt, kann er nicht anders, als eine Augenbraue heben.

„Ich mag mich verhalten, als sei ich zwölf, aber ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht auch noch so behandeln würdest“, informiert er sie trocken.

Ihr antwortendes Gelächter schickt angenehme Wärme durch ihn hindurch. Sie ist die erste Frau seit Peggy, die er näher kennen gelernt hat, und er ist beinahe ein bisschen überrascht, wie … wie vergleichbar leicht ihm der Umgang mit ihr inzwischen fällt.

Er hatte sich halb und halb damit abgefunden, in beständiger Ehrfurcht vorm weiblichen Geschlecht zu leben. Nicht, dass er nicht nach wie vor ein bisschen ehrfürchtig ist und das vermutlich auch immer sein wird. Aber er hat endlich begriffen, dass er mit Frauen genauso befreundet sein kann wie mit Männern.

Es nimmt der ganzen Angelegenheit ein wenig den Schrecken - und ein wenig die Romantik. Aber damit kann er leben.

„Trink deine Milch“, weist Pepper ihn mit lachenden Augen an. „Du wirst die Stärkung brauchen, wenn wir nachher mit der versammelten Mannschaft zu Abend essen. Mich beschleicht die leise Ahnung, dass Clint Tony und Darcy in nichts nachsteht, wenn es darum geht, unangebrachte Bemerkungen zu machen.“

Steve stöhnt leise auf und vergräbt sein Gesicht in der Hand, die keinen überdimensionalen Keks hält.

„Pepper, was bitte hast du getan, um Captain America zum Weinen zu bringen?“

Tonys Stimme ist nicht ganz so fröhlich unbelastet, wie es die geäußerte Albernheit erwarten ließe, und Steve lässt seine Hand beunruhigt wieder sinken.

Er sieht Bruce gemeinsam mit Tony die Küche betreten, nimmt die Spannung in den Schultern beider Männer wahr, und tauscht einen stummen Blick mit Tony.

Die leichte Grimasse, mit der Tony darauf reagiert, sagt Steve im Prinzip alles, was er wissen muss. Er legt seinen Keks beiseite und erhebt sich kommentarlos von seinem Stuhl um Bruce seine bevorzugte Sorte Tee zu kochen.

Pepper reicht sie ihm stumm aus dem entsprechenden Schrank.

„Dieses Level an wortloser Kommunikation sollte mich vermutlich erschrecken“, gibt Bruce leise zu Protokoll, „aber ich muss gestehen, dass ich euch dafür viel zu dankbar bin.“

Steve räuspert sich verhalten, ehe er ihm einen suchenden Blick über seine Schulter hinweg zuwirft. „Können wir … irgendwas tun?“

Bruce schenkt ihm ein warmes kleines Lächeln. „Ihr seid doch schon dabei.“

Thor geleitet Jane und Darcy in die Küche, ehe Steve angemessen auf dieses Zugeständnis reagieren kann.

„Wir sind auf der Suche nach den Katzen!“ erklärt Thor mit seinem üblichen Gehör schädigenden Enthusiasmus - dann fällt sein Blick auf Bruce.

„Freund Bruce, es ist mir eine außerordentliche Ehre, dir die Lady Jane und die Lady Darcy vorzustellen“, sagt er bedeutend leiser und mit einem zeremoniellen Unterton, der Tony sein Gesicht abwenden, und sein Grinsen hinter seiner Hand verbergen lässt.

Jane sieht ehrlich begeistert aus, als sie Bruce die Hand entgegen reckt. „Jane Foster. Sie können sich nicht vorstellen, wie stolz ich bin, Sie kennen zu lernen, Doktor Banner. Erik hatte nur Gutes über Sie zu sagen!“

Bruce nimmt ihre Hand mit deutlichem Zögern. „Erik Selvig?“

Jane nickt nachdrücklich, und schüttelt seine Hand mit furchtloser Inbrunst. „Ich wäre Ihnen auf ewig dankbar, wenn Sie mir erlauben würden, Ihnen bei Gelegenheit ein paar Fragen zu Ihrer Arbeit zu stellen.“

Bruce wirkt ein wenig überfordert von der lodernden Glut wissenschaftlichen Interesses in ihren Augen.

„Lass den armen Mann los, Jane“, fordert Darcy sie prompt auf und drängelt sie mit sanfter Gewalt von Bruce weg.

„Darcy Lewis“, setzt sie ihn in Kenntnis und nimmt seine Hand bedeutend zurückhaltender als Jane - aber immer noch fest genug, dass in Bruce keine Sekunde lang der Verdacht aufkommen könnte, sie habe Angst vor ihm.

„Ich hab nicht die geringste Ahnung von Ihrer Arbeit“, sagt sie brutal ehrlich. „Aber wie Sie sich in ein gigantisches grünes Wutmonster verwandeln, ist die coolste Sache, seit der Cheeseburger erfunden wurde.“

Bruce starrt sie fassungslos an. Steve neigt sich in Tonys Richtung. „Ist sie deine verschollene Tochter?“ flüstert er in Zimmerlautstärke.

Tony räuspert sich verhalten. „Möglich. Durchaus möglich.“

Tony - weil er ein unerträglicher Kindskopf ist - bestellt Fastfood zum Abendessen.

Phil ist darüber solange einigermaßen entsetzt, bis er registriert, wie Clint neben ihm zunächst ein heißhungriges Grollen ausstößt und dann wie ein Wolf über seinen Cheeseburger herfällt. Die Ansammlung an Müll auf dem Tisch macht ihn trotzdem nicht glücklich.

„Es ist größtenteils Pappe“, flüstert Clint ihm mit einem Mal ins Ohr.

Phil kann nicht anders, als den Kopf drehen und ihm einen Kuss auf den Wangenknochen drücken. „Morgen bringe ich dir bei, wie man einen richtigen Cheeseburger macht“, deklariert er entschlossen.

Clint schnobert begeistert an seinem Ohr herum. „So wie die, die du uns in Kanada gemacht hast?“

Phil muss einen Moment lang angestrengt nachdenken. „Das weißt du noch?“ fragt er dann fassungslos nach. Clint nickt nachdrücklich. „Die waren göttlich.“

„Du warst halb im Fieber-Delirium“, erwidert Phil trocken. „Es war das einzig Essbare, das wir in der Hütte hatten, und ich musste dir deinen mehr oder weniger pürieren. Ich bezweifle, dass du weißt, was du da sagst.“

„Sie waren göttlich“, wiederholt Clint stur.

„Wie kommt es eigentlich, Barton“, erkundigt Tony sich vom Kopfende des Tisches, „dass wann immer jemand anders in diesem Haus unerträglich liebenswürdiges Verhalten zeigt, du das zur Ausrede nimmst, dich lauthals zu beschweren - die Angelegenheit aber offenbar völlig anders aussieht, wenn du selbst die handelnde Partei bist?“

„Offizielle SHIELD Agenten haben Sonderrechte“, erwidert Phil, ohne auch nur eine Sekunde zu verschenken.

Tony schnaubt, dass es die Papierserviette, die vor ihm auf dem Teller liegt, in Bewegung versetzt und beinahe vom Tisch weht. „Ich denke nicht.“

„Der wahre Grund ist“, sagt Clint und drapiert sich mehr oder weniger über Phil, „dass ich - mit wem auch immer - einen sehr viel attraktiveren Anblick abgebe als du.“

„Mit wem auch immer?“ wiederholt Phil mit hochgezogener Augenbraue, und er weiß, dass er genau den richtigen Tonfall getroffen hat, als Clint ihn bedenkenlos angrinst. „Mit wem auch immer! Das Bild von Bruce, Natasha und mir in Pyjamas ist das entzückendste überhaupt!“

Bruce, der auf Clints anderer Seite sitzt, streckt die Hand nach ihm aus und tätschelt ihm kommentarlos den Kopf.

„Das“, sagt Tony grinsend, „wird hier ganz sicher niemand in Frage stellen.“

Phil räuspert sich leise. „Ich muss die Allgemeinheit noch darauf vorbereiten, dass uns morgen ein Besuch von Direktor Fury bevorsteht.“

Einzig Jane und Darcy wirken relativ unberührt von dieser Ankündigung. Pepper hat leicht die Stirn gerunzelt, Steve ebenso. Thors Augenbrauen befinden sich auf direktem Konfrontationskurs miteinander. Tony sieht aus, als bereite er sich innerlich auf einen Schreikrampf vor.

Bruce ist ein bisschen grau um die Nase. „Ich nehme an, es geht um den Zwischenfall mit Doktor Roberts?“

Phil dreht den Kopf und sieht ihn beruhigend an. „Nicht wirklich. Aber ich habe etwas mit ihm zu besprechen, und ein Ausflug in die Stadt würde mich schlicht überfordern.“

Bruce entspannt sich sichtlich. Peppers Brauen hingegen furchen sich noch ein wenig mehr. „Zu besprechen? Ist es dafür nicht ebenfalls noch ein wenig zu früh?“

„Ein wenig?“ Tony klingt so wütend, dass Phil nicht anders kann, als ihn überrascht anzustarren. „Das halte ich für die Untertreibung des Jahrzehnts.“

Phil kann nicht wirklich damit umgehen, dass Tony Stark sich offenbar Sorgen um ihn macht. „Ich habe nicht vor, mich über die Maßen zu verausgaben“, informiert er Tony. „Aber diese Besprechung kann schlicht nicht länger aufgeschoben werden.“

Steve räuspert sich vorsichtig. „Wäre es sehr vermessen, wenn wir uns erkundigen, worum es geht?“

Phil atmet tief durch. „Worum es geht? Es geht um SHIELD. Ich habe heute mit Agentin Hill telefoniert, und sie hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass wir während der Invasion durch die Alien-Armee ein Drittel unserer Agenten verloren haben.“

Pepper stößt ein entsetztes Zischen aus, und Phil wendet ihr den Blick zu. „Die wenigsten von ihnen sind gestorben“, sagt er beruhigend. „Einige haben Verletzungen davon getragen, die es ihnen nicht länger erlauben, aktiv eingesetzt zu werden - aber die Meisten … die Meisten sind schlicht desertiert. Wenn man es denn so nennen will. Mehr als die Hälfte dieser Agenten war weniger im Feldeinsatz, als mit internen Belangen betraut.“

„Das … Das ist …“, setzt Steve an, und Tony legt ihm die Hand auf die Schulter. „Was der gute Captain sagen will“, informiert er die Runde, „ist, dass er das ganz und gar beschissen findet.“

Steve widerspricht ihm nicht.

Phil seufzt. „Und ich erst. Ich kann jetzt zumindest einigermaßen nachvollziehen, wieso in den letzten drei Wochen so viel schief gelaufen ist.“

Tony schnaubt. „Ich kann immer noch nicht begreifen, wie Fury Steve im Keller einsperren konnte.“ Er fährt mit einem Ruck zu Pepper herum, sich des entgeisterten Starrens von Jane und Darcy ganz und gar nicht bewusst. „Du musst ihm deswegen unbedingt die Leviten lesen, Pepper!“

Pepper verspricht ihm mit allem Ernst, den sie aufbringen kann, dass sie das ohne jeden Zweifel tun werde. Steve stellt derweil klar, dass er keineswegs eingesperrt war.

Tony würdigt diesen Unsinn gar nicht erst mit einer Reaktion und wendet sich wieder Phil zu. „Wann können wir mit Fury rechnen?“

Phil ist sich nicht sicher, ob er diese Information an Tony Stark weiter geben sollte. Andererseits ist es Tonys verdammtes Haus.

„Um zwei Uhr nachmittags“, sagt er zögernd.

„Ich werde mich in meine Werkstatt einschließen“, verkündet Tony ohne jegliches Anzeichen von Scham.

Phil hält das für eine gute Idee.

„Entweder wir ziehen an dieser Stelle einen Schlussstrich“, sagt Tony streng, „oder ich muss einen größeren Küchentisch kaufen.“

Pepper blickt flüchtig von ihrem Papierkram auf, „Wie bitte?“

Tony sieht sich in dem Raum um, den sie sich zum Arbeiten ausgesucht hat, anstatt eine Antwort abzugeben. „Das hier war das Studierzimmer von meinem Vater.“

Pepper räuspert sich damenhaft. „Ja, ich weiß.“

Er hebt eine überraschte Augenbraue.

„Stört es dich, wenn ich hier arbeite?“ erkundigt sie sich vorsichtig. Sie hat das Fenster geöffnet, um die Abendluft einzulassen und den abgestandenen Geruch nach Zigarren und Staub loszuwerden. Unter dem gigantischen Schreibtisch ist Pattie damit beschäftigt, ihre Brüder zu jagen.

Tony legt den Kopf schief, lässt seinen Blick ein weiteres Mal durchs Zimmer schweifen, bis er schließlich auf ihr zu ruhen kommt.

„Nein“, sagt er nach einer Weile, „der Raum steht dir.“

Sie lächelt ihm zu, kann jedoch nicht umhin zu registrieren, dass er noch immer keinen Schritt ins Zimmer hinein getan hat.

Dann schießen Hershey und Snickers unter dem Schreibtisch hervor, ihre Schwester auf ihren Fersen, und Tony betritt das Zimmer mit zielgerichteter Selbstverständlichkeit.

„Mit euch hingegen habe ich ein Problem in diesem Zimmer“, sagt er mit vorgetäuschter Strenge und schafft es irgendwie, alle drei Katzen auf einmal einzufangen. „Meine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wenn ich zuließe, dass der Vertäfelung auch nur das Geringste zustößt.“

Er hält einen Moment inne, die Katzen auf seinen Armen, und in Pepper breitet sich eine nicht zu leugnende Wärme aus.

„Kann ich noch etwas für Sie tun, Miss Potts?“ erkundigt er sich mit einem Zwinkern, und sie grinst unwillkürlich. „Nein, das wäre alles, Mister Stark.“

Er zieht sich mit einer leichten Verneigung zurück, und sie widmet sich mit neuer Energie ihren Unterlagen.

Die Katzen einzufangen, war nicht das Problem. Sie den Flur entlang zu jonglieren, ohne eine von ihnen fallen zu lassen, stellt sich als weitaus komplizierter heraus.

Hersheys traniges Temperament erlaubt es Tony, ihn mehr oder weniger unbeachtet zu lassen, aber Pattie ist pures Quecksilber und gleitet ihm durch die Finger wie Treibsand. Snickers scheint sich nicht entscheiden zu können, welches seiner Geschwister er imitieren möchte, ist abwechselnd zahm wie ein Lämmchen und übt sich an dummdreister Meuterei. Tony weiß schon, warum er Computer bevorzugt.

„Brauchst du Hilfe?“

Tony hat keine Ahnung, wo Steve mit einem Mal herkommt, aber er lässt sich Pattie und den energischeren ihrer Brüder bereitwillig abnehmen. Hershey hat sich wie ein pelziges Wärmekissen über Tonys Schulter drapiert.

„Ich hab dich gesucht“, sagt Steve und hält jeweils ein Katzenkind in seinen großen Händen in Einzelhaft. Tony setzt sich ganz selbstverständlich in Bewegung und geht mit ihm mit. „Ach so?“

Steve nickt. „Darcy hat sich bei Clint erkundigt, womit wir für gewöhnlich unsere Abende verbringen - offenbar verbringen wir unsere Abende damit, Disney Filme zu gucken.“

Tony entkommt ein amüsiertes Schnauben. „Unsinn. Die gucken wir Mittwoch nachmittags.“

„Und heute ist Donnerstag“, stimmt Steve ihm zu und nickt bedeutsam. „Ein Umstand, auf den Thor von Clint aufmerksam gemacht worden ist.“

Tony hebt eine alarmierte Augenbraue. „Mit welchem Ergebnis?“

„Er hat Poptarts zur Feier seines Namenstages verlangt“, sagt Steve bierernst.

Tony stößt ihn mit dem Ellenbogen an. „Und jetzt brauchst du meine Hilfe.“

„Dumm-y hat mich nicht an den Toaster gelassen“, verteidigt Steve sich gelassen.

„Oh, ja sicher - mein idiotischer Roboter hat Captain America vom Toaster fern halten können.“

„Er hat mir leid getan“, gesteht Steve bereitwillig. „Er hat sich solche Mühe gegeben - und er war so stolz, als er gewonnen hat.“

„Ich wohne mit lauter Verrückten zusammen“, informiert Tony die Allgemeinheit, und betritt mit Steve sein Wohnzimmer.

Thor sitzt mit Jane auf dem Sofa gegenüber vom Fernseher, hat den Arm um sie gelegt und grinst über beide Backen, während sie ihn darüber aufklärt, wie ungesund Poptarts auf die Dauer sind. Um ein derartig sonniges Gemüt kann Tony ihn nur beneiden.
Auf dem Sofa rechts vom Fernseher sitzen Bruce, Natasha und Darcy. Tony wundert sich nicht im Geringsten darüber, dass Bruce wie üblich die Frauenquote sprengt - wenn überhaupt wundert er sich, warum Jane noch bei Thor sitzt. Bruce würde vermutlich nicht mal daran denken, Poptarts auch nur anzufassen.
Das Sofa links vom Fernseher dient Phil und Clint momentan als Austragungsort völlig unschuldigen Geschmuses. Wenn Tony ganz ehrlich ist, hätte er nie gedacht, dass Phil Coulson zu öffentlichen Zuneigungsbekundungen neigt, aber er hat dieses eine Mal nicht das geringste Problem mit dem fundamentalen Irrtum, der ihm hier unterlaufen ist.

Selbst, wenn er das nie zugeben wird.

Darcy quiekt begeistert, als sie der Kätzchen gewahr wird, und Tony überreicht ihr bereitwillig Hershey, der einmal unzufrieden quäkt, als er bewegt wird, und sich dann schnurrend in Darcys liebevolle Umarmung ergibt.

Bruce bekommt Pattie in die Hände gedrückt, weil er neben Steve der Einzige ist, der sie ruhig stellen kann - Natasha streckt auffordernd ihre Hände nach Snickers aus.

Steve übereicht ihn ihr ohne zu zögern und versucht dann heldenhaft nicht rot zu werden, als sie ihn prompt an ihre Brust drückt, und das Tier wie irre zu schnurren anfängt.

„Dieser Kater weiß eindeutig, was gut ist“, sagt Clint anzüglich. „Ich möchte behaupten, es gibt kaum einen glücklicheren Ort auf dieser Welt als Tashas Brüste.“

Phil rubbelt ihm liebevoll über den Bauch. Natasha hebt eine furchteinflößende Augenbraue.

Tony nimmt Steve am Ellenbogen und zieht ihn gen Tür, mit der laut geäußerten Absicht, Thor seine geforderten Poptarts zu besorgen - ehe es Clint möglicherweise noch einfällt, einen wirklich geschmacklosen Scherz über glückliche Orte in Relation zu Natasha zu machen.

Es ist besser für alle Beteiligten, wenn Steve nicht bezeugen muss, wie Natasha Clint umbringt.

„Aber die sind ungesund!“ grölt Clint ihnen hinterher. Thor fängt an zu lachen, und nach einem Moment scheint Jane mit einzustimmen. Tony macht entschlossen die Küchentür hinter sich zu.

Steve mustert ihn besorgt. „Ist alles ok?“

Tony reißt sich zusammen - dann schüttelt er sich. „All die Liebe macht mich ganz krank.“

Steve legt ihm mit der größten Selbstverständlichkeit überhaupt den Arm über die Schultern und drückt ihn an sich. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen.“

Tony macht einen Moment lang die Augen zu. „Aber ich will nicht.“

Er ist beinahe erleichtert, als Dumm-y ein fragendes Fiepen in seine Richtung ausstößt, ehe Steve Gelegenheit dazu hat, die wahre Bedeutung seiner Worte zu analysieren.

„Mach Platz, Toaster-Terror“, sagt Tony zu seinem elektronischen Handlanger. „Der Gott des Donners will Poptarts.“

„Du hast völlig Recht, Tony“, sagt Steve trocken, während Tony die entsprechende Packung aus dem Schrank nimmt. „Du wohnst mit lauter Verrückten zusammen.“

„Ich hab nie behauptet, dass ich mich da nicht ganz wunderbar einfügen würde“, gibt Tony geistesabwesend zurück, während er mit Dumm-y eine Runde Tauziehen um die Packung Poptarts startet.

Phil Coulsons Leben hat aufgehört, normal zu sein, in dem Moment, als er SHIELD beigetreten ist. So merkwürdig wie in diesem Moment war es trotzdem noch nie.

Er guckt Disneys Lilo und Stitch zusammen mit einem Donnergott und Captain America. Der beste Bogenschütze der Welt, der zufällig außerdem sein … sein … Clint ist, hat dieses filmische Machwerk höchstpersönlich ausgewählt.

Tony Stark, Milliardär, Playboy, Philanthrop und brillantester Erfinder seiner Generation, hat zu diesem Anlass nicht nur ausreichend Poptarts für Thor bereitgestellt, er hat außerdem zwei gigantische Schüsseln voller Popkorn ins Wohnzimmer getragen.

Phil kann sich nicht entscheiden, welcher Aspekt dieser Konstellation sich am unwahrscheinlichsten anhört.

Er versucht, nicht allzu genau darüber nachzudenken.

Lilo ist mit dem Versuch beschäftigt, ihr seltsames blaues Alien zu einem Vorzeigebürger zu erziehen, als Clint neben ihm auf dem Sofa einschläft.

Er hat einen Arm um Phil geschlungen, hat sein Nase in Phils Halsbeuge gedrückt, und Phil ahnt mehr, als dass er es wirklich sehen kann, dass sein Gesicht selbst im Schlaf durch ein warmes, zufriedenes Lächeln erhellt wird.

Er hält so still wie möglich, selbst wenn sein eigener Arm vor fünf Minuten eingeschlafen ist und in Kürze unangenehm zu Kribbeln anfangen wird. Aber er ist insgesamt viel zu zufrieden, findet die ganze Situation viel zu angenehm, um seinen Arm in eine andere Position zu bringen und Clint am Ende noch aufzuwecken.

Also lässt er seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Thors Augen sind konzentriert und ein wenig irritiert auf den Fernseher fixiert. Er begegnet der Geschichte um das einsame, fehlgeleitete Alien mit einer Anteilnahme, die Phil zu gleichen Teilen amüsiert und wehmütig werden lässt.

Thor scheint außerdem das Konzept des Zeichentrickfilms nicht völlig begriffen zu haben und fragt Jane schließlich im weithin hörbaren Flüsterton, aus welcher Dimension diese faszinierend farbenfrohen Kreaturen stammen.

Darcy lässt ein schnorchelndes Lachen hören, überlässt es jedoch ganz und gar Jane, Thor aufzuklären. Sie hat sich seitlich auf dem Sofa Phil gegenüber platziert, Hershey schläft auf ihrer Brust, und ihre Beine liegen mit einer Selbstverständlichkeit über Doktor Banner und bis in Natashas Schoß ausgestreckt, die Phil ein wenig Angst macht.

Bruce auch, wenn sein überfordertes Gesicht Phil nicht völlig täuscht. Natasha hingegen wirkt völlig zufrieden mit der Situation, und teilt sich eine Schüssel Popkorn mit Bruce und Darcy, während sie das Geschehen auf der Mattscheibe größtenteils ignoriert.

Stattdessen lässt sie genau wie Phil auch ihren Blick durchs Zimmer wandern, und beobachtet ihre zahlreichen Mitbewohner mit einem Ausdruck in den Augen, den wohl nur sehr wenige Menschen als das zu deuten wissen, was er wirklich ist - zärtlich.

Tony und Steve sitzen mit Jane und Thor auf dem größten der drei Sofas gegenüber des Fernsehers, und neben Thor scheint Steve der Einzige zu sein, der sich wirklich auf die Handlung des Films konzentriert. Er ist außerdem regelrecht begeistert von der Musik. Tony verspricht ihm flüsternd, ihn bei nächster Gelegenheit mit dem Soundtrack zu versorgen.

Phil hat mit einer Menge gerechnet, als Fury ihm von seiner Idee der Avengers Initiative erzählt hat - aber mit einer Situation wie dieser hier ganz gewiss nicht.

Dann kommt Clint mit einem Schnorcheln zu sich, sein Kopf ruckt in die Höhe, und er blickt sich ein paar Sekunden lang ein wenig verwirrt um - dann verlangt er mit vom Schlaf unausgeglichener Stimme danach, dass der Film zu der Stelle zurückgespult wird, kurz bevor er eingeschlafen ist.

Tony protestiert sofort, wenn auch nur, um Clint zu ärgern. „Niemand kann was dafür, wenn du es nicht schaffst, für die Länge eines Kinderfilmes wach zu bleiben, Barton. Wir werden jetzt sicherlich nicht alle unter deiner mangelnden Aufmerksamkeitsspanne leiden!“

„JARVIS“, sagt Bruce leise und ignoriert Tonys Worte mit stoischer Gelassenheit, „spul bitte an die entsprechende Stelle zurück.“

Ganz wie Sie wünschen, Master Bruce.

Tony gibt ein empörtes Japsen von sich, und Steve lacht ihn liebevoll aus.

„Ich finde JARVIS’ Stimme unglaublich angenehm“, bemerkt Darcy, und krault Hershey etwas energischer hinter den Ohren. „Der britische Akzent ist sexy.“

Sie dreht den Kopf und verrenkt sich halb den Hals, um Tony ansehen zu können. „Wieso hat dein Sci-Fi Butler einen sexy britischen Akzent, Tony?“

Tony erwidert ihr anzügliches Starren, wie nur Tony Stark es kann - mindestens genau so anzüglich, wenn nicht sogar empörend spöttisch. „Weil auch ich sexy britische Akzente zu schätzen weiß. Außerdem sind Briten die besseren Butler. Das ist eine allgemein anerkannte Tatsache.“

Neben Tony sieht Steve mit einem Mal ganz schrecklich melancholisch aus. Phil weiß so gut wie alles über den Mann, daher geht er davon aus, dass das Gespräch über anregende britische Akzente ihn an Peggy erinnert hat - Agentin Margaret Carter, die erste und einzige Frau in Captain Americas Leben … und Mitglied des britischen Geheimdienstes.

Phil beißt sich auf die Unterlippe, Clint blinzelt ihn prompt fragend von der Seite an. „Was hast du?“

Phil blinzelt schweigend in Richtung Steve. Er wird sich eher erschießen, als die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Mann zu lenken. Er weiß, wie ungern Steve im Mittelpunkt steht. Abgesehen davon ist dies kein Thema, das Steve breitgetreten sehen wollen würde.

Clints Stirn runzelt sich einen Moment lang - dann wirft er Popkorn nach Tony. Tony wirft ein Kissen zurück. Clint wirft Tony das Kissen an den Kopf. Zumindest versucht er es. Steves Hand schnellt in die Höhe und greift es aus der Luft - und ist prompt das Zentrum von Tonys dankbarer Aufmerksamkeit, unter der er aufblüht wie ein Stiefmütterchen unter einem unerwarteten Sonnenstrahl.

Phil hebt eine beeindruckte Augenbraue und taxiert Clint aus dem Augenwinkel. „Das war ja eine taktische Meisterleistung.“

Clint reagiert auf dieses Lob mit einem schüchternen Grinsen und einem zustimmenden Nicken. „Ich habe vom Besten gelernt.“

Phil drückt ihm einen sanften Kuss auf die Schläfe. „Du bist ein schrecklicher Schmeichler, Clint Barton.“

Clint schnurrt und drückt sich enger an ihn heran. „Gar nicht wahr.“

„Wohl wahr“, gibt Phil zurück und lässt seine Hand unter Clints Hemd und auf seinen nackten Bauch gleiten. Clint schnurrt ein wenig lauter als zuvor und schmilzt praktisch an ihn heran. Da sie unter einer Decke auf dem Sofa sitzen, fühlt Phil sich absolut sicher in seinem Handeln und ihre Privatsphäre in keiner Weise bedroht.

„Ist das hier ok?“ fragt Clint ihn dennoch leise - Phil blinzelt amüsiert auf ihn hinab. „Sollte ich das nicht lieber dich fragen?“

Clints Augen glänzen im Halbdunkel des Zimmers, während er zu ihm aufblickt. „Ich genieße die Situation aus vollen Zügen, Sir.“

Phil überläuft eine leichte Gänsehaut. Es war früher schon schlimm genug, wenn Clint unter Zuhilfenahme dieses Titels mit ihm geflirtet hat. Wenn er die trügerische Privatsphäre ihrer Funkverbindung genutzt hat, um Phil mit anzüglicher Stimme darüber zu informieren, dass ihm sein neuer Anzug gefällt. „Der Stoff sieht unglaublich weich aus, Sir.“

Phil beißt sich auf die Unterlippe, als er sich an die eine Gelegenheit erinnert, bei der er sich nicht beherrschen konnte, und ebenso anzüglich zurück gegeben hat: „Das ist er auch, Barton. Ein Gefühl wie Sommerregen auf meiner Haut.“

Clint wäre beinahe aus dem Baum gefallen, in dem er sich während des Einsatzes positioniert hatte. Die folgenden Wochen waren derartig angefüllt mit pikanten Bemerkungen, Blicken und dem allgegenwärtigen Sir, dass Fury Phil tatsächlich in sein Büro zitiert hat, um ihn zu fragen, ob Clints Verhalten sich noch im Rahmen befinde, oder ob Phil sich sexuell belästigt fühle. Es war ausgesprochen rücksichtsvoll von Fury, wenn Phil jetzt daran zurück denkt.

Selbst, wenn es ihm in dem Moment mehr als einfach nur unangenehm war. Denn er mochte es, und er mag es nach wie vor, wenn Clint ihn Sir nennt. So wie Clint es sagt, ist es sehr viel weniger der Erweis seines Respekts, als ein Kosename.

Plötzlich findet Phil sich im Zentrum eines laserscharfen Starrens. Clint setzt sich sogar ein wenig aufrechter hin. „Du magst es“, wispert er fasziniert.

Phil muss sich leise räuspern. „Ich hab es schon immer gemocht“, erwidert er ehrlich. Damit meint er weniger den Missbrauch des Titels und die damit einhergehenden Implikationen als das Flirten an sich - aber Clint leckt sich plötzlich über die Lippen, und das lenkt Phil zu sehr ab, als dass er die Angelegenheit klarstellen könnte.

Es überrascht ihn nicht, als Clint den Hals reckt und ihn küsst - überrascht ihn nicht im Geringsten, aber ihm entkommt trotzdem ein atemloses Seufzen, und er muss seine Hand in Clints Haar vergraben, muss sich ein wenig an ihm festhalten. Besonders, als Clint den Mund für ihn öffnet.

Es kostet ihn unglaubliche Selbstüberwindung, aber er schafft es irgendwie, ihren Kuss zu lösen und seine Lippen ein paar Zentimeter von Clints zu entfernen. „Clint …“

Clints Reaktion besteht aus einem unzufriedenen Murren.

„Clint …“

Clint schlägt die Augen auf und lächelt ihn an. „Lass mich raten - nicht, wo Captain America uns sehen kann?“

Er wispert es derartig leise, dass tatsächlich nur Phil ihn hören kann. Phil beißt sich auf die Unterlippe und nickt, lässt seine Fingerspitzen über Clints warme Haut streichen. „Entschuldige.“

Clints Lider flattern wieder zu. „Ist schon ok. Ich würd am lautesten Schreien, wenn Tony und Pepper anfingen, vor unserer Nase miteinander rumzumachen.“ Er scheint einen Moment lang angestrengt nachzudenken. „Gegen Jane und Thor hätte ich nichts, schätz ich. Das muss wahrlich ein Anblick für Götter sein.“

Phil schnaubt amüsiert. „So großartig ist der gar nicht. Glaub mir.“

„Der Sozialarbeiter Bubbles erinnert mich an Direktor Fury“, verkündet Thor mit einem Mal mit weit reichender Stimme und amüsiertem Unterton.

Clint fällt vor Lachen beinahe vom Sofa.

TEIL 16

fandom: avengers, autor: uena

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