Teil
1 - Teil
32 Der Film ist vorbei, das Wohnzimmer hat sich geleert, und Loki sitzt als Letzter noch auf dem Sofa. Noch kann er sich nicht überwinden ins Bett zu gehen und sich Alpträumen auszuliefern, also zieht er seine langen Beine auf das bequeme Möbelstück, lässt sich auf den Rücken sinken und lässt gutmütig zu, dass Snickers ihm auf den Bauch springt.
Der Kater beginnt zu schnurren, kaum dass er sich auf ihm ausgestreckt hat, und Loki krault ihn gedankenverloren hinter den Ohren.
Er fühlt sich weniger allein, wenn die Tiere bei ihm sind, weniger kalt. Seine Ängste lassen sich leichter verdrängen, die Angst, zurück ins Dunkel zu stürzen und sich darin zu verlieren. Wenn er inzwischen auch zahlreiche Gründe hat, sich Darcy verpflichtet zu fühlen, so ist er ihr doch für keine ihrer Taten dankbarer, als die, ihn mit diesen Lebewesen in Kontakt gebracht zu haben.
Er schließt einen Moment lang die Augen, genießt das warme Gewicht des Katers, und schlägt sie erst wieder auf, als Darcys Stimme ertönt. „Wenn ich euch so sehe, würd ich mich am liebsten dazu legen.“
Er hält sein Gesicht bewusst ausdruckslos. „Was hält dich auf?“
Sie grinst zufrieden. „Willst du damit andeuten, du hättest nichts dagegen?“
Er verengt leicht die Augen, lässt sie genau die richtige Menge warmen Spottes sehen. „Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass derartige Bedenken für dich auch nur die geringste Rolle spielen.“
Sie zieht ihm eine Schnute. „Natürlich spielen sie eine Rolle, du alter Stinkstiefel.“
Sie macht eine Bewegung, als wolle sie sich von ihm zurückziehen, und ehe er weiß, was er tut, streckt er die Hand nach ihr aus, legt sie um ihr Handgelenk. Er verachtet sich dafür, aber er fürchtet sich nicht unwesentlich davor, sie zu verstimmen und zu verlieren. „Bitte bleib. Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu verstimmen.“
Sie hält still, hebt leicht die Augenbrauen, aber Loki lässt ihr Handgelenk noch immer nicht los. „Ich hätte in der Tat nichts dagegen“, gesteht er schließlich ein wenig widerwillig, und fügt nach einem Moment der Stille hinzu: „Selbst wenn es mir ganz und gar unpassend erscheint.“
Ein unbestreitbar selbstzufriedenes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Unpassend. Pffft. Mach Platz.“
Er kommt ihrer Aufforderung zögernd nach, und sie legt sich neben ihn auf das breite Sofa, lehnt ihren Kopf an seine Schulter. „Überraschend bequem“, stellt sie zufrieden fest.
„Danke sehr“, erwidert er trocken.
Sie wühlt sich herum und starrt ihn eindringlich von der Seite an. „Was genau stimmt nicht mit dir?“
Kurz fehlt ihm die Luft zum atmen. „Was?“ fragt er hilflos.
„Du bist zu still“, sagt sie fest. „Ich sehe ein, dass nicht jeder so kommunikativ wie Clint und Tony sein kann, aber du ...“ Sie hält einen Moment lang inne, betrachtet suchend sein Gesicht. „Du siehst unglücklich aus, wenn du dich unbeobachtet fühlst.“
Das Herz schlägt ihm bis zum Hals, und es ist ihm nie zuvor so schwer gefallen, die passende Lüge zu finden, eine, die sie ihm glauben würde. Er kann ihr nicht erzählen, dass er schon so früh wieder gestürzt ist, dass er nicht glaubt, den Fall diesmal überleben zu können. „Meine Schulter“, setzt er schließlich an, und sie unterbricht ihn mit so etwas wie einem Zischen. „Erzähl mir keinen Unsinn. Deine Schulter ist so gut wie verheilt. Und wenn du mir als nächstes einreden willst, dass du dich hier noch immer unwillkommen und abgelehnt fühlst, dann werde ich dich vom Sofa treten.“
Er glaubt ihr die Drohung ohne auch nur einen Moment des Zögerns, und streckt unbewusst seine Hand nach Snickers aus, vergräbt seine Finger im warmen Fell des Katers, sucht nach dem wenigen Halt, dem ihm die beruhigende Wärme des Tiers spenden kann. „Nein“, gibt er zu. „Ich fühle mich nicht unwillkommen. Noch immer auf Distanz gehalten - aber das ist nur zu verständlich.“
Sie runzelt die Stirn, aber sie versucht nicht, ihm zu widersprechen. „Was ist es dann?“ erkundigt sie sich unerwartet sanft. „Du weißt, dass dein Bruder dich liebt, dass Jane dich praktisch adoptiert hat - dass Pepper, Königin dieses Hauses, dich mit Wohlwollen betrachtet ... Was fehlt dir?“
Er schlägt die Augen nieder, wirft ihr einen bewusst spöttischen Blick zu. „Nur die Versicherung deiner Zuneigung.“
Sie streckt die Hand aus und tätschelt ihm genau so respektlos den Kopf, wie sie es bei Tony getan hat. Er wäre empört, wüsste er nicht, wie unfassbar gern sie Tony hat. Die letzten vier Wochen in diesem Haus haben ihn so viel Treue, so viel Liebe und ehrliche Zuneigung bezeugen lassen, dass er versucht war, der altbekannten Eifersucht zu erliegen. Aber das wäre unentschuldbar gewesen. Er weiß jetzt, dass er geliebt wird. Es ist einer der Gründe, warum er niemandem die Wahrheit sagen kann.
„Auf die Versicherung kannst du lange warten“, gibt sie zurück, reißt ihn aus seinen düsteren Gedanken, und reckt ihre Nase gen Zimmerdecke. „Ich werfe mich nicht an den erstbesten Halbgott mit Vaterkomplexen weg, der mir über den Weg läuft.“
Er betrachtet ihr Profil und kann nicht abstreiten, dass eine gewisse Faszination von ihm Besitz ergreift, wann immer er sich in ihrer Gesellschaft befindet. Es lässt sich nicht mit dem Respekt vergleichen, den er für Jane empfindet - sehr viel mehr mit der hilflosen Zuneigung, die er für die Katzen verspürt.
Auch diese Kreaturen sind unberechenbare Geschöpfe voller Stolz und entschlossener Unabhängigkeit, aber sie sind ebenso unaufhaltsam in ihren manchmal schon rabiaten Zuneigungsbeweisen, wie Darcy es mitunter sein kann.
„Ich wünschte, du würdest mir sagen, was dich bedrückt“, sagt sie plötzlich leise, und er ertappt sich dabei, wie er ihr eine ehrliche Antwort gibt. „Ich kann nicht.“
Sie bedenkt ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick - dann seufzt sie. „Ok. Ich dräng dich nicht mehr. Aber solltest du irgendwann doch können ... ich bin da, ja? Dieses Gespräch ist lediglich aufgeschoben.“
Er nickt. „Ich werde es nicht vergessen.“
Auch das ist die Wahrheit. Er wird niemals vergessen, mit wie viel Freundlichkeit sie ihm begegnet ist. Völlig egal, wie tief er diesmal fällt.
Phil blickt von seinem Pad auf, als Clint durch die Tür kommt. „Mission erfolgreich?“
Ganz wie Natasha sitzt auch er bereits im Pyjama im Bett, anders als Natasha liest er keinen Roman sondern studiert das neue SHIELD Budget. Er ist sich nicht völlig sicher, aber er hat Tony und Pepper schwer unter Verdacht, dass sie ihren nicht unerheblichen Einfluss auf diverse Wirtschaftsmagnate geltend gemacht haben, um sie zur Unterstützung der Organisation bewegen.
Entweder das, oder die Öffentlichkeitsarbeit der Avengers hat sehr viel schneller angeschlagen als erwartet.
Clint nickt. „Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.“
Er zieht sich seinen Pulli über den Kopf, faltet ihn zusammen und legt ihn auf die Kommode am Fußende des Bettes. Phil legt prompt sein Pad beiseite und beobachtet Clint dabei, wie er sich auszieht.
Clint ist sich seiner Aufmerksamkeit ganz schrecklich bewusst, und obwohl er sich inzwischen einigermaßen daran gewöhnt hat, kann er doch nicht verhindern, dass sie ein gewisses Kribbeln in ihm auslöst.
„Also kein böses Blut zwischen Tony und Natasha?“ hakt Phil ruhig nach, im gleichen Moment, als Clint seine Jeans aufknöpft, und Clint räuspert sich leise, ehe er antworten kann. Er ist sich schändlich bewusst, dass er völlig vergessen hat, Natasha weiter danach zu befragen. „Ich glaube nicht, nein.“
Phil hebt eine Augenbraue. „Du glaubst?“
Clint nickt. „Eher das Gegenteil. ... Glaube ich.“
Phil sieht nicht sonderlich beeindruckt aus, und Clint schiebt sich hastig seine Jeans von den Hüften und zieht sie aus. „Tasha ist nicht wütend auf Tony. Und wir wissen Beide, dass Tony alles andere als nachtragend ist.“
Phils Miene drückt ruhiges Einverständnis vermengt mit Amüsement aus. „Wissen wir das?“
Clint zieht prompt eine entsetzte Fratze. „Oh Gott! Ich habe Einblick in Tony Starks Charakter! Dabei wollte ich den nie!“
Phil grinst und winkt ihn an sich heran, und Clint kommt der unausgesprochenen Aufforderung nur zu gern nach, beugt sich vor und lässt sich küssen. Phil schmeckt nach Zahnpasta, und Clint seufzt zufrieden, während er sich wieder aufrichtet. „Ich geh nur noch kurz ins Bad, und dann ...“ Er beugt sich ein weiteres Mal vor und küsst Phil ein wenig nachdrücklicher, ein wenig gieriger.
Phil reagiert darauf mit einem zufriedenen Grollen und krallt seine rechte Hand in Clints Haar. Es dauert eine Weile, ehe Clint tatsächlich ins Bad verschwinden kann.
Er macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Pyjama anzuziehen, schiebt sich stattdessen auch noch die Shorts von den Hüften, ehe er zu Phil unter die Decke schlüpft - kniet sich über Phils Schoß. „Wo waren wir?“
Phil blickt schmunzelnd zu ihm auf. „Wir haben über deinen Einblick in Tony Starks Charakter gesprochen.“
Clint mustert ihn empört. „Manchmal bist du richtig widerlich.“
Phil wagt es tatsächlich, ihn anzugrinsen. „Weil ich im Bett über Tony spreche?“
Clint nickt nachdrücklich. „Genau das.“
Phil legt seine Hände an Clints Hüften, lässt sie auf und ab streichen. „Du wusstest, was ich für ein Mann bin, als du dich auf mich eingelassen hast, Agent Barton.“
Clint blinzelt ihn unter halb geschlossenen Lidern an. „Das wusste ich in der Tat, Sir.“
Er bewegt seine Hüften nach vorn, während er die Worte ausspricht, und Phil entkommt ein leises Stöhnen. Clint leckt sich über die Lippen. Er will Phil seit Wochen fragen, ob er dieses Spiel mit ihm spielen würde - aber er kann nicht.
Die irrationale Angst, wie Phil auf eine derartige Frage reagieren würde, hält ihn davon ab. Dabei ist es einigermaßen offensichtlich, dass Phil der Idee alles andere als abgeneigt wäre. Manchmal kann Clint nicht anders, als sich über sich selber aufregen.
Er wirft Phil unbewusst einen flehenden Blick zu - Phil weitet leicht die Augen, ehe seine Miene sich zu ihrer üblichen zurückhaltenden Freundlichkeit glättet. „Ja“, sagt er dann leise. „Ja, ok. Sehr gern sogar.“
Clint blinzelt ihn fassungslos an. „Was?“
Phil reckt leicht das Kinn, und sein neutraler Gesichtsausdruck weicht einem neckenden Lächeln. „Sollte ich das nicht eher dich fragen - Agent Barton?“
Clint fühlt sich einem Herzinfarkt bedrohlich nahe. „W-Was?“
Der beständig wiederkehrende Verdacht, dass Phil seine Gedanken lesen kann, ist gerade aufdringlicher als jemals zuvor. Er leckt sich nervös über die Lippen. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals. „Meine - meine Initiative missfällt Ihnen, Sir?“
Phils Fingerspitzen streichen sanft über seine nackte Haut und ein liebevoll-spöttisches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Mit Initiative könnte ich leben, Agent. Das hier würde ich eher als sexuelle Belästigung bezeichnen.“
Clint schlägt die Augen nieder, leckt sich ein weiteres Mal über die Lippen, ein wenig selbstbewusster. „Sie haben angefangen, Sir.“
Phils Stimme, als er ihm antwortet, ist tiefer als sonst, rauer, ein wenig gefährlich. „Habe ich das?“
Clint nickt und hebt seinen Blick zu ihm an, sieht ihn durch seine Wimpern an. „Das haben Sie.“
Phil lässt seine Hände von Clints Hüften aufwärts streichen, über seinen Bauch und seine Brust, seine Schultern, umfasst schließlich Clints Oberarme. „Darf ich fragen, wann genau das passiert sein soll?“ Er lässt seine Hände an Clints nackten Armen entlang gleiten, bis sie an seinen Handgelenken ankommen, hält sie fest, drückt zu.
Clint kann nicht sagen, warum, aber allein dieser unschuldige Dialog löst eine prickelnde Hitze in ihm aus, und er erschaudert unter Phils Händen, als habe er ihn nie zuvor berührt. Es mag damit zusammenhängen, dass er komplett nackt auf Phils Schoß sitzt. „Als - Als Sie mich geküsst haben, Sir.“
Phil hebt eine vielsagende Augenbraue, und Clint stöhnt leise auf und treibt seine Hüften nach vorn. „Auf ... auf die Schulter, Sir.“
„Ich habe Gift aus einer Pfeilwunde gesogen, Agent. Das war keineswegs ein Kuss und noch viel weniger hatte ich romantische Hintergedanken“, erklärt Phil ihm mit ruhiger Stimme, lässt seine Daumen über Clints Puls streichen. Clint hat keine Ahnung, wie er es macht. Er spürt Phils Erektion gegen seinen Schritt pressen - spürt, dass er beinahe so hart ist wie Clint selbst. Vielleicht liegt es daran, dass es wirklich passiert ist - dass sie über eine tatsächliche Begebenheit sprechen. Vielleicht liegt es daran, dass das hier in gewisser Hinsicht weit mehr ist als nur ein Spiel.
Es macht die Sache nicht besser, als Phil seine Rechte von Clints Handgelenk löst und zu der alten, verblassten Narbe anhebt.
„Sie haben mir das Leben gerettet, Sir“, erwidert Clint also prompt, hofft, dass man ihm nicht anmerkt, wie aufgeregt er tatsächlich ist, beugt sich vor, wispert direkt an Phils Lippen. „Bitte lassen Sie mich Ihnen meine Dankbarkeit ausdrücken.“
Phil dreht sein Gesicht zur Seite, bringt Clint sanft auf Abstand. Es fühlt sich gleichzeitig niederschmetternd und beruhigend vertraut an. Clint weiß, dass Phil ihn will. Er weiß außerdem, warum Phil ihm ausweicht, hört es in seinen nächsten Worten bestätigt. „Ich verlange keine Bezahlung oder Dankbarkeit dafür, dass ich das getan habe, Agent. Ich habe es gern getan.“
Clint presst sich dem Druck seiner Hände entgegen, ohne Phil auch nur einen Zentimeter näher zu kommen. Phil hält ihn weiter auf Abstand, seine Hände stützen sich kraftvoll gegen seine Brust, und Clints Stimme klingt entsprechend heiser, als er sagt: „Bitte, Sir - ich ... ich möchte es tun.“
„Was tun?“ fragt Phil sanft nach, legt seine rechte Hand unter Clints Kinn und hebt es an.
Ehe Clint einen klaren Gedanken fassen kann, senkt er hastig den Kopf, küsst Phils Handgelenk. „Bitte, Sir.“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, worum du mich bittest“, sagt Phil leise, und jetzt klingt seine Stimme schwer, ein wenig gepresst. Seine freie Hand gleitet in Clints Nacken, streichelt an seinem Haaransatz auf und ab.
„Bitte, lassen Sie mich ...“ Clint kann den Satz nicht beenden, hebt seinen Blick und sieht Phil in die Augen. Er sieht nichts als die übliche Geduld in Phils Augen - Geduld und Zuneigung und so viel zärtliches Verständnis, dass Clint die Worte plötzlich nicht länger zurückhalten kann. „Ich ... Ich will Sie, Sir. Schon ... schon so lange.“
Er sieht Phil schlucken. „Ist das so?“ fragt er ihn heiser.
Anstatt einer Antwort beugt Clint sich vor und küsst ihn, drängt seine Zunge zwischen Phils Lippen. Phil drückt ihn ein weiteres Mal von sich.
„Ich kann dieses ... Verlangen kaum ausnutzen, Agent“, sagt er atemlos. Seine Lippen glänzen feucht, und in Clint steigt eine hungrige Gier auf, die ihn beinahe ein wenig erschreckt.
„Doch“, entgegnet er sofort, starrt abwechselnd auf Phils Lippen und ihm in die Augen. „Sie können. Bitte, bitte nutzen Sie es aus ... nutzen ... Sie ... nutzen Sie mich aus.“
Diesmal ist Phil derjenige, der sich vorbeugt. Er nimmt Clints Gesicht zwischen seine Hände, und sein Kuss ist so verzweifelt, dass Clint ein überwältigtes Stöhnen nicht zurückhalten kann. Er drängt sich enger an Phil, ist sich zunächst nicht einmal bewusst, dass er angefangen hat, sich an ihm zu reiben. Aber dann streichen Phils Hände wieder über seine Hüften, warm und drängend, umfassen plötzlich seinen Hintern.
Clint beißt ihm beinahe in die Zunge. „Sir“, stöhnt er überfordert, presst den Kopf in den Nacken. „Sir ...“
Phil küsst seinen Hals, lässt seine Lippen über Clints rasenden Puls streicheln, beißt im gleichen Moment zu, als er Clints Pobacken auseinander zieht. Clint kommt beinahe, und das nur, weil Phil ihn sich auf eine Art und Weise zu eigen macht, die jahrelang seine Phantasie beschäftigt hat.
„Sir“, stöhnt er ein weiteres Mal, und es wird zu einem Winseln, als Phil erneut zubeißt.
Phil hebt seinen Kopf zu ihm an, betrachtet ihn abwartend, während seine Brust sich unter tiefen, hastigen Atemzügen senkt, und einen Moment lang vergisst Clint, wie man Worte formt.
„Hast du es dir anders überlegt?“ fragt Phil ihn leise, und Clint schüttelt augenblicklich den Kopf. „Niemals!“
Phil lächelt sanft, und ein unübersehbares Leuchten steigt in seine Augen. „Niemals, hm?“
Er zieht Clint tiefer in seinen Schoß, presst ihre Hüften zusammen und stößt sich ihm leicht entgegen - Clint beißt sich auf die Unterlippe und schüttelt den Kopf, hält sich an Phils Schultern fest und lässt genüsslich sein Becken kreisen.
„Niemals“, bestätigt er heiser.
„Das ist äußerst ... erfreulich“, sagt Phil ein wenig atemlos. „Ich denke nicht, dass ich an dieser Stelle aufhören könnte, Agent Barton.“
Clint kneift einen Moment lang die Augen zu. „W-Wenn Sie mir sagen wie, dann ... dann k-kann ich ...“ Er weiß nicht, wie er den Satz beenden soll, schlägt die Augen wieder auf und starrt Phil flehend an.
Phil liest ein weiteres Mal seine Gedanken. „Ich soll dir sagen, wie es mir am Besten gefällt?“
Clint nickt dankbar. „Ja, Sir.“
„Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass du nackt auf meinem Schoß sitzt?“
Clint glaubt nicht, dass er Phils Stimme schon jemals zuvor so rau und vielleicht sogar überfordert gehört hat.
„Aber ich will ... ich will alles richtig machen, Sir“, erwidert er vorsichtig, blickt Phil ein wenig hilflos an. Einen Moment lang sieht Phil aus, als habe er einen Geist gesehen, dann findet Clint sich plötzlich auf dem Rücken wieder, Phil kniet zwischen seinen gespreizten Schenkeln, stützt sich mit beiden Händen neben Clints Kopf auf der Matratze ab und starrt aus stürmischen blau-grauen Augen auf ihn hinab.
Im ersten Moment ist Clint völlig überfordert, aber dann erinnert er sich daran, dass er die Worte schon einmal zu Phil gesagt hat - erinnert sich an seine ersten Wochen mit Phil, an die hilflose Verzweiflung, die er beim bloßen Gedanken daran verspürt hat, einen Fehler zu machen ... an die Angst, Phil zu enttäuschen und seinen Status als SHIELD Agent genau so schnell wieder zu verlieren wie er ihn erhalten hatte.
„Clint“, sagt Phil erstickt, starrt noch immer aus suchenden Augen auf ihn hinab - und Clint wird klar, dass Phil, trotz all der ruhigen Selbstsicherheit, die er damals nach außen hin getragen hat, doch nie so völlig gelassen war, wie er Clint hat glauben lassen.
„Du ... du hast dir Sorgen um mich gemacht“, murmelt er leise, mit einer Note überraschten Unglaubens in der Stimme, die sich einfach nicht zurückhalten lässt.
Phil blinzelt und sieht ihn an, als wache er aus einem Traum auf. Er richtet sich auf, lässt sich auf seine Hacken zurücksinken und wischt sich mit der flachen Hand über das Gesicht. „Entschuldige.“
Clint starrt ihn an. „Du ... Phil ... Du hast dir tatsächlich ... Du kanntest mich doch gar nicht!“ Er sieht Phil einen tiefen Luftzug nehmen, sieht ihn die Augen fester zukneifen. „Mein persönliches Interesse an deinem Wohlbefinden zu diesem Zeitpunkt war... nicht sonderlich professionell, das gebe ich zu.“
Clint blinzelt ein paar Mal, dann kann er ein Grinsen nicht länger zurückhalten. „Du unanständiger alter Mann!“
Phil, noch immer die Hand vor seinem Gesicht, starrt Clint durch seine Finger hinweg an. „So war es keineswegs. Zumindest nicht am Anfang. Und das ist nicht lustig - war es nie!“
Clint setzt sich auf, nimmt Phils Hand in seine und zieht sie hinunter, damit er ihn küssen kann. „Lustig nicht“, stimmt er Phil danach schmunzelnd zu. „Viel eher ganz schrecklich ... romantisch.“
Clint lässt das Wort genüsslich von seiner Zunge rollen, Phil schnaubt. „Ganz schrecklich unprofessionell. Das war es. Du warst viel zu jung.“
Clint klimpert mit seinen Wimpern und wackelt mit den Augenbrauen. „Ich war durchaus volljährig ... Sir.“
Diesmal schnurrt er den Titel geradezu, lässt sich wieder auf den Rücken sinken und legt Phils Hand auf seinen Bauch, führt sie abwärts und in Richtung seines Schritts. Ihr kurzes Zwischenspiel hat nicht wirklich etwas am Zustand seiner Erregung geändert, und ihm entkommt ein überfordertes Stöhnen, als Phil prompt seine Hand um ihn schließt.
„Dann bin ich eben zu alt“, hört er Phils Stimme durch den wohligen Nebel seiner ansteigenden Ekstase dringen, und blinzelt ihn unter schweren Wimpern an.
„Ich finde, Sie sind genau richtig, Sir.“ Auch das ein Satz, den Clint beileibe nicht zum ersten Mal ausspricht - diesmal reagiert Phil in einer Form, die er bisher noch nie bewundern durfte: Phil zieht sich die Schlafanzughosen samt Shorts von den Hüften, rutscht dichter an Clint heran und schließt seine Hand um sie Beide.
Clint entkommt unwillkürlich ein höchst unanständiger Fluch, dann stemmt er sich auf den linken Ellenbogen hoch, und verflicht die Finger seiner Rechten mit Phils.
Sie bewegen ihre Hände auf und ab, einmal, zweimal, dreimal, und Clint muss sich auf die Unterlippe beißen, um allzu hilflose Laute daran zu hindern, seine Kehle zu verlassen. Und dann stöhnt er plötzlich nicht etwa Phils Vornamen, sondern seinen Titel ... seinen Nachnamen. „Sir ... Sir ... Agent Coulson ...“
Phil erschaudert am ganzen Körper. Seine Augen fixieren sich auf Clints, ausdrucksvoller und intensiver als jemals zuvor, und er schließt sie nicht für eine Sekunde, bewegt seine - und damit auch Clints - Hand schneller und schneller ... Ehe er plötzlich inne hält.
Clint kann ein frustriertes Keuchen nicht zurückhalten. „Sir!“
Er hört Phil einen mühevollen Atemzug nehmen, und dann beugt er sich über ihn, bedeckt Clints Mund mit seinen Lippen. Er bewegt seine Hand jetzt sehr viel langsamer, aber Clint kann nicht behaupten, dass er schon je zuvor so geküsst worden ist.
Phil küsst ihn beinahe, als sei es das erste Mal - und gleichzeitig das letzte. Als habe er keine Hoffnung, dass Clint es ihm jemals wieder erlauben würde.
Clint schlingt unwillkürlich seinen freien Arm um ihn, sucht und findet dringend benötigten Halt. Er öffnet seinen Mund für Phil, ohne überhaupt darüber nachdenken zu müssen, gibt ihm alles, was er hat, bietet sich ihm an.
In der Konsequenz küsst Phil ihn ein wenig selbstbewusster, sehr viel zärtlicher und alles in allem so gierig, dass Clint beinahe schwindlig davon wird. Er kommt sehr viel härter als er erwartet hätte.
Er liegt keuchend unter Phil, versucht seinen rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, und beobachtet Phil aus halb geschlossenen Augen dabei, wie er sich selbst zum Höhepunkt treibt.
Der Anblick hat ihn noch nie kalt gelassen, aber diesmal wirkt Phil so viel ... aufgebrachter, so viel weniger Herr seiner Selbst, und so viel ... erschütterter als sonst, dass Clints erster Instinkt ist, beide Hände nach ihm auszustrecken.
Er hat seine Hände kaum an Phils Hüften gelegt, als ein Zucken durch Phil geht, und er ebenfalls seinen Höhepunkt erreicht. Er kommt über seine Hände und Clints Bauch, verharrt danach so reglos, dass Clint seine Hüften unwillkürlich noch ein wenig fester packt. „Alles ok?“
Phil nimmt einen tiefen Atemzug und blinzelt ihn an, einen merkwürdig erschöpften Ausdruck in den Augen. „Ja. Alles ok.“
Clint setzt sich ruckartig auf. Eine Aktion, die seinen überforderten Muskeln alles andere als gefällt. „Wirklich?“
Phil beugt sich vor und drückt ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. „Ich schätze, so hätte ich mich gefühlt, wäre ich tatsächlich so unvernünftig gewesen, über dich herzufallen, als du entschieden zu ... jung dafür warst.“
Clint legt leicht den Kopf schief. „Dir ist schon klar, dass jetzt genau so viele Jahre zwischen uns liegen wie früher?“
Phil lässt sich zurück ins Bett sinken und zieht Clint mit sich. „Das ist mir in der Tat klar, ja.“
Clint drängt sich schamlos in seine Arme. „Ich hab ehrlich keine Ahnung, wo dein Problem liegt, Phil.“
Phil atmet tief durch. „Du warst ... du warst so allein, Clint. Ich hatte manchmal das Gefühl, ich ... die Organisation sei dein einziger Halt in der Welt.“
Clint schluckt trocken. „Nicht SHIELD. Du, Phil. Und das bist du heute noch.“
Phil küsst ihn auf die Schläfe. „Nein. Ich kann voller Überzeugung und Erleichterung verkünden, dass ich das nicht bin.“
Clint bettet seinen Kopf auf Phils Brust und blickt ihn mit einem Ausdruck leichter Verwirrung in den Augen an. „Erleichterung?“
Phil erwidert seinen Blick ein wenig hilflos. „Denkst du nicht, dass unsere Beziehung sehr viel ... gehemmter wäre, wenn wir nur einander hätten?“
Clint blinzelt verunsichert zu ihm hoch. „Gehemmter?“
Phil antwortet ihm nicht direkt, scheint mit gerunzelter Stirn nachzudenken, dann nimmt er einen hörbaren Atemzug. „Wir wären … viel mehr aufeinander angewiesen, denkst du nicht? Wir könnten lange nicht so frei miteinander umgehen.“
Clint schluckt trocken. „Du meinst, ich hätte weit mehr Angst davor, etwas zu tun, das dir missfallen könnte.“
Phil seufzt. „Das auch, ja.“
Clint runzelt die Stirn. „Davor hatte ich immer Angst, Phil.“
Phil drückt ihm einen Kuss auf die Wange. „Das war etwas Anderes. Damals war ich dein Handler. Und deine Angst hat sich mit der Zeit verloren. Du hast gelernt, mir zu vertrauen. Hätten wir uns damals aufeinander eingelassen, wäre die Basis unserer Beziehung eine völlig andere gewesen, und du hättest vielleicht nie gelernt, mir … mir so zu vertrauen, wie du es heute tust.“
Clint zieht leicht die Nase kraus. „Das ist ein ziemlich großes Vielleicht. Was mich betrifft, hätte ich vor lauter Sex mit dir wahrscheinlich keinen einzigen Gedanken an Zukunftsängste verschwendet.“
Phil hebt beide Augenbrauen. „Ach ja?“
Clint nickt energisch und stupst seine Nase gegen Phils Halsbeuge, nimmt einen genüsslichen Atemzug. „Allerdings. Jetzt tut's dir leid, dass du mich nicht rangelassen hast, was? Denk nur an all den Sex, den wir hätten haben können, wenn du nur über deinen Schatten gesprungen wärst!“
„Von Ranlassen oder nicht kann überhaupt keine Rede sein. Wenn ich mich recht erinnere, hast du nie einen Annäherungsversuch gemacht, der übers dreiste Flirten hinaus ging. Wir hätten außerdem keine einzige Mission abgeschlossen“, erwidert Phil trocken, und Clint entkommt ein zustimmendes Glucksen. „Vermutlich nicht, nein.“
Er legt spekulierend den Kopf schief, schließt einen Moment lang die Augen. „Erinnere dich an die Mission in Helsinki, als du als Baustellenleiter undercover gegangen bist. Dieser Werkzeuggürtel hat mich wahnsinnig gemacht.“
Phil fängt prompt an zu lachen. „Daran will ich mich nicht erinnern! Es war grässlich! Und deine beständigen Kommentare über Funk haben nicht geholfen - besonders, als du meine Handhabung des Hammers gelobt hast.“
„Aber du hast ihn wirklich ganz außergewöhnlich gut gehandhabt!“ behauptet Clint prompt. „Wie ein richtiger Profi! Deine Hand hat den Schaft gleichzeitig sanft und so herrlich selbstsicher umfasst, dass -“
Phil bringt ihn mit einem Kuss zum Schweigen, den Clint äußerst zufrieden erwidert. Er schläft mit einem Gefühl ein, von dem er nicht glaubt, dass er sich jemals daran gewöhnen wird - einer Mischung aus erschöpfter Zufriedenheit und behaglicher Sicherheit, die er einzig und allein Phil zuschreibt.
Nachmittagslicht fällt in unruhigen Streifen durch die zugenagelten Fenster der Hütte, drückende, feuchte Hitze liegt über allem, und die Luft riecht nach Moder und Schweiß.
Er hat vergessen, wo er ist, was passiert ist - und wenn Phil ihn nicht so oft und so eindringlich aussprechen würde, dann würde es ihm vermutlich sogar einigermaßen schwer fallen, sich an seinen eigenen Namen zu erinnern.
Phil … Phil darf nicht bleiben. Phil muss sich selbst in Sicherheit bringen, kann nicht länger an seiner Seite verweilen, darf sich nicht selbst in Gefahr bringen.
Sein ganzer Körper schmerzt, jede Zelle in seinem Organismus scheint zu pochen, und er ist sich vage bewusst, dass es zumindest teilweise an seinem Fieber liegt, dass es Schweiß ist, der ihm in den Augen brennt.
Der Umstand, dass er kaum noch Luft bekommt, lenkt ihn ein wenig davon ab. Er versucht dennoch, Phil seinen dringendsten Wunsch mitzuteilen. „Sie … Sie müssen gehen, Sir.“
Phils Augen, ernst und doch merkwürdig ruhig unter gerunzelten Brauen, werden einen Moment lang dunkel - aber er erwidert nichts.
„Unser Standort ist kompromittiert“, keucht er also, kämpft gegen die Enge in seinem Hals an, gegen den Druck auf seiner Brust. „Sie müssen mich zurücklassen.“
„Hör auf zu sprechen“, sagt Phil leise, und seine Stimme klingt beinahe wütend.
Ein Krampf zuckt durch ihn hindurch, ihm wird schwarz vor Augen, und seine Lungen fühlen sich an wie von Eiskristallen durchzogen. Es tut so weh, dass er am liebsten schreien würde - aber er kann Phil nicht noch mehr in Gefahr bringen als ohnehin schon. Er muss leise bleiben.
„Sir, bitte“, keucht er, und bemerkt nicht mal, als ihm Tränen in die Augen treten - teils vor Erschöpfung und Schmerz, teils aus purer Verzweiflung. Sie rinnen aus seinen Augenwinkeln und seine fahlen Wangen hinab, hinterlassen deutlich sichtbare Spuren auf seiner schmierigen Haut.
Er sieht Phil verschwommen den Kopf schütteln, aber falls er etwas zu ihm sagt, dann kann er es nicht hören. Alles, was er hört, ist das Rauschen seines Blutes, sein eigenes angestrengtes Keuchen.
„Bitte“, wiederholt er also, „bitte, Sir. Sie dürfen … dürfen nicht …“
Und dann ist Phil plötzlich da, direkt neben ihm, wispert ihm ins Ohr. „Hör - auf - zu sprechen. Ich habe nicht vor, dich allein zu lassen.“
Ein weiterer Krampf lässt ihn sich aufbäumen, und sein Körper hebt sich in einem starren Bogen von der alten Matratze, auf die Phil ihn gebettet hat.
Phil drückt ihn zurück, legt seine Hand auf seine Stirn, zu warm und trotzdem unfassbar angenehm.
Als er auf die Matratze zurück sinkt, fühlt er sich schwächer als je zuvor. Er erinnert sich plötzlich an den Pfeil, der ihn in die Schulter getroffen hat - an das grässliche Gefühl von Déjà vu, das damit einher ging. Er erinnert sich außerdem an Agentin Zchesnis, die an einem solchen Pfeil - an dem Gift, mit dem er versetzt war - gestorben ist. Nicht einfach nur gestorben, elendig verreckt.
Die Erinnerung lässt ihn die Augen zukneifen. Er will nicht sterben, nicht so. Aber noch viel weniger will er, dass Phil ihm dabei zusieht.
„Ich will … will allein sterben“, murmelt er verzweifelt - reißt die Augen wieder auf, als Phil seine Hand nimmt.
„Du wirst nicht sterben“, hört er ihn sagen - und Phil klingt so fürchterlich sicher, dass er beinahe geneigt ist, ihm zu glauben. „Ich habe dir das Gegenmittel rechtzeitig verabreicht. Hilfe ist unterwegs. Du musst durchhalten.“
Er rechnet fest damit, dass Phil seine Hand wieder loslassen wird - aber er lässt sie nicht los, stattdessen drückt er sie noch ein wenig fester. „Abgesehen davon werde ich dich ganz sicher nicht allein sterben lassen, also schlag dir das aus dem Kopf. Ich werde dich überhaupt gar nicht sterben lassen. Ich verbiete dir schlicht, zu sterben, hörst du?“
Er schafft ein Nicken, und ein geisterhaftes Lächeln zuckt um seine Lippen, als er die vertrauten Worte äußert. „Ja, Sir.“
Er kann sich nicht sicher sein, aber er glaubt, dass Phils Lippen seine Schläfe berühren. „Guter Junge. Und jetzt schlaf.“
Die Autorität in der ruhigen Stimme ist viel zu verführerisch, als dass er einem solchen Befehl widerstehen könnte. Aber dann ertönt ein Krachen, laute, harsche Stimmen erfüllen die Luft, gefolgt von Schüssen. Als er die Augen wieder aufreißt, sieht er jemanden fallen. Er weiß nicht, ob es Phil ist. Seine Sicht ist zu verschwommen, und der nächste Krampf packt ihn so erbarmungslos, dass ihm die Luft zum Schreien fehlt.
Loki erwacht mit einem panischen Keuchen. Er setzt sich mit einem Ruck auf und blickt sich um, die Augen weit aufgerissen und verdächtig feucht.
Sein Herz hämmert in seiner Brust, sein Atem geht viel zu schnell - und die Angst um ein Leben, das nicht das seine ist, der Drang, dieses Leben zu behüten und unter allen Umständen zu schützen, ist so stark, dass er von sämtlichen Muskeln in seinem Körper Besitz ergreift.
Aber es war nur ein weiterer Traum, war nicht real. Schlimmer noch - es war nicht einmal sein eigener Traum. Die Gewissheit ändert nichts an den Emotionen, die er ausgelöst hat, nicht das Geringste. Sie ändert nichts an dem, was er fühlt.
Im ersten Moment hat er nicht gewusst, wo er ist - wusste nicht, wer er ist. Jedes Mal, wenn er einen solchen Traum gehabt hat, erwacht er mit einem fremden Bewusstsein gleich einem Schatten über seinem eigenen - aber er erkennt sein Zimmer, er erinnert sich an die letzten Wochen unter diesem Dach.
Er mag einen Moment benötigen, ehe er realisiert, dass er nicht Agent Barton ist, aber er findet doch immer wieder zu sich selbst zurück. Selbst wenn sein Selbst ihn nach dieser Art Traum mehr abstößt als alles Andere.
Denn er tut mehr, als sich einfach nur erinnern. Er fühlt die Schmerzen nach, als seien es seine eigenen, erinnert sich an Phil - an Agent Coulson auf eine Art, die mehr ist als bloßer Nachklang in Gedanken, mehr als dem Unterbewusstsein aufgezwungenes Mitgefühl. Sein Herz, nicht sein Verstand erinnert sich an das grenzenlose Vertrauen, das er ihm entgegen bringt, an die verzweifelte Angst, dass dieser Mann seinetwegen zu Schaden kommen könnte.
Sein Herz, nicht sein Verstand, erinnert sich an das Gefühl kompromissloser Liebe und bedenkenloser Selbstaufopferung. Dementsprechend ist es sein Herz, nicht sein Verstand, das mit dem Verlust dieses Gefühls fertig werden muss.
„Loki?“ Vor dem Hintergrund dieser Erinnerungen fühlt Thors besorgte Stimme sich wie ein Fremdkörper, wie etwas ganz und gar Unvertrautes an, und Loki muss die Augen zukneifen, muss sich wieder und wieder sagen, dass er nicht Agent Barton ist, sondern Loki, Sohn des Laufey - dass ihn und Agent Coulson keinerlei Beziehung verbindet ... abgesehen vielleicht von Misstrauen und Abneigung.
„Loki?“ Thor klingt ernstlich beunruhigt, beinahe unsicher, und Loki muss einen tiefen Atemzug nehmen, ehe er ihm versichern kann, dass alles in Ordnung ist. Die Lüge kommt leicht über seine Lippen, genau so leicht wie in den Wochen zuvor.
Denn ist nicht das erste Mal, dass er aufwacht, und nicht weiß, wer und wo er ist. Er hat sich oft genug so gefühlt, selbst vor der Zeit, in der sein Unterbewusstsein mit dem Agent Bartons in Träumen zu verschmelzen scheint. Aber damals hat er von seiner eigenen Vergangenheit geträumt, nicht von einer fremden. Damals hat er von seinem ersten Sturz geträumt - die neuen Träume stellen die unsicheren, ungeschickten Schritte vor einem zweiten dar.
Er kann Thor nicht wissen lassen, wovon er träumt, kann ihm nicht zeigen, wie sehr es ihn erschüttert, welche Angst er davor hat, diesmal endgültig den Verstand zu verlieren. Aber Thor wäre nicht Thor, wenn er sich von so etwas aufhalten ließe.
Loki spürt zunächst Thors Hand an seiner Schulter, dann legt sich ein Arm um seine Mitte, kräftig und unnachgiebig, zieht ihn in eine Umarmung die ebenso warm wie unwiderstehlich ist.
„Was hat dich so sehr erschreckt, Bruder?“ fragt er ihn leise, streicht mit seiner großen Hand über Lokis Rücken als sei er ein verschrecktes Kind. Der Gedanke, dass Thor eines Tages ein ausgezeichneter Vater sein wird, ringt Loki ein widerwilliges Lächeln ab. Er wünscht sich tatsächlich, er könne dabei sein, könne ein Onkel sein.
(Er kann sich selbstverständlich nicht sicher sein, aber er denkt, dass er ein guter Onkel wäre.)
Es fällt Loki schon lange nicht mehr schwer, sich Thors diverse Tugenden einzugestehen. Erst recht nicht, seit er Agent Bartons Erinnerungen an seinen Bruder teilt - ein Vergleich, der Thor wie einen Heiligen ohne jeden Makel dastehen lässt.
„Nichts als Schatten“, beantwortet er leise Thors Frage, lehnt sich an Thors Schulter, zieht allen Trost und alle Sicherheit aus der Berührung, die er bekommen kann, schließt die Augen. „Schatten und Illusionen.“
„Du hast im Schlaf geschrieen“, sagt Thor, und Loki überkommt die Angst, dass Agent Coulsons Name über seine Lippen gekommen sein könnte. Aber Thor fügt nichts hinzu, macht keine Andeutung in diese Richtung, und Loki entspannt sich ein wenig.
Je mehr Distanz er zu dem Traum gewinnt, je mehr ihm bewusst wird, dass es Mitgefühl in seiner reinsten Form ist, das ihn durchströmt, desto elender wird ihm zumute.
„Du hast Herz“ - das hat er zu Agent Barton gesagt, ehe er ihm seinen Willen aufgezwungen hat. Aber es war das Zepter, das nach diesem Herz verlangt hat, nicht er selbst. Loki selbst hat nie gewusst, hat nie auch nur geahnt, wie stark das Herz eines Menschen sein kann, wie unbeugsam.
Ehe er Zugang zur Vergangenheit dieser Männer hatte, war ihm nie bewusst, dass die Kreaturen, denen er sich derartig überlegen glaubte, auf so viele Arten so viel besser sind als er.
TEIL 34