Teil
1 - Teil
38 Tut mir sehr leid, dass seit dem letzten Teil so viel Zeit vergangen ist. Mir war einfach nicht nach Schreiben. Aber jetzt steht dieses epische Epos kurz vor seinem Abschluss, ich finde langsam zu mir selbst und zum Fluff zurück, und alles wird gut. ENDLICH.
Küsse und ausufernde Knuddelei an
sleeblue für die fabulöse Weihnachtskarte - war in der Heimat und bei den Eltern, und hab sie erst im neuen Jahr gefunden, aber das hat die Freude nicht gemindert! Extra für dich also - ein wenig Hintergrundgeschichte. Ich wünsche viel Vergnügen!
Clint liegt im Ventilationsschacht und döst.
„Agent Barton“, erklingt Coulsons Stimme - streng und zurechtweisend und trotzdem wundervoll geduldig, „das hier war ganz sicher nicht der Sinn der letzten Sicherheitsübung.“
Clint schlägt die Augen auf und blinzelt in die Richtung, aus der er Coulsons Stimme vernimmt, grinsend und mit dem gefestigten Vorhaben, etwas entschieden Skandalöses zu sagen - und friert ein.
Agent Coulson steht direkt unter ihm, den Kopf in den Nacken gelegt, und die Arme vor der Brust verschränkt, und er trägt keinen seiner Anzüge. Agent Coulson trägt Jeans und einen mattblauen Pullover, der seine Augen absurder Weise aussehen lässt, als würden sie leuchten.
Agent Coulson, um es in einem Wort zusammenzufassen, sieht fabelhaft aus.
„Sir“, sagt Clint, und dann ein paar Sekunden lang nichts mehr, starrt schweigend auf den Mann hinab. Seine Synapsen sind mit dem Anblick von Phillip Coulson in Zivil deutlich überfordert. „Kein Anzug?“ bringt er schließlich heraus, und das mit einer verdächtig atemlosen Stimme.
„Es mag Ihnen nicht so vorkommen, Agent, aber ich habe ein Privatleben“, erwidert Coulson gelassen. „Eines, dessen Genuss Sie in den Monaten, seit wir uns kennen, entschieden verkompliziert haben. Darf ich fragen, was Sie dazu bewogen hat, Stellung im Ventilationsschacht zu beziehen?“
Clint, in dem Wissen, dass er einen Ruf zu verlieren hat, grinst über beide Backen. „Ich hege ein Faible für enge Orte?“
Coulson zuckt nicht mal mit der Augenbraue. „Ich bin sicher, es gibt weit befriedigendere Möglichkeiten, dieses Faible auszuleben. Kommen Sie da raus.“
Clint versucht, das warme Kribbeln in seinem Unterleib zu ignorieren, hält sich mit beiden Händen an der Kante der Öffnung fest, zieht sich aus dem engen Schacht und lässt sich anmutig zu Boden gleiten. Er landet direkt vor Coulson, der sich keinen Millimeter vom Fleck bewegt hat - und gerät prompt ein wenig aus dem Gleichgewicht.
Coulson fasst mit einer Selbstverständlichkeit nach Clints Ellenbogen, um ihn zu stabilisieren, die Clints Herz zum Rasen bringt. Er ist sich darüber im Klaren, dass er inzwischen viel zu sehr auf Coulsons Berührungen, seine Stimme, seine ganze Art reagiert, aber er weiß nicht wirklich, was er dagegen unternehmen sollte.
Es ist ein wenig überraschend, in dieser Form auf seine bisher friedlich schlummernde Bisexualität aufmerksam gemacht zu werden, aber er schätzt, dass es Schlimmeres gibt. Die sexuelle Anziehung wird schon irgendwann verschwinden.
„Danke, Sir“, sagt er also mit einem extra breiten Grinsen, und will sich von Coulson zurückziehen, aber der Mann hält noch immer seinen Ellenbogen fest. Er packt sogar noch ein wenig fester zu. „Die Krankenstation hat gemeldet, dass Sie sich ohne Entlassungsschein, ich zitiere ‚Aus dem Staub gemacht haben’ - darf ich fragen, wieso?“
Clint zuckt mit den Schultern. „Mir tut nichts weh, und die Krankenstation ist langweilig?“
Coulsons ausdruckslose Miene wird kurz von dem Schatten erschöpfter Fürsorge überflogen. „Ihnen ist eine hohe Dosis Schmerzmittel verabreicht worden, Agent. Man hat Sie zur Beobachtung auf der Krankenstation behalten wollen, und das ganz sicher nicht ohne Grund.“
Sein Blick gleitet an Clint hinab, und Clint kann spüren, wie Hitze in ihm aufsteigt, dabei trägt er einen alten grauen Pulli über den Verbänden um seinen Torso, der ihn und seine Verletzung vor sämtlichen noch so durchleuchtenden Blicken höchst erfolgreich verbirgt. „Es ist nur ein Kratzer.“
„Ein Kratzer, den der Prankenhieb eines Berglöwen verursacht hat“, erwidert Coulson streng. „Kommen Sie mit.“
„Für den Löwen kann ich nichts“, beschwert Clint sich mit leicht weinerlichem Unterton, und folgt Coulson mit der größten Selbstverständlichkeit überhaupt. „Burns hatte meinen Standort als sicher eingestuft.“
Coulson wirft ihm einen Blick über die Schulter zu. „Ich habe nicht gesagt, dass ich Ihnen die Schuld an der Verletzung gebe. Ich halte es lediglich für unvernünftig, sie nicht mit Vorsicht zu behandeln.“
Clint rollt unauffällig mit den Augen. „Was soll schon passieren?“
„Die Wunde kann sich entzünden“, erwidert Coulson prompt, „und zu eitern anfangen. Das kann zu Fieber und Übelkeit und zu einer ganzen Reihe weiterer unangenehmer Komplikationen führen. Organversagen zum Beispiel. Sie sollten sich bei Gelegenheit eine der Arztserien zu Gemüte führen, die uns das Fernsehen in so reicher Form anbietet.“
Clint, völlig sprachlos, stellt jetzt mit einiger Verspätung fest, dass Coulson ihn tatsächlich zurück zur Krankenstation verschleppt hat. Die Feststellung bringt ihm die Kontrolle über seine Stimmbänder zurück. „Ich fühl mich wirklich völlig gesund, Sir!“
Coulson schiebt ihn vor sich her durch die Tür zur Station. „Erstens hege ich keinerlei Vertrauen in diesbezügliche Beteuerungen, und zweitens spielt das nicht die geringste Rolle. Wir haben ein Prozedere, was verletzte Agenten angeht, Barton, und Sie täten gut daran, es zu befolgen.“
Clint ist arg versucht, in maulige Beschwerden auszubrechen - erstrecht, als Schwester Collins mit einer Miene wie Donnergrollen auf ihn zu marschiert kommt. „Wo haben Sie ihn gefunden, Sir?“ erkundigt sie sich bei Coulson.
Coulson, zu Clints nicht enden wollender Faszination, lächelt sie tatsächlich an. Dabei ist sie der klassische Drache der medizinischen Station, und Clint ist insgeheim davon überzeugt, dass sie die schwächeren Patienten auffrisst. „Das wollen Sie gar nicht wissen, Schwester. Wenn Sie erlauben, kontrolliere ich seine Verbände. Ich bin sicher, er hat Ihnen bereits genügend graue Haare verursacht.“
Sie stemmt beide Hände in die Hüften. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie bereits seit einer halben Stunde Feierabend haben, Agent.“
Coulson erwidert ihr strenges Starren mit seiner üblichen Gelassenheit. „Ich betrachte das hier als einen Sondereinsatz.“
Ihr müdes Gesicht verzieht sich zu einer noch grimmigeren Grimasse. „Ich will hoffen, der alte Pirat sieht das ähnlich und zahlt Ihnen das entsprechende Sonderhonorar.“
Damit wendet sie sich ab und lässt sie stehen, und Clint blinzelt ein paar Mal. „Hat sie den Direktor gerade -“
„Nein“, unterbricht Coulson ihn. „Das hat sie nicht. Eine derartige Respektlosigkeit würde sie niemals äußern. Schwester Collins ist viel zu professionell und SHIELD treu ergeben, um auch nur an so etwas zu denken.“
Clint blinzelt erneut, und Coulson schiebt ihn zu einem freien Bett hinüber. „Hinsetzen.“
Clints Beine falten sich ganz automatisch. Den nächsten Befehl auszuführen, fällt ihm allerdings ein wenig schwerer.
„Ausziehen“, sagt Coulson ruhig. Clint ist sehr stolz auf sich, dass er keine Gänsehaut bekommt, oder sich auf andere Weise verrät.
Er fasst seinen Pullover am Saum, beginnt, seine Arme zu heben - und beißt sich auf die Unterlippe, als seine Wunde sich ausgerechnet diesen Moment aussucht, um sich bemerkbar zu machen.
„Keine Schmerzen, hn?“ kommentiert Coulson sein Zögern und wischt seine Hände beiseite. Er zieht Clints Pullover langsam und mit geschickten Fingern in die Höhe und bis über seine Brust, befreit erst den einen Arm aus einem Ärmel, dann den Anderen. Clint wird ein wenig schwindlig, und er ist sich ziemlich sicher, dass das nicht das Geringste mit seiner Verletzung zu tun hat.
Er sitzt schließlich nur noch in Jeans und Motorradstiefeln da, und er kann nicht anders als erleichtert sein, dass der Verband über seiner Brust nach wie vor blütenrein und blendendweiß ist. Kurz hatte er tatsächlich Angst, seine Wunde habe sich wieder geöffnet.
Coulson braucht nur wenige Sekunden, um den Verband zu entfernen, seine Fingerspitzen streichen flüchtig und rau über Clints nackte Haut, und Clints Knie werden so weich, dass er unwillkürlich froh ist, dass er sitzt.
Die freigelegte Wunde besteht aus fünf parallel zueinander verlaufenden Schnitten quer über Clints Brust, nicht sonderlich tief, aber dafür von einem ganz besonders wütenden Rot.
Agent Coulson sieht nicht sonderlich zufrieden aus. „Sie haben unbedingt auf dem Bauch im Lüftungsschacht liegen müssen, nicht wahr?“
Clint blinzelt verspielt zu ihm auf. „Wie hätte ich Ihnen sonst in die Augen sehen sollen, während wir uns unterhalten, Sir?“
Coulson erwidert nichts, deutet lediglich ein kleines Kopfschütteln an und macht sich dann schweigend an die Wundversorgung. Er ist dabei wesentlich sanfter als Schwester Collins, und Clint ertappt sich dabei, wie er dem Mann auf die Hände starrt.
Coulson hat fabelhafte Hände.
„Ich werde Ihnen jetzt erklären, wie ein solcher Verband anzulegen ist“, setzt er Clint ruhig in Kenntnis. „Passen Sie gut auf. Ich werde Sie in den nächsten Tagen einen entsprechenden Test absolvieren lassen.“
Clint hebt beide Augenbrauen. „Wieso das?“
„Um Ihnen die Langeweile zu vertreiben, Agent Barton“, erwidert Phil, noch genau so ruhig, aber seine Stimme klingt tatsächlich ein wenig amüsiert. „Und weil das Wissen und die Fähigkeit Ihnen kaum schaden können. Eine fortgeschrittene Ausbildung in Erster Hilfe ist im Feldeinsatz manchmal unverzichtbar.“
Clint blinzelt prompt auf seine eigene Brust hinab. „Aber dafür habe ich doch Sie.“
Coulsons Hände breiten weißes Fließ über Clints Wunde, streichen es behutsam glatt. „Und ich werde in Zukunft Sie dafür haben - vorausgesetzt, Sie stellen sich nicht allzu ungeschickt an. Das kann ich mir allerdings kaum vorstellen. Sie haben genau die richtigen Hände für eine solche Aufgabe.“
Die gelassene Überzeugung in seiner Stimme lässt Clint trocken schlucken, und er muss einen Moment lang die Augen schließen. Coulson spricht ihn nicht darauf an, wartet geduldig, bis er sie wieder aufschlägt, und erst dann beginnt er mit seiner Schulung.
Clint kann nicht anders, als ihm zuhören, ihm seine volle Aufmerksamkeit schenken. Coulsons Stimme, die Berührung seiner Hände, seine Nähe füllen Clints Bewusstsein, und er fühlt sich sicher, zufrieden sogar.
Dann richtet Coulson sich auf, der Verband liegt sicher und perfekt über Clints Brust, und Clint streckt die Hand nach ihm aus und krallt seine Finger in Coulsons erstaunlich weichen Pullover. „Lassen Sie mich ja nicht mit Schwester Collins allein.“
„Schwester Collins“, beginnt Coulson mit strenger Miene, „ist eine äußerst fähige Frau, und -“
„Sie frisst ihre Patienten“, unterbricht Clint ihn todernst. Ein kurzes Flackern huscht über Coulsons Gesicht. „Das möchte ich doch sehr bezweifeln. Das Verschwinden von Agenten wäre zweifellos aufgefallen.“
Clint wollte noch nie in seinem Leben jemanden so sehr küssen wie Phil Coulson in diesem Moment. Er reißt sich mit Müh und Not zusammen. „Sie tauscht sie gegen programmierte Zombies aus“, sagt er mit Verschwörermiene.
Coulson blinzelt unbeeindruckt. „SHIELD hat ein Notfallprotokoll für einen solchen Fall.“ Er legt leicht den Kopf schief. „Aber einen derartigen Verdacht kann ich kaum ignorieren. Ziehen Sie sich um, Agent, und legen Sie sich ins Bett. Ich bin sofort wieder zurück.“
Clint sieht ihm nach, während er gemessenen Schrittes die Krankenstation verlässt. Schwester Collins taucht wie aus dem Nichts an seinem Bett auf. „Dieser Mann arbeitet zu lange und zu hart, und Sie haben keinerlei Anrecht auf seine Freizeit“, beginnt sie grimmig, und Clint weiß, dass sie ihm jede Sekunde den Kopf abbeißen wird.
Dann tritt tatsächlich so etwas wie ein Lächeln in ihre Augen. „Aber ich habe Agent Coulson schon lange nicht mehr so zufrieden gesehen, also werde ich Ihnen diesen Verstoß ausnahmsweise gestatten. Wenn Sie es schaffen, ihn dazu zu bringen, diesen Abend entspannt zu verbringen, kriegen Sie Pudding von mir.“ Sie macht eine dramatische Pause. „Schokoladenpudding.“
Clint blinzelt Sie fasziniert an und setzt ein unverschämtes Grinsen auf. „Sie mögen Coulson, kann das sein?“
Schwester Collins verdreht die Augen über ihn. „Und Sie täten gut daran, meinem Beispiel zu folgen, Barton. Es wäre zweifellos der intelligenteste Schachzug Ihrer Laufbahn.“
Damit verschwindet sie zurück in die Untiefen der Krankenstation, und Clint folgt ein wenig widerwillig Coulsons Befehl, legt eins der verhassten Krankenhaushemden zu den ebenso verhassten Hosen an und setzt sich ins Bett, starrt gelangweilt die Wand an. Es ist sein dreiundzwanzigster Geburtstag. Einer der Besseren, wenn er ehrlich ist.
Als Coulson zurückkommt, bringt er Chinesisch und die erste Staffel Trapper John M.D. auf Video mit. Sie sind mitten in der dritten Folge, und er hat Coulson mehr als die Hälfte seiner Pekingente weggefuttert, als Clint begreift, dass er in diesen Mann verliebt ist.
Loki liegt auf dem Rücken und starrt an die dunkle Zimmerdecke, ignoriert Thors leises Schnarchen an seiner Seite.
Ein paar Minuten lang verbleibt er reglos, hält seinen Atem flach, blinzelt langsam und träge - dann rutscht er seitlich aus dem Bett. Thor schläft weiter, selbst als Loki mit einem leisen Klacken die Zimmertür hinter sich zuzieht.
Loki kann es ihm nicht verdenken. Sein Bruder fühlt sich geborgen unter diesem Dach. Es besteht kein Grund für Wachsamkeit.
Er geht barfuß durch die dunklen Flure, selbst nicht völlig sicher, wohin ihn seine Schritte führen, ehe er in der Küche angekommen ist, und ein wenig hilflos im Türrahmen verharrt.
Dann schmiegt sich ein warmer Körper gegen seine Schienbeine, schnurrend und voller behaglicher Zufriedenheit, und er geht in die Hocke und hebt Pattie auf seine Arme, drückt sie an seine Brust. Sie schnurrt noch ein wenig lauter, und er trägt sie in die Küche hinein, setzt sich im Dunkeln an den Tisch.
„Loki?“
Das Deckenlicht in der Küche wird angeschaltet, und in der plötzlichen Helligkeit kann Loki Steve ausmachen, angetan mit dem unteren Teil eines patriotischen Flanellschlafanzuges und einem weißen T-Shirt. „Was tust du hier um diese Zeit?“
Loki, die Augen zum Schutz gegen das Licht halb geschlossen, blickt ihn durch seine Wimpern hindurch an. „Was tust du hier um diese Zeit?“
Steve errötet leicht, reibt sich verlegen den Nacken und deutet mit dem Kinn in die Ecke des Zimmers, wo die Hunde zusammen mit Hershey im Katzenkorb liegen und schlafen. „Ich wollte nachsehen, ob alles in Ordnung ist“, erklärt er leise, und dimmt das Licht, als er bemerkt, dass es Loki unangenehm ist.
Loki weiß nicht, ob er Steves allumfassendem Beschützerdrang nach seinem letzten Traum gewachsen ist. Steve macht ein paar Schritte auf ihn zu, bleibt neben seinem Stuhl stehen. „Ist alles in Ordnung?“ erkundigt er sich vorsichtig.
Loki seufzt. „Kaum.“
„Hattest du einen Alptraum?“
Loki seufzt ein weiteres Mal. „Man kann es nicht als Alptraum bezeichnen. Aber ich habe ein weiteres Mal von Agent Bartons Vergangenheit geträumt.“
Steve legt ihm die Hand auf die gesunde Schulter, drückt sanft zu. „Ich bin sicher, Bruce und Jane werden bald einen Weg finden, die Verbindung zu ... unterbrechen.“
Loki blickt dankbar zu ihm auf, aber er kann nicht verhindern, dass er sich ein wenig verspannt. „Davon gehe ich aus, ja.“
Steve runzelt leicht die Stirn, lässt seine Hand auf Lokis Schulter ruhen. „Du wünschst dir doch, dass sie die Verbindung trennen?“
Loki weicht seinem Blick aus. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine“, er zögert, schließt die Augen und kann ein weiches, hilfloses Lachen nicht unterdrücken, „ ... Ob ich meine Menschlichkeit bewahren kann, sobald dies geschehen ist. Die Verbindung verursacht mir weit weniger Angst, seit sie mich nicht länger befürchten lässt, dass ich den Verstand verliere.“
Einen Moment lang ist alles still, und er spürt Steves ernsten Blick auf sich ruhen, hört ihn sich schließlich räuspern. „Erinnerst du dich daran, was wir zu Direktor Fury gesagt haben, ehe er dich angeschossen hat?“
Ein zynisches Lächeln gleitet über Lokis Züge. „Das tue ich in der Tat, ja.“
Steve drückt seine Schulter ein wenig fester, ehe er seine Hand von ihm zurückzieht. „Dann weißt du, dass wir alle Fehler gemacht haben. Jeder von uns.“
Loki hebt seinen Blick zu ihm an, und der sanfte Spott in seinen Augen lässt sich nicht zurückhalten. „Sie nicht, Captain.“
Steve zieht die linke Schulter in die Höhe. „Ich bin unfähig, ein Flugzeug zu landen. Stürz die Dinger über dem Meer ab und bin dann siebzig Jahre lang in Eis eingefroren. Frustrierende Angewohnheit von mir. Macht mich reizbar und aggressiv. Frag Tony.“
Er setzt sich auf den freien Stuhl an Lokis linker Seite, blickt ihn durchdringend an, seine blauen Augen viel zu alt in seinem Gesicht. „Aber wenn ich das nicht getan hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich hätte keinen von euch je kennen gelernt. Unsere Fehler, mehr noch als unsere Tugenden, machen uns zu dem, was wir sind - Und ich glaube wirklich, dass es unsere Fehler waren, die uns zusammengeführt haben.“
Steve unterbricht sich, und Loki sieht ihm das Blut in die Wangen steigen. Loki begreift diesen Mann nicht. Er ist zu jung und gleichzeitig zu alt. Es kann nicht allein daran liegen, dass er aus seiner Zeit herausgerissen wurde. Steve hat die Jahre nicht erlebt, die er verloren hat. Er muss schon immer so gewesen sein.
„Entschuldige die hochgestochene Ausdrucksweise“, fährt Steve fort, ein wenig unbehaglich, aber sichtlich entschlossen, Loki seinen Standpunkt klarzumachen. „Worauf ich hinaus wollte, ist dass wir alle Dinge getan haben, die wir lieber vergessen würden - die uns die ganze Nacht lang wach halten, oder uns Alpträume verursachen. Aber wir lassen uns nicht durch diese Fehler definieren, selbst wenn das nicht immer leicht ist.“
Wieder tritt Stille ein, Steves Augen gleiten suchend und unerwartet unsicher über Lokis Gesicht. Dann nimmt er einen tiefen Atemzug. „Ich weiß, dass ich es nicht allein geschafft hätte - mich damit abzufinden, dass ich nicht zurück kann. Dass ich in dieser Zeit festsitze, mit all ihren Neuerungen und ... Rückschlägen. Die ersten Tage nachdem ich aufgewacht war - Wochen sogar - waren ... schrecklich. Ich war unglaublich wütend. Und ich habe mich so allein gefühlt, so verloren ...“
Steves Stimme verstummt, und Loki sieht an dem Ausdruck in seinen Augen, dass er in diese Zeit zurückfällt, in die Einsamkeit und Leere. Er streckt unwillkürlich die Hand aus, zögert einen Moment, Steve zu berühren, und fasst ihn schließlich sanft an der Schulter.
Steve kehrt augenblicklich zu ihm zurück, ein flüchtiges, dankbares Lächeln in seinem Blick, und er spricht leise weiter. „Tony war derjenige, der mich in dieser Zeit willkommen geheißen und sie zu meinem Zuhause gemacht hat. Ausgerechnet Tony Stark. Ich bin mir nicht sicher, wie gut du über unsere anfänglichen ... Schwierigkeiten miteinander Bescheid weißt, aber lass mich dir versichern, dass sie immens waren.“
Steve verschränkt seine Hände miteinander, starrt auf sie hinab. „Ich glaube nicht, dass ich es ohne ihn geschafft hätte - ohne all meine Freunde. Ohne sie hätte Steve Rogers aufgehört zu existieren. Wenn Tony mich nicht aufgenommen hätte ... Captain America hätte weiter existiert, zweifellos. Aber Steve ...“ Steve zuckt mit den Schultern. „Es ist niemand mehr am Leben, der sich an seine Existenz erinnern würde.“
Loki betrachtet Steve von der Seite, sein markantes und im Moment doch so hilfloses Profil, und er kann kaum damit umgehen, wie stark das Mitgefühl ist, das er für diesen Mann verspürt. Auch er ist durch Zeit und Raum gefallen, aber im Gegensatz zu Steves, hat seine Welt sich in seiner Abwesenheit kaum verändert. Seine Freunde und seine Familie sind noch am Leben - selbst wenn sie nicht länger seine Freunde und seine Familie sein mögen. Aber Loki kann etwas haben, das Steve verwehrt bleibt, er muss es lediglich zulassen: Hoffnung.
„Ich habe Tony“, sagt Steve leise, wie zur Antwort auf Lokis unausgesprochene Gedanken. „Clint und Natasha haben einander; Bruce hat ... uns alle. Und Thor hat dich. Wir bewahren uns gegenseitig unsere Menschlichkeit. Wir alle haben Angst davor, uns auf die eine oder andere Art zu verlieren. Du bist nicht der Einzige, der mit diesem Gefühl bestens vertraut ist.“
Loki nimmt seine Worte in sich auf, lässt sie sacken. Er hat das gewusst. Er hat die Avengers nicht ohne Grund als verlorene Kreaturen bezeichnet. Aber die letzten Wochen haben es ihn vergessen lassen. Diese Kreaturen sind nicht länger verloren - sie haben einander gefunden.
„Ich fühle mich noch immer ein wenig verloren“, murmelt er, ist sich im ersten Moment nicht bewusst, dass er die Worte laut ausgesprochen hat.
„Wir alle haben ein Auge auf dich“, verspricht Steve ihm ernst. Es soll beruhigend klingen, nicht drohend, und es ist beruhigend. Loki hat keine Ahnung, was er darauf antworten soll. Tony entbindet ihn von dieser Notwendigkeit, als er in die Küche kommt, mit Brandlöchern in seinen Jeans und seinem Tanktop, und Maschinenölstriemen an seinen nackten Armen.
Steve richtet einen verdammenden Blick auf ihn. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
Tony bleibt ertappt stehen. „Ich denke, du bist im Bett?“
„Ich denke du bist im Bett!“ gibt Steve aufgebracht zurück, seine Stimme mühsam beherrscht, um die Hunde nicht zu wecken. „Was hast du schon wieder in der Werkstatt getrieben - ich denke, Clints neuer Bogen ist fertig?“
„Ich hatte eine Idee für Ark-Reaktor betriebene Präzisionslaser“, erwidert Tony, die Begeisterung in seiner Stimme deutlich zu hören. Er setzt sich wieder in Bewegung und stolpert entschlossen auf die Kaffeemaschine zu.
Steve kommt ebenso entschlossen und noch dazu wesentlich anmutiger auf die Füße. „Nein.“
„Was soll das heißen - nein? Diese Laser werden fabelhaft, Steve!“
„Nicht mehr heute Nacht, Tony. Pepper bringt mich um, wenn ich zulasse, dass du dich während ihrer Abwesenheit selbst in Brand steckst. Geh duschen und ins Bett.“
Tony öffnet den Mund, um ihm zu widersprechen, dann wird er sich mit einiger Verspätung Lokis Anwesenheit bewusst. „Was machst du hier?“
„Es ist kaum dein alleiniges Vorrecht zu unheiliger Stunde durch dieses Haus zu geistern“, gibt Steve spitz zurück, entbindet Loki damit höchst effektiv von einer Antwort, die er nur ungern gegeben hätte.
Loki blinzelt vom Einen zum Anderen. Steve und Tony unterscheiden sich voneinander wie Tag und Nacht, und doch bringen sie es fertig, so völlig richtig füreinander zu sein. Loki lächelt unwillkürlich. In Anbetracht dieser Tatsache ist es vielleicht nicht ganz so schlimm, dass er selbst sich so sehr von Thor unterscheidet.
Tonys übermüdete Augen werden plötzlich scharf und richten sich unter zusammengezogenen Brauen auf Loki. „Ist was passiert?“
Loki muss vor seinem durchdringenden Blick die Augen schließen, und erreicht doch nur, dass er vor seinen geschlossenen Lidern sieht, wie er diesen Mann aus dem Fenster wirft.
„Er hat geträumt“, hört er Steves deutlich sanftere Stimme. „Geh duschen, Tony.“
Es scheint, dass Tony der Aufforderung diesmal Folge leistet, denn als Loki seine Augen wieder aufschlägt, ist Tony gegangen, und Loki ist wieder allein mit Steve.
„Du solltest zurück ins Bett gehen“, schlägt Steve ihm vorsichtig vor. „Thor wird das ganze Haus in Panik versetzen, wenn er aufwacht und feststellt, dass du nicht da bist.“
„Thor hat keinesfalls vor, etwas Vergleichbares zu tun“, erklingt ein wenig unerwartet Thors Bariton. „Thor hat die die Stimme der Weisheit zu Rate gezogen, ehe er sich zu einer derartig unvernünftigen Tat herabgelassen hat.“
Steve kommt mit einem Räuspern auf die Beine. „Wunderbar. Äußerst vorbildlich.“
Thor blinzelt ihm freundlich zu. „JARVIS hat mir versichert, mein Bruder befände sich in den bestmöglichen Händen.“
Er lässt seinen Blick zwischen Steve und Loki hin und her schweifen. „Unterbreche ich etwas? Sollte ich mich zurückziehen?“
Loki nimmt einen tiefen Atemzug und erhebt sich ebenfalls von seinem Stuhl. „Nein. Ich komme zurück in deine Gemächer.“ Er setzt Pattie auf dem Boden ab, nickt Steve zu und wünscht ihm eine gute Nacht, dann geht er zu Thor hinüber und verlässt an seiner Seite die Küche.
Thor ist still, während sie miteinander den Flur entlang gehen, zu still.
„Bedrückt dich etwas?“ fragt Loki ihn vorsichtig, und Thor wendet ihm verwirrte, ein wenig traurige Augen zu. „Natashas Worte von zuvor ... ihre Drohung erfüllt mich mit Unbehagen. Zudem scheint es dir so viel leichter zu fallen, dich unseren Freunden anzuvertrauen als mir. Habe ich ... habe ich dich verstimmt?“
Loki schließt einen Moment lang die Augen. Er begreift nicht, wie er diesen Mann so sehr lieben, so sehr bewundern kann, und doch dazu in der Lage war, sein Leben beenden zu wollen.
„Natashas Drohung, wie du es nennst, war nichts dergleichen. Du solltest keinen weiteren Gedanken daran verschwenden - Und du hast mich nicht verstimmt. Es ist manchmal einfacher, sich vergleichsweise Fremden anzuvertrauen. Die Angst, Verdammung in ihren Augen zu lesen, ist nicht so groß.“
Thor erwidert nichts, und als Loki ihn wieder ansieht, sind seine Brauen nach wie vor gerunzelt.
„Ich weiß, dass du glaubst, ich hätte keine Veranlassung, mich vor deiner Verdammung zu fürchten“, fährt er also behutsam fort. „Aber meine Angst ist nicht rationalen Ursprungs und daher kaum durch logische Argumente zu tilgen.“
„Ist mein Urteil wirklich von derartiger Bedeutung für dich?“ fragt Thor ihn mit leisem Zweifel in der Stimme, und Loki sieht ihm fest in die Augen, lächelt schwach. „Es ist überraschend, nicht wahr?“
Thor erwidert sein Lächeln, legt ihm den Arm über die Schultern und zieht ihn an sich und mit in seine Gemächer.
„Es verleiht mir Hoffnung für die Zukunft“, erwidert er mit einer Andeutung seines sonstigen Enthusiasmuses. „Wir werden einander kein weiteres Mal verlieren, Bruder.“
Im ersten Moment weiß Phil nicht, was los ist. Es ist dunkel, aber die Umgebung ist vertraut, und er weiß nicht, was ihn geweckt haben könnte.
Dann wird ihm bewusst, dass Clint nicht länger im Bett ist. Er setzt sich mit einem Ruck auf, und JARVIS macht ihm das Deckenlicht an, informiert ihn mit leiser, vorsichtiger Stimme darüber, dass Clint im Bad sei.
JARVIS hätte ihm weder das Licht angemacht noch Clints Aufenthaltsort preisgegeben, wäre alles in Ordnung. Phil steht ruckartig aus dem Bett auf, zieht sich das Oberteil seines Pyjamas an und knöpft es zu, während er zum Bad hinüber geht.
Die Tür steht einen Spalt offen, aber Clint hat nicht das Licht angemacht, steht im Halbdunkel vor dem Waschbecken und wäscht sich das Gesicht.
Phil wird ein wenig schlecht. Ihm ist nur zu bewusst, dass dies Clints bevorzugte Vernichtungsmethode für die Beweise des Umstandes ist, dass er geweint hat. Er nimmt einen stärkenden Atemzug und öffnet die Tür ein bisschen weiter - lässt das ins Badezimmer dringende Licht seine Anwesenheit preisgeben.
Clint hebt den Blick an, begegnet Phils im Spiegel und stellt das Wasser ab. „Ich könnte jetzt wirklich eine Umarmung gebrauchen.“
Phil setzt sich augenblicklich in Bewegung. Clint dreht sich um und kommt ihm entgegen, drängt sich mit alarmierender Verzweiflung in seine Arme, presst sein feuchtes Gesicht in Phils Halsbeuge.
Also hält Phil ihn, hält ihn einfach nur fest, ohne Fragen zu stellen, während er versucht, seine erneut aufflammende Wut und seine Angst unter Kontrolle zu bekommen.
Dann entkommt Clint ein flatternder Atemzug, er legt sein Kinn auf Phils Schulter, und Phil lässt seine Hand über seinen Rücken streichen. Im Unterschied zu ihm trägt Clint kein Pyjamaoberteil, und Phil kann sich nicht sicher sein, ob er überhaupt Hosen trägt.
Ein paar Sekunden lang ist er wütend auf sich selbst, dass er sich die Zeit genommen hat, etwas anzuziehen. Manchmal kann er sie nicht begreifen, seine Angewohnheit immer auf sämtliche Details achten zu müssen.
„Willst du darüber reden?“ fragt er vorsichtig, und Clint entkommt ein ersticktes und durch und durch humorloses Lachen. „Nein. Nein das will ich nicht.“
Phil hält ihn ein wenig fester, weiß nicht, was er sagen soll. Clint nimmt einen tiefen Atemzug und beginnt trotz seines Protestes zu sprechen. „Ich hab geträumt, wie er angekommen ist ... bei den Chitauri. Was sie mit ihm gemacht haben. Es war ... nicht sonderlich angenehm.“
Er hebt seinen Kopf von Phils Schulter, sieht ihm in die Augen. „Ich glaube nicht, dass ich schon jemals solche Angst hatte. Selbst wenn ich ... mich vor meinem Vater versteckt habe. Da wusste ich wenigstens, wer ich bin, und wer der Bastard ist, vor dem ich mich verstecke - warum ich mich verstecke. Er wusste ... er wusste gar nichts mehr.“
Clint hält einen Moment inne, und Phil spürt seinen aus der Ruhe gebrachten Herzschlag gegen seine eigene Brust.
„Als sie ihn gefunden haben, hatten sie keine Ahnung, wer er ist“, fährt er fort. „Und sie haben ihn gefoltert - wollten, dass er es ihnen sagt. Aber er konnte nicht.“
Clints Stimme klingt gebrochen und klein, und Phil bekommt eine Gänsehaut. „Es ist vorbei“, versucht er, Clint zu beruhigen. „Ihr seid in Sicherheit. Ihr seid Beide in Sicherheit.“
Er hat die Worte ausgesprochen, ehe ihm klar wird, was sie implizieren. Aber er kann nichts daran ändern, dass Clint Anteilnahme für Loki empfindet, kann sich kaum darüber wundern oder es verdammen. Clint krallt sich mit beiden Händen in sein Pyjamaoberteil. „Es ist ein Wunder, wie er es fertig bringt, auch nur einen klaren Gedanken im Kopf zu halten - Wenn er irgendwann anfängt, sich an diese Dinge zu erinnern -“
Clints Stimme bricht in einem Schluchzen. Phil hasst es, dass er nichts tun kann, dass er sich damit zufrieden geben, Clint zu halten, und es anderen überlassen muss, die tatsächliche Wurzel des Übels zu bekämpfen.
Er zieht Clint mit sich ins Schlafzimmer und zurück ins Bett, legt sich zu ihm. Clint weint nicht länger, ist stattdessen fürchterlich still, starrt aus leeren Augen in die Dunkelheit, ehe Phil ihn sanft darum bittet, sie zu schließen.
Clint folgt seinem Wunsch, stößt ein kleines Seufzen aus, und Phil küsst ihn auf die Schläfe. „Bruce wird eine Lösung finden“, murmelt er beruhigend.
Clint deutet ein Nicken an. „Ich weiß.“
Die Spannung in seinem Körper lässt ein wenig nach. Phil muss zugeben, dass Bruce Banners Präsenz in Clints Leben mit einem Gottesgeschenk zu vergleichen ist.
„Phil?“ murmelt Clint nach ein paar Minuten in seine Schulter, und Phil streichelt ihm sanft den Nacken. „Ja, Clint?“
„Weißt du, worauf ich jetzt Lust habe?“
„Ist das eine Fangfrage?“
Clint schnauft amüsiert, sein Atem streicht über Phils nackte Haut hinweg, und er hebt den Kopf am, sieht Phil in die Augen. „Auf Trapper John M.D.“
Phils Augen nehmen einen zärtlichen Ausdruck an. „Ich fürchte, ich habe die Videos nicht mehr.“
Clint reckt den Hals und küsst ihn. „Macht nichts“, murmelt er gegen Phils Lippen. „Ich bin sicher, JARVIS kann uns damit helfen.“
Es ist mitten in der Nacht, Agent Barton, meldet JARVIS sich maßregelnd zu Wort.
Phil sieht Clint die Augen verdrehen. „Ja, na und?“
Sie brauchen Ihren Schlaf, Agent.
„Ich glaube, wir können dieses eine Mal eine Ausnahme machen, JARVIS“, mischt Phil sich sanft ein. „Es ist eine Geburtstagstradition.“
Es ist nicht Agent Bartons Geburtstag, Sir.
„Richtig. Wir haben ein paar Geburtstage aufzuholen.“
JARVIS produziert so etwas wie ein gottergebenes Seufzen. Wie Sie wünschen, Sir.
JARVIS nutzt die gleiche Wand als Bildschirm, die bereits dem König der Löwen als Spielwiese dienen durfte, dreht den Ton so leise, dass er kaum noch zu hören ist, und Phil lächelt zufrieden in sich hinein. Dann wird ihm bewusst, dass er angestarrt wird.
„Was?“ fragt er Clint leise.
„Du wusstest, dass es mein Geburtstag war?“
Er lächelt ruhig. „Ich wusste, dass es dein Geburtstag war.“
„Hast du mich deswegen aus dem Ventilationsschacht geholt?“
„Ich habe dich aus dem Schacht geholt, weil du verletzt warst, Clint. Ich habe mit dir Chinesisch gegessen und Videos geguckt, weil es dein Geburtstag war.“
Er sieht Clint nachdenklich auf seiner Unterlippe herum kauen, dann trifft ihn ein ebenso liebevoller wie dankbarer Blick. „Wusstest du, dass Schwester Collins mir damals dazu geraten hat, ihrem Vorbild zu folgen und dich ins Herz zu schließen?“
Phil blinzelt ihn überrascht an. „Das wusste ich nicht, nein.“
Clint schmiegt sich noch ein wenig enger an ihn. „Ist der einzige ihrer Ratschläge, den ich jemals befolgt habe.“
Clint richtet seinen Blick auf die improvisierte Kinoleinwand, und Phil betrachtet sein Gesicht, sieht die Ängste und Anspannungen seines Alptraums aus seinen Augen weichen. Er lässt seine Gedanken driften, und sie wandern wie von allein in die Vergangenheit. Ihm war damals nicht bewusst, wieso er nicht einfach nach Hause gehen und Feierabend machen konnte. Ihm war nicht klar, warum er geblieben ist, Clint ausfindig gemacht und sicher gestellt hat, dass mit ihm alles in Ordnung ist.
Er wusste, dass es Clints Geburtstag war, ja. Er war sich des Bedürfnisses bewusst, ihn an diesem Tag nicht allein zu lassen, selbst wenn es unter den gegebenen Umständen nicht viel gab, das er tun konnte, um den Tag zu etwas Besonderem zu machen. Was in seinem eigenen Herzen vor sich ging, wusste er nicht. Welch ein Glück also, beschließt Phil und schließt die Augen, dass sie es auch so geschafft haben. Es mag verboten lange gedauert haben, aber in ihrem Fall ist ganz eindeutig der Weg das Ziel.
TEIL 40