Ende und Anfang [Romantik/Intimität: Glück im Unglück - Für mich]

Sep 25, 2018 20:00

Titel: Ende und Anfang
Team: Sonne
Challenge: Romantik/Intimität: Glück im Unglück - Für mich
Fandom: SK Kölsch
Rating: P12
Genre: (Pre)Slash, angstish, h/c
Warnungen: Implied Domestic Violence!
Zusammenfassung: Manchmal erwächst aus dem größten Unglück der Anfang von etwas Glücklichem...
Wörter: ~2300
Anmerkungen: Ich bin mal wieder nicht 100%-ig zufrieden, aber wenn ich dieses Teil perfekt hätten machen wollen, hätte es den Zeitrahmen bei Weitem gesprengt. Nun ja, diese ganze Idee steht eh schon für die Überarbeitung ziemlich weit oben auf meiner Liste, von daher ist es wohl schon ganz okay.

Gehört in den Storyzyklus "Von unerwarteter Seite", zu dem auch "Blaue Flecken", "Zuhause", "Widerspruchslos" und "Die Anzeichen waren da...", "Zerbrochen", "Halten", "Böse Überraschung" und "Dichtung und Wahrheit" gehören.

Widmung: Für nachanca, weil sie sich gewünscht hatte, dass diese Geschichte für Jupp und Klaus gut ausgeht.


Klaus ließ sich in den Sessel in seinem Wohnzimmer sinken, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Eigentlich hatte er erwartet, dass er heute Nacht gut schlafen können würde. Gerade heute. Erst recht heute. Doch dem war nicht so. Ganz im Gegenteil. Seitdem Jupp ihn nach der Gerichtsverhandlung vor ein paar Stunden Zuhause abgesetzt hatte, hatte ihn eine seltsame Unruhe erfasst und er war durch die Wohnung getigert, wie ein eingesperrtes Tier. Er hatte versucht, sich abzulenken, sich zu beschäftigen. Hatte die Küche und das Bad geputzt, Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Schlafzimmer aufgeräumt, die ganze Wohnung gesaugt und gewischt, die Wäsche gemacht und alle Hemden gebügelt. Aber nichts hatte etwas gebracht. Inzwischen war es fast vier Uhr morgens, seine Wohnung sah aus wie geleckt, er war körperlich und geistig völlig erschöpft, aber an Ruhe war noch immer nicht zu denken, von Schlaf ganz zu schweigen.
Wenn er nur wüsste, warum. Er hatte doch gar keinen Grund mehr. Es war vorbei. Der Prozess war ausgestanden, Alex im Gefängnis. Für die nächsten Jahre musste er sich keine Gedanken mehr machen, musste keine Angst mehr haben. Schon seitdem er den Gerichtssaal verlassen hatte, lief der Richterspruch in einer Endlosschleife in seinem Kopf.

„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Alexander Sebastian Reinhardt, ich verurteile Sie wegen gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten.“

Nachdem die Richterin das Urteil verkündet hatte, war er im Gericht vor Erleichterung fast zusammengebrochen. Von der Urteilsbegründung, den Erläuterungen der Richterin, dem ganzen offiziellen Procedere hatte er kein Wort mehr mitbekommen. Es war alles einfach an ihm vorbeigerauscht und er hatte ihn auch nicht interessiert. Es war nicht wichtig, wie das Gericht zu seinem Urteil gekommen war, warum die Strafe so ausgefallen war und nicht anders, welche Rechtsmittel Alex jetzt noch zur Verfügung hatte. Nicht einmal das Strafmaß war am Ende wirklich wichtig gewesen. Wichtig war nur, *dass* Alex verurteilt worden war, dass das Gericht ihm geglaubt hatte. Nur das zählte. Die Anzeige, seine Aussage, die Befragungen durch den Staatsanwalt, das Kreuzverhör des Verteidigers, all das hatte sich gelohnt. Er hatte diese Tortur nicht umsonst auf sich genommen, hatte sich nicht vergebens mit den Albträumen und Flashbacks gequält. Er hatte Recht bekommen. Alex war verurteilt worden, für das, was er im angetan hatte. Er hatte ihn besiegt.

Warum also kam er trotzdem nicht zur Ruhe? Warum war da dieses seltsame, nagende Gefühl in seiner Brust? Es gab doch gar keinen Grund, er sollte doch eigentlich entspannt und zufrieden in seinem Bett liegen und schlafen. Tat er aber nicht. Stattdessen tigerte er durch seine Wohnung, starrte hinaus in den langsam heraufziehenden Morgen und verstand sich selbst nicht mehr. Erst jetzt, als er gedankenverloren den schmalen, hellen Streifen am Horizont betrachtete, der den neuen Tag ankündigte, wurde Klaus bewusst, dass er irgendwann ganz in Gedanken aufgesprungen und zu Fenster herübergegangen sein musste, ohne es bemerkt zu haben. Er schüttelte leicht den Kopf über sich selbst, aber er hatte keine Energie mehr, wirklich böse mit sich selbst zu sein. Stattdessen sah er zu, wie der Himmel langsam heller wurde, von jenem tiefen schwarz über anthrazit bis hin zu diesem stählernen Blau kurz bevor die Sonne über den Horizont kroch. Es würde ein schöner Tag werden, sonnig und warm.

Klaus überlegte gerade, was er damit anfangen wollte, schließlich hatte er heute noch frei, als es an der Tür klingelte. Er warf einen Blick auf die Uhr. Über seine Grübelei war es fast fünf geworden, aber für ein höfliches Anklingeln unter Nachbarn war das immer noch wesentlich zu früh. Zu laut konnte er sicher nicht gewesen sein und Wasserschäden in der Wohnung unter sich schloss er auch erst mal aus. Er hatte zuletzt vor drei Stunden Wasser laufen lassen, da wäre es eher aufgefallen, wenn ein Rohr leckte. Damit blieben nicht mehr viele Möglichkeiten, wer das sein konnte und keine klang gut. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus und die Panik, die er mit dem Urteilsspruch heute Nachmittag endlich überwunden gewähnt hatte, kam mit einem Schlag zurück.

Das konnten doch nur die Kollegen sein. Die klingelten zu jeder Tages- und Nachtzeit, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. Aber was wollten sie von ihm? Er war noch nicht wieder im Dienst, also musste etwas vorgefallen sein, dass sie ihn zu dieser Zeit zu Hause aufsuchten. Ein Notfall? War Alex womöglich abgehauen? Hatte er sich seiner Überstellung ins Gefängnis entzogen? Wollte sie ihn warnen? Oder viel schlimmer noch: War etwas mit Jupp? Ein Unfall? Ein Einsatz, der fürchterlich schiefgelaufen war? Allein der Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu. Seine Hände fühlten sich plötzlich feucht und klebrig an. Schnell wischte er sie an der Hose ab und schritt langsam zur Tür hinüber.

Es klingelte wieder, kurz darauf noch ein drittes und ein viertes Mal. Heftiger, ungeduldiger, fordernder. Böse Erinnerungen wurden in ihm wach. Es war noch gar nicht so lange her, dass Alex überraschend bei ihm vor der Tür gestanden hatte. Wäre Jupp nicht zufällig gerade im richtigen Augenblick vorbeigekommen, weil er sich ausgesperrt hatte, die Sache wäre böse ausgegangen für ihn. Waren das etwa gar nicht die Kollegen? War das womöglich Alex selbst?

Einen Schritt vor der Tür blieb Klaus stehen, rührte sich keinen Millimeter mehr. Er konnte die Tür nicht aufmachen. Er konnte nicht einmal herantreten, einen Blick durch den Spion werfen. Das ging einfach nicht. Was wenn es wirklich Alex war? Was wenn der ihn sah oder hörte? Er würde die Tür eintreten, soviel war sicher. Alex hatte Kraft. Diese dünne Holztür, das kleine Schloss, das war kein Hindernis für ihn. Ein dumpfes Poltern klang durch die Tür. Jemand schlug dagegen. Klaus schluckte trocken. Sein Verstand erinnerte ihn, dass Alex es nicht sein konnte, dass die Kollegen ihn noch im Gerichtssaal in Handschellen gelegt hatten, nach den Drohungen, die er von sich gegeben hatte, dass er selbst gesehen hatte, wie sie ihn abgeführt hatten, dass er nur einen Blick durch den Spion werfen musste, um sich davon zu überzeugen, doch die Panik war mächtiger, hielt ihn in einem eisigen Griff. Wie paralysiert starrte er auf das helle Holz, für den Augenblick unfähig auch nur einen Finger zu rühren. Er zitterte am ganzen Körper.

„Klaus? Klaus, bist du da?“

Eine Stimme drang zu Klaus, wieder gefolgt von einem Klopfen. Sie klang unsicher, fast besorgt, und sie kam ihm vage bekannt vor. In seiner Panik dauerte es einen Moment, bis Klaus begriff woher. Jupp! Die Stimme klang wie Jupp. Für den Bruchteil einer Sekunde flammte Hoffnung in ihm auf. Vielleicht war doch alles in Ordnung. Doch sie wurde sofort unter neuer Panik begraben. Warum sollte Jupp morgens um fünf bei ihm Klingeln. Der einzige Grund wäre ein Fall und das konnte nicht sein. Also war doch etwas passiert. Etwas Schlimmes, sonst wäre Jupp nicht hier. Etwas mit Alex. Er war doch entkommen. Es war doch noch nicht vorbei.

„Klaus?“

Wieder drang Jupps Stimme durch die Tür. Lauter dieses Mal, klarer, besser zu identifizieren. Das war Jupp, eindeutig. Klaus atmete tief durch, trat an die Tür heran und warf einen Blick durch den Spion. Seine Augen bestätigten ihm, was er schon aus der Stimme geschlossen hatte: Vor der Tür stand eindeutig Jupp. Seine Kleidung war reichlich zerknittert, die Haare noch unordentlicher als sonst, wirkte er als hätte man ihn gerade aus dem Bett geholt, aber es war eindeutig Jupp. Klaus griff nach der Klinke, drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür.

„Klaus!“

Just in dem Moment als die Tür aufging, hatte Jupp wieder die Hand erhoben, wollte erneut dagegen klopfen. Klaus zuckte zusammen, machte reflexhaft einen Schritt zurück, um außer Reichweite zu kommen. Jupp ließ die Hand sofort sinken, sagte nichts, lächelte nur entschuldigend.

„Hi! Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Klaus nickte langsam und räusperte sich.

„Ist was passiert?“, fragte statt einer Begrüßung.

„Ja… nein… also… doch…“, stammelte Jupp. „Kann ich reinkommen? Ich … ähem … ich muss mit dir reden.“

Klaus zögerte einen Moment. Er musterte Jupp eingehend, versuchte aus dessen Mimik etwas zu lesen. Jupp wirkt unruhig, irgendwie aufgewühlt. Was immer vorgefallen war, es musste Jupp sehr getroffen haben. Also doch Alex. Klaus nickte ergeben, gab die Tür frei und ließ Jupp eintreten.

Wortlos trat Jupp an ihm vorbei in die Wohnung. Während Klaus die Tür wieder abschloss, streifte Jupp die Jacke und die Schuhe ab, dann ging er hinüber ins Wohnzimmer und trat ans Fenster. Klaus folgte ihm, blieb ein paar Schritt hinter ihm stehen. Jupp schob die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Eine ganze Weile sagte er gar nichts, starrte nur stumm in den heller werdenden Morgenhimmel. Gerade als Klaus schon fragen wollte, warum Jupp den nun hergekommen war, fing der doch noch von sich aus an zu sprechen.
„Ich hab’ geträumt“, sagte er leise.

Im ersten Moment wusste Klaus nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. Jupp war doch nicht ernsthaft hergekommen, um ihm das zu erzählen. Aber dann besann er sich. Jupp mochte manchmal ein Chaot sein und sich auch nicht unbedingt um gute Umgangsformen scheren, aber er sprach selten von sich selbst und seinen Gefühlen und wenn er morgens um fünf durch die halbe Stadt fuhr, um Klaus etwas derart persönliches zu erzählen, dann musste mehr dahinterstecken, als es gerade den Anschein hatte.

„Was?“, fragte er genauso leise.

„Von dieser Nacht, weißt du… als du mich angerufen hast.“ Jupp zog die Schultern noch höher. „In meinem Traum… es … es war alles genauso wie … wie damals. Du hast angerufen und … und ich bin losgerast. Aber ich … ich war zu spät…“

Jupps Stimme war mit jedem Wort leiser geworden, am Ende hatte Klaus ihn kaum mehr verstanden. Klaus schluckte trocken. Was sollte er dazu sagen? Er hatte viel Glück gehabt in dieser Nacht, das hatte der Arzt ihm gesagt, nachdem er wieder soweit klar im Kopf war, dass er das verstehen konnte. Wenn er Jupp nicht erreicht hätte, oder wenn Jupp nur ein paar Minuten später gekommen wäre, dann stünde er heute nicht hier. Er trat neben Jupp, legte ihm sanft die Hand auf die Schulter.

„Du warst aber nicht zu spät, Jupp“, versicherte er.

„Doch, ich war zu spät. Viel zu spät. Ich hab’s einfach nicht gesehen. Bis es zu spät war“, widersprach Jupp.

Seine Stimme klang resigniert, fast schon hoffnungslos. Klaus drückte seine Schulter sanft und fest. Er hatte schon mehrfach das Gefühl gehabt, dass Jupp sich Vorwürfe machte, weil er nicht eher etwas gesehen oder bemerkt hatte.

„Es war nicht deine Schuld, Jupp.“

Es klang selbst in seinen eigenen Ohren lahm, aber Klaus wusste auch nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Es war die Wahrheit. Es war nicht Jupps Schuld. Jupp war dagewesen, als er ihn am meisten gebraucht hatte. Ohne ihn hätte er das alles niemals geschafft.

Jupp nickt langsam, aber wirklich überzeugt wirkte er nicht. Klaus überlegte verzweifelt, wie er Jupp überzeugen konnte. Er wollte nicht, dass sein Partner von Schuldgefühlen zerfressen wurde über etwas, was nicht einmal in seiner Kontrolle lag. Aber Jupp schien gedanklich schon wieder ganz woanders.

„Ich will das nicht mehr“, murmelte er leise.

„Was willst du nicht mehr?“ Irritiert schaute Klaus ihn an.

„Na, das hier“, erwiderte Jupp. „Ich will nicht mehr so tun, als ob alles in Ordnung ist, als ob ich dein Kollege bin, dein Kumpel und damit alles geklärt ist. Ich will das einfach nicht mehr. Das ist doch alles Scheiße.“

Für einen Moment fühlte Klaus sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Hatte er das richtig verstanden? Jupp wollte nicht mehr sein Freund sein? Nach allem was passiert war, nach allem was er mit ihm durchgestanden hatte, kündigte er ihm einfach so mir nicht dir nichts die Freundschaft? Morgens früh um fünf Uhr kam er extra quer durch die Stadt gefahren, um ihm das zu sagen? Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein. Er hatte sich schon lange damit abgefunden, dass Jupp seine Gefühle niemals erwidern würde, aber ihn ganz und gar zu verlieren, diese Aussicht war unerträglich.

„W-was meinst du damit?“, fragte Klaus heiser.

Seine Stimme zitterte, aber Jupp schien das gar nicht zu hören. Er starrte weiterhin stur aus dem Fenster, irgendwo in die Ferne und Klaus bezweifelte, dass er überhaupt irgendetwas mitbekam.

„Als ich wach geworden bin, da hab’ ich mich gefühlt wie damals, als … als Ellen gestorben ist“, murmelte er. „So … so leer und … und einsam irgendwie.“ Er machte eine Pause, atmete tief durch und schloss die Augen. „Ich meine, ich … ich weiß, dass du nicht … also …, dass du noch … noch da bist. Aber das Gefühl, das … das geht einfach nicht weg.“ Wieder machte Jupp eine Pause, länger dieses Mal. „Ich … ich hab’ Angst. Ich will dich nicht verlieren.“

Jupp sagte nichts mehr. Aber er rührte sich auch nicht, schaute Klaus auch nicht an, stand einfach nur stumm und mit geschlossenen Augen vor dem Fenster. Klaus versuchte zu begreifen, was Jupp gerade gesagt hatte, ob er wirklich das gemeint hatte, wonach es klang. Gerade eben hatte er noch gedacht, Jupp wollte ihm die Freundschaft kündigen und jetzt auf einmal sollte es das komplette Gegenteil sein? Konnte das wirklich wahr sein? Waren das nicht nur seine fehlgeleiteten Hormone, seine eigenen Träume? Bei jedem anderen Mann hätte er die Antwort gewusst, aber jetzt plötzlich tappte er völlig im Dunkeln.

„Du verlierst mich nicht“, antwortete er leise. „Ich bin doch hier.“

Jupps Reaktion darauf war bemerkenswert. Seine Schultern sackten merklich ab, er senkte den Kopf und nickte nur ganz eben. Es wirkte resigniert, fast traurig. Klaus schaute ihn einen Augenblick an. Sollte er sich dich getäuscht haben? Hatte Jupp doch genau das gemeint, was er erst geglaubt hatte. Einem Impuls folgend zog er Jupp an der Schulter zu sich herum, legte ihm die Hände an die Wangen, hob seinen Kopf ein wenig an und berührte schließlich seine Lippen ganz sanft mit seinen eigenen.

Im ersten Moment passiert gar nichts und Klaus befürchtete schon zu weit gegangen zu sein. Doch dann schlang Jupp die Arme um ihn, öffnete die Lippen und machte aus der zarten Berührung ihren ersten Kuss.

team: sonne, sk kölsch, thots tochter

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