Story: Atrahorverse (Modernverse)
Genre: Hurt/Comfort, Urban Fantasy
Warnings: Suizidgedanken (leicht graphic bzgl. einer in Erwägung gezogenen Methode); Andeutungen auf psychische Probleme & chronische Schmerzen (aber nichts konkretes)
Rating: P16
Charaktere: Olive & Câprice
Ficathon:
it's never the endPrompt: 270; Zitat aus "Jet Pack Blues" von Fall Out Boy
Sonstiges: 3 x 333 Wörter, ein Bisschen angsty stuff mit Liv & Câprice. Enjoy. <3
Projekt: Adventskalender 2017
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behind these two white highway lines
Olive & Câprice
and i'm trying to find my peace of mind
behind these two white highway lines
when the city goes silent
the ringing in my ears goes violent
Je stiller die Stadt am Abend wird, desto lauter wird das Klingeln in deinen Ohren. Du wartest darauf, dass etwas geschieht, irgendetwas, was dich von dem Lärm in deinem Kopf erlöst, und jede einzelne Minute vergeht quälend langsam. Fast, als wollte dein eigener Körper sich über dich lustig machen.
Und dann fährst du. Du fährst, egal wohin, Hauptsache weit weg, als könntest du dir selbst entkommen, wenn du nur genügend Kilometer zurücklegst.
Du suchst deinen Frieden zwischen den zwei weißen Linien, die deine Fahrbahn auf der Autobahn begrenzen, und wenn du ihn dort nicht findest, dann gibt es immer noch die Hoffnung, dass es dir bald gelingt, deine zweite Gestalt anzunehmen, in der du durch die Wälder ziehen kannst; die menschlichen Gedanken genauso abgestreift wie den menschlichen Körper, der für dich mehr ein Gefängnis ist als alles andere.
Es ist dir egal, wem das Auto gehört, das du dir ausleihst und am Ende der Nacht irgendwo mitten im Nichts stehen lässt, wenn du aussteigst und drauf los sprintest, querfeldein, bis das erstickte Schluchzen in deiner Kehle zu einem animalischen Heulen heranwächst, dein Körper zu beben beginnt, das Glühen in deinem Inneren überhand nimmt und du endlich nicht mehr du sein musst.
So läuft es in den Nächten, in denen der Vollmond prall am Himmel steht, dein geliebter Mond, der dir Erlösung schenken kann, zumindest zeitweise, und bei dem du bisher noch immer die Zuflucht finden konntest, die du dir erhofft hast.
In normalen Nächten ist es anders. In normalen Nächten kannst du nicht fliehen.
Du kannst nicht schlafen und du stehst um drei Uhr siebenundzwanzig wieder auf. Genau zwei Stunden und dreiunddreißig Minuten, bevor dein Wecker klingelt. Du gehst nach unten, holst dir ein Glas Wasser, streitest dich mit deiner Mutter, die, genau wie du, schlaflos durch das Haus tigert, und knallst die Badezimmertür zu, als du unter die Dusche springst und dich eilig zurechtmachst. Zwei Stunden und sechzehn Minuten vor dem Wecker. Drei Stunden und sechsundvierzig Minuten, bevor du normalerweise losgehen müsstest.
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Manchmal denkst du in solchen Nächten darüber nach, mit Vollgas gegen eine Wand zu fahren, in der unsinnigen Hoffnung, dass die Wucht des Aufpralls reicht, um dich zu töten. (Aber du lässt es sein, denn das Überleben wäre vermutlich noch unangenehmer als dein Leben an sich.)
Stattdessen fährst du weit und schnell und ziellos. Manchmal, je nachdem, wie viel Zeit du hast, fast bis zur deutsch-französischen Grenze, bevor du wieder umdrehst.
Manchmal ist Câprice in solchen Nächten bei dir. Anfangs nur gelegentlich, mit der Zeit immer öfter. Irgendwann wird es zur Gewohnheit.
Sie ist die einzige, die du anrufen kannst, wenn mitten in der Nacht die Störgeräusche, die deine Gedanken sind, und das konstante Schwindelgefühl in deinem Kopf dich dazu drängen, vor dir selbst davonzulaufen. Jedes Mal wählst du ihre Nummer und traust dich dann minutenlang nicht, tatsächlich anzurufen. Wenn du dich endlich dazu durchringst und sie abhebt, schweigst du Câprice nur an; aber weil sie dich besser kennt als du dich selbst, weiß sie auch ohne Worte, was dein Anruf bedeutet.
Sie streichelt über deinen Rücken, bis es dir ein Bisschen besser geht, und du darfst so lange in ihrem Arm liegen wie du willst, wenn du mitten im Nirgendwo anhältst, weil es sich zu sehr anfühlt als würdest du von innen heraus verbrennen als dass du dich noch aufs Fahren konzentrieren könntest.
»Es schneit«, stellt sie in dieser Nacht plötzlich fest.
Du hast das Gesicht schon so lange in ihrem übergroßen Wollpulli vergraben, dass es um euch herum hätte Tag werden können, ohne dass du es bemerkt hättest. Mit einem Seufzen richtest du dich auf und blinzelst. Tatsächlich. Draußen rieseln feine Flocken auf den Boden, setzten sich an die Fenster, besprenkeln den Nachthimmel und den Wald, der nach Sonnenuntergang wie eine einzige schwarze Masse wirkt, mit ihrem leuchtenden Weiß.
Du hast keine Ahnung, wieso dich der erste Schnee des Jahres so glücklich macht; aber plötzlich schleicht sich ein Lächeln auf deine Lippen und eine ungeahnte Wärme in dein Herz.
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Du bist so müde, dass du ein paar Mal in einen Sekundenschlaf gefallen bist; das ist der einzige Grund, aus dem du Câprice fahren lässt, als ihr euch auf den Rückweg macht. Sie schwört, dass sie sich den Tag, an dem du sie zum ersten Mal seit keine-Ahnung-wann ans Steuer gelassen hast, rot im Kalender anstreichen wird, und du rollst mit den Augen, aber du musst auch lachen. Als sie fragt, wann du zuletzt geschlafen hast (und wie lange), antwortest du nicht.
Das Weiß des Schnees gesellt sich zu dem Weiß der Linien auf der Straße, nur um kurz darauf zu schmelzen, durchsichtige Spuren und grauen Matsch hinterlassend. Du folgst den Linien, die ihr hinter euch lasst, mit Blicken, bis zu dem kleinen freien Platz, an dem ihr bis eben geparkt habt. Neben der rechteckigen Lücke im Schnee liegt ein erbärmlicher Haufen, der eigentlich mehr aus gefrorener Erde besteht als alles andere. Der klägliche Versuch, einen Schneemann zu bauen, oder wenigstens einen ordentlichen Schneeball zu formen - der dann doch nur darin geendet hat, dass ihr beide über euch selbst lachen musstet.
Der Heimweg, der vor euch liegt, ist recht lang, aber dieses Mal habt ihr ein Ziel vor Augen, und irgendwie fühlt sich das gut an, wenn du darüber nachdenkst, selbst, wenn das Ziel bloß Zuhause heißt. Câprice fährt genauso schnell wie du und euer kleiner Platz am Rand des Waldes ist schon bald nicht mehr in Sichtweite. Du blickst ihm noch lange hinterher; dann schließt du die Augen.
Schnee. Vielleicht kann der das Lodern in deinem Inneren ja stoppen, denkst du.
»Alles okay?«, fragt Câprice leise.
Du drehst dich zu ihr um, lächelst sie kurz an und legst eine Hand auf ihren Oberschenkel. Dann folgst du mit deinem Blick wieder den weißen Linien - aber dieses Mal in Fahrtrichtung.
»Nein«, sagst du. »Nichts ist okay.«
Aber ihr wisst beide, ohne es auszusprechen, dass du mit dieser Tatsache jetzt ein kleines Bisschen besser umgehen kannst als vor ein paar Stunden noch.