Morgens, halb zehn in Köln [Krimi/Thriller/Horror: Der Morgen danach - Für mich]

Aug 23, 2019 10:17

Titel: Morgens, halb zehn in Köln
Team: Weiß (Titanic)
Challenge: Krimi/Thriller/Horror: Der Morgen danach - Für mich
Fandom: Alarm für Cobra 11
Rating: PG
Genre: Gen, Crime
Warnungen: None
Zusammenfassung: Semir überprüft, wo Tom bleibt. Was er findet gefällt ihm gar nicht…
Wörter: ~2200
Anmerkungen: Eigentlich sollte das kürzer werden und mehr Handlung abarbeiten, aber irgendwie wollte es nicht so wie ich. Also habe ich es in der Mitte durchgebrochen und den Rest für einen anderen Prompt verwendet. Auch ein Weg, Punkte zu bekommen. Ich glaube, ich habe Semir schon mal besser geschrieben, aber was soll’s. Ich bin gerade einfach froh, dass ich nach so langer Abstinenz wieder Zugang zum Fandom gefunden habe. Und außerdem: Punkte und so…

Reihenfolge: 1 | 2 | 3 | 4


Morgens, halb zehn in Köln

„So, mein Freund und jetzt hoffe ich für dich, dass du keine Scheiße gebaut hast! Ich schwöre dir, ich bringe dich eigenhändig um.“

Mit quietschenden Reifen brachte Semir seinen Dienstwagen vor Toms Wohnung zu stehen. Er war immer noch kein bisschen begeistert davon, jetzt hier zu sein. Berichte schreiben rangierte auf der Liste seiner bevorzugten Tätigkeiten weit unten, trotzdem säße er jetzt eindeutig liebe an seinem Schreibtisch. Aber der werte Herr Hauptkommissar Kranich meinte ja, mal wieder unauffindbar sein zu müssen. Warum war ausgerechnet er mit so einem Partner gestraft? Semir seufzte kopfschüttelnd und stieg aus. Er war unfair und das wusste er auch. Tom konnte nichts für seinen Stress mit Andrea und die Sache mit den Berichten hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Sie hatten gewusst, dass der Prozess näher rückte und die Berichte trotzdem jeden Tag rausgeschoben. Jetzt mussten sie eben die Konsequenzen tragen.

Während er den Wagen abschloss, ließ er den Blick gewohnheitsmäßig die Straße entlang schweifen - und stutzte. Wo war Toms Dienstwagen? Er hatte sich doch gestern Abend nach dem schweren Unfall auf der A1 direkt nach Hause verabschiedet und war nicht mehr mit zur PAST gekommen, um den Wagen zu wechseln. Sein Jepp hatte da auch heute früh noch gestanden. Also müsste sein Dienstwagen doch hier stehen. Stand er aber nicht. Bis auf einen ziemlich altersschwachen Kadett standen überhaupt keine Wagen am Straßenrand, erst recht kein dunkelblauer CLK. War doch etwas passiert? Tom war gestern Abend nicht gut drauf gewesen. Der Unfall war ihm ziemlich an die Nieren gegangen und verletzt hatte er sich auch. Nicht dass er…

Nein, ganz ruhig. Das hatte noch nichts zu bedeuten. Die Straße hier war nicht halb so ruhig, wie sie gerade aussah. Irgendwelche Deppen fuhren hier nachts ganz gerne mal Rennen und hatten Tom schon mehr als eine Macke in seinen Jepp gemacht. Bestimmt hatte er im Innenhof geparkt, damit er der Chefin nicht noch einen beschädigten Dienstwagen beichten musste. Drei in einem Monat hatten da das Maß mehr als voll gemacht. Wobei, im Moment interessierte ihn eigentlich auch weniger, wo Toms Wagen war - das war nämlich einzig und allein Toms Problem - sondern mehr, wo eigentlich Tom war. Vielleicht sollte er seinem werten Partner mal demonstrieren, was er von solchen Eskapaden hielt. Wozu war er schließlich Polizist und wusste noch dazu, wo sich der Zweitschlüssel für Toms Wohnung befand? Der Gedanke hob seine Laune doch erheblich. Wenn er hier schon Kindermädchen für seinen werten Partner spielen durfte, dann wollte er doch wenigsten ein bisschen Spaß haben. Mit einem schadenfreudigen Grinsen auf dem Gesicht überquerte Semir die Straße und trat durch die Tordurchfahrt in den Hinterhof, nur um sofort abrupt zurückzuprallen.

Der Hof war bis auf ein paar Blumenkübel vollkommen leer. Kein Wagen weit und breit. Hatte Tom doch nur verschlafen und war jetzt auf dem Weg zu PAST? Hatten sie sich womöglich nur um ein paar Minuten verpasst? Aber dann hätte Tom sich doch gemeldet. Er war ein Chaot, er verschlief regelmäßig und hatte es auch sonst nicht unbedingt mit Pünktlichkeit, aber er blieb nicht einfach unentschuldigt zwei Stunden von der Arbeit weg. Spätestens wenn er eine halbe Stunde überfällig war hatte er sich bisher noch immer gemeldet - oder Semir hatte ihn aus dem Bett geklingelt. Heute Morgen war weder das eine noch das andere eingetreten. Genau deswegen stand er jetzt ja hier. War gestern Abend doch nicht nach Hause gekommen? Er hatte richtig beschissen ausgesehen, als er gefahren war und dann noch die verbrannte Hand. Was, wenn er nur einen Augenblick unaufmerksam gewesen war? Wenn er einen Unfall gehabt hatte? Aber dann hätte man sie doch benachrichtigt. Selbst wenn Tom keine Auskunft mehr hätte geben können, die Kollegen hätten doch den Wagen erkannt und seinen Ausweis gefunden. Oder war sein Verschwinden gar kein Unfall? Hatte da vielleicht jemand nachgeholfen? Feinde hatten sie beide ja nun wahrlich genug. Sollte er die Kollegen informieren?

Nein, stopp! Er sollte nicht immer gleich das Schlimmste vermuten. Tom war mit Sicherheit gar nicht verschwunden. Bestimmt war er gestern Abend noch in seinen Lieblingsclub gefahren und so richtig abgestürzt. Er hatte sie ablenken wollen, aus den paar Drinks waren ein paar zu viele geworden und dann war er ganz verantwortungsbewusst mit dem Taxi nach Hause gefahren. Jetzt hatte er so einen Kater, dass er gar nichts mehr mitbekam. Ja, so musste es gewesen sein. Wäre ja auch nicht das erste Mal, hatte er selbst auch schon gemacht. Er sollte einfach klingeln, anstatt hier Horrorgeschichten zu spinnen, dann löste sich schon alles in Wohlgefallen auf.

Entschlossen schritt er durch den Hof zum Hauseingang und drückte die Klingel. Bestimmt würde Tom gleich vollkommen übernächtig und verkatert eine Entschuldigung in die Gegensprechanlage nuscheln und nur zwei Minuten später mit offenen Schuhen und dem Jackett noch in der Hand, die Treppe heruntergestürmt kommen. Die Vorstellung gefiel Semir. Er hielt den Daumen auf der Klingel und wartete. Heute Morgen konnte Tom von ihm garantiert keine Gnade mehr erwarten. Während er auf das Knacken und die vertraute Stimme in der Gegensprechanlage wartete, legte er sich schon mal einen Spruch für Tom zurecht, wenn der ihm gleich völlig verpeilt und verkaterte die Tür öffnete. Aber nichts dergleichen geschah. So sehr Semir die Klingel auch malträtierte, die Gegensprechanlage blieb stumm und es betätigte auch niemand den Türsummer.

So kam er nicht weiter. Er ließ von der Klingel ab und rüttelte noch einmal - mehr pro forma - am Türgriff. Auch da rührte sich nichts. Niemand hatte - versehentlich oder absichtlich - das Häkchen im Schloss umgelegt und die Tür offen gestellt. Was sollte er jetzt tun? Nochmal anrufen? Würde das wirklich etwas bringen? Wahrscheinlich nicht, aber er wollte es auch nicht unversucht lassen. Also griff er zu seinem Handy und drückte zum inzwischen zehnten Mal die Kurzwahlen für Toms Handy und das Festnetz. Das Ergebnis blieb dasselbe. Das Handy war aus und am Festnetz ging nur der AB dran. Was blieb ihm dann noch? Rufen? Würde Tom das hören, wenn er die Klingel und das Telefon nicht hörte? Einen Versuch war es wert. Vielleicht hatte er Glück und die Fenster waren offen.

Semir trat ein paar Schritte zurück und schaute hinauf zu Toms Wohnung. Warum musste die auch im vierten Stock liegen? Im Erdgeschoss hätte er einfach ans Fenster geklopft, selbst bis zum zweiten Stock hätte er noch versucht, auf den Balkon zu klettern, aber so. Er hatte Glück und Pech zu gleich. Die beiden Küchenfenster waren gekippt, aber es waren leider auch genau die Fenster, die am weitesten vom Schlafzimmer entfernt lagen. Versuchen musste er es trotzdem. Semir legte die Hände vor dem Mund zu einem Trichter zusammen und rief aus Leibeskräften.

„TOM?!? TOOOOOOMM!“

In einem Fenster im zweiten Stock bewegte sich die Gardine und eine ältere Dame blicke sehr missmutig auf ihn herunter. Es interessierte ihn im Augenblick herzlich wenig.

„TOOOOOOOOOOOOOOOOMMMMMM!“

Er brüllte mit allem, was seine Lunge hergab. Über ihm wurde ein Fenster aufgerissen.

„Gütiger Himmel, was veranstalten Sie denn hier für einen Zirkus, junger Mann?“, zeterte eine weibliche Stimme. „Sie sehen doch, dass der Herr Kranich nicht da ist. Es gibt Menschen, die gehen einer geregelten Arbeit nach!“

Die alte Dame lehnte jetzt in ihrem Fenster und schaute abschätzig auf ihn herab. Er war sehr geneigt, ihr eine gepfefferte Antwort zu geben, doch im letzten Moment besann er sich auf den Grund seines Herkommens. Die Frau war seine Chance ins Haus zu kommen. Wenn er erst mal drin war, kam er mit dem Zweitschlüssel auch in Toms Wohnung. Er zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn ihr entgegen.

„Gerkhan, Kripo Autobahn. Das ist ein Notfall. Öffnen Sie bitte die Tür!“

„Pah, das kann ja jeder behaupten!“, erwiderte sie schnippisch.

Ihr Blick war noch abschätziger geworden, als er seinen Namen genannt hatte. Wenn er Müller, Maier oder Schulze gesagt hätte, stünde er wahrscheinlich längst im Hausflur. Aber so glaubte sie ihm kein Wort. Eine altbekannte, bittere Wut kroch seine Kehle herauf. Er schluckte sie herunter, zwang sich zur Ruhe. Wenn er jetzt ausrastete, erreichte er gar nichts.

„Aber nicht jeder hat einen Polizeidienstausweis.“ Er wedelte demonstrativ mit den Kärtchen. „Und jetzt öffnen Sie bitte die Tür.“

„Das kann ja alles Mögliche sein, das kann ich doch von hier oben nicht erkennen“, entgegnete sie mit Blick auf seinen Ausweis argwöhnisch.

„Dann kommen Sie runter und überzeugen Sie sich selbst.“

‚Tief durchatmen, ganz tief durchatmen, nicht ausrasten‘, wiederholte Semir wie ein stummes Mantra. Die Alte war ja schlimmer als die Schrankmann und bisher hätte er behaupte, das geht gar nicht.

„Damit Sie mich dann überwältigen können? Nee, Sie bleiben schön da draußen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und überhaupt, was wollen Sie eigentlich von Herrn Kranich?“

„Er ist mein Kollege und ich muss dringend in seine Wohnung!“ Semir biss die Zähne zusammen. Seine mühsam gewahrte Beherrschung bröckelte angesichts dieser renitenten Alten ganz massiv.

„Das dürfen Sie gar nicht! Echte Polizisten brauchen für sowas nämlich einen Durchsuchungsbefehl!“, erklärte sie triumphierend.

Semir ballte die Hände zu Fäusten. Aus, Schluss, vorbei! Seine Geduld war am Ende. Hier war irgendetwas mächtig faul. Tom war unauffindbar, sein Handy ausgeschaltete, der Dienstwagen weg und er stritt sich hier mit so einer rechthaberischen Schabracke, um solche Kleinigkeiten wie einen Durchsuchungsbeschluss. Das konnte doch alles nicht wahr sein.

„Gefahr im Verzug! Machen Sie sofort diese verdammte Tür auf oder ich werde mir auf anderem Wege Zutritt zum Haus verschaffen!“, brüllte er.

Die Alte starrte für einen Augenblick mit offenem Mund auf ihn herunter, , dann knallte sie das Fenster so hart zu, dass die Scheiben klirrten. Semir hätte schreien können vor Wut. Er war kurz versucht, die Tür einfach einzutreten, aber dann drückte er einfach wahllos auf allen Klingeln herum. Irgendwer würde ihm schon die Tür aufmachen. Tatsächlich hatte er Glück, schon nach wenigen Sekunden knackte die Gegensprachanlage.

„Polizei! Machen Sie die Tür auf!“

Der Summer ging. Ungeduldig stieß er die Tür auf und stürmte durch den Hausflur und die Treppen hinauf. Aus dem Augenwinkel sah er ein paar irritierte Hausbewohner in ihren geöffneten Wohnungstüren stehen, doch er achtetet nicht weiter darauf. Seine Gedanken galten einzig und allein Tom.

Völlig außer Atem und mit brennenden Beinen erreichte er den obersten Treppenabsatz in neuer Rekordzeit. Sein Herz hämmerte, er hatte Seitenstiche und für einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen. Er musste sich am Geländer festhalten, um überhaupt aufrecht stehen zu bleiben. Er rang nach Luft, kämpfte verbissen gegen das schummrige Gefühl. Warum musste Tom auch im Dachgeschoss wohnen? Er war ja wirklich fit, aber vier Etagen im Sprint, das war auch für ihn zu viel des Guten.

Langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder und auch sein Atem wurde ruhiger, weniger schmerzhaft. Als er wieder klar sehen konnte, nahm er den Vorplatz vor der Dachgeschosswohnung genau in Augenschein. Alles sah aus wie immer. Die beiden riesigen Zimmerpflanzen der Nachbarin verwandelten den Treppenabsatz in einen halben Dschungel. Auf dem Kissen vor dem Fenster räkelte sich eine kleine, schwarz-weiße Katze gelangweilt in der Vormittagssonne, durch das gekippte Fenster drang das Zwitschern der Vögel herein und ab und an raschelte die Pflanzen in einem Luftzug. Ansonsten war es vollkommen still.

Zu still für Semirs Geschmack. Er traute dem Frieden nicht. Inzwischen war er sich vollkommen sicher, dass hier irgendetwas überhaupt nicht stimmte. Leicht geduckt huschte er zu dem großen Bambusbusch hinüber, in dessen Übertopf Tom den Zweitschlüssel für seine Wohnung versteckte. Nicht dass er irgendeinen Sinn hatte, sich zu ducken, aber das war wahrscheinlich einfach die Gewohnheit. Mit zittrigen Fingern angelte er nach dem Schlüssel. Da war nichts. Er grub tiefer, tastete den ganzen Boden ab, als ihn plötzlich ein durchdringendes Quietschen aufschreckte.

Er fuhr herum, riss seine Waffe aus dem Holster und entsicherte sie in einer fließenden Bewegung. Da war nichts. Der Treppenabsatz war menschenleer, nur die Katze fühlte sich offensichtlich gestört. Pikiert schaute sie Semir an, sprang elegant von der Fensterbank herunter und stolzierte an ihm vorbei die Treppen hinab. Semir verharrte bewegungslos, lauschte angespannt, ob sich das Geräusch wiederholte. Es blieb alles still, nur die Blätter des Bambus raschelten im Luftzug. Semir hielt den Atem an und wartete. Das Blut rauschte in seinen Ohren, übertönte fast alles - und dann war das Geräusch plötzlich wieder da. Ein feines, metallisches Quietschen wie von einer schlecht geölten Tür, die ganz leicht in den Angeln schwang. Eine ungute Ahnung beschlich Semir. Ganz langsam, hoffend, dass er sich irrte, wandte er sich zu Tom Wohnungstür herum.

Er irrte sich nicht. Die Tür zu Toms Wohnung stand einen Spalt breit offen. Semirs Herz setzte einen Schlag aus. Jetzt wusste er, dass hier irgendetwas überhaupt nicht stimmte. Tom hatte ein Sicherheitsschloss, er würde seine Tür niemals offen lassen. Semir schluckt trocken. Ganz vorsichtig schlich er näher, presste sich neben der Tür rücklings an die Wand. Er gab der Tür ganz behutsam einen Schubs, damit sie weiter aufschwang. Angespannt lauschte er in die Wohnung hinein. Alles war still. War Tom die Nacht einfach nur zu besoffen gewesen, um richtig abzuschließen? Es wäre untypisch, aber nicht vollkommen unmöglich. Es blieb still. Falscher Alarm. Semir entspannte sich, sicherte seine Waffe wieder, als ein dumpfes Geräusch aus dem Inneren der Wohnung drang.

Ein Geräusch wie vom Aufprall eines reglosen Körpers auf dem Fußboden.

alarm für cobra 11, inspiration, thots tochter, team: weiß

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