Team: Juliet
Challenge: Hurt/Comfort - JOKER (Folgeschäden, 2021) (fürs Team)
Rating: gen
Fandom: Tatort Wien
Charaktere/Pairings: Bibi Fellner, Moritz Eisner, Ernst Rauter
Notes: [Tatort aber es gibt Magie AU, Teil 6] Ernstl hat die ganze Sache nicht ohne Schäden überstanden.
Teil 1,
Teil 2,
Teil 3,
Teil 4,
Teil 5 ***
Entsetzt starrten sie in das Zimmer, wo Ernstl gestern noch gelegen hatte.
Das Bett war leer.
Bibi schwankte und wenn Moritz sie nicht festgehalten hätte, wäre sie wohl umgefallen.
"Suchen Sie den Herrn Rauter?" fragte eine Schwester hinter ihnen. "Den haben sie vorhin mitgeommen."
"Oh Gott, is er-?"
"Was? Nein, nein! Er ist heute Morgen aufgewacht."
Moritz' Arm um ihre Schultern gab ihr Halt, sonst hätte die Erleichterung sie umgehauen. "Wo ist er? Wie geht's ihm?"
Die Schwester schüttelte den Kopf. "Ich weiß nur, dass der Neurologe bei ihm war, das ist alles. Aber ich kann nachschauen, wohin er verlegt wurde."
Ein paar Minuten später standen sie vor dem Zimmer. Sie klopften und als keine Antwort kam, warfen sie sich einen Blick zu, bevor sie langsam die Tür öffneten. Bibis Herz klopfte wild, als sie das Zimmer betraten.
Ernstl saß im Bett, und obwohl er in ihre Richtung sah, schien er sie nicht wahrzunehmen.
"Ernstl?" Moritz' Stimme zitterte.
Er zuckte zusammen, aber sein Blick klarte langsam auf, während sie an sein Bett herantraten. Einen Moment lang schaute er zwischen ihnen hin und her, dann fokussierten seine Augen sich auf Bibi.
Ein seltsamer wortloser Laut kam aus seinem Mund, woraufhin er seufzte und den Kopf schüttelte.
"Hey." Sie zog einen Stuhl heran. Seine Augen folgten jeder ihrer Bewegungen und als sie neben ihm saß, streckte er eine Hand aus und legte sie auf ihre Wange. Seine Hand war warm, aber sie spürte, wie sie zitterte und sah Tränen in seinen Augen.
Moritz nahm auf der anderen Seite des Betts Platz und legte eine Hand auf Ernstls Schulter, als wollte er sich versichern, dass er tatsächlich da war.
"Wie geht's dir?"
Noch einmal machte Ernstl ein seltsames Geräusch und sie runzelte die Stirn.
"Ernstl?"
Er schloss einen Moment lang die Augen, dann zeigte er auf seinen Hals und schüttelte noch einmal den Kopf. Was wollte er…?
"Du kannst ned reden?"
Ernstl nickte, bevor er sich vorbeugte und sie in eine lange Umarmung zog.
***
"Den Kollegen ham's gesagt, dass der Ernstl an Schlaganfall hatte," platzte es aus Moritz heraus, als sie sich zu ihm ins Auto setzte.
Einen Moment lang sah sie ihn verdutzt an, aber dann nickte sie. "Na ja, macht irgendwie Sinn, oder?"
"Ja, schon. Aber es is trotzdem… Es is einfach seltsam, so darüber nachzudenken. Der Ernstl…" Er schüttelte den Kopf. "Er is jetzt so anders."
"Ich glaub, er findet's am frustrierendsten, dass er seine Gefühle nicht so recht unter Kontrolle hat. Ich mag seine Umarmungen ja wirklich sehr, aber so hab ich die jedenfalls ned ham wollen."
Eine Weile war sie still und er konzentrierte sich aufs Fahren, bevor sie fragte, "Meinst du, dass er dann immer noch… also, wenn er wieder gesund is?"
Aber Moritz hatte auch keine Antwort für sie. Es war schwer, sich einzugestehen, dass sie nicht wussten, ob Ernstl je wieder wirklich gesund werden würde. Ob er irgendwann wieder so eloquent reden würde, wie vorher. Ob die Momente der Desorientierung ihn den Rest seines Lebens begleiten würden und ob er seine innere Ruhe wiederfinden würde, anstatt von seiner momentan überbordernden Emotionalität weiter überrascht zu werden.
Ernstl war still, als sie ihn aus dem Krankenhaus abholten. Sie versuchten gelegentlich, ihn so gut es ging in ihre Unterhaltung mit einzubeziehen, aber er starrte die ganze Fahrt über nur aus dem Fenster und schien gar nicht zuzuhören. Erst als sie an seinem Haus angekommen waren und er ausstieg, kehrte etwas Leben in ihn zurück.
Er seufzte. "Raaahnn."
Nach einem Stirnrunzeln probierte er es noch einmal. "Haahng!"
Auch wenn sie ihn nicht verstehen konnten, wusste Bibi doch, was er meinte. "Endlich zuhause," sagte sie und er nickte.
Moritz öffnete den Kofferraum und griff nach Ernstls Tasche, im gleichen Moment wie Ernstl selbst, der natürlich darauf aus war, sie selbst zu nehmen, ungeachtet seiner körperlichen Verfassung. Einen Moment lang zerrten sie beide an der Tasche, bevor Bibi eingriff.
"Jetzt seids ned deppert. Ich nehm die. Moritz, du passt auf, dass unser Ernstl ned wieder die Schwerkraft umdreht. Sonst fliegt der uns noch weg."
Ernstl verdrehte zwar die Augen bei ihrer Umschreibung seines gelegentlich streikenden Gleichgewichtssinns, trotzdem stand ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen und er ließ sich widerstandslos von Moritz erst zur Haustür und dann nach innen begleiten. Während sie ihre Schuhe auszog und die Jacke an den Haken hin, ging Ernstl vorsichtig in Richtung Wohnzimmer. Mit jedem Schritt schien ein Teil der Anspannung aus ihm zu weichen, die ihn besonders die letzten Tage belastet hatte.
Ein kurzer Blick zu Moritz, der nickte. Gut, dass sie sich auch ohne Worte verstanden. Sie würden ihrem Freund erst einmal etwas Platz geben, also gingen sie in die Küche, wo Moritz begann, Kaffee zu kochen. Natürlich. Mit einer Tasse Kaffee ließ sich schließlich alles besser aushalten.
Als Bibi ein paar Minuten später ins Wohnzimmer ging, um Ernstl zu holen, stockte sie stattdessen in der Tür. Ernstl lag auf dem Sofa und schlief. Die untergehende Wintersonne warf tiefe Schatten in sein Gesicht und ließ die Ringe unter seinen Augen noch dunkler erscheinen.
Leise schlich sie sich ans Sofa heran und hob die zusammengelegte Kuscheldecke vom Boden auf, die normalerweise auf der Lehne lag. Bestimmt war sie heruntergerutscht, als er sich hingelegt hatte. Bedacht darauf, nicht zu laut zu machen, schüttelte sie die Decke auf und warf sie über ihn. Vorsichtig zupfte sie sie an einer Seite über seine Füße und zog sie an der anderen Seite über seine Schultern, dann blickte sie ihn einen Moment lang einfach nur an.
Seine Schultern hoben und senkten sich mit jedem langsamen Atemzug.
Er hatte ihr das Leben gerettet.
Er hatte sein eigenes für sie geopfert.
Sie lauschte seinem leisen Atem, während ihr Herz bebte und Tränen begannen, über ihr Gesicht zu laufen. Dass Ernstl überlebt hatte, war einzig und allein dem Zufall geschuldet, dass Major Bergmanns Kollege schon in der Nähe gewesen war als sie ihn informierte. Denn ohne die Stasis…
Bibi unterdrückte ein Schluchzen. Ihre Brust schmerzte vor Dankbarkeit. Und vor Schuld. Hätte sie doch nur besser aufgepasst-
Ein geflüstertes "Hey…", dann zog Moritz sie in seine Arme.