Der Cellist - Teil 6

May 25, 2012 19:39


Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5



Master Bruce, sagt JARVIS in die Stille von Bruces Labor hinein. Bruce hält in seinen Bewegungen inne, aber er erschrickt nicht, zuckt nicht zusammen. Er ist sich nicht sicher, wie JARVIS es fertig bringt, aber sein Tonfall ist jedes Mal aufs Neue genau der Richtige.

„Ja, JARVIS?“

Agent Barton befindet sich auf dem Weg in Richtung Labor. Ich weiß nichts Genaues, aber ich nehme an, dass er Sie besuchen möchte.

„Vielen Dank, JARVIS.“

Gern geschehen, Sir. Darf ich Sie noch darauf hinweisen, dass, falls er Sie erneut aufsucht, um der Aufmerksamkeit von Mister Stark und Captain Rogers zu entgehen, Sie darüber nachdenken sollten, eine beliebige Form von Musik zu spielen?

„Wieso das?“

Beim letzten Mal hat Captain Rogers Agent Barton atmen hören.

„Huh. Ich hatte mich schon gewundert, dass er und Tony Clint überhaupt nicht gelöchert haben. Danke für den Hinweis, JARVIS.“

Immer wieder gern, Sir.

JARVIS behält Recht. Es vergeht keine Minute, ehe Clint bei ihm anklopft, und diesmal ist Bruce vorbereitet und kann ihm so gelassen wie nur möglich die Tür öffnen.

„Ja?“

Clint blinzelt ihn müde an. „Ist der Platz unter deinem Tisch augenblicklich belegt?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

Clint verschwendet keine weiteren Worte und verschwindet prompt unter Bruces Labortisch.

„Clint?“

„Ja?“

„Was hältst du von Springsteen?“

„Eine Menge.“

„Wunderbar. Und bitte, JARVIS.“

Explosionen erfüllen die trockene Luft. Maschinengewehrfeuer dröhnt in der Ferne. Clint reguliert seinen Atem. Er ist weit genug vom Kern des Geschehens entfernt, um sich einigermaßen sicher zu fühlen - nur einigermaßen, nicht völlig.

In diesen Situationen ist man niemals völlig sicher, und wenn man damit anfängt, sich das einzubilden, ist man tot.

Also bleibt er aufmerksam, bleibt still, rührt sich keinen Millimeter. Theoretisch ist die Mission vorbei. Die Terrorzelle ist in die Luft gegangen, wortwörtlich. Aber bisher hat er keinen Befehl erhalten, seinen Standort zu verlassen, und als er das das letzte Mal eigenmächtig entschieden hat, hat Agent Coulson ihm beinahe den Kopf abgerissen. Also bleibt er.

Es kann sich nur noch um Minuten handeln. Oder Stunden. Bei SHIELD kann man sich da nie so sicher sein.

Aber für gewöhnlich gibt Phil ihm zumindest eine kurze Zwischenmeldung, wie die Dinge stehen, weil er ganz genau weiß, dass Clint andernfalls ruhelos wird.

Dann knistert das Mikrophon in seinem Ohr, stößt ein langgezogenes Fiepen aus, und Clint braucht all seine Selbstbeherrschung, um nicht zusammenzuzucken oder zu fluchen. Wie SHIELD ihn noch immer mit diesem minderwertigen Dreck in einen Einsatz schicken kann, ist ihm unbegreiflich.

„Barton“, ertönt dann eine undeutliche, weibliche Stimme. Kurz ist Clint völlig desorientiert, weil es nicht Phil ist, und er beißt die Zähne zusammen.

„Barton, sind Sie noch in Position?“ Es muss Agentin Hill sein, kann nur Agentin Hill sein. Clint gibt eine kurze Bestätigung durch.

„Können Sie von Ihrem Standort aus den Zugang zur gesprengten Anlage einsehen?“

Clint verändert leicht seine Position, sieht durch das Zielfernrohr seines Gewehrs. Sieht Phil umzingelt, auf seinen Knien, sein Mikrophon neben ihm im Dreck. Er hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und Clint kann einen verdammten Stiefelabdruck auf dem Rücken seines sonst so makellosen Anzugs ausmachen.

„Ich habe Sichtkontakt“, gibt er durch. Sein Tonfall ist ruhig, kontrolliert. Dabei schlägt sein Herz so heftig, dass es ihm beinahe den Brustkorb sprengt.

Agentin Hill verdient sich seine ewig währende Anbetung mit den Worten: „Dann machen Sie sie fertig, Agent Barton.“

Clint erlaubt sich ein kurzes Grinsen, ehe er auf den Abzug drückt.

Sein Ziel geht zu Boden, und Phil erhebt sich von seinen Knien - in einer einzigen, fließenden Bewegung, die Clint merkwürdig an Tasha erinnert.

Phil wendet sich nach rechts, also wendet Clint sich nach links, drückt dreimal auf den Abzug, schaltet drei Männer aus. In der Zwischenzeit hat Phil ebenfalls ein Gewehr an sich gebracht und es nutzbringend eingesetzt.

Clint ist sich ziemlich sicher, dass keiner ihrer Gegner überlebt hat. Für gewöhnlich nagen derartige Gedanken an ihm, verursachen ihm Schuldgefühle. Diesmal nicht.

Er sieht, wie Phil sein Mikrophon aufhebt, es an seinem Anzug abwischt, dann hält er es sich ans Ohr. „Das war ausgezeichnet, Barton.“

Clint entlässt seinen angehaltenen Atem der letzten Sekunden. „Danke sehr, Sir.“

„Du klingst ein wenig atemlos“, sagt Phil, und Clint sieht ihn grinsen. „Dabei hab ich doch die ganze Arbeit gemacht.“

Clint beißt sich auf die Unterlippe, kann das warme Kribbeln nicht ignorieren, das Phils Worte in ihm auslösen. Nicht nur hat Phil ihn ausdrücklich gelobt - und das passiert im Prinzip nie - er flirtet praktisch gerade mit ihm.

„Es war schon anstrengend genug, Ihnen nur dabei zuzusehen, Sir“, erwidert er schließlich in dem Wissen, dass er einen Ruf zu bewahren hat.

Dann sieht er Phil taumeln. „Sir?“

Über das Mikrophon in seinem Ohr hört Clint Phil einen mühevollen Atemzug nehmen. Wenn er es nicht besser wüsste, würde Clint es als schmerzerfülltes Stöhnen bezeichnen. „Sir?“

Anderthalb Meilen von ihm entfernt geht Phil Coulson auf ein Knie hinunter. „Es ist nur eine Fleischwunde, Barton.“

Dann wird die Leitung still, und Phil lässt sein Gewehr fallen.

Clint kommt mit einem atemlosen Keuchen zu sich. Er ist völlig desorientiert, kann weder den Lichteinfall zuordnen, noch seine begrenzte Bewegungsfreiheit.

Er gerät in Panik.

Jahrelanges Training hat Clint zu einer sehr speziellen Form von Panik finden lassen. Er bleibt völlig still sitzen, rührt sich keinen Millimeter.

Es ist seinem Verhalten im Feldeinsatz auffallend ähnlich - nur dass er im Feldeinsatz für gewöhnlich nicht vergisst zu atmen.

Zu seiner Linken entsteht Bewegung, aber Clint schafft es nicht, darauf zu reagieren. Seine Muskeln sind so sehr angespannt, dass es wehtut, und das Brennen in seiner Lunge … nun, es brennt.

„Clint?“

Weiße Punkte tanzen in seinem Sichtfeld, er kann nicht einmal blinzeln, aber es dringt vage zu ihm durch, dass neben ihm jemand in die Hocke geht, ihn anfasst.

„Clint? Ist alles - du musst atmen, Clint, atmen!“

Hände packen ihn, ziehen ihn aus seinem Nest - und das ist falsch, das geht nicht, Phil hat gesagt, er soll in seinem Nest bleiben, bis er Kontakt zu ihm aufnimmt, und er hat nicht, Phil hat nicht - Phil ist verletzt!

Clint öffnet seinen Mund um zu schreien, und seine Lungen nehmen die Gelegenheit wahr und saugen so viel Sauerstoff wie möglich ein. Das Resultat sind stechende Schmerzen in seiner Brust, verschwommene Sicht und ein plötzlich schrecklich klarer Kopf.

„Er war allein!“ hustet er gegen Bruces Brust - und jetzt weiß er, dass es Bruce ist, dass es niemand anders sein kann als Bruce, aber das hilft ihm jetzt auch nicht mehr. „Er war allein, er war ganz allein!“

Clint ballt beide Hände zu Fäusten, und ehe er weiß, was er tut, ist er dabei, auf Bruce einzuschlagen. „Wo ward ihr? Wieso zum Teufel war er allein?! War für ein Team sind wir, wenn wir nicht - wenn wir nicht aufeinander -“

Über ihm gibt Bruce ein überraschtes Keuchen von sich, da ist ein unerwartetes Grollen in seiner Stimme, und Clint stößt ihn von sich und rennt weg. Rennt, so schnell er nur kann.

Ein Teil von ihm redet sich ein, dass er rennt, weil er Angst vor Bruce - vor dem Anderen - hat, aber der Rest von ihm weiß, dass er rennt, weil er ganz genau weiß, dass er den Ausdruck in Bruces Augen nicht ertragen könnte.

Das Mitleid. Die unausgesprochenen Worte.

Wo waren wir? Wo warst du? Wie hätten wir ihm helfen sollen? Es ist deine Schuld, dass er allein war. Ganz allein deine Schuld.

Bruce ist sich ziemlich sicher, dass er blaue Flecken von seinem Zusammenstoß mit Clint davon tragen wird, aber das ist ihm augenblicklich mehr als einfach nur egal.

Er geht davon aus, dass Clint einen Alptraum hatte, hat eine ziemlich gefestigte Ahnung, was Clints gestammelte Worte zu bedeuten hatten - und er ist sich mehr als sicher, dass Clint jetzt keinesfalls allein sein sollte.

„JARVIS? Wo ist er hin?“

Augenblicklich befindet Agent Barton sich auf dem Weg nach draußen, Master Bruce. Wünschen Sie, dass ich Mister Stark über die Situation in Kenntnis setze?

„Noch nicht, JARVIS.

Ganz wie sie wünschen, Sir.

Bruce zieht seinen Laborkittel aus, wirft ihn in die Ecke und verlässt das Labor. Selbstvorwürfe versuchen, sich Gehör zu verschaffen, aber er schiebt sie ungeduldig beiseite. Was hätte er denn tun sollen? Clint zum Reden zwingen? Bruce hat nur eine vage Vorstellung von Clint Bartons Charakter, aber er denkt, dass Reden nichts bringen würde.

Man kann einem Mann so oft erzählen, wie man will, dass er keinen Einfluss auf gewisse Dinge hat, und dass gewisse Vorkommnisse ganz gewiss nicht seine Schuld sind - aber Bruce weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht das Geringste bringt, wenn der Mann nicht zuhören, nicht begreifen will.

Bruce selbst hat schließlich noch immer Schwierigkeiten damit, sich nicht die Schuld dafür zu geben, wenn der Hulk etwas zerstört, wenn er unschuldige Leben in Gefahr bringt. Dabei weiß er, dass er keine Kontrolle über das Biest hat. Nicht wirklich. Aber genau das ist ja sein Problem.

Links, Master Bruce, meldet JARVIS sich unaufgefordert zu Wort, als Bruce Tonys Villa verlässt, also wendet Bruce sich nach links, joggt mit besorgtem Gesichtsausdruck den Kiesweg entlang, dessen weiße Steinchen in der Abenddämmerung praktisch leuchten.

Bruce würde nicht unbedingt sagen, dass er über einen siebten Sinn verfügt. Aber er verfügt über einen Hulk, und der Hulk spürt manchmal schlicht besser, wenn etwas nicht stimmt. Spürt, wann er die Kontrolle übernehmen muss.

Manchmal spürt er außerdem, wenn zwei Meter über Bruces Kopf jemand an der Hauswand hochklettert.

Also bleibt Bruce wie angenagelt stehen, ohne wirklich zu wissen wieso, und blickt sich irritiert um. Wenn er nicht nach ihm suchen würde, hätte er Clint vermutlich nicht einmal gesehen, aber so kann er den dunkleren Schatten zwischen den übrigen Schatten ausmachen und eine logische Schlussfolgerung ziehen.

Ihm ist nicht ganz klar, was Clint denkt, was er tut, wenn er die Hauswand erklimmt. Aber Clint ist ein Sniper, also geht Bruce davon aus, dass er schlicht nach oben will - oben ist er sicher, von oben hat er alles im Blick, alles unter Kontrolle.

Aber Tonys Villa ist alt und nicht dafür gemacht, dass man an ihr herum klettert, und Clint … Bruce geht instinktiv davon aus, dass er nicht unbedingt vorsichtig ist, sich nicht die Zeit lässt, seine Bewegungen zu überdenken und sich genügend abzusichern.

„JARVIS“, sagt er leise und hofft, dass Clint ihn nicht hört. „Schick Tony her. In seinem Anzug, bitte.“

JARVIS bleibt still, aber Bruce weiß, dass er ihn gehört hat und dabei ist, seinen Befehl umzusetzen.

Sein Wissen hilft ihm nicht, als Clint, sieben Meter über dem Erdboden, den Halt verliert und fällt.

Clint ist sich nicht sicher, was passiert ist. Eben noch ist er gefallen - viel zu lange, viel zu tief - und jetzt … nicht mehr.

Er ist mit dem Konzept vertraut genug, um Schmerzen zu erwarten. (Grässliche Schmerzen, wenn er ganz ehrlich ist. Gebrochene Rippen sind eine höchst unangenehme Angelegenheit.) Aber er hat keine Schmerzen.

Er fühlt sich höchstens ein bisschen … beengt. Schon wieder.

Und es riecht nach Ozon.

Merkwürdig.

Vorsichtiges Blinzeln eröffnet ihm eine dunkle, grüne Welt. Entweder, er ist auf den Kopf gefallen, und das hier ist eine höchst absonderliche Hölle … was anderes fällt ihm nicht ein.

„Scheiße“, ertönt dann eine vertraute Stimme von links hinter ihm und … Jupp. Eindeutig die Hölle. Und es war so klar, dass Stark in seiner Hölle auftauchen würde.

Über Clints Kopf ertönt ein ominöses Grollen, irgendwo zwischen Höllenbiest und Schmusekatze … und das passt nicht. Die Schmusekatze. Schmusekatzen haben in der Hölle nicht das Geringste verloren. Es sei denn natürlich, es ist gar keine Schmusekatze, sondern -

„Äh … Hulk, Kumpel … du möchtest Barton nicht zufällig … also … loslassen?“

Das bringt Clint endlich dazu, den Kopf anzuheben und ordentlich nachzusehen, wo er eigentlich ist.

Eine kurze aber intensive Bestandsaufnahme eröffnet ihm dann auch, dass er sich in den Armen des Hulks befindet. Clint ist nicht ganz klar, wie das passieren konnte, aber er will mal nicht so sein.

Völlig entgegen sämtlicher Erwartungen, die er möglicherweise gehabt haben könnte, ist Hulk … überraschend sanft. Er hält Clint, wie übervorsichtige Väter ihren Nachwuchs halten - gestützt in beide Arme, und eine Hand hinter Clints Kopf, warm und riesig und unfassbar sicher.

Clint hat mit einem Mal einen gigantischen Kloß im Hals. Er hat Bruce angeschrien. Dabei war Bruce bisher ausnahmslos nur gut zu ihm.

„Barton, bist du ok?“ ertönt ein weiteres Mal Tonys Stimme, und Clint dreht ihm den Kopf zu und sieht ihn in einigen Metern Entfernung in seinem Anzug stehen. Neben ihm steht Captain Rogers in Zivil und wirkt trotzdem heldenhafter, als es Clints Meinung nach irgendwem von Rechtswegen zusteht.

„Ich bin ok“, bestätigt er, nach wie vor ein wenig eingeschüchtert von seinem grünen Beschützer. „Hulk hier hat mich gefangen, wies aussieht.“

Über ihm ertönt ein weiteres Mal ein Grollen, und diesmal ist Clint sofort klar, was es zu bedeuten hat.

Er streckt die Hand aus und tätschelt Hulks muskelbepackten Arm. „Ich wollte dich nicht erschrecken, Kumpel.“

Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Und Bruce auch nicht.“

Hulk sieht ihm in die Augen - und seine Augen sind riesig und grün und … und freundlich - dann setzt er sich begleitet von einem mittelschweren Erdbeben hin. Und hält Clint weiter fest. Und … wiegt ihn.

Clint ist völlig fassungslos.

„Ich will schwer hoffen, dass JARVIS auch Kameras außerhalb des Hauses hat“, ertönt mit einem Mal Natashas amüsierte Stimme aus dem Baum zu seiner Rechten. Clint stöhnt und vergräbt sein Gesicht an Hulks massiver Brust.

19 Tage

„Captain Rogers - auf ein Wort.“

Steve bleibt ganz automatisch stehen, ob er will oder nicht. Direktor Fury hat eine Art an sich, seinen Namen auszusprechen, die direkt auf sein Nervenzentrum einwirkt, anstatt den Umweg über sein Gehör zu nehmen.

Dementsprechend ist die Drehung, die Steve in Richtung Fury ausführt, dann auch ein wenig … steif. „Direktor?“

Sie stehen in der Lobby vom SHIELD Hauptquartier, zwei einsame Gestalten in der Morgendämmerung. Fury hat beide Hände hinter dem Rücken verschränkt und mustert Steve gelassen von oben nach unten. „Ich nehme an, Sie brechen wie gewohnt zum aktuellen Wohnsitz unseres geschätzten Mister Stark auf?“

Steve nickt lediglich.

Fury atmet tief durch, und Steve braucht einen Moment, ehe er realisiert, dass der Direktor soeben ein Seufzen schwerster Seelenqual ausgestoßen hat. „Captain, ich weiß nicht, ob Sie sich dessen bewusst sind - aber die Öffentlichkeit weiß, wie Sie aussehen.“

Steve blinzelt ihn verständnislos an.

Fury gestikuliert an ihm auf und ab. „Und Ihre Aufmachung ist in keinster Weise dazu angetan, der allgemeinen Aufmerksamkeit zu entgehen!“

Steve blickt an sich selbst hinab. Er trägt sein übliches weißes T-Shirt und Jogginghosen und hat demzufolge nicht die geringste Ahnung, worauf Fury hinaus will.

Fury starrt gen Decke, scheint mit sich zu ringen. „Wenn ich richtig informiert bin, haben Doktor Banner, Agent Barton und sogar Agentin Romanoff inzwischen eigene Zimmer in Starks Villa?“

Steve nickt. „Das ist richtig, Direktor.“

Der Blick, den Fury ihm daraufhin zuwirft, ist genug, Steve einen halben Schritt zurückweichen zu lassen. Es muss an der konzentrierten Natur dieses Blickes liegen. Eine andere Erklärung hat Steve nicht.

„Warum Sie nicht?“

Steve schluckt trocken. „Sir?“

„Sehen Sie, wir könnten uns dieses ganze Theater sparen, wenn Sie ebenfalls bei Stark einzögen und in der Folge nicht jeden Tag durch die Stadt joggten.“

Steve beißt sich auf die Unterlippe. „Ich verstehe, Sir. Ich werde … werde darüber nachdenken.“

Damit wendet er sich ab und geht auf sein Zimmer zurück.

Natasha sitzt in der Küche, einsam und verlassen. Es ist neun Uhr vorbei. Sie muss zugeben, dass sie ein wenig enttäuscht ist.

Tony hat seit letzter Nacht seine Werkstatt nicht verlassen. Bruce ist in seinem Labor.

Clint hat das Geschehen des vergangenen Abends zum Anlass genommen, sich in sein Zimmer zurückzuziehen und zu schmollen. Und wahrscheinlich Cello zu spielen.

Nicht einmal Captain Rogers ist da, um sie zu unterhalten - dabei ist gerade die scheue Nervosität, mit der er ihr begegnet, so unglaublich unterhaltsam.

Natasha seufzt. Sie will einen Kaffee. Sie will Frühstück. Aber vor allem will sie - und sie hätte nie gedacht, dass ihr das mal passieren würde - Gesellschaft.

Den Kaffee würde sie vermutlich allein hinbekommen - selbst wenn Tony und Bruce die Einzigen sind, die wirklich mit der Kaffeemaschine umzugehen wissen. Und Starks Kühlschrank ist voll genug, um ein kleines Regiment zu versorgen. Aber Gesellschaft, dessen ist Natasha sich nur allzu bewusst, wird sie allein nicht kreieren können.

Sie hat eben den Entschluss gefasst, das Frühstück komplett ausfallen zu lassen und stattdessen Starks Fitnessanlage einen Besuch abzustatten, als Tony plötzlich in der Küche steht - schmutzig und übermüdet und sichtlich verwirrt.

„Wieso ist hier keiner?“ erkundigt er sich perplex.

Natasha hebt eine aussagekräftige Augenbraue.

„Abgesehen von dir, selbstverständlich“, korrigiert er sich hastig.

Er dreht sich um die eigene Achse. „Seid ihr schon fertig mit Frühstücken? Ich hab JARVIS gesagt, er soll mir Bescheid sagen, wenn Steve kommt!“

„Steve ist nicht gekommen“, klärt Natasha ihn auf. „Es gab kein Frühstück.“

Tony starrt sie eulenhaft an. „Kein Steve? Kein Frühstück? Aber das ist Tradition!“

Er verengt leicht die Augen. „Wo sind Bruce und Clint?“

Master Bruce ist in seinem Labor, meldet JARVIS sich zu Wort, und Agent Barton auf seinem Zimmer.

Tony stemmt die Hände in die Hüften. Natasha kommt nicht umhin, festzustellen, dass er schrecklich müde aussieht.

„Mischen wir uns ein?“ fragt er dann, und sie kann nicht anders, als ihn anstarren. Er klingt so unsicher. Schlimmer noch, er weiß, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dabei sind seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten praktisch nicht existent.

„Wir mischen uns ein“, beschließt sie, und ihr Tonfall ist offenbar fest genug, um auch Tony zu überzeugen.

Er nickt. „Du Clint, ich Bruce?“

„Das klingt überraschend vernünftig.“

Bruce stirbt beinahe vor Schreck, als Tony plötzlich vor ihm steht.

„Die Tür war verriegelt!“

„Und JARVIS hat sie für mich entriegelt, komm damit klar. Was machst du hier unten?“

„Wonach sieht es denn aus?“

„Also, wenn du schon so fragst - für mich sieht es so aus, als würdest du dich verstecken.“

„Ich verstecke mich nicht. Ich experimentiere.“

„Mit Kartoffeln?“

„Du wärst überrascht, wie sie auf Gammastrahlung reagieren.“

„Da bin ich mir sicher. Komm mit rauf, frühstücken.“

„Nein.“

„Doch.“

„Nein, Tony.“

„Doch, Bruce. Lass mich dich daran erinnern, dass du Wert auf einen vernünftigen Tagesablauf und geregelte Malzeiten legst.“

„Dessen bin ich mir bewusst, aber ich bin hier noch nicht - lässt du mich wohl los!“

„Nein!“

„Es ist keine 24 Stunden her, dass ich die Kontrolle verloren habe, Tony!“

„Schwachsinn!“

„Ach? Hast du dir die Videoaufnahmen noch nicht angesehen? Das kann ich mir kaum vorstellen, wenn ich ehrlich sein soll. Ist dir das große grüne Ding entgangen, das -“

„Das Barton das Leben gerettet hat? Nein, ist mir nicht entgangen. Und du hast nicht die Kontrolle verloren, mein lieber Bruce, du hast sie abgegeben. Damit das große grüne Ding, das wir so liebevoll unseren Hulk nennen, ihn auffangen konnte. Kommst du jetzt bitte mit Frühstücken?“

„… Nur, wenn du mir versprichst, zu duschen, ehe du dich mit uns an den Tisch setzt. Was hast du bitteschön in deiner Werkstatt getrieben, dass du so aussiehst?“

„Kann ich dir alles beim Frühstück erzählen.“

Als Tony und Bruce die Küche betreten, sind Clint und Natasha schon da. Clint sieht ein wenig mitgenommen aus - einerseits, als habe er die halbe Nacht nicht geschlafen, andererseits, als habe ihn in den letzten fünf Minuten jemand den Flur entlang gescheucht. Mit einer Peitsche.

Tony marschiert sofort an seine Kaffeemaschine heran. Bruce bleibt unentschlossen in der Tür stehen.

Natasha verpasst Clint einen liebevollen Tritt.

„Aua! Verdammt, Tasha, hör auf damit!“

„Guten Morgen, Bruce“, sagt Natasha betont. Bruce nickt ihr zu, schrecklich unsicher, wie sie findet.

Er blickt sich um. „Ist Steve gar nicht da?“

An der Kaffeemaschine lässt Tony seine Schultern hängen. „Offenbar nicht.“

„Vermutlich muss er Fury einen Bericht abgeben, wegen … gestern“, sagt Bruce leise, und Clint, der eben noch damit beschäftigt war, seine schmerzende Hüfte zu reiben, zuckt praktisch zusammen.

„Ich muss mich noch bei dir entschuldigen“, sagt er heiser.

Natasha studiert plötzlich mit auffallendem Interesse ihre Fingernägel. Tony hat sich wohl noch nie so sehr darauf konzentriert, Milch aufzuschäumen.

„Was?“ sagt Bruce, und er klingt so … zerbrechlich.

Natasha muss einen Moment die Augen schließen. Sie ist nicht sonderlich überrascht, dass Clint kreidebleich ist und aussieht, als müsse er sich gleich übergeben, als sie sie wieder aufschlägt. Dabei war er nicht mal dabei, als Bruce von seinem Selbstmordversuch erzählt hat.

Bruce steht noch immer in der Tür, aber er macht sich plötzlich gerade, und seine Haltung gewinnt nicht nur an Spannung, er gewinnt derartig an Präsenz, dass es Natasha eine Gänsehaut verursacht. Sie versucht nicht einmal, ihre Bewunderung für diesen Mann zu unterdrücken.

„Du hattest einen Alptraum“, sagt er fest, und hebt eine Hand, als Clint widersprechen will. „Einen Alptraum“, wiederholt er ruhig. „Und wenn ich mich nicht völlig irre, dann hast du all deine Termine mit dem Psych Department bisher höchst stoisch ignoriert. Wenn überhaupt, dann werfe ich dir das vor. Aber sonst nicht das Geringste.“

Damit kommt er an den Tisch heran, lässt sich zwischen Clint und Natasha auf seinen üblichen Stuhl sinken. Natasha beobachtet mit plötzlich aufwallender Zuneigung, wie Clint unbewusst seine Haltung verändert und sich ihm - äußerst passend - zuneigt.

Tony stellt prompt eine Tasse Kaffee vor ihr ab, dann wendet er sich wieder der Küchenzeile zu und der Kaffeeparade, die er darauf aufgereiht hat.

„Verdammt“, sagt er verwirrt.

„Was ist denn jetzt?“ erkundigt Bruce sich mit einem Hauch Amüsement in den Augen.

„Ich hab einen Kaffee zu viel gemacht“, erklärt Tony, und er klingt ein wenig verloren.

„Man kann nie zu viel Kaffee haben, Tony“, beruhigt Bruce ihn sanft. Aber seine Stirn ist gerunzelt, und Natasha ahnt, dass auch er Steves Abwesenheit zumindest ein wenig verdächtig findet.

Nach dem Frühstück verschwindet Tony sofort wieder in seine Werkstatt. Bruce, Natasha und Clint bleiben am Frühstückstisch zurück.

Bruce räuspert sich verhalten.

Natasha stochert mit einem ihrer Messer in ihrem Obstsalat herum.

Clint scheint im Sitzen eingeschlafen zu sein.

Bruce räuspert sich ein weiteres Mal.

Er weiß nicht recht, was er sagen soll.

Er würde die allgemeine Aufmerksamkeit gern darauf lenken, dass Tony seit bestimmt 24 Stunden nicht geschlafen hat. Er würde Clint gern darauf ansprechen, dass er nicht viel besser aussieht als Tony, was das Schlafdefizit angeht. Er würde Natasha gern darum bitten, demnächst keine Waffen mehr mit an den Frühstückstisch zu bringen.

Aber er ist sich ziemlich sicher, dass Clint und Natasha bereits wissen, dass Tony nicht geschlafen hat, dass Tony niemals schläft, dass Mister Stark schlicht keinen Schlaf braucht.

Er geht außerdem davon aus, dass Clint wieder vor ihm weglaufen wird, sollte er versuchen, mit ihm über irgendwas zu reden.

Und Natasha irgendwelche Vorschriften machen zu wollen … Erstens ist es Tonys Haus, und zweitens ist Bruce hier nicht der Kindergärtner.

Er seufzt und fängt an, den Tisch abzuräumen.

Überraschender Weise ist Clint praktisch sofort auf den Beinen und hilft ihm.

„Ich dachte, du schläfst“, entfährt es Bruce überrascht, und Clint schenkt ihm ein Grinsen. Ein ehrliches, aufrichtiges, unverschämtes Grinsen. „Ein Fehler, den viel zu viele Menschen machen.“

Bruce schnaubt, und Clint stößt ihn mit der Schulter an. „Kannst du gleich mal nach Elvira gucken? Sie hat heute früh irgendwie anders ausgesehen.“

„Sicher“, sagt Bruce sofort, und geht mit Clint auf sein Zimmer, sobald sie damit fertig sind, den Tisch abzuräumen.

Elvira fehlt nicht das Geringste, wie sich herausstellt. Deswegen sieht sie auch so anders aus.

„Sie hat sich an ihr neues Zuhause gewöhnt“, erklärt Bruce einem verständnislosen Clint. „Und ich nehme an, dass der Dünger, den ich ihr gemacht habe, geholfen hat. Was du hier vor dir siehst, ist eine gesunde, glückliche Pflanze. Du solltest darüber nachdenken, ihr einen größeren Topf zu kaufen.“

Clint steht neben ihm und starrt auf Elviras Platz auf der Fensterbank hinab, als könne er nicht prozessieren, was Bruce zu ihm gesagt hat.

„Sie ist glücklich?“ wiederholt er dann mit ungläubigem Unterton, und Bruce tätschelt ihm die Schulter und unterdrückt sämtliche wuterfüllte Bedürfnisse, die Menschen in Clints Vergangenheit ausfindig zu machen, die ihn daran haben zweifeln lassen, dass so was möglich ist.

„Sie ist sehr glücklich, Clint. Und wieso auch nicht? Du kümmerst dich gut um sie, sie bekommt so viel Sonne, wie sie nur träumen kann …“

Clint sieht fürchterlich verloren aus.

Bruce beobachtet besorgt, wie er die Hände zu Fäusten ballt.

„Denkst du, Tony nimmt es mir übel, wenn ich das Cello in seinem Musikzimmer ausprobiere?“

Die Frage bringt Bruce völlig aus dem Gleichgewicht, wenn auch nur, weil sie so unsinnig ist. „Wieso sollte er?“

„Es ist ein teures Cello.“

„Ich bin mir völlig sicher, dass er es dir nicht im Geringsten übel nehmen würde, wenn du es ausprobierst, Clint.“

„Wirklich?“

„Ich verspreche es dir.“

„… Willst du zuhören?“

Es verschlägt Bruce für einen Moment den Atem. „Darf ich?“

Clint nickt, langsam und bedächtig. „Ich möchte, dass du zuhörst.“

Das Musikzimmer ist gigantisch. Es ist vermutlich dafür vorgesehen, dass es waschechte Konzerte beherbergt - nicht armselige kleine Scharfschützen mit einem Cello-Fetisch.

Clint beschließt, dass es ihm egal ist.

Er zieht sich einen Stuhl in die Mitte des Raumes, während Bruce sich einen Platz am Fenster sucht, mit dem Rücken zur Sonne.

Clint kann nicht genau sagen, warum er ihn gebeten hat, ihm beim Spielen zuzuhören. Für gewöhnlich mag er es nicht, wenn ihm jemand zuhört.

Aber Bruce … Bruce hat ihm das Leben gerettet. Bruce hilft ihm mit Elvira. Bruce versteckt ihn vor Steve und Tony. Vermutlich wider besseren Wissens. Und Gewissens.

Bruce ist anders. Auf die gute Art.

Also trägt Clint den Cello-Koffer zu dem Stuhl in der Mitte des Zimmers, legt ihn vorsichtig hin und kniet sich davor. Seine Hände zittern ein bisschen, als er ihn aufmacht.

Gott, das Cello ist fabelhaft. Es muss Tony ein kleines Vermögen gekostet haben.

Clint lässt seine Fingerspitzen über die Saiten streichen, über das glänzende, dunkle Holz. Erinnerungen an Phil fluten sein Bewusstsein, ohne dass er etwas dagegen tun kann. Er versucht nicht, sie zu unterdrücken.

Phil hat ihn von der Straße geholt, mehr oder weniger. Eher weniger, zugegeben. Denn Clint hat nicht auf der Straße gelebt, er hat in billigen Motels gelebt. Er hat die Aufträge angenommen, die sich ihm geboten haben. Da er ein eigenbrötlerischer Kerl mit einer hundertprozentigen Trefferquote war, waren das meistens Aufträge, jemanden umzubringen.

Clint nimmt das Cello zur Hand, ganz sanft, nimmt es aus seinem Koffer und hält es einen Moment lang einfach nur fest, beobachtet, wie das durchs Fenster einfallende Sonnenlicht über es hinweg streicht.

Phil hat ihn ausfindig gemacht. Stand plötzlich in seinem billigen Motelzimmer, ohne Vorwarnung, war plötzlich einfach da.

Clint hat ihn angegriffen. Mit bloßen Händen. Ihm ist bis heute nicht klar, warum er nicht nach der Magnum unter seinem Kopfkissen gegriffen hat. Aber er hat nicht. Hat Phil nicht auf Abstand gehalten, hat sich nicht damit aufgehalten, ihn zu bedrohen, hat ihn nicht gefragt, was er will - ist sofort auf ihn los.

Und Phil.

Phil hat ihn fertig gemacht.

Clint setzt sich auf den Stuhl, platziert das Cello zwischen seinen Knien, nimmt den Bogen zur Hand.

Keine zwei Minuten, und Clint lag auf dem Bauch, unter Coulson, die Beine gespreizt, beide Hände über seinem Kopf in einem stahlharten Griff auf den Boden gepresst. (Eine Haltung, die Clint in den kommenden Jahren endloses Futter für schmutzige Phantasien liefern sollte.)

Und dann … Phils Stimme. Clint ist sich völlig sicher, hätte er Phil genug Zeit gelassen, ihn anzusprechen … Clint hätte ihn nicht angegriffen. Niemals.

„Beruhigen Sie sich, Barton, ich will Ihnen nichts Böses.“

Clint hat ihm geglaubt. Nicht bewusst. Aber die Spannung in seinem Körper hat nachgelassen. Er hat aufgehört, zu versuchen, sich gegen den Griff um seine Handgelenke zu wehren, hat aufgehört, sich gegen den Körper über ihm zu pressen.

Phil hat ihn trotzdem nicht losgelassen, hat über ihm verharrt, ruhig und unbedrohlich, aber er hat ihn nicht losgelassen.

Clint muss unbewusst lächeln. Phil war nie leichtsinnig, nie voreilig.

„Was wollen Sie von mir?“ hat Clint ihn gefragt - atemlos und beschämt und vielleicht sogar ein bisschen erregt. Gott, er hätte abhauen sollen, sobald sich die erste Gelegenheit ergeben hat.

„Ich will Sie rekrutieren“, hat Phil geantwortet.

„Rekrutieren? Für was?“

Clint fängt an zu spielen. Die Melodie ist traurig, so traurig, und Clint hat nie begriffen, wieso sie Phil so gut gefallen hat. Aber jetzt versteht er, und er kann nicht fassen, dass er so lange dafür gebraucht hat.

Es ist nicht so, als habe er sich noch nie allein gefühlt - als habe er noch nie jemanden verloren, den er … liebt.

Wenn es nicht Phil gewesen wäre … wenn sie jemand anderen geschickt hätten … SHIELD bringt Leute um. Wenn es nicht anders geht. Aber wenn es auch nur die geringste Chance gibt, ein Problem zu lösen, ohne dass jemand sterben muss, dann wird SHIELD diesen Weg gehen, völlig egal, wie lang, umständlich oder kompliziert dieser Weg auch immer sein mag.

SHIELD beschützt Leute.

Clint hätte nie gedacht, dass er jemals Teil einer Organisation sein würde, die Leben schätzt, Leben schützt. Er hätte nie gedacht, dass er jemals wieder Teil von irgendwas sein würde. Er hatte sich damit abgefunden allein zu sein.

Bis Phil -

Ein Geräusch lässt Clint zusammenzucken, und er braucht einen Moment, ehe er realisiert, dass es ein Schluchzen ist. Sein eigenes.

Er weiß nicht, wann er die Augen geschlossen hat, aber als er sie öffnet, kniet Bruce vor ihm am Boden. „Clint. Lass los.“

Clint presst die Augen wieder zu und schüttelt den Kopf, aber er lässt zu, dass Bruce ihm den Bogen aus den Fingern zieht, lässt sich das Cello aus der Hand nehmen.

Seine Wangen sind nass. Schluchzer schütteln seinen ganzen Körper. Als er die Augen wieder aufschlägt kann er vor Tränen praktisch nichts sehen.

Gott, er ist ein Wrack.

Er reibt sich mit dem Handrücken über die Wangen, aber es bringt nichts, denn er kann nicht aufhören, kann einfach nicht aufhören zu weinen.

Er sieht Bruce dabei zu, wie er das Cello zurück in seinen Koffer legt, und er rechnet damit, dass Bruce aufsteht und geht, nachdem er den Koffer verschlossen hat. Aber er geht nicht.

Bruce bleibt vor Clint am Boden knien, blickt zu ihm auf, und Clint ist in gewisser Hinsicht froh, dass er nicht wirklich ausmachen kann, wie Bruce ihn ansieht.

„Komm her“, sagt Bruce dann leise, legt eine Hand an seine Schulter und zieht, und -

„Nein“, schluchzt Clint verzweifelt, „nein, nein …“

Aber er hat nicht die Kraft, sich zu wehren, also rutscht er nach vorn, gegen Bruce. Lässt sich umarmen.

Aber er erwidert die Umarmung nicht, er kann sie nicht erwidern, weil er sie nicht wert ist, weil er -

„Es ist ok“, sagt Bruce an seinem Ohr, und Clint schluchzt laut auf und krallt sich an ihn, presst sein Gesicht an Bruces Halsbeuge und weint.

Bruce hält ihn fest.

Bruce hält ihn fest, und er fühlt sich warm an und sicher, und dann fängt er an, Clint über den Rücken zu reiben, und -

„Er fehlt mir “, schluchzt Clint gegen seinen Hals. „Er fehlt mir so.“

„Ich weiß“, erwidert Bruce, streicht ihm über den Kopf, streicht ihm durchs Haar. „Ich weiß.“

Clint kann sich nicht erinnern, wann er zuletzt so gehalten worden ist.

Vermutlich noch nie.

TEIL 7

fandom: avengers, autor: uena

Previous post Next post
Up