Team: Juliet
Challenge: Reverse Challenges - Todesfall (fürs Team)
Rating: gen
Fandom: Tatort Wien
Charaktere/Pairings: Moritz Eisner, Ernst Rauter
Notes: [Tatort aber es gibt Magie AU, Teil 9] Langsam beginnt sich herauszukristallisieren, warum Moritz' Intuition möglicherweise die ganze Situation angestoßen hat.
Teil 1,
Teil 2,
Teil 3,
Teil 4,
Teil 5,
Teil 6,
Teil 7,
Teil 8 ***
Es war nur ein Wort, eine einzige kurze Silbe, aber zum ersten Mal seit… zum ersten Mal seitdem hatte Ernstl es geschafft, genau das zu sagen, was er beabsichtigte. Moritz drückte noch einmal Ernstls Schulter, dann begann er, die losen Blätter vom Boden aufzusammeln, die im ganzen Arbeitszimmer verteilt waren.
Ah, da war eins, das Ernstl mit seiner eigenen Unterschrift gefüllt hatte. Ein bisschen krumm und unsicher sahen die aus, aber ansonsten gar nicht übel. Vielleicht war es ja das, was er eben getan hatte. Er reichte das Blatt an seinen Freund weiter, der ein frustriertes Geräusch machte und es zusammenknüllte, bevor er versuchte, es quer durchs Zimmer zu werfen. Stattdessen traf er damit jedoch Moritz' Schulter.
Einen Moment jonglierte er, bis er das Papierknäuel zu fassen bekam und lachte, "Hey, kein Grund, mich gleich abzuschießen. Außerdem find ich, die sehen gar ned so schlecht aus. Da, schau."
Er reichte Ernstl ein zweites Blatt, das offensichlich noch frühere Versuche enthielt. Diese hier waren zittrig und unregelmäßig, manche völlig falsch, manche sogar spiegelverkehrt.
"Is doch schon viel besser geworden."
Ernstl inspizierte die älteren Unterschriften mit zusammengezogenen Augenbrauen und neigte schließlich bestätigend den Kopf. "Hnn."
Moritz hob das Tablet auf, an dem noch immer die Sprachübungs-App lief und mit einem Mikrofonsymbol auf Eingabe wartete. Wenigstens war dem beim Sturz nichts passiert. Er schaltete es aus und reichte es an Ernstl weiter, der es an seinen Ort zurück legte.
Als nächstes fand Moritz einen massiven und wirklich schweren Briefbeschwerer in Form einer E-Gitarre, den er Ernstl nach einem gemeinsamen Konzertbesuch vor vielen Jahren geschenkt hatte. Gott, das war echt ewig her. Pink Floyd, irgendwann in den späten Achzigern. Das Ding hatte er damals eigentlich als Scherz gekauft - er hätte nie geahnt, dass Ernstl den behalten hatte. Bestimmt war es der Briefbeschwerer, der eben so laut gerumpelt hatte. Darunter kam ein kleiner Stapel aus geöffneten Briefen zum Vorschein. Na ja, geöffnet bis auf einen. Er legte die Briefe und den Beschwerer auf den Schreibtisch und reichte den geschlossenen Umschlag an Ernstl weiter.
"Da, schau mal. Hast noch einen ungeöffneten Brief vom Ministerium."
Ernstl machte ein erstauntes Geräusch und zog von irgendwo einen Brieföffner hervor. Der Anblick versetzte Moritz' Herz einen schmerzhaften Stich. Der glänzende Brieföffner erinnerte ihn an das lange, schmale Messer und daran, wie er hilflos zusehen musste, wie es Stück für Stück in Ernstls Brust verschwand. Er schauderte und wandte seinen Blick ab.
Papier raschelte und Moritz wollte sich gerade wieder dem restlichen Zeug zuwenden, das am Boden lag, als Ernstl in lautes Gelächter ausbrach.
"Was jetzt?" Was konnte denn an einem Brief vom Ministerium so lustig sein?
Ernstl schüttelte sich vor Lachen und streckte Moritz den Brief hin.
Er begann zu lesen. "Versetzung in den Ruhestand. Wow, das ging schnell. Is doch erst eine Woche-"
"Ngah! Ngah!" rief Ernstl und riss ihm den Brief aus der Hand. Mit einem Finger piekste er so energisch auf das Papier, dass Moritz es schon reißen sah. Was wollte er…?
"Zeig mal." Er griff nach Ernstls Hand und umschloss sie mit seiner, damit er einen Moment mit Zappeln aufhörte.
Oh. Er zeigte auf das Datum. Der Brief war datiert auf den Tag, bevor es passiert war. Den Tag vor Ernstls Tod.
Er blinzelte verdutzt. So einen Zufall konnte es nicht geben, oder? Eine seltsame Ahnung beschlich ihn.
"Du hättest das ned abgelehnt, oder? Ernstl?"
Der hatte sich ein Stück vorgebeugt, um den Brief weiter zu lesen, während Moritz seine Hand noch festhielt. Sein Schulterzucken war Antwort genug.
"Mann, du Idiot. Das is doch deppert. Du bist achtundsechzig, wolltest du echt warten, bis sie mit der Zwangsjacke kommen, um dich zu holen?"
Überrascht sah Ernstl zu ihm hoch. "Ehh?"
Moritz seufzte. "Hast du selber damals gesagt, als sie dich vorzeitig in Ruhestand schicken wollten. Das war vor zehn Jahren, wohlgemerkt. Da hast gemeint, du bleibst da, bis sie dich in einer Zwangsjacke wegschaffen." Er zuckte die Schultern. "Is mir halt im Gedächtnis geblieben."
Mit nachdenklichem Blick begann Ernstl, sich zurückzulehnen und Moritz ließ endlich seine Hand los. Einen Moment lang hingen sie beide ihren Gedanken nach, bis sie sich wieder ansahen. Ernstl hob eine Augenbraue und machte eine vage Geste in seine Richtung und Moritz spürte seine Magie arbeiten. Natürlich war sein Freund auf den gleichen Gedanken gekommen.
"Scheiße, Ernstl. Das wär a verdammt extreme Art, dich zu zwingen, mal eine Pause einzulegen."
"Hnnng," sagte Ernstl nachdenklich, bevor er sich abwandte und eine lange Schublade unter seinem Schreibtisch öffnete.
Unter einem Stapel Dokumente zog er einen schmalen Ordner hervor. Moritz konnte nicht erkennen, was auf dem obersten Blatt stand, da Ernstl den Ordner so aufklappte, dass er den Inhalt versteckte. Einen Moment lang schien Ernstl zu überlegen, bis er eine Hand auf das Dokument legte und den Ordner so drehte, dass Moritz es ansehen konnte.
Es war ein altes Dokument vom Ministerium, ein Brief, oder vielleicht ein Vertrag. Oben stand Ernstls Name und die Adresse, an der er noch wohnte, als Moritz ihn kennengelernt hatte. Darunter der fettgedruckte Betreff des Dokuments. Der Rest war von Ernstls Hand verdeckt, aber mehr brauchte Moritz auch nicht sehen.
Verpflichtung auf Lebenszeit
Oh.
Natürlich.
Die Zwangsverpflichtung der Blutmagier, deren Abschaffung Österreich vor einigen Jahren so vehement verweigert hatte, dass die EU sogar Sanktionen verhängt hatte. Nachdem Major Bergmann ihnen erzählte, sie hätte den Todesfall aktiviert, hatte Moritz nicht mehr weiter im Detail darüber nachgedacht, was genau das für Ernstl bedeuten würde. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, dass sein Freund damals der wahre Fokus dieser Streitereien gewesen war.
Moritz hatte die Berufsgruppenverpflichtung für Magier nicht gestört, er hatte immer zur Polizei gewollt und obwohl er theoretisch nach zwanzig Jahren seine Arbeit hätte frei wählen können… Aber das war jetzt egal, innerhalb der EU war sie inzwischen abgeschafft und für ihn selbst eh noch nie relevant.
Nur Ernstl… Der wäre bis zum Lebensende an seine Verpflichtung gebunden gewesen.
Und jetzt war er frei.
Da war nur eins…
Ihre Blicke trafen sich und er wusste, dass sie das Gleiche dachten.
"Mmmeeh," begann Ernstl, seine Augen verdächtig feucht. "Mm. Mi. Hrrr. Mmmimi?"
Moritz trat an ihn heran und zog ihn in eine Umarmung.
"Die Bibi is stark. Die kann nix umhaun."
Sein Freund schüttelte den Kopf, aber protestierte nicht weiter. Er hielt Ernstl fest und der ihn. Ja, Bibi war stark, aber es hatte sie umgehauen. Unbeschadet war sie aus der Sache nicht herausgekommen, denn ein Herzstillstand mit anschließender Wiederbelebung ging nicht einfach spurlos an jemandem vorbei. Nicht mal an Bibi.
Trotzdem wusste er genauso wie Ernstl, wie Bibi entschieden hätte, hätte man sie vor die Wahl gestellt.
Ernstl, Bibi und er selbst - sie waren einander loyal, und sie würden füreinander alles tun.
Sogar sterben.